John Sinclair 2235 (eBook)
Bastei Lübbe (Verlag)
978-3-7517-1277-4 (ISBN)
Mein Name ist John Conolly!
Ich war Irrenarzt im Middlesex County Asylum und setzte mich für eine humanere Behandlung der Irren ohne mechanische Zwangsmittel ein. Doch dann wurde ich Opfer einer Intrige. Es dauerte ein wenig, bis ich dahinterkam, doch dann war ich mir absolut sicher.
Eine perfide List einer Irren, die sich dem Bösen verschrieben hatte. Doch damit war nun endgültig Schluss. Hier und heute würde es enden ...
Der Spinnenfrau
ins Netz gegangen
(Teil 2 von 2)
von Ian Rolf Hill
Hanwell, 1. November 1839
Mein Name ist John Conolly!
Ich war Irrenarzt im Middlesex County Asylum und setzte mich für eine humanere Behandlung der Patienten ohne mechanische Zwangsmittel ein. Doch dann wurde ich Opfer einer Intrige. Es dauerte ein wenig, bis ich dahinterkam, doch dann war ich mir absolut sicher: Irgendwie war es der wahnsinnigen Margaret gelungen, meinen Assistenten Seymour zu manipulieren.
Zuerst hatte er meinen Vorgänger Doktor William Charles Ellis vergiftet und getötet, und jetzt sollte ich an die Reihe kommen. Was ich zunächst für Seymours Plan gehalten hatte, die Leitung der Anstalt an sich zu reißen, entpuppte sich als perfide List einer Irren, die sich dem Bösen verschrieben hatte.
Doch damit war nun endgültig Schluss. Hier und heute würde es enden.
Ich brauchte die Wahnsinnige nur noch zu töten, so wie es mir die Stimme befohlen hatte.
Die Hand mit dem Messer fuhr hinab, genau auf den ungeschützten Hals der Wahnsinnigen zu, die mit sardonischem Grinsen ihre Zähne entblößte. Das gesunde Auge zuckte unstet von einer Seite zur anderen. Margaret traf nicht einmal Anstalten, sich zu wehren.
Erwartete sie den Tod etwa? Sehnte sie ihn möglicherweise sogar herbei?
Ich weiß nicht, was es war, dass mich zögern ließ, den finalen Stoß anzusetzen, jedenfalls riss ich im letzten Moment den Arm zur Seite, sodass die Klinge dicht neben Margarets Halsschlagader in den Boden hackte. Trotzdem wurde die dünne Haut aufgerissen. Statt eines Stroms aus Blut quoll aber nur ein Rinnsal aus der Wunde.
Die hektischen Bewegungen des Auges stoppten. Unvermittelt heftete sich Margarets Blick auf mich, bohrte sich förmlich in mein Gehirn. Ehe ich es verhindern konnte, umklammerte sie meinen Kopf mit beiden Händen. Ich fürchtete, sie würde mir das Genick brechen. Stattdessen schnellte ihr Oberkörper nach oben.
Und dann spie sie mir, begleitet von einem Schwall abgestandenen, säuerlichen Atems, einen Namen ins Gesicht. »Pollock!«, keuchte sie. »Pollock!«
Einen Lidschlag später erschlaffte sie unter mir, und im selben Augenblick hämmerte es von außen gegen die Tür. Die Wärter hatten längst mitbekommen, dass ich mich nicht mehr im Arbeitszimmer aufhielt. Woher sie allerdings so schnell wussten, dass ich bei Margaret weilte, war mir schleierhaft. Aufschließen konnten sie die Zelle nicht, da der Schlüssel, den ich einem der Wärter abgenommen hatte, von innen im Schloss steckte.
Trotzdem würden sie nicht lange brauchen, um die Tür aufzubrechen.
Schon hörte ich die aufgeregten Rufe von Samuels und Richard sowie Evelyns Schreie und Seymours heisere Befehle. Kurz darauf wurde aus dem Hämmern ein dumpfes Wummern, als sich mehrere Männer gegen die Tür warfen. Schließlich drosch sogar jemand mit einem Vorschlaghammer dagegen. Bis sich ein Spalt in der oberen Hälfte auftat, durch die einer der Wärter eine Brechstange schob.
Ich zuckte wie von der Natter gebissen in die Höhe.
Der brennende Hass auf Margaret war verraucht, obwohl mir selbst nicht so recht bewusst war, weshalb. Kurzzeitig bekam ich den Eindruck, als wäre sie gar nicht so verrückt. Auf die Distanz wirkte der Ausdruck in dem gesunden Auge klar und berechnend.
»Pollock!«
Ich wich bis hinter die Tür zurück. Gerade noch rechtzeitig, denn mit einem Knall zersprang das Schloss, und die Tür schwang auf. Da ich mich in ihrem Schatten aufhielt, entging ich zunächst der Aufmerksamkeit der Wärter, die mit Samuels und Richard an der Spitze in die Zelle stürmten.
Bei Margarets Anblick blieben sie stehen. Ehe sie dazu kamen, sich umzusehen, fuhr die Wahnsinnige mit einem Kreischen, das direkt aus der Hölle zu kommen schien, auf und stürzte sich auf die Männer.
Das war die Ablenkung, die ich brauchte. Schattengleich huschte ich um die Tür herum und sah mich unvermittelt Seymour und Evelyn gegenüber. Ich stieß meinem Assistenten die Fäuste vor die Brust. Er wurde zurückgeschleudert, prallte gegen die Matrone, die ihn noch festzuhalten versuchte, sodass beide zu Boden gingen.
Für mich aber war der Weg frei.
Mit weiten Sätzen ließ ich die Schreie und den Tumult hinter mir, rannte den Gang entlang, bis ich schwer atmend den Ostflügel erreichte, in dem sich die weniger schweren Fälle tummelten.
Die Patienten blieben stehen, lachten oder klatschten in die Hände. Einige wollten mich festhalten, hielten mein Betragen offenbar für einen großen Spaß. Grob stieß ich sie zurück, jagte in die Küche, wo bereits das Mittagessen vorbereitet wurde.
Bei meinem stürmischen Eintreten verstummte das Klappern der Töpfe und Pfannen. Ein halbes Dutzend Augenpaare richtete sich auf mich. Gehetzt sah ich mich um. Rechts von mir lag der Durchgang zum Vorratsraum, wo sich auch die Treppe in den Keller befand.
Bimbo kam die Stufen hinauf. Auf der Schulter einen Sack Kartoffeln, in der Hand eine Öllampe. Seine Augen weiteten sich, als er mich erkannte. Die Treppe war zu schmal, um auszuweichen, und so warf ich mich mit meinem gesamten Körpergewicht gegen ihn. Der Irre wankte, verlor den Halt und segelte rücklings die steinernen Stufen hinab.
Stöhnend blieb er am Fuß der Treppe liegen. Ich kümmerte mich nicht um ihn, ich musste weg, bevor mich Seymour und seine Lakaien erwischten.
Obwohl ich erst seit fünf Monaten im Middlesex County Asylum tätig war, kannte ich den Komplex mittlerweile wie meine Westentasche. Dazu zählte auch der Gewölbekeller, der einem Labyrinth ähnelte. Einem Labyrinth, in dem es von Ratten wimmelte.
Im Schein der Öllaterne sah ich ihre graubraunen Körpern über den staubigen Boden und zwischen den Kartoffelsäcken herumwuseln. Ihre nackten Schwänze leuchteten wie fingerdicke Würmer. Von Grauen geschüttelt passierte ich den Vorratskeller und erreichte den hinteren Teil des Gewölbes, der nicht mehr genutzt wurde.
Steine und Geröll lagen auf dem Boden der Katakomben, die sich zu einem kaum schulterbreiten Korridor verschmälerten, der wiederum vor einer morschen Holztür endete. Sie war so dick mit Spinnweben behangen, dass es aussah, als hätte jemand alte Lappen darüber gehängt.
Ich zerrte die Tür auf, die mir entgegen kippte. Spinnen wuselten zwischen den brüchigen Latten hervor und huschten auf der Flucht vor dem Licht über das morsche Holz. Moderig riechende Luft schlug mir ins Gesicht. Unwillkürlich hielt ich den Atem an.
Finsternis füllte den Gang wie Pech, das den Schein der Öllaterne aufsaugte.
Alles in mir sträubte sich dagegen, weiterzugehen, doch ich hatte keine Wahl. Ich wusste nicht, wie lange ich durch den schmalen Korridor irrte, aber irgendwann stieß ich erneut vor eine hölzerne Tür. Sie war zwar ebenfalls mit Spinnweben behangen, war jedoch nicht annähernd so morsch und brüchig wie die, die ich zuerst geöffnet hatte.
Ich fand mich in einem Rundbogengewölbe wieder. In die Wände waren Nischen eingelassen. In einer von ihnen entdeckte ich eine steinerne Treppe. Mein Fuß berührte gerade die unterste Stufe, als ein scharfer Schmerz, einer glühenden Nadel gleich, durch meine Schläfen mitten ins Gehirn fuhr. Grelle Lichter zerplatzten vor meinen Augen. Mir schwindelte, und ich taumelte gegen das spröde Mauerwerk.
Hätte ich auf der Treppe gestanden, ich wäre mit Sicherheit gestürzt. So aber schloss ich die Augen, atmete mehrere Male tief ein und wieder aus und wartete, bis die Qualen abebbten. Dann gab ich mir einen Ruck, um die Treppe erneut in Angriff zu nehmen.
Abermals fuhr mir der Schmerz durch den Schädel. Meine Kehle schnürte sich zu, blanke Panik befiel mich. Die Öllaterne rutschte mir aus den schweißnassen Fingern und schepperte zu Boden.
Ich taumelte vorwärts, übersah die Kante der untersten Stufe und schlug der Länge nach auf die Treppe. Ein Schrei der Qual flog aus meinem Mund, für einen Moment verlor ich die Besinnung.
Lange konnte ich jedoch nicht ohnmächtig gewesen sein.
Das Licht der Öllaterne, die wie durch ein Wunder heil geblieben war, flackerte mit unverminderter Helligkeit. Ich vernahm auch keinerlei Geräusche etwaiger Verfolger. Dafür bemerkte ich, dass der glühende Schmerz einem dumpfen Pochen in den Schläfen gewichen war. Hinter Stirn und Augen pulsierte ein immenser Druck.
Die Angst war wie fortgeblasen. Ohne lange nachzudenken, kroch ich auf allen vieren die Stufen hinauf, gelangte an eine weitere Tür und öffnete sie. Mit einem gequälten Stöhnen auf den Lippen fiel ich in den dahinterliegenden Raum, krabbelte hinein und wälzte mich auf den Rücken. Mit den Füßen stieß ich die Tür zu und blieb schwer atmend liegen, den Blick an die Decke gerichtet.
Ein Lächeln huschte über meine Lippen.
Ich hatte es geschafft, ich war den Häschern entkommen. Und mein Kopf war so klar wie nie zuvor. Meine Gedanken schweiften zu Margaret und dem Begriff, den sie genannt hatte.
Pollock.
Ein Name? Vermutlich.
Plötzlich wusste ich, was ich zu tun...
Erscheint lt. Verlag | 11.5.2021 |
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Reihe/Serie | John Sinclair |
Verlagsort | Köln |
Sprache | deutsch |
Themenwelt | Literatur ► Krimi / Thriller / Horror ► Horror |
Literatur ► Romane / Erzählungen | |
Schlagworte | 2017 • 2018 • Abenteuer • Academy • alfred-bekker • Bastei • Bestseller • Dämon • Dämonenjäger • dan-shocker • Deutsch • e Book • eBook • E-Book • e books • eBooks • Extrem • Fortsetzungsroman • Frauen • Geisterjäger • grusel-geschichten • Gruselkabinett • Grusel-Krimi • Grusel-Roman • Horror • Horror-Roman • horrorserie • Horrorthriller • Horror-Thriller • Julia-meyer • Kindle • Krimi • Kurzgeschichten • larry-brent • Lovecraft • Macabros • Männer • morland • neue-fälle • Paranomal • professor-zamorra • Professor Zamorra • Psycho • Roman-Heft • Serie • Slasher • spannend • Splatter • Stephen-King • Terror • Thriller • Tony Ballard • Tony-Ballard • Top • Walking Dead |
ISBN-10 | 3-7517-1277-1 / 3751712771 |
ISBN-13 | 978-3-7517-1277-4 / 9783751712774 |
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