Blutgold (eBook)

Syndicat Berlin
eBook Download: EPUB
2022 | 1. Auflage
400 Seiten
Aufbau Verlag
978-3-8412-2800-0 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Blutgold -  Michael Jensen
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Legendär und kriminell.

Berlin nach dem Ersten Weltkrieg. Glücksspiel, illegale Wetten, kleinere Diebstähle - so sehen die Geschäfte der Brüder Sass aus. Doch dann gerät ihre ganze Familie ins Visier der Polizei, als Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht ermordet werden. Die Ermittlungen drohen für sie in einer Katastrophe zu enden. Bis ihre verschollen geglaubte Tante Antonia auftaucht und das Heft in die Hand nimmt. Mir ihrer Hilfe gelingt es den Brüdern Sass nicht nur, vorerst den Kopf aus der Schlinge zu ziehen - ihnen steht auch ein einzigartiger krimineller Aufstieg bevor, der nicht nur die Polizei, sondern auch mächtige Neider auf den Plan ruft ... 

Packend und nach wahren Begebenheiten erzählt - wie die Verbrecherbande Sass ganz Berlin in Aufruhr versetzt.



Michael Jensen wurde im Norden Schleswig-Holsteins geboren. Er lebt mit seiner Familie in Hamburg und Flensburg. Im Hauptberuf ist er als Arzt und Therapeut tätig. Für sein literarisches Schreiben hat er ein Pseudonym gewählt. Der Roman »Blutgold« ist der Auftakt einer Serie über die Brüder Sass. Im Aufbau Taschenbuch sind seine Kriminalromane »Totenland«, »Totenwelt« und »Totenreich« lieferbar. Mehr zum Autor unter https://www.autor-jensen.de

PROLOG


Berlin-Zeitungsviertel, Oktober 1918

Auf dem Schreibtisch lagen Zahnstocher. Wenn er unruhig war, liebte Ludwig Uhlfeldt es, damit Mikado zu spielen. Oder er legte Figuren und Muster auf die dunkelgrüne Ledereinlage des ramponierten Biedermeierstücks. Die Abendsonne hatte sich bereits zwischen den Häuserschluchten verabschiedet. Und natürlich warfen die elektrischen Lampen längst ihr totes Licht in den Raum; er hasste den dunklen Winter. Ludwig Uhlfeldt war Verleger mit Leib und Seele. Der Beruf hatte ihm zwar ein Magenleiden eingebracht. Und eine Fülle schlechter Manuskripte. Aber trotz aller Unbill schien für ihn klar: Das Zeitalter des Buchs war endlich angebrochen. Nicht mehr nur edle Folianten in den Klosterbibliotheken; nicht die ledernen Schmuckausgaben des Bildungsbürgers. Nein, das Buch wurde nun den Massen zugänglich; einfach und schnörkellos wie die Menschen in ihren stickigen Arbeiterwohnungen. Der Werther für neunzig Pfennige. Und Glaßbrenners Berlin wie es ist für vier Groschen. Uhlfeldt war überzeugt, Büchern stand bevor, was die Zeitungen bereits geschafft hatten. Sie wurden Massenware. Und sie würden Speerspitze sein gegen die Dummheit, gegen die Jahrhunderte der Unterdrückung und inneren Verkrustung.

»Ludwig, die Ditzen-Fahne ist noch nicht zurück«, rief eine Stimme über den Flur.

Uhlfeldt schrak aus seinen Tagträumen und stach sich eine dieser winzigen Holzlanzen in den Finger. Es war das Schicksal der kleineren Unternehmer, dass sie sich um alles selbst kümmern mussten. Vom Ersatz der Glühfäden in den Gaslampen bis zum Vertrieb der Bücher in den Buchhandlungen, überall hatte Ludwig Uhlfeldt mitzuwirken. Er zog den Splitter aus der Daumenkuppe und fluchte leise. Ein winziger Tropfen Blut bildete sich dort.

»Schick diesem Nichtsnutz von Autor einen Botenjungen«, erwiderte er. »Wenn das Buch nicht morgen um acht auf meinem Schreibtisch liegt, kann er seine Texte auf dem Jahrmarkt verkaufen.«

Ditzen war einer seiner Hoffnungsträger. Jung und ohne Konventionen, ein Robespierre des Wortes. Uhlfeldt liebte Visionen. Er hatte sein Unternehmen vor einigen Jahren in der Besselstraße aufgebaut, unweit der Imperien von Mosse und Ullstein, mit Blick auf die Friedenssäule am Belle-Alliance-Platz. Für ihn war es ein Omen. Sein Geschäft waren zwar nicht die Zeitungen, nicht das schnell hingeworfene Gegröle des Alltags. Nein, er setzte eher auf das gereifte Wort. Er hatte Kontakte zu jungen Schriftstellern, die darauf brannten, veröffentlicht zu werden. Er stand in Verbindung mit Karl Kraus, und vielleicht würde dieser obskure Gottfried Benn einen Titel mit ihm machen. Und Rudolf Ditzen wollte er zum Hausautoren aufbauen. Vielleicht war der Mann ja eine große Entdeckung. Denn gerade jetzt brauchten alle ein Fanal, ein Zeichen, das den Neubeginn ankündigte. Die Geister der alten Zeit mussten ausgetrieben, das Denken musste befreit werden. Und nun gab es auch noch beunruhigende Nachrichten von der Front. Die Einheiten waren müde, der Nachschub stockte. Der Krieg war verloren, hieß es. Uhlfeldt war kein flammender Patriot, aber der Gedanke an eine Niederlage des Vaterlands schmerzte ihn doch. Es lag Ärger in der Luft. Vieles würde sich ändern. Ein Journalist hatte mit ihm über eine mögliche Rebellion der Truppe gesprochen, vielleicht sogar eine Revolution im Volke.

Wir müssen dem Kaiser ja nicht gleich den Kopf abschlagen, dachte Uhlfeldt. Es reicht, wenn er seine Macht an den Reichstag abgibt. Blutige Verhältnisse wie nach der Oktoberrevolution in Russland im letzten Jahr wollte hier niemand. Es waren schon so genügend Bolschewisten in der Stadt. Nein, die Deutschen würden wieder »ordentlich und gemäßigt revolutionieren«, wie es 1848 geheißen hatte.

Uhlfeldt waren vor drei Wochen heikle Unterlagen zugespielt worden. Darin gab es Beweise für eine Verschwörung rechtsnationaler Kreise gegen alle Formen demokratischer Mitbestimmung. Heimlich hatten diese Kräfte Truppenverbände in die Großstädte des Kaiserreichs beordert und verlässliche Reserveeinheiten mobilisiert. Das Ganze war hochbrisant und gefährlich. Ludwig Uhlfeldt plante deshalb, morgen mit dem Mittagszug nach Leipzig zu fahren. Bei seiner Schwester war er aus der Schusslinie und konnte in Ruhe die Dokumente sichten. Vielleicht konnte er auch schon mit seinem eigenen Buch beginnen. Mit solchen Enthüllungen machte man sich schnell einen Namen. Und sein Verlag konnte ein wenig mehr Aufmerksamkeit gebrauchen. Aber man erwarb sich eben auch Feinde.

»Ich gehe noch in die Druckerei und mache dann Feierabend. Kannst später abschließen, Heinrich«, rief er seinem Mitarbeiter im Nebenzimmer zu. »Und denk dran, morgen bin ich nur bis zwölf im Haus.«

Seinen Reisekoffer hatte er bereits am Anhalter Bahnhof in Verwahrung gegeben. Auf diese Weise war er morgen Vormittag nicht durch Gepäck behindert. Zumindest redete er sich ein, dass dies der Grund dafür war, dass er schon vor drei Tagen ein Schließfach gemietet hatte. In Wahrheit jedoch hatte er einen gehörigen Respekt vor diesen geheimen Dokumenten. Sie beunruhigten ihn auf unerklärliche Weise. Und er hatte sie deshalb gleich mit ins Schließfach gelegt. In Leipzig konnte er sich wieder darum kümmern.

Sein Weg führte ihn tatsächlich zunächst in das Erdgeschoss. Die Druckmaschinen und das Papier waren derart schwer, dass sie bei den Verlagen fast immer in den unteren Räumen untergebracht waren. Eigentlich war der Verlag zu klein, um sich eine eigene Druckerei zu leisten. Aber Uhlfeldt stand der Sinn nach Höherem. Er wusste, binnen Jahresfrist musste ein großer Erfolg her, sonst würde ihn die Bank pfänden.

Der Geruch von Druckerfarbe lag in der Luft. Das Klackern der Bleilettern wirkte in den ersten Minuten beruhigend, dann aber nervtötend. Er fragte sich, wie die Setzer ihre Arbeit den ganzen Tag verrichten konnten, ohne den Verstand zu verlieren. In einem abgetrennten Bereich weiter hinten versah die Schneidemaschine ihr Werk. Jeden Tag wurden dort mehrere Eimer Papierstaub zusammengefegt. Schließlich wurde alles noch geleimt und gebunden. Und irgendwann nach all diesen Tätigkeiten lag das erste Exemplar auf Uhlfeldts Schreibtisch.

Mit dem angekündigten Feierabend wurde es für den Verleger allerdings noch nichts. Nach einer kurzen Besprechung mit dem Druckleiter – sie hielten sich mit ein paar Werbedrucken über Wasser – machte er sich auf den Weg zum Lehrter Bahnhof. Kurz überlegte er, ob er eine Droschke oder ein Automobil nehmen sollte. Aber er hatte noch Zeit, und der Weg Unter den Linden entlang zum Tiergarten und am Reichstag vorbei war an einem milden Oktoberabend belebend. Es hatte in den letzten Wochen einige Demonstrationen in der Stadt gegeben, jetzt hingegen war es ruhig. Er lief zügig in Richtung Reichstag. Die kaiserliche Polizei und das Stadtregiment waren dort vor einigen Tagen nicht zimperlich gewesen und hatten eine Arbeiterversammlung auseinandergetrieben. Die Siegessäule auf dem Kaiserplatz wurde von Gaslampen in gelbliches Licht getaucht. Ihre Spitze verschwand schon im Dunkel der Nacht. Auf der Moltke-Brücke blieb Uhlfeldt stehen. Er blickte kurz zum Gebäudekomplex des Klinikums Charité hinüber und erinnerte sich an das Rezept in seiner Tasche. Er musste unbedingt morgen zum Apotheker. Der Magen und die Gelenke machten ihm Sorgen. Die verdammte Aufregung! Das verdammte Alter! Er riss sich von den Gedanken an seine Beschwerden los und kam wenig später beim Bahnhof an.

»Steig vier, Nachtexpress nach Köln, am dritten Wagen vorn«, hatte sein Kontakt den Treffpunkt am Telefon benannt. Die Sache war ziemlich undurchsichtig. Er hatte vor wenigen Tagen erneut einen Brief erhalten. Schrift und Ausdruck waren anders als bei den ersten Briefen. Der anonyme Absender behauptete, er habe Beweise für Pläne des deutschen Generalstabs, alle linken und liberalen Kräfte im Reich durch Handstreich auszuschalten. Und alles geschähe mit Wissen und Duldung des Kaisers. Entweder kamen diese Andeutungen von einem verwirrten Freidenker. Es geisterten mancherlei abstruse Theorien durch den Blätterwald. Oder es war eine Chance, die für einen Publizisten und Verleger nur einmal im Leben kam. Zusammen mit den anderen Dokumenten konnte Uhlfeldt dann all jene Machenschaften beweisen, die in den Reden einiger SPD-Politiker oder den Artikeln liberaler Zeitungen immer wieder angedeutet wurden.

...

Erscheint lt. Verlag 17.1.2022
Reihe/Serie Die Brüder Sass
Die Brüder Sass
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Historische Romane
Literatur Krimi / Thriller / Horror Krimi / Thriller
Schlagworte Berlin • Berlin Alexanderplatz • Berlin Babylon • Berlin Zwanziger Jahre • Brüder Sass • crime cologne • Ermittlungen • Erster Weltkrieg • Fememord • Freikorps • Freikorps-Brigade • Glücksspiel • Goldene Zwanziger • Hotel Adlon • Karl Liebknecht • Kommissar • Kommunisten • Krimipreis • Mordfall • Nazis • Organisation Consul • Organisierte Kriminalität • Revolution • Rosa • Rosa Luxemburg • Weimarer Republik • Zwanziger
ISBN-10 3-8412-2800-3 / 3841228003
ISBN-13 978-3-8412-2800-0 / 9783841228000
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