Ein ewiger Augenblick (eBook)

Die Autobiographie

(Autor)

eBook Download: EPUB
2021
304 Seiten
Heyne Verlag
978-3-641-27932-5 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Ein ewiger Augenblick - Fritz Wepper
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Fritz Wepper ist ein Urgestein der deutschen Fernsehlandschaft, ganze Generationen sind mit ihm groß geworden. Schon mit elf Jahren war er Teil der Münchner Theater- und bald auch Filmszene, in weit über einem halben Jahrhundert Schauspielkarriere baute er ein überwältigendes Lebenswerk auf und ist für eine treue Fangemeinde »eine Art Dauerkult« (SZ). Jetzt erzählt Fritz Wepper von seiner frühen Liebe zum Schauspiel, der Kindheit im zerbombten München, seinen Begegnungen mit den Größen der Filmwelt, dem Leben hinter den Kulissen. Aber auch von Höhen und Tiefen, Glücksmomenten und Rückschlägen, die ihn bis heute beschäftigen. Große Leistungen und auch Fehler: Fritz Wepper liefert ein persönliches Zeugnis eines nicht perfekten Menschen, der sich immer und absolut der Liebe zum Schauspiel und der Liebe zu den Menschen in seinem Leben verschrieben hat. Er zeigt auch eine Auswahl bislang unveröffentlichter privater Fotos. Zum ersten Mal erleben wir den Menschen hinter den Schlagzeilen der Boulevard-Presse - offen, ehrlich und sehr nahbar.

Fritz Wepper, geboren am 17. August 1941 in München, begann schon als Kind mit der Schauspielerei, war als Jugendlicher im Kinofilm »Die Brücke« zu sehen und wurde berühmt als Harry Klein in der Krimiserie »Der Kommissar« und »Derrick« und durch seine Rolle im Oscar-prämierten Film »Cabaret«. Als Bürgermeister in der Vorabendserie »Um Himmels Willen« war er 20 Jahre lang fester Bestandteil des deutschen Fernsehprogramms.

Kapitel 1

In unserem Familienalbum klemmt ein handtellergroßes Schwarz-Weiß-Foto, das mich beim Durchblättern jedes Mal melancholisch werden lässt, obwohl es eigentlich ein fröhliches Bild ist. Es wurde an Ostern 1944 aufgenommen, im Garten meiner Großmutter »Mering«. Sie war die Mutter meiner Mutter und wir nannten sie nach dem Ort, in dem sie lebte, südlich von Augsburg. Die Mutter meines Vaters war für uns die Oma »München«. Auf dem Foto bin ich fast zweidreiviertel Jahre alt, trage Shorts und einen Strickpullover. Ich blicke freudestrahlend auf zwei Ostereier in meinen kleinen Fingern, der Stolz auf diesen wertvollen Fund steht mir ins Gesicht geschrieben.

Meine selbst gefundenen Ostereier im Jahr 1944

Doch so sehr ich mich auch bemühe, ich kann mich nicht in diese Zeit zurückdenken.

Alle Erinnerungen sind gelöscht, und damit auch die an meinen Vati. Er war an jenem Osterfest auf Fronturlaub bei uns – einer seiner letzten Besuche, bevor er ab dem 15. Januar 1945 im Krieg vermisst wurde und ich ihn für immer verlor. Die Unsicherheit, ob er nicht doch eines Tages wiederkommen würde, begleitete mich meine ganze Kindheit hindurch. Seelisch vermisst habe ich Vati mein Leben lang. Was würde ich dafür geben, mich an ihn erinnern zu können! Zu wissen, wie es sich in seinen Armen anfühlte oder wie mein Name aus seinem Mund klang. Alles, was ich habe, sind Schwarz-Weiß-Fotos und die Geschichten, die meine Mutter wieder und wieder erzählte. Weil ich Vati nie bewusst erlebt hatte, hörte ich sehr genau hin – auch um später alles meinen Kindern weiterzugeben. Muttis Geschichten machten das Schicksal meines Vaters fühlbar.

Wenn ich mir Fotos von Vati anschaue, erkenne ich den Sohn von meinem Bruder Elmar in ihm wieder, Elmar junior. Die gleichen dichten Augenbrauen, die markante Nase und dunkle Augen, die warm durch eine Brille blicken. Weihnachten 1944 kam Vati ein letztes Mal nach Mering. Vor dem Krieg hatte er Jura studiert und der Bürgermeister von Mering bot ihm bei diesem Aufenthalt eine Position im Rathaus an. Er sagte: »Herr Wepper, wir bräuchten einen, der sich juristisch auskennt.« Aber mein Vater lehnte ab, weil er seine Kameraden an der Front nicht im Stich lassen wollte. Wäre er dageblieben, hätte er überlebt. Es waren ja nur noch vier Monate, bis am 8. Mai 1944 die Waffen nach fast sechs Jahren Krieg schwiegen. Das war wohl Schicksal. Eines, mit dem sich meine Mutter nie abfand. Als sie ihren Mann das letzte Mal sah, war sie erst 25, er drei Jahre älter. Bis zu ihrem Tod glaubte sie an seine Rückkehr, ging nie wieder eine neue Beziehung ein. Aus Erzählungen von Verwandten und Freunden, die meine Eltern zusammen erlebt haben, weiß ich, dass sie ein großes Liebespaar gewesen sein müssen. Der Vati hat die Mutti zärtlich »Botschilein« genannt. Warum, wusste sie selber nicht mehr, aber erwähnt hat sie es gerne und dabei gelächelt.

Sicher haben Elmar und ich die Mutti auch mal weinend erlebt, aber ihre Gesinnung war die Hoffnung. Und danach hat sie gelebt. Mutti überschüttete uns mit Liebe. Ich weiß noch, dass auf ihrem Nachttisch ein Foto von einer Arzneiflasche stand. Die trug ein Etikett mit der Aufschrift »Dreimal Liebe täglich!« Das war durch und durch wepperisch. Mutti gab uns ständig seelische Umarmungen. So viele, dass wir sie manchmal fast abwehren wollten. Aber Liebe schadet nicht, das lernten wir früh von ihr. Wir haben uns zu Hause gefühlt bei Mutti. Ich bin erst mit 23 ausgezogen, der Elmar war noch länger daheim.

Unsere Erziehung war geprägt von Wärme und Fürsorge. Mutti hat uns nie Steine in den Weg gelegt, sondern sie, wenn da welche waren, aus dem Weg geräumt. Wir wurden nicht durch Verbote gesteuert, sondern durch Freude an Dinge herangeführt. Das war die Grundhaltung meiner Mutter. Und die machte nicht nur uns, sondern auch sie selber glücklich.

Kriegsbedingt hatte ich viele Frauen um mich herum: Neben meiner Mutter gab es durch Omas und Tanten eine sehr starke weibliche Präsenz. Vielleicht habe ich später deswegen nur Töchter gezeugt. Emanzipation war für mich nie ein Thema, in unserer Familie wurde sie mir Tag für Tag vorgelebt. Frauen waren für mich nie das schwache Geschlecht. Ich habe sie immer gemocht, verehrt oder geliebt.

Als meine Mutti mit mir schwanger war und die ersten Wehen einsetzten, bat sie ihre Schwiegermutter um Hilfe. Sie riet ihr, ein heißes Bad zu nehmen. Aber laut Muttis Erzählungen muss es mir dadurch im Bauch zu ungemütlich geworden sein. Ich wollte mit aller Macht raus und meiner Mutter blieb nichts anderes übrig, als den Krankenwagen zu rufen. Nach fünf Fahrminuten erblickte ich an der Maillinger Straße im Münchner Stadtteil Neuhausen das Licht der Welt. Geboren am 17. August 1941 um 7.50 Uhr – ein Sonntagskind! Und als solches fühlte ich mich auch, obwohl ich mitten in den Zweiten Weltkrieg hineingeboren wurde.

Ich habe die gesamte Feldpost aufbewahrt, die meine Eltern sich schickten. Drei Monate nach meiner Geburt schrieb Mutti Ende November 1941 an meinen Vater:

(…) Was sagst Du zu Deiner jungen, kleinen Familie? Du wirst staunen, wie groß Fritzi schon ist und wie »frech«. Das ist ein richtiger Bub. Schreien kann er ganz tüchtig, eine kleine Feldwebelstimme. Ich glaube immer, er bekommt die »Großmütternase«. (…) Im Geheimen rechne ich doch immer auf deinen Besuch an Weihnachten. Denn heute wurde im Rundfunk bekanntgegeben, dass an den Feiertagen von Weihnachten keine Zivilpersonen reisen dürfen, da die Kämpfer vom Osten in Urlaub fahren. Vielleicht hast Du auch das große Glück und bist dabei. (…)

Vielleicht bekommst Du diesen Brief gerade am Christabend. Wenn ich nur bei Dir sein könnte. Darf ich Dir das sagen, dass ich Dich sehr sehr lieb habe? Ich freue mich riesig auf Deinen Besuch. Wie wird unser Wiedersehen sein? Ich lasse Dich gar nicht mehr los. (…) Du wirst momentan gar nicht wissen, zu wem Du zuerst gehst. Natürlich musst Du unseren lieben Fritzi zuerst begrüßen, denn Vati hat ihn noch gar nie gesehen und begrüßt. Ich wünsche Dir einen schönen Weihnachtsabend, alles Liebe, viele innige Küsschen,

Dein kleines Botschilein mit dem lieben Fritzi

Als die Luftangriffe auf München immer heftiger wurden, kam meine Mutter mit mir bei Oma Mering unter. Eine wunderbare Großmutter, sehr liebevoll. Bei ihr in der Wiesenstraße mussten wir keine Angst ums Überleben haben.

Im Garten wuchsen Birnen und Äpfel, Kohlrabi und Tomaten, Schnittlauch und Petersilie. Nach der Kartoffelernte haben wir die Knollen ins Feuer geworfen und sie nachher mitsamt der Haut gegessen. Ein Genuss! Oma machte einen köstlichen Tomaten-Gurken-Salat, sie konnte ausgezeichnet kochen. Genau wie ihre Tochter. Mutti machte den besten lauwarmen Kartoffelsalat der Welt. Ich habe als Erwachsener versucht, ihn genau so hinzukriegen, mit Sieglinde-Kartoffeln, Zwiebeln und warmer Rinderbrühe – aber an Muttis Qualität bin ich nie ganz herangekommen.

Mein Bruder Elmar wurde am 16. April 1944 in Augsburg geboren. Er lag in einem Kinderwagen, der aussah wie ein Cadillac. Ein kleines Etwas. Ich drückte ihm einen Finger ins Auge, als wäre er eine Puppe. »Lass das, das ist dein Brüderlein«, schimpfte meine Mutter. »Der lebt ja«, sagte ich. »Bleibt der jetzt immer bei uns?« Meine Bruderliebe habe ich erst entdeckt, als Elmar im Krankenhaus lag. Mit drei hatte er Scharlach und landete auf der Isolierstation. Mutti durfte rein – ich nicht, wegen der Infektionsgefahr. Ich stand unten vorm Krankenhaus und sah ihn im zweiten oder dritten Stock am Fenster stehen. Ein kleines Männchen mit einem Riesenschal. Da liefen bei mir die Tränen. Als Elmar wieder gesund nach Hause kam, haben Mutti und ich sein Gitterbett mit Süßigkeiten behängt, so glücklich waren wir.

Meine Mutter hat immer dafür gesorgt, dass alles zwischen Elmar und mir möglichst fair ablief, dass jeder die Chance hatte, sich zu freuen und keiner auf den anderen eifersüchtig war.

Elmar: Fritz und ich haben ein sehr herzliches Verhältnis. Ich bin nicht nur froh, einen Bruder zu haben. Ich bin froh, den Fritz als Bruder zu haben. Obwohl wir in manchem verschieden sind, empfinden wir viel Zuneigung und Verständnis füreinander. Ich weiß aus eigener Erfahrung, dass das nicht selbstverständlich ist. Zwischen den Geschwistern meiner Mutter gab es immer wieder Eifersüchteleien oder Streitigkeiten.

Als Kind habe ich nie verstanden, warum der eine Onkel wegen irgendeiner Kleinigkeit zwei Jahre lang nicht mit dem anderen geredet hatte. Fritz und ich gehören zusammen, trotz aller Querelen und Situationen, wo man vielleicht mal denkt: »Es kann nicht sein, dass ich so einen Bruder habe!« Das Fundament unserer Zusammengehörigkeit stand nie zur Disposition. Keiner von uns hat je gesagt: »Soll der doch sein Leben leben, ist mir egal.« Unten an der Basis waren wir immer zusammen.

Nach Kriegsende kamen wir zu dritt zurück in unsere Fünf-Zimmer-Wohnung in der Arnulfstraße in München-Neuhausen. Die Stadt war zerstört, fast jedes zweite Haus lag in Trümmern. In unserem Treppenhaus war eine Bombe eingeschlagen, die Stiege wurde mit Holzbrettern gerichtet. In der Wand unseres Kinderzimmers klaffte zum Hausflur hin ein riesiges Loch. Als Ziegelsteine für die Reparatur kamen, habe ich daraus mit Freunden munter ein Häuschen gebaut.

Hungrig ins Bett mussten wir in den Nachkriegsjahren nur ein einziges Mal, das vergisst weder der Kopf noch der Körper. Meine Mutti schickte Elmar und mich mit einer Mohrrübe ins Bett, um das nicht vorhandene Abendessen zu...

Erscheint lt. Verlag 9.8.2021
Zusatzinfo m. Bildteil
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Biografien / Erfahrungsberichte
Schlagworte 80. Geburtstag • ARD • Bambi • Bayerischer Fernsehpreis • Biografie • Biographien • Cabaret • Der Kommissar • Derrick • Die Brücke • eBooks • Elmar Wepper • Fernsehen • Fernsehstar • Liza Minelli • Mord in bester Gesellschaft • München • Schauspieler • Um Himmels Willen • ZDF
ISBN-10 3-641-27932-1 / 3641279321
ISBN-13 978-3-641-27932-5 / 9783641279325
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