Verbrechen von nebenan (eBook)

Die spektakulärsten Kriminalfälle aus dem Nr.1-Podcast - Mit 10 neuen Fällen aus Deutschland, Österreich und der Schweiz
eBook Download: EPUB
2021 | 1. Auflage
368 Seiten
Goldmann (Verlag)
978-3-641-27696-6 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Verbrechen von nebenan -  Philipp Fleiter
Systemvoraussetzungen
9,99 inkl. MwSt
  • Download sofort lieferbar
  • Zahlungsarten anzeigen
Die schlimmsten Verbrechen passieren meist nicht in der Großstadt, sondern direkt nebenan. Wenn die nette Nachbarin angeblich im Urlaub ist, in Wirklichkeit aber einbetoniert unter der Garage liegt oder wenn ein kleines Mädchen plötzlich spurlos vom elterlichen Bauernhof verschwindet, sind das Fälle, die man nicht vergisst. Radiojournalist Philipp Fleiter berichtet schon seit Jahren über Verbrechen und ihre Hintergründe. In seinem Nr.-1-True-Crime-Podcast »Verbrechen von nebenan« spricht er mit verschiedenen Gästen über die spannendsten Kriminalfälle im deutschsprachigen Raum. Das Besondere: Viele dieser Fälle werden zum ersten Mal überhaupt in einem Podcast besprochen. Seine Hörer lieben vor allem seine Stimme und seine gründliche Recherche. Jetzt erscheinen seine spektakulärsten Folgen plus zehn bisher unveröffentlichte Kriminalfälle und zahlreiche Experteninterviews erstmals als Buch.

Philipp Fleiter wurde in Ostwestfalen geboren und wollte als Kind am liebsten »Wetten, dass ..?« moderieren. Stattdessen studierte er Pädagogik und Psychologie und arbeitete nach seinem Abschluss als Radiojournalist und Moderator. 2019 startete er den Podcast »Verbrechen von nebenan«, der schnell zu einem der erfolgreichsten deutschen Podcasts geworden ist. Bei SKY moderierte Fleiter eine eigene Fernseh-Adaption des Podcasts und ging außerdem mit dem Format auf Live-Tour durch Deutschland, Österreich und die Schweiz. Als Experte für Kriminalität ist er ein gern gesehener Gast im TV und in anderen Podcasts. Fleiter lebt in Gütersloh.

Ein letztes Mal

Es ist kurz vor Weihnachten, als die Lüge, die Hanno M. sein Leben nennt, für immer zerbricht.

Überall auf den Straßen von Hemmerde, das seit 1968 zu Unna gehört, leuchten an diesem 15. Dezember 2015 die Lichter der Weihnachtsdekoration in der Dämmerung. Es ist ruhig hier in dem kleinen 2800-Einwohner-Örtchen, das gefällt dem 32-Jährigen. Er ist das erste Mal hier, sein Ziel hat er sich vorher bei Google Maps ausgeguckt. Irgendwie hat ihm der Ort auf der digitalen Landkarte gefallen, und er wusste: Hier wird es passieren. Schon seit einer halben Stunde geht der schmächtige Mann in der Innenstadt auf und ab, schaut immer wieder verstohlen zu der Volksbank-Filiale an der Hemmerder Dorfstraße. Im Gesicht trägt er fünf Pflaster, um sich wenigstens ein bisschen zu tarnen – eine Sturmhaube wäre zu auffällig. In seine Jackentasche hat er einen Zettel aus dem Rollenspiel Shadowrun gestopft, in seinem Hosenbund steckt eine Pistole, die früher mal seinem Bruder gehört hat. Als er mit der linken Hand über den Griff der Waffe streicht, ist seine Handfläche schweißnass. Er atmet tief durch und zieht seine schwarze Baseballkappe noch ein Stückchen tiefer ins Gesicht. Es geht los.

Um 16:45 Uhr geht der schmächtige junge Mann in der schwarzen Jacke die vier gemauerten Stufen zum Haupteingang der kleinen Volksbank-Filiale hoch, dann öffnet er die Tür, geht an den Geldautomaten vorbei und durch die Glastür in den Schalterraum. Er muss es tun, nur noch dieses eine Mal.

Mareen G. arbeitet erst seit einigen Tagen in der Bankfiliale an der Hemmerder Dorfstraße. Der schlanke, dunkel gekleidete Mann mit den vielen Pflastern im Gesicht fällt der 22-Jährigen sofort auf. Als er auf einen der unbesetzten Schalter zugeht, steht die Bankangestellte von ihrem Bürostuhl auf, um sich um den Kunden zu kümmern. Sie begrüßt den Mann, doch der sagt kein Wort. Schweigend schiebt er ihr einen Zettel über die Theke. Mareen G. schluckt, als sie liest, was da auf dem Blatt Papier steht: »Dies ist ein Überfall – bitte verhalten Sie sich ruhig. Ich will 10.000 Euro, und ich bin bewaffnet. Wenn Sie den Zettel zu Ende gelesen haben, schieben Sie ihn mir wieder zurück.« Sie dreht sich zu ihrem zwei Jahre älteren Kollegen Björn R. um, der hinter ihr an seinem Schreibtisch sitzt. »Bitte schau dir mal den Zettel an«, sagt sie mit belegter Stimme, während sie versucht, möglichst flach zu atmen.

Der 24-jährige Björn R., der zu diesem Zeitpunkt schon seit zwei Jahren in der Bank in Hemmerde arbeitet, bleibt ganz ruhig und spult das Programm ab, das er gelernt hat. »Der Tresor ist im Keller«, sagt er zu dem Mann mit den Pflastern im Gesicht, »allerdings gibt er das Geld nur mit einer Verzögerung von fünf Minuten heraus. Wenn Sie möchten, können Sie mich nach unten begleiten.«

Doch der Bankräuber schweigt weiter. Also steht R. auf und geht runter in den Tresorraum, während der Räuber mit der schwarzen Baseballkappe hin und her trippelt. Er geht zum Ausgang der Bank und schaut kurz nach draußen, dann kommt er zurück zum Schalter. Seine linke Hand bleibt dabei die ganze Zeit in der Jackentasche und umklammert einen Gegenstand. »Der hat eine Waffe«, denkt Mareen G. in diesem Moment. Mittlerweile sind drei Kunden in die Bank gekommen, keiner von ihnen scheint den Überfall zu bemerken. Bisher.

Ihr Kollege Björn R. kommt wieder zurück. »Ich habe den Zeitmechanismus des Tresors aktiviert, das dauert jetzt einen kleinen Moment«, erklärt er dem Räuber mit den Pflastern im Gesicht. Außerdem muss R. unten den stillen Alarm der Bank ausgelöst haben, zumindest hofft seine 22-jährige Kollegin das. Auch ihre Chefin Martina M., die die Filiale seit mehr als zehn Jahren leitet, ist mittlerweile dazugekommen: »Ist das hier ein Überfall, oder was?«, fragt sie in die Runde. Da klingelt in ihrem Büro das Telefon und die 52-Jährige geht zurück, um den Hörer abzunehmen. Ihre Chefin sagt nur ein Wort, dabei schaut sie den Bankräuber direkt an: »Ja!«

Hanno M. scheint zu ahnen, was das bedeutet: Die Polizei ist am Apparat, um zu überprüfen, ob der Alarm aus Versehen ausgelöst wurde, oder ob die Bank wirklich überfallen wird. Hastig stopft der junge Mann den Zettel mit seinen Forderungen zurück in seine Tasche, dreht sich zum Ausgang und verlässt die Bank. Mareen G. atmet auf, während ihr Kollege Björn R. dem Mann ein paar Schritte hinterhergeht, um zu erkennen, in welche Richtung der Räuber flüchtet. Er sieht gerade noch, wie der Bankräuber etwa 200 Meter entfernt in einen silbernen VW mit Unnaer Kennzeichen springt und davonrast.

»Scheiße«, flucht Hanno M. in dem silbernen VW Up, der eigentlich seiner Oma gehört. Hastig reißt er sich einige der Pflaster vom Gesicht und fährt in Richtung der B1. Kurz vor der Bundesstraße biegt er links ab, dann entscheidet er sich um und fährt doch rechts auf die B1 Richtung Unna-Dortmund. Er muss hier weg – irgendwie. Ein Polizeiwagen rast auf der Gegenspur an ihm vorbei. M. atmet schnaufend aus, das war knapp. Doch keine 30 Sekunden später sieht er den Wagen im Rückspiegel hinter sich. Der Streifenwagen hat auf der Bundesstraße gedreht und kommt ihm immer näher. Hanno M. reißt das Lenkrad herum und biegt von der B1 rechts auf einen Feldweg ab. Kurz rutscht er über ein Feld, dann hat er den Wagen wieder unter Kontrolle. Der VW Up rumpelt mit 100 Stundenkilometern über den schmalen Weg, rechts und links rauschen abgeerntete Felder vorbei.

Hanno M. hört die Sirenen hinter sich, sieht das Blaulicht im Rückspiegel zucken. Seine Hände umklammern das Plastiklenkrad des Kleinwagens jetzt noch fester. Er fährt viel zu schnell auf diesem engen Weg – viel zu schnell, um in der T-Kreuzung direkt vor ihm abzubiegen. Der Wagen rast geradeaus über die Kreuzung und kracht in eine Hecke links neben einem Toreingang. Metall verbiegt sich, Plastik splittert und die Airbags lösen aus. Die Flucht von Hanno M. endet um 16:55 Uhr zwischen Blättern und Ästen – genau wie sein bisheriges Leben.

Ein »normales« Leben – Erster Teil

Hanno M. wird am 25. Februar 1983 in Dortmund als erstes von zwei Kindern geboren. Zwei Jahre später kommt sein jüngerer Bruder zur Welt. Die Jungen wachsen in einer Familie auf, in der Bildung alles ist: Hannos Vater Walter arbeitet als Bildungsreferent bei der katholischen Kirche, seine Mutter Johanna als Lehrerin an einem Dortmunder Gymnasium. Die Eltern erziehen ihre beiden Söhne christlich, manche sagen streng. Hanno selbst sagt, er sei in »stabilsten Verhältnissen aufgewachsen« und sein Elternhaus »war und ist immer noch toll«. Er besucht den Kindergarten, dann eine Dortmunder Grundschule und kommt schließlich auf dasselbe Gymnasium, an dem auch seine Mutter unterrichtet. In der achten Klasse wechselt er auf ein anderes Gymnasium, um nicht von seiner Mutter unterrichtet zu werden. Dort bleibt er in der zehnten Klasse fast sitzen und schafft die Versetzung nur durch die Nachprüfung. In einer Lehrerfamilie macht man Abitur – mit viel Lernen und einem Schnitt von 2,1. Nach der Schule geht Hanno im Auftrag des Erzbistums Paderborn für ein Jahr nach Argentinien, um als »Missionar auf Zeit« auf einem Bauernhof mit Straßenkindern zu arbeiten. Geld bekommt er für seine Arbeit nicht, aber die Zeit wird ihm als Zivildienst anerkannt.

Als er 2003 wieder in Deutschland ankommt, ist die Frage nicht, ob er studiert, sondern nur wo und was. Hanno entscheidet sich für ein VWL-Studium in Kiel, erst mal weg von zu Hause. »Was ich mit dem Studienabschluss machen will, wusste ich nicht«, erzählt er später in einer Vernehmung über das Studium, das er nach vier Semestern abbricht. »Das war fast nur Mathe, und ich kann kein Mathe.« Am liebsten würde er stattdessen Medizin studieren, aber dafür reicht sein Notendurchschnitt nicht. Einfach etwas anderes mit seinem Leben zu machen als zu studieren, kommt in seiner Familie nicht infrage. Seine Eltern wollen, dass er zügig das nächste Studium startet und empfehlen ihm die Wilhelms-Universität in Münster, an der sie auch beide studiert haben. Am Ende wird es Lehramt – eine sichere Bank. Und auch bei seiner Fächerwahl folgt Hanno M. seinen Eltern: Er entscheidet sich für Geschichte (wie seine Mutter) und Deutsch (wie sein Vater). Seine Eltern wollen über sein Studium ständig auf dem Laufenden sein, fragen regelmäßig nach seinen Leistungen und Noten. Ein Arzt wird bei Hanno später eine narzisstische Persönlichkeitsprägung diagnostizieren: Sein schwaches Selbstwertgefühl macht ihn abhängig vom Urteil seiner Eltern. Er darf, nein er kann sie nicht enttäuschen. Auch wenn der Preis dafür eine Lüge ist.

Ein »normales« Leben – Zweiter Teil

2005 zieht Hanno nach Münster in eine kleine Wohnung, die Miete übernehmen seine Eltern, außerdem überweisen sie ihm monatlich 300 Euro Taschengeld. Am Anfang läuft alles nach Plan: 2008 soll Hanno nach sechs Semestern seinen Bachelor machen, 2010 dann nach vier Semestern seinen Master – alles in Regelstudienzeit. Aber dann kommen die Bologna-Reformen, die Struktur seines Studiengangs ändern sich. Auf einmal überschneiden sich Veranstaltungen in Hannos Stundenplan, und sein streng getakteter Zeitplan gerät aus dem Konzept: »Mich hat das absolut demotiviert«, erzählt er später. Außerdem leidet er unter Prüfungsangst. Einige Klausuren verhaut er direkt zweimal hintereinander. Den dritten, finalen Versuch das Modul zu bestehen, tritt er aus Angst gar nicht erst an.

Anfangs erzählt er seinen Eltern noch von seinen Problemen in der Uni, aber die meinen nur, dass er seinen Abschluss...

Erscheint lt. Verlag 18.10.2021
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Krimi / Thriller / Horror Krimi / Thriller
Schlagworte Benecke • bestseller taschenbuch • Buch Bücher Neu 2021 • bücher neuerscheinungen • eBooks • Fitzek • Gewalt • Krimi • Kriminalromane • Krimis • Mordlust • Psychologie • Stern Crime • Tatort • Thriller • ZEIT Verbrechen
ISBN-10 3-641-27696-9 / 3641276969
ISBN-13 978-3-641-27696-6 / 9783641276966
Haben Sie eine Frage zum Produkt?
EPUBEPUB (Wasserzeichen)
Größe: 8,9 MB

DRM: Digitales Wasserzeichen
Dieses eBook enthält ein digitales Wasser­zeichen und ist damit für Sie persona­lisiert. Bei einer missbräuch­lichen Weiter­gabe des eBooks an Dritte ist eine Rück­ver­folgung an die Quelle möglich.

Dateiformat: EPUB (Electronic Publication)
EPUB ist ein offener Standard für eBooks und eignet sich besonders zur Darstellung von Belle­tristik und Sach­büchern. Der Fließ­text wird dynamisch an die Display- und Schrift­größe ange­passt. Auch für mobile Lese­geräte ist EPUB daher gut geeignet.

Systemvoraussetzungen:
PC/Mac: Mit einem PC oder Mac können Sie dieses eBook lesen. Sie benötigen dafür die kostenlose Software Adobe Digital Editions.
eReader: Dieses eBook kann mit (fast) allen eBook-Readern gelesen werden. Mit dem amazon-Kindle ist es aber nicht kompatibel.
Smartphone/Tablet: Egal ob Apple oder Android, dieses eBook können Sie lesen. Sie benötigen dafür eine kostenlose App.
Geräteliste und zusätzliche Hinweise

Buying eBooks from abroad
For tax law reasons we can sell eBooks just within Germany and Switzerland. Regrettably we cannot fulfill eBook-orders from other countries.

Mehr entdecken
aus dem Bereich
Psychothriller

von Sebastian Fitzek

eBook Download (2022)
Verlagsgruppe Droemer Knaur
9,99
Krimi

von Jens Waschke

eBook Download (2023)
Lehmanns Media (Verlag)
9,99
Psychothriller | SPIEGEL Bestseller | Der musikalische Psychothriller …

von Sebastian Fitzek

eBook Download (2021)
Verlagsgruppe Droemer Knaur
9,99