Weekend auf Juist -  Volker-Andreas Thieme

Weekend auf Juist (eBook)

Beim Fressen ging die Freundschaft baden
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2021 | 1. Auflage
412 Seiten
Books on Demand (Verlag)
978-3-7534-1092-0 (ISBN)
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Romansatire voller funkelndem Sprachwitz und hintergründiger Komik. Die Geschichte einer ungewöhnlichen Einladung. Jahrzehnte nach Studienbeginn bittet ein erfolgreicher Rechtsanwalt seine gealterten Kommilitonen samt Frauen ins noble Kurhotel von Juist zu einem gemeinsamen Wochenende mit Gala-Dinner. 54 Kapitel, nach Klassikern der Filmgeschichte betitelt, schildern die absurd-grotesken Aktivitäten der Ex-Studenten und deren charakterliche Absonderlichkeiten. In satirischer Überspitzung, mit pointiert-sprachlichem Witz und englisch-schwarzem Humor werden Egoismus und Boshaftigkeit des Freundeskreises entlarvt, aber auch eine anrührende Liebesbeziehung eines der beteiligten Pärchen eingeflochten mit überraschendem Schlussakkord. Zeit und Ort der Romanhandlung reichen von Mitte der wilden 70er Jahre bis in die Gegenwart, von Köln über Brüssel nach Ostfriesland auf die titelgebende Insel Juist. Die teils in Rückblenden geschilderte Handlung, ein geheimnisvoller schwarzer Koffer und die sichtbar werdenden Risse im Beziehungsgeflecht der Akademiker sorgen für ein spannungsreiches Wochenende, zusätzlich überschattet von einem schweren gesundheitlichen Zwischenfall. Die Frage, ob das weekend für alle Beteiligten eventuell ein unerfreuliches Ende im Sinn des englischen Wortes 'weak' nimmt, beantwortet der Roman in unorthodoxem Schreibstil, ganz eigenem Duktus und in einer kaum gekannten Mischung aus lakonischer Prosa und epischer Lyrik. Nicht immer streng wissenschaftlich gemeinte Fußnoten komplettieren den Satire-Spaß. Hinweis: Nonsense mit hohem Suchtfaktor! Besonders in Corona-Zeiten ein geistiges Remedium.

Über den Autor Volker-Andreas Thieme, Jahrgang 1943, studierte nach dem Wehrdienst Romanistik, Geschichte, Philosophie und Rechtswissenschaften an den Universitäten von Münster, Nancy und Köln. Universitätslektor und Lehrassistent in Frankreich, Übersetzer bei der Deutschen Welle, Sprecher/ Moderator für öffentlich-rechtliche und private Rundfunk- und Fernsehsender in Deutschland. Film- und TV-Synchronisationen. Vertonung und Produktion von Filmen für Industrie und Wirtschaft. Bis zu seiner Pensionierung festangestellter Sprecher und Leiter vom Dienst beim Deutschlandfunk. Seitdem freiberuflicher Ghostwriter, Autor und Sprecher in Köln. 'Weekend auf Juist' ist sein erstes zur Veröffentlichung vorgesehenes Buch.

KAPITEL 1

BRUXELLES REQUIEM 1

Vergesst Brüssel

„Nein!

Hört auf!

Nein, schreit mich nicht an! Lasst das!“

Francoise Lagardière2 humpelt

zum Straßenfenster ihrer Altbauwohnung

in der Petite rue des Bouchers.

„Hört endlich auf! Lasst mich in Ruhe!“

Die alte Frau rafft mit zitternden Fingern

die Wolkenstores beiseite,

um einen Blick in die abendliche

Fußgängerzone zu erhaschen.

Eine laute Stimme durchdringt die Fensterscheiben.

„Ich hab´s nicht so gewollt!

Ich kann doch nichts dafür, verdammt nochmal!“

„Des Allemands“, murmelt die Frau tonlos,

„Deutsche.

Ce sont des cris allemands,

je les connais.

Ich kenne diese Schreie,

deutsche Schreie.“

Madame Lagardière hat viel erlebt

in den letzten Monaten.

Gewalt und tödliche Anschläge

in Brüssel allerorten.

Nun auch hier?

Im Zentrum und Fixpunkt

der Fresslust und Gaumenfreude

von Europas Verwaltungshauptstadt?

Die meisten Passanten des

Touristenstroms,

der sich durch die Altstadtgasse

wälzt,

schrecken zusammen.

Die Blicke der hungrigen und durstigen

Flaneure fallen

auf eine kleine Menschengruppe

in der Mitte der Petite rue des Bouchers,

der „Kleinen Metzgerstraße“. 3

Männer und Frauen im mittleren Alter,

freizeitgemäß und bürgerlich gekleidet,

die meisten Jeans-behost und Anorak-gerüstet,

alle wild durcheinander gestikulierend,

aufeinander einredend,

umringen einen Mann.

Jürgen Remmler.

Dr. Jürgen-Rudolf Remmler

aus Köln.

Mit den Händen

in die aufziehende Nacht fuchtelnd,

brüllt er stoßweise und erregt in die Runde.

„Hört mal zu, Leute!

Dass hier

ohne Reservierung nichts läuft,

hab ich doch nicht gewusst!

Und dass hier

Tausende

an die Tröge wollen,

konnte ich auch nicht ahnen!

Dass auch die teuersten Lokale

rammelvoll sind

mit diesen Spesenrittern der EU,

diesen Empfängern ungeheurer,

unbegrenzter, fantastisch hoher Euro-Gehälter,

wusste ich nicht!

Hier in Brüssel geht eben

der kleine EU- Beamte

und natürlich sein noch fetter besoldeter

vorgesetzter Beamte

einfach jeden Tag auf Jagd

nach einem noch ausgefalleneren,

noch teureren

Spitzen-Edel-Michelin-besternten,

Gault-Millau-bemützten

Gourmet-Gourmand-Tempel!

Ist doch klar bei der vielen Knete!“

Madame Lagardière,

am Fenster ihrer Wohnung

durch den Spalt der Gardine spähend,

schüttelt den Kopf.

„Immer diese Deutschen!

Machen selber den größten Mist

in der EU

und beschweren sich über solche

Kinkerlitzchen.

Was will er denn,

der schreiende Mann da unten?

Volle Restaurants?

Et alors, c´est quoi?, na und?

Dann bleibt ihr eben draußen

und kriegt nicht das,

was Ihr verwöhnten Mäuler möchtet!

Alors, les boches4,

affamez-vous!

Dann hungert mal schön!“

Die Alte zieht mit einem Ruck

die Gardine wieder zu.

Der Mann inmitten seiner Gefolgschaft

kommt auf Touren.

„Diese EU-Bonzenclique

besetzt einfach alle freien Plätze,

verleibt sich die Etablissements

fresstechnisch ein,

um ihre vom europäischen Steuerzahler

abgepressten Euronen

locker und standesgemäß

über die im Brüsseler Altstadtgewirr

auf zahlungskräftige Kundschaft lauernden

und des Geldsegens harrenden

Spitzen-Lokale auszuschütten

und unter den Köchen zu verteilen.

Nach dem Gießkannenprinzip!

Und das natürlich regelmäßig

und rechtzeitig

vor Eintreffen

der nächsten Monats-Apanage!

Und uns armen deutschen Steuerzahlern

und Wochenend-Touristen,

die wir nur an einem einzigen Abend

an diesen kulinarischen Köstlichkeiten

für die gebenedeite

Brüsseler Bürokraten-Haute-Volée 5

schnuppern,

ein einziges Mal nur an Stern- und

Kochmützen-Tafeln

knabbern möchten:

uns wird selbst das verwehrt!

Und zwar ganz einfach:

Durch schiere Überfüllung der Lokalitäten,

durch schnöde Abweisung schon am Entrée.

Das, meine Freunde,

das ist gesetzeswidrige Diskriminierung

gastronomischer Minderheiten

durch die Fress-Bataillone der EU!

Politisch völlig inkorrekt!

Nicht PC, nicht OK!

Und dass der Marokkaner, bei dem wir

schließlich gelandet sind,

qualitativ unterirdisch war,

liegt ja erkennbar nicht an mir.

Sondern am Marokkaner!

Kann ich auch nichts dafür!“

Jürgen-Rudolf Remmler

lamentiert mit rudernden Armen,

zuckenden Schultern

und vor Empörung rotgeäderten Wangen

noch eine ganze Weile weiter,

an diesem unseligen Abend

dieses penibel geplanten Wochenendes

im September 2015,

an dem er

mit seinen alten Kegel-Freunden

aus uralten Studentenzeiten

in der Altstadt von Brüssel umherirrte

und ihnen etwas ganz Besonderes bieten,

mit ihnen gourmetmäßig edel

essen gehen wollte.

Verdammtes Brüssel!

Alles fing damit an.

Mit diesem einen Abend,

an dem

alles vorher Gewesene,

von Remmler Unternommene,

auf sich Genommene

und selbst das speisenmäßig

zu sich Genommene

zu Makulatur wurde.

Vergebens die Anstrengungen

im Vorfeld dieses missglückten Abends:

Immer wieder neue Lokalitäten aufgespürt,

Speisekarte rauf-, Speisekarte runtergegessen,

abgehakt, verworfen, geprüft, verglichen,

geschmeckt, gewertet

und dann das.

Diese nationale Unart,

dieser Hang des Belgiers

zum Nichtgebrauch der deutschen Sprache.

Diese verfluchten Speisekarten

auf Französisch, „Merde alors!“ 6

Nichts schmeckt, wie es klingt,

für Deutsche ganz schwierig.

Und dann diese verdammten Edellokale

in Brüssels verfressenster Ecke.

´Le Marmiton´ : gerammelt voll

der Schuppen,

alle Plätze vergeben.

´Brasserie Schuddeveld ´: hundert Hungrige

vor der Tür,

drinnen die Abgefütterten,

wartend aufs Dessert,

nicht bereit, den Platz zu räumen.

´Belga Queen´, der gepriesene

Banker-Tempel:

plein á craquer, knallvoll.

Zu guter Letzt diese Landung

mit den Freunden

beim Marokkaner, auch das noch.

Statt High-Class nur Brei-Fraß.

Couscous als Frust-Fress-Schluss.

Optimal gewollt, suboptimal gelaufen.

In den tiefen Windungen

von Gehirn und Vorstellungswelt

des Jürgen R. jedenfalls

blieb dieser Abend

als mittleres Desaster

wahnhaft eingebrannt.

Unverheilte Wunden

im Persönlichkeitsprofil des Jürgen R.

nach Rückkehr in den deutschen Alltag.

Versagensängste, Ess-Störungen,

Endzeitgedanken

die schreckliche Folge bei Remmler.

Und natürlich unendliche

innere Schuldvorwürfe

und nagende Unzufriedenheit des Mannes.

Berichte sprechen

von ernsthaftem Zerwürfnis

mit seiner Partnerin Beate „Ati“ Behrendiek.

Eine starke Frau, diese Behrendiek.

Trotzt mit erhobenem Haupt

allen Selbstzweifeln und Selbstkasteiungen

ihres Geliebten.

Richtet den Geschundenen immer wieder auf.

Dennoch: Fixe Idee7 bei Remmler

entwickelt sich,

nimmt überhand,

ergreift Besitz von Denken und Trachten

und verändert schließlich

die kleinsten Dinge des Alltags

im Tagesablauf des Bedauernswerten.

Zwangshandlungen schleichen sich ein,

ähnlich wie Dyskinesien8,

motorische Störungen.

Frühmorgens schon

gemurmelte Menüfolgen

aller bekannten Luxusrestaurants

in Deutschland,

z.B. Tantris München, Tim Mälzer Hamburg,

Zum Schiffchen Kaiserswerth,

Eddie´s Grillstube Köln-Rodenkirchen.

Mittags Wälzen von Katalogen

der teuersten Urlaubsresorts im In- und Ausland.9

Abends Barbesuche in Müritz und Marbella,

nachts verbilligte Solo-Testflüge

zu Destinationen in ganz Europa.

Ryanair, Germanwings, Air Berlin und EasyJet

küren Remmler

zum Vielflieger des Jahres.

Alles Denken, alles...

Erscheint lt. Verlag 24.3.2021
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Comic / Humor / Manga
ISBN-10 3-7534-1092-6 / 3753410926
ISBN-13 978-3-7534-1092-0 / 9783753410920
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