Das ferne Licht der Sterne (eBook)
400 Seiten
Verlagsgruppe Droemer Knaur
978-3-426-46037-5 (ISBN)
Bestsellerautorin Laura Lam wuchs in Kalifornien auf und lebt heute in Schottland. Neben ihrer Arbeit als Schriftstellerin unterrichtet sie Creative Writing an der Edinburgh Napier University. Ihr Roman »Das ferne Licht der Sterne« ist ein dystopischer Thriller, der gekonnt gesellschaftliche und politische Themen miteinander vereint und dabei eine düstere, aber am Ende hoffnungsvolle Zukunftsvision schafft.
Bestsellerautorin Laura Lam wuchs in Kalifornien auf und lebt heute in Schottland. Neben ihrer Arbeit als Schriftstellerin unterrichtet sie Creative Writing an der Edinburgh Napier University. Ihr Roman »Das ferne Licht der Sterne« ist ein dystopischer Thriller, der gekonnt gesellschaftliche und politische Themen miteinander vereint und dabei eine düstere, aber am Ende hoffnungsvolle Zukunftsvision schafft.
Eins
Start
Michigan, USA, Erde
Ein gewöhnlicher Start wäre ein großes Fest gewesen.
Überall auf dem ausgedörrten Boden hätten Picknickdecken gelegen, ausgestreckte Beine, glänzend vom Sonnenöl, Gesichter im Schatten der Hutkrempen, die Augen hinter dunklen Gläsern geschützt. Die Leute hätten Knabberzeug dabeigehabt und ihre Filtermasken zum Essen angehoben. Kinder hätten mit Strohhalmen künstlichen Fruchtsaft aus silberfarbenen Beuteln getrunken und so getan, als sei es Astronautennahrung. Die Erwachsenen hätten sich etwas Stärkeres gegönnt, um sich ein bisschen zu entspannen und die Zeit schneller verstreichen zu lassen.
Zehn. Neun. Acht.
Bei einem gewöhnlichen Start hätte sich die Menge entlang des Flugfelds aufgereiht. Die Luft wäre erfüllt gewesen von aufgeregtem, fröhlichem Geschnatter und scheppernder Musik aus tragbaren Boxen. Die Schaulustigen hätten sich ausgemalt, wie es sich wohl für die Raumfahrer anfühlt, die mit klopfendem Herzen im Cockpit saßen. Freunde und Familienmitglieder hätten sich vier Kilometer vor der Startrampe versammelt – gerade so nah wie erlaubt – und zum Abschied gewunken, auch wenn ihre Lieben sie nicht hätten sehen können. Tränen hätten salzige Spuren auf ihre Wangen gezeichnet. Bloß nicht an die Bilder der Challenger denken. In der einen Sekunde ein perfekter Start, in der nächsten ein leuchtender Feuerball.
Sieben. Sechs.
Aber das hier war kein gewöhnlicher Start.
Naomi ballte die Hände zu Fäusten und öffnete sie wieder, ließ bewusst alle Anspannung aus sich herausfließen. Ihr Körper war auf ihrem Sitz im Inneren der Atalanta festgeschnallt und steckte in einem klobigen Raumanzug mit rundem Fischglashelm. All ihre Sinne waren gedämpft. Nichts berührte ihre Haut außer der Baumwollunterwäsche unter den dicken Schichten des Anzugs. Sie roch nichts, hörte kaum etwas, ihr Sichtfeld war eingeschränkt. Alles schien weit weg, als sähe sie sich selbst von außen zu und alles, was gerade passierte, widerfahre einer anderen Person.
Fünf. Vier.
An der Startrampe, die sich am Rande der Keweenaw-Halbinsel versteckte, stand niemand und sah zu. Dieser Ort hatte seine letzten Raketenstarts zu Zeiten des Kalten Krieges gesehen, und die wenigen, die überhaupt von seiner Existenz wussten, waren der Meinung, er wäre schon lange nicht mehr in Betrieb.
Also keine Picknicks. Die einst beliebte Urlaubsregion bestand mittlerweile aus nacktem, säurehaltigem Felsgestein, gleichermaßen unbeliebt bei Touristen und Vegetation. Am Randstreifen des aufgesprungenen Highways, der den abgestorbenen Wald durchschnitt, bildeten sich keine Autoschlangen. Nicht ein hoffnungsvolles Gesicht blickte in die Wolken, um der Flugbahn der Rakete zu folgen, bis sie verschwand.
Und das war Absicht.
Die fünf Frauen, die in der Raumkapsel saßen, waren vollkommen allein. Die Startrampe war bedeutend größer als das winzige Ding, von dem die NASA Ende der Sechziger ihre Raketen abgeschossen hatte. Niemand wusste, was sie vorhatten. Roboter und KIs hatten die Vorarbeiten erledigt, der Startprozess lief automatisiert. Denn wenn jemand von ihrem Geheimnis erfahren hätte, wäre die Mission noch vor dem Countdown zu Ende gewesen. Was aber auch hieß, dass sie, falls etwas schiefging, auf sich allein gestellt wären.
Durch die Visiere ihrer Helme sahen die fünf sich an. Sie versuchten, die Angst zu verbergen, das Zittern in den Gliedern auf das Beben der Triebwerke zu schieben. Naomis Muskeln waren angespannt und hart wie Stahl. Zwei Wochen war es her, dass sie alle im Schutz der Nacht hier eingetroffen waren. Sich selbst in Quarantäne begeben und die Prozedur der Startvorbereitungen durchlaufen hatten. Jedes Geräusch hatte sie zusammenzucken lassen, während die Roboter über die Rakete krochen und ihrer Arbeit nachgingen. Sie legten ihr Leben in die Hand dieser Maschinen, weil ein Mensch sie allzu leicht hätte verraten können.
Bis zur letzten Sekunde befürchtete Naomi, jemand würde kommen. Die Roboter abschalten, das Startprogramm abbrechen. Die Einstiegsluke aufreißen und sie aus dem Shuttle zerren, kurz bevor sie die Erde endlich hinter sich lassen würden. Naomi hielt den Atem an.
Die fünf Frauen sprachen im Chor mit der Stimme des Computers, die durch die Raumkapsel hallte.
Drei. Zwei. Eins.
Sie hatten sich freiwillig an eine Bombe geschnallt und die Zündschnur angesteckt. Die Triebwerke brüllten auf. Naomis Zähne klapperten, die Haut über ihren Wangen wurde auf den Knochen gepresst. Die Rakete hob ab, schwankte, schien über der Rampe stehen zu bleiben, während Unmengen von Treibstoff verzweifelt gegen die Schwerkraft ankämpften. Die vier Frauen, denen Naomi ihr Leben anvertraut hatte, stießen Siegesschreie aus, als die Raumkapsel sich plötzlich drehte und auf Orbitalgeschwindigkeit beschleunigte. Bald würde jede Sekunde sie acht Kilometer von der Erdoberfläche wegtragen. Naomi wurde in den Sitz gepresst, als säße ein Dämon auf ihrer Brust.
Es hatte so viele Rückschläge gegeben. So oft war sie beinahe gescheitert. Vor fünf Monaten hatte sie noch gedacht, sie würde ihr Ziel niemals erreichen. Ganz gleich, welche Abschlüsse sie gemacht, wie viele akademische Grade und gerahmte Auszeichnungen sie gesammelt hatte und jetzt am Boden eines Kartons in einem gemieteten Lagerraum zurückließ. Ganz gleich, wie viele Monate lang sie sich den endlosen, übergriffigen Tests der Ärzte und Psychologen ausgesetzt hatte. Egal, wie viele Partys, Abendessen und Dates sie verpasst hatte. Wie viele Beziehungen abgebrochen. Sie würde es niemals ins All schaffen. Keine von ihnen würde es, davon war sie überzeugt gewesen.
So viel hatte man ihnen gestohlen. Allen Frauen. Aber jetzt stahlen sich Naomi und ihre Mitverschwörerinnen etwas zurück. Konservative Politiker und ihre Medien-Marionetten würden Dr. Valerie Black, CEO der Firma Hawthorne, und ihrer Crew vorwerfen, ein Raumschiff gestohlen zu haben. Staatseigentum. Aber damit lagen sie falsch. Sie stahlen einen ganzen Planeten. Sie stahlen sich eine Zukunft.
Weit und mit jeder Sekunde weiter unter ihnen steckten die Menschen jetzt wahrscheinlich die Köpfe aus den Fenstern und blickten nach oben zur Raumkapsel, während sie sich mit der Hand die Filtermasken auf Mund und Nase drückten. Hier, in diesem von Dürre geplagten Landstrich, wären es nicht viele – die meisten waren schon vor langer Zeit näher an die verbliebenen Inseln grüner Vegetation und saubereren Wassers gezogen. Aber ein paar wären es doch. Und während sich die Story in den sozialen Netzwerken bereits wie ein Lauffeuer verbreitete, würden die Journalisten erst hektisch damit beginnen, ihre Clickbait-Überschriften zu produzieren. Man würde verschwommene Bilder hochladen. Verwackelte Videos, in der die Rauchwolke hinter der Raumkapsel aussah wie der Schweif eines Kometen.
Das Shuttle bebte, als die ausgebrannten Booster abgeworfen wurden. Dann war der letzte Rand der Stratosphäre erreicht, und die Raumkapsel ließ die Erdatmosphäre hinter sich. Der immense Druck der Beschleunigung, der Naomi in den Sitz gepresst hatte, verwandelte sich von einem Moment auf den anderen in Schwerelosigkeit. Mit einem Ruck zogen sich die Gurte so straff, dass Naomi kaum noch Luft bekam. Die Trollpuppe, die Hixon als Glücksbringer neben ihrem Platz festgebunden hatte, schwebte Pirouetten drehend durch den Raum, das Plastikgesicht zu einem bizarren Dauergrinsen erstarrt.
Eine Stunde lang umklammerte Naomi die Armlehnen ihres Sitzes, während sie durch das All rasten. Es gab keine Fenster – alles, was es zu sehen gab, waren die Digitalanzeigen der Bildschirme.
Die Steuerung war automatisiert, aber trotzdem lagen Hixons ruhige Hände auf dem Controlpanel, das schwache Licht verlieh ihrer hellen Haut unter den Sommersprossen einen graublauen Farbton. Hart und Lebedev saßen steif in ihren Sitzen, durch die reflektierenden Visiere ihrer Helme konnte Naomi nichts erkennen. Valeries Körperhaltung strahlte Ruhe und Zufriedenheit aus.
Valerie war so vieles für Naomi – ihre Vorgesetzte bei Hawthorne, ihre Kommandantin an Bord der Atalanta. Aber ihre gemeinsame Vergangenheit reichte noch viel weiter zurück. Naomi war neun gewesen, ihr Vater tot und ihre Mutter nicht in der Lage, sich um sie zu kümmern, als Valerie sie bei sich aufgenommen hatte. Wenn die Welt jetzt herausfand, was sie getan hatten, würde Naomi den Vorwürfen des Nepotismus, die sie bereits ihre ganze Karriere lang begleitet hatten, nie mehr entkommen. Zwar hatte sie Hawthorne eine Zeit lang den Rücken gekehrt, um sich zu beweisen, aber das »Projekt Atalanta« hatte sie in den Schoß der Firma zurückgelockt wie der Gesang einer Sirene.
Valerie hatte die Besatzung, die jetzt in den interstellaren Raum vordringen würde, um die Menschheit zu retten, handverlesen. Es war die erste rein weibliche Crew der Geschichte.
Nur eben nicht die erste autorisierte weibliche Crew.
Die Regierung hatte Valerie, nachdem sie ihr Geld und ihre Expertise eingebracht hatte, die Verantwortung entzogen und die Crew in letzter Minute durch fünf Astronauten der NASA ersetzt. Auch wenn es für die fünf Männer bis zum Start schlichtweg unmöglich gewesen wäre, den Trainingsrückstand aufzuholen und die Simulationen so oft zu durchlaufen, dass sie das Schiff so gut kannten wie ihr eigenes Kinderzimmer. Aber Präsident Cochran war so fest entschlossen, die fünf Frauen von der Atalanta und ihrem Ziel fernzuhalten, dass er bereit war, alles zu riskieren.
Aber sie waren doch an Bord gegangen. Oksana...
Erscheint lt. Verlag | 1.5.2021 |
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Übersetzer | Kristina Koblischke |
Verlagsort | München |
Sprache | deutsch |
Themenwelt | Literatur ► Fantasy / Science Fiction ► Science Fiction |
Schlagworte | bewohnbarer Planet • Botanikerin • Dystopie • dystopie romane • Dystopische Romane • Ende der Menschheit • Endzeit Romane • Geheimnis • High-Tech • Klimawandel • Naomi Black • Neue Erde • Raumfahrt • Raumschiff • Rettungsmission • roman mutter tochter • Science Fiction • science fiction bücher • Science Fiction Neuerscheinungen 2021 • Science Fiction Weltall • science thriller • sf bücher • SF Bücher deutsch • sf romane • SiFi Bücher • Starke Frauen • Überbevölkerung • Überleben • Umweltkatastrophe • Valerie Black • Verrat • Weltall • Weltraummission • Weltraum Roman • Zukunft der Menschheit • Zukunftsroman • Zukunftsthriller • Zukunfts-Thriller • Zukunftsvision • Zweite Erde |
ISBN-10 | 3-426-46037-8 / 3426460378 |
ISBN-13 | 978-3-426-46037-5 / 9783426460375 |
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