Die Heimkehr der Störche (eBook)

Roman | Eine große Liebesgeschichte zur Zeit der deutsch-deutschen Teilung - inspiriert von wahren Begebenheiten
eBook Download: EPUB
2021 | 1. Auflage
656 Seiten
Ullstein (Verlag)
978-3-8437-2550-7 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Die Heimkehr der Störche -  Theresia Graw
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Verlorene Heimat - eine junge Frau kämpft um ihren großen Traum  1952: Dora ist nach ihrer Vertreibung aus Ostpreußen mit ihrer Familie auf einem Hof in der Lüneburger Heide einquartiert worden. Die einstige Gutstochter ist von der Enge und den täglichen Reiberein mit der Bäuerin erdrückt. Sie träumt davon, Tierärztin zu werden und bricht für ein Studium auf nach Berlin. Dort bekommt sie Hinweise zum Verbleib ihrer großen Liebe Curt von Thorau, der seit Kriegsende als verschollen galt. Sie macht ihn schließlich in einem Stasigefängnis ausfindig und kämpft mit allen Mitteln um seine Freilassung. Doch während der Unruhen im Juni 53 gerät sie zwischen die Fronten und muss Hals über Kopf fliehen. Wird Dora es noch einmal schaffen, neu anzufangen - und Curt wiederzufinden?

Theresia Graw wurde 1964 in Oberhausen geboren. Neben ihrer Arbeit als Journalistin beim Bayerischen Rundfunk begeistert sie die Leserinnen mit ihren epischen Romanen. In der Gutsherrin-Saga hat sie die Geschichte ihrer Familie zu einer fiktiven Handlung verwebt. Theresia Graw hat zwei erwachsene Kinder und lebt in München.

Theresia Graw wurde 1964 in Oberhausen geboren. Neben ihrer Arbeit als Journalistin beim Bayerischen Rundfunk begeistert sie die Leserinnen mit ihren epischen Romanen. In der Gutsherrin-Saga hat sie die Geschichte ihrer Familie zu einer fiktiven Handlung verwebt. Theresia Graw hat zwei erwachsene Kinder und lebt in München.

1.


Anfang Mai 1952

Dora Twardy saß auf dem sorgfältig aufgeschichteten Stapel Holz hinter der Scheune, lehnte den Kopf an die warme Bretterwand in ihrem Rücken und ließ sich die Sonne ins Gesicht scheinen. Neben ihr flatterte weiße Wäsche an einer langen Leine, die quer über die Wiese zwischen den Obstbäumen gespannt war. Ein Windhauch blies ab und zu den zarten Duft der Apfelblüten herüber, vermischt mit dem seifigen Geruch der frisch gewaschenen Bettlaken, Kissenbezüge und Tischdecken. Dora rieb sich die geschundenen Finger. Rot und rissig waren ihre Hände, nachdem sie den ganzen Vormittag am Waschbrett gearbeitet hatte, mit schmerzendem Rücken über die klobige Zinkwanne gebeugt.

Es war ein milder Maitag. Am wolkenlosen Himmel zogen die ersten Schwalben des Jahres pfeifend ihre Kreise. Vor ein paar Wochen war schon das Storchenpaar von seinem Winterquartier in Afrika zurückgekommen und hatte wie in jedem Frühling das große Nest auf dem Scheunendach des Stübeckhofs bezogen. Tagelang hatte ihr Geklapper die Mittagsstille unterbrochen, so laut, als rappelte eine Mühle im Hof. Trotz seiner Eintönigkeit liebte Dora dieses Geräusch, das ihr seit frühester Kindheit vertraut war. Auch damals in Ostpreußen auf dem Gutshof der Twardys hatten Störche gelebt, ihre Ankunft hatte sie jedes Mal herbeigesehnt, bedeutete die Rückkehr der großen, majestätischen Vögel doch, dass der lange, kalte Winter endlich zu Ende war. Hier in der Lüneburger Heide waren die Winter zwar nicht so streng und schneereich wie in ihrer alten Heimat, doch noch immer erschien es Dora, als würde sie selbst erst wieder richtig auftauen, wenn die Störche zurück waren. Ein neuer Sommer, ein neues Glück. War nicht der Storch ein Symbol für den Neuanfang? Eine Aufforderung, das Alte zurückzulassen und weiterzuziehen? In diesem Jahr, dachte Dora, gilt das mehr denn je.

Sie zog einen Brief aus der tiefen Tasche ihres Rockes und strich mit den Fingern darüber, als müsse sie sich davon überzeugen, dass es ihn wirklich gab und sie nicht nur davon geträumt hatte. Nach einer Weile faltete sie das Blatt auseinander und las den Brief noch einmal, wie sie es schon so viele Male getan hatte, seit er vor drei Tagen angekommen war und sie ihn unbemerkt von den anderen aus dem Briefkasten gefischt hatte.

Sehr geehrtes Fräulein Twardy! Wir freuen uns über Ihr Interesse an einem Studium der Veterinärmedizin an der Humboldt-Universität zu Berlin. Mit Ihrem Kriegsabitur am Gymnasium von Wormditt in Ostpreußen sowie Ihrer jahrelangen Aushilfstätigkeit als Hofarbeiterin in einem landwirtschaftlichen Betrieb in Niedersachsen haben Sie die formale Voraussetzung erfüllt. Über eine endgültige Zulassung zum Studium wird ein Aufnahmegespräch entscheiden, das am Montag, den 26. Mai 1952, um 16 Uhr 30 im großen Hörsaal des Universitäts-Hauptgebäudes, Berlin, Unter den Linden 6, stattfindet. Bitte melden Sie Ihre Teilnahme spätestens eine Woche vorher schriftlich oder fernmündlich der Institutsleitung an …

Es folgte noch ein Name und eine Telefonnummer.

Dora atmete tief ein. Die erste Hürde war geschafft. Man hatte sie zum Bewerbungsgespräch eingeladen. Warum sollte nun nicht auch der zweite Schritt klappen? Sie hatte zu Hause in Ostpreußen jahrelang den elterlichen Gutshof geleitet, nachdem ihr Vater im Krieg eingezogen worden war. Zumindest mit Nutzvieh kannte sie sich gut aus. Sie wusste, worauf es beim Melken, beim Füttern und bei der Pflege kranker Pferde und Kühe ankam. Wie vielen Fohlen und Kälbern hatte sie geholfen, auf die Welt zu kommen! Und einmal hatte sie sogar eines ihrer liebsten Tiere erschießen müssen, weil es zu schwach gewesen war, um den Weg über das zugefrorene Haff zu überleben. Damals war sie über sich hinausgewachsen. Ja, sie konnte was. Aber sie wollte noch so viel mehr lernen. Sie wollte alles wissen, was man nur wissen konnte, um Tiere gesund zu machen. Nie wieder wollte sie hilflos dabei zusehen, wie ein Pferd oder ein anderes Tier leidet. Sie presste den Brief an ihre Brust und spürte ihr Herz klopfen. Würde sie bald eine Studentin sein? Und in ein paar Jahren Tierärztin? Sollte ihr Traum tatsächlich wahr werden?

Ganz allmählich war dieser Wunsch im Laufe des vergangenen Jahres in ihr herangereift, denn ihr war klar geworden, wie sehr der Umgang mit Tieren sie über das Leid hinwegtröstete, das sie erlebt hatte. Zunächst war es nur eine verrückte Idee gewesen, an deren Umsetzung sie gar nicht wirklich geglaubt hatte, ein Strohhalm, an den sie sich geklammert hatte, um den ungeliebten Stübeckhof endlich verlassen zu können. Eine Perspektive, um ihr Leben wieder in die Hand zu nehmen. Doch der Gedanke an ein Studium hatte Dora nicht mehr losgelassen. Vor zwei Monaten hatte sie endlich den Mut gefunden und verschiedene Universitäten in Deutschland angeschrieben, um sich um einen Studienplatz in Veterinärmedizin zu bewerben. Es war zunächst eine bittere Enttäuschung gewesen: Die meisten Hochschulen hatten ihr postwendend abgesagt. Einer Frau von 28 Jahren schien niemand eine Chance geben zu wollen. Und dann, als sie alle Hoffnung beinahe schon aufgegeben hatte, war dieser Brief von der Humboldt-Universität gekommen, der ein verheißungsvolles Kribbeln in ihr auslöste.

Trotzdem zögerte Dora, ihn zu beantworten.

Sie schlang die Arme um die angewinkelten Beine und stützte das Kinn auf die Knie. Nachdenklich betrachtete sie die Heidschnucken, die hinter dem Staketenzaun auf der struppigen Weide grasten. Siebenundzwanzig schwarzgraue Schafe mit großen gebogenen Hörnern waren es, zwischen ihnen sprangen ein paar schwarze Lämmer umher, die erst im März zur Welt gekommen waren. Wie munter und kräftig die Kleinen in den vergangenen Monaten hier draußen geworden waren. Nun würde es nicht mehr lange dauern, bis der Schäfer kam, um den Sommer über mit der ganzen Herde durch die Heide zu ziehen. Noch trugen die großen Schafe ihr dickes, zotteliges Winterfell, das die Bäuerin in ein paar Wochen, wie immer um diese Zeit, unter großem Geblöke der Tiere scheren würde, bevor sie zu ihrer jährlichen Wanderung aufbrachen. Dora überlegte. Bis zur Schafschur Ende Mai würde sie wissen, ob ihr Leben diese aufregende Wendung nehmen würde oder nicht. Allmählich musste sie sich entscheiden.

Es war nicht besonders bequem auf den rohen Buchenscheiten, Dora hatte sich die alte Flanelljacke untergelegt, die sie bei der Stallarbeit trug. Aber hier hatte sie wenigstens ihre Ruhe. An diesen Platz zog sie sich immer zurück, wenn sie über etwas Wichtiges nachgrübeln musste, weil er von dem großen Bauernhaus aus nicht zu sehen war. Sonst hätte Frau Stübeck Dora vermutlich längst an die Arbeit gerufen. Die schrille Kommando­stimme der Bäuerin klang ihr noch in den Ohren:

»Wir haben keine Zeit zum Faulenzen, Dora. Wollten Sie nicht längst die Eier im Hühnerstall aufgesammelt haben? Und die Wäsche liegt auch noch im Zuber, wie ich sehe. Herrje, das ist doch kein Hotel hier. Sie denken wohl mal wieder, Sie sind etwas Besseres, oder? Nur weil Sie früher einmal einen Gutshof hatten, brauchen Sie Ihr hübsches Näschen nicht so hoch zu tragen. Bei mir wird fleißig gearbeitet. Und das gilt auch für Sie. Verhungert wären Sie alle, wenn ich und mein Mann – Gott hab ihn selig! – nicht so gütig und selbstlos gewesen wären, Ihnen ein Obdach zu gewähren, so elend und erbärmlich, wie Sie damals hier ankamen. Da ist es doch wohl nicht zu viel verlangt, dass Sie mir bei der Arbeit ein wenig zur Hand gehen …«

Der Rest ihrer Rede ging regelmäßig in wütendem Gemurmel über die Undankbarkeit der Vertriebenen unter, die Frau Stübeck grundsätzlich als Fremdlinge bezeichnete, als wären sie von einem fernen Planeten in diesem Dorf gelandet. Dora kannte die Klagen der verhärmten, alten Frau nur zu gut. Seit mehr als sechs Jahren ging das nun schon so. Natürlich war sie damals nach dem Krieg froh gewesen, dass sie mit ihren Eltern, ihrer Schwester Marianne, den beiden halbwüchsigen Zwillingsbrüdern Klaus und Arno und der kleinen Clara wenigstens die bescheidenen Gesindekammern unter dem Dach dieses Bauernhofes zugewiesen bekommen hatten. Es war die zufällige Entscheidung irgendeines Mitarbeiters der Wohnungsbehörde, die dafür gesorgt hatte, dass sie hier in der Lüneburger Heide gelandet waren und nicht auf einem Betrieb in Schleswig-Holstein, in Bayern oder sonst wo. Im Grunde war es ihnen gleichgültig gewesen. Alles erschien ihnen besser als das schäbige Flüchtlingslager, in dem sie nach ihrer Irrfahrt aus Ostpreußen zunächst untergebracht worden waren. Aber zu der Erleichterung, eine Bleibe gefunden zu haben und sich hier einen bescheidenen Lebensunterhalt verdienen zu können, war bald die Erkenntnis gekommen, dass die Twardys bei den Stübecks und den meisten anderen Bewohnern des Dörfchens Wielenstedt nicht sehr willkommen waren.

Schmarotzer und dreckiges Polackenvolk, das waren einige der Bezeichnungen gewesen, die die Leute dieses kleinen Orts in der Nähe von Celle einander zuraunten, wenn sie über die Familie aus Ostpreußen sprachen, die da neuerdings auf dem...

Erscheint lt. Verlag 19.7.2021
Reihe/Serie Die Gutsherrin-Saga
Die Gutsherrin-Saga
Verlagsort Berlin
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Historische Romane
Literatur Romane / Erzählungen
Schlagworte 17. Juni 1953 • DDR • Deutsche Geschichte • Deutsche Teilung • dramatisches Schicksal • Familiensaga • Frauenunterhaltung • historisch • Kriegsfotograf • Liebesroman • Ostpreußen • starke Heldin • Verlorene Heimat • Wahre Begebenheit • Zeitgeschichte DDR • Zweite Chance
ISBN-10 3-8437-2550-0 / 3843725500
ISBN-13 978-3-8437-2550-7 / 9783843725507
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