Ein kleiner Held (eBook)

Erzählungen - Penguin Edition (Deutsche Ausgabe)
eBook Download: EPUB
2021
208 Seiten
Penguin Verlag
978-3-641-28237-0 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Ein kleiner Held - Fjodor M. Dostojewski
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Ein ungewohnt heiteres Leseerlebnis mit dem Meistererzähler Dostojewski
In diesem Band zeigt sich der russische Großklassiker von seiner komischen Seite. «Ein kleiner Held», noch grün hinter den Ohren, lernt den süßen Schmerz der ersten Liebe kennen. Er hat sich ausgerechnet in seine hübsche Cousine Natalie verguckt, die die Nase hoch trägt und ihn nicht für voll nimmt. So muss der Elfjährige all seinen Mut, seine Feinfühligkeit und Redlichkeit unter Beweis stellen, um Natalies Zuneigung doch noch zu erobern ... Der Kuss, mit dem sie den kleinen Kavalier belohnt, bereitet seiner kindlichen Unschuld ein freudiges Ende.

Ergänzt wird «Ein kleiner Held» durch zwei weitere Erzählperlen des Autors, «Die Sanftmütige» und «Roman in neun Briefen». In der Neuübersetzung durch Christiane Pöhlmann funkeln alle drei Texte in zeitloser Frische.

PENGUIN EDITION. Zeitlos, kultig, bunt. - Ausgezeichnet mit dem German Brand Award 2022

Fjodor Michailowitsch Dostojewski (1821-1881) war das zweite von acht Kindern einer verarmten Adelsfamilie aus Moskau. Vier Jahre Zwangsarbeit wegen revolutionärer Umtriebe prägten sein Leben ebenso wie seine Spielleidenschaft und daraus resultierende Geldsorgen. Neben neun Romanen verfasste Dostojewski ab 1846 zahlreiche Erzählungen, Novellen und Essays.

I


Pjotr Iwanytsch1 an Iwan Petrowitsch


Gnädiger Herr und allerteuerster Freund,

bester Iwan Petrowitsch!

Also, nun jage ich, um es einmal so auszudrücken, schon volle drei Tage hinter Ihnen her, mein allerteuerster Freund, habe ich mit Ihnen doch eine Frage von höchster Dringlichkeit zu erörtern, treffe Sie aber nirgends an. Meine liebe Frau erlaubte sich gestern, als wir unserem guten Semjon Alexejitsch unsere Aufwartung machten, gar einen Scherz auf Ihre Kosten, indem sie bemerkte, Sie beide, also Sie, mein Freund, und Ihre Tatjana Petrowna, gäben unterdessen ein rechtes Vagabundenpaar ab: Noch keine drei Monate verheiratet, und schon retirieren Sie von Heim und Herd. Wir haben schallend gelacht – aus reinster, aufrichtigster Zuneigung Ihnen gegenüber, versteht sich –, indes, mein unschätzbarster Freund, Sie haben mir nicht nur die Gelegenheit gegeben, herzhaft zu lachen, sondern mir auch ordentlich die Füße wund zu laufen. Da sagt mir Semjon Alexejitsch, bestimmt seien Sie im Klubraum der «Vereinigten Gesellschaft», wegen des Balls. Lasse ich also meine Frau bei der Gemahlin Semjon Alexejitschs zurück, um allein in die «Vereinigte Gesellschaft» zu sausen. Wenn’s nicht zum Heulen wäre, würd ich ja grad drüber lachen! Denn malen Sie sich doch meine Lage aus: Ich allein auf dem Ball, ganz ohne meine Frau! Iwan Andrejitsch, dem ich im Foyer in die Arme lief, hat bei meinem Anblick denn auch prompt geschlussfolgert, eine merkwürdige Leidenschaft für Tanzveranstaltungen habe mich gepackt, und mich beim Ärmel gefasst und wollte mich schon zu einem Tanzball der Jugend schleifen, wobei er in einem fort versicherte, er bekomme in der «Vereinigten Gesellschaft» keine Luft, ein junger Mensch wie er könne sich hier nicht austoben und dass ihm von all dem Patschuli und Reseda2 schon der Kopf schmerze. Ich entdecke weder Sie noch Tatjana Petrowna. Da behauptet Iwan Andrejitsch steif und fest und schwört sogar, dass Sie ganz bestimmt im Alexandra-Theater3 seien, um sich «Verstand schafft Leiden» anzusehen.

Sause ich also ins Alexandra-Theater: Da sind Sie aber auch nicht. Heute Morgen habe ich mir dann gedacht, dass ich Sie bei Tschistoganow finde – aber auch da keine Spur von Ihnen. Tschistoganow schickt mich zu den Perepalkins – und wieder nichts. Kurz und gut, ich war völlig am Ende. Aber sagen Sie selbst, ist das ein Wunder nach all der Rennerei?! Jetzt schreibe ich Ihnen (etwas anderes bleibt mir ja nicht übrig!). Mein Anliegen ist beileibe nicht literarischer Natur (Sie verstehen). Besser ließe sich das alles unter vier Augen klären, denn ich habe dringend einiges mit Ihnen zu besprechen, noch dazu möglichst bald, weshalb ich Sie und Tatjana Petrowna heute zum Tee und auf eine kleine abendliche Unterhaltung zu mir bitten möchte. Meine liebe Anna Michailowna wird von Ihrem Besuch über die Maßen erfreut sein. Und ich wäre Ihnen aufrichtig oder, wie man so sagt, bis ins Grab verbunden.

Ganz nebenbei, mein unschätzbarster Freund, wo ich nun schon einmal zur Feder gegriffen habe, noch zwei Worte mehr, sehe ich mich doch gezwungen, Sie ein wenig zu schelten, nein, sogar zu tadeln, mein höchstverehrter Freund, wegen eines, wie ich vermute, ausgesprochen unschuldigen kleinen Schabernacks, mit dem Sie sich einen Scherz auf meine Kosten erlaubt haben … Sie Schurke und gewissenloser Mensch, Sie! Etwa Mitte letzten Monats führen Sie einen Ihrer Bekannten, genauer Jewgeni Nikolajitsch, in mein Haus ein, den Sie mir mit Ihrer freundschaftlichen und ebendeshalb für mich hochheiligen Rekommandation anempfehlen. Ich freue mich über das neue Gesicht in unserem Kreis, nehme den jungen Herrn mit offenen Armen auf – und lege mir damit freiwillig die Schlinge um den Hals. Doch Schlinge hin oder her, jedenfalls stellte sich die ganze Angelegenheit am Ende als – anders kann man es nicht bezeichnen – starkes Stück heraus. Ich habe jetzt keine Zeit, die Sache zu erklären, obendrein liegt mir die Feder nicht, deshalb habe ich nur diese allerbescheidenste Bitte an Sie, mein schadenfroher Freund und Herzensbruder, ob Sie diesem jungen Herrn nicht höchst taktvoll und ganz und gar beiläufig einmal leise in sein gepflegtes Öhrchen flüstern könnten, dass es in unserer Hauptstadt neben dem meinen noch zahlreiche andere Häuser gibt. Ich bin am Ende meiner Kräfte, mein Freund! Ich habe die Ehre, mich vorzuwerfen,4 wie es unser guter alter Simoniewicz ausdrückt. Sobald wir uns sehen, werde ich Ihnen alles darlegen. Damit will ich nicht andeuten, der junge Mann habe beispielsweise keine Manieren oder geistigen Qualitäten oder habe sich sonst irgendetwas zuschulden kommen lassen. Im Gegenteil, er ist ein ganz und gar liebenswerter und freundlicher Bursche. Näheres, wenn wir uns sehen. Falls Sie, mein höchstverehrter Freund, ihm jedoch unterdessen begegnen, dann flüstern Sie ihm bei Gott meinen Hinweis ein. Ich würde es selbst tun, aber Sie wissen, wie es um meinen Charakter bestellt ist: Ich kann es nicht, Punktum. Obendrein haben Sie ihn empfohlen. Im Übrigen werden wir heute Abend unbedingt alles genauestens besprechen. Doch nun leben Sie wohl. Der Ihre und dergl.

PS: Mein Kleiner kränkelt bereits seit einer Woche, und mit jedem Tag wird es schlimmer und schlimmer. Die Zähne plagen ihn, sie brechen gerade durch. Meine Frau umsorgt ihn in einem fort und ist schon gänzlich bekümmert, die Arme. Besuchen Sie uns nur! Sie würden uns eine aufrichtige Freude bereiten, mein allerteuerster Freund.

II


Iwan Petrowitsch an Pjotr Iwanytsch


Gnädiger Herr,

guter Pjotr Iwanytsch!

Gestern bekomme ich Ihren Brief, lese ihn und staune. Sie suchen mich an Gott weiß welchen Orten, während ich schlicht zu Hause war. Bis zehn Uhr morgens habe ich auf Iwan Iwanytsch Tolokonow gewartet. Dann schnappe ich mir meine Frau, miete einen Kutscher, stürze mich in Unkosten und erscheine etwa um halb sieben bei Ihnen. Sie sind nicht zu Hause, doch Ihre Gemahlin empfängt uns. Ich warte bis halb elf auf Sie, länger ging es nicht. Ich schnappe mir meine Frau, stürze mich in Unkosten, miete einen Kutscher, setze sie zu Hause ab und fahre selbst weiter zu den Perepalkins, in der Annahme, Sie dort anzutreffen, doch auch diesmal habe ich mich verrechnet. Daraufhin fahre ich nach Hause, mache die ganze Nacht kein Auge zu, weil ich mich um Sie sorge, fahre gleich am nächsten Morgen drei Mal bei Ihnen vorbei, um neun, um zehn und um elf Uhr, stürze mich drei Mal in Unkosten, miete Kutscher, und abermals lassen Sie mich als den Gelackmeierten dastehen.

Nachdem ich Ihren Brief gelesen hatte, konnte ich mich nur wundern. Sie schreiben mir von Jewgeni Nikolajitsch und bitten mich, ihm etwas einzuflüstern, verlieren aber kein Wort darüber, warum. Diskretion lobe ich mir durchaus, nur ist Papier ja wohl nicht gleich Papier, und wichtige Papiere pflege ich meiner Frau nicht für ihre Haarwickel zu überlassen. Allerdings kann ich mir ohnehin keinen Reim darauf machen, wieso Sie mir all das schreiben. Nebenbei bemerkt, wenn es gar so schlimm steht, was ziehen Sie mich dann in diese Angelegenheit hinein? Ich stecke meine Nase ja auch nicht in anderer Leute Angelegenheiten. Ihm das Haus verbieten, das können Sie selbst, aber was uns beide anbelangt, da sollten wir endlich offener und klarer miteinander reden, sonst treten wir auf der Stelle. Zudem bin ich knapp bei Kasse und weiß nicht, was tun, wenn Sie sich weiterhin über all unsere Abmachungen hinwegsetzen. Uns steht eine Reise bevor, diese Reise kostet, obendrein liegt mir meine Frau in den Ohren: Sie müsse sich noch einen samtenen Kapuzenumhang nach der neuesten Mode schneidern lassen. Was nun Jewgeni Nikolajitsch anbelangt, da versichere ich Ihnen, dass ich umgehend, gleich gestern Abend, eben als ich Pawel Semjonytsch Perepalkin meine Aufwartung machte, Erkundigungen über ihn eingeholt habe, die endgültig alle Zweifel aus dem Weg räumen: Er besitzt im Gouvernement Jaroslawl seine fünfhundert Seelen,5 und es besteht Hoffnung, von der Großmutter noch dreihundert Seelen bei Moskau zu erhalten. Wie viel Geld er hat, weiß ich nicht, aber das dürften Sie dafür umso besser wissen. Ich bitte Sie dringend, mir einen Ort für eine Zusammenkunft zu nennen. Sie haben gestern Iwan Andrejitsch getroffen und schreiben, er habe Ihnen versichert, ich sei mit meiner Frau im Alexandra-Theater. Dazu kann ich Ihnen nur sagen, dass er lügt und man ihm in solchen Fragen ohnehin keinen Glauben schenken darf, außerdem hat er auch noch seine Großmutter vor nicht einmal drei Tagen um achthundert Rubel in Papiergeld6 geprellt. In diesem Sinn habe ich die Ehre zu verbleiben.

PS: Meine Frau ist schwanger. Obendrein ist sie schreckhaft und zuweilen melancholisch gestimmt. Bei Theateraufführungen werden jedoch mitunter Schießereien und von Maschinen künstlich erzeugtes Donnern dargeboten. Aus Furcht, meine Frau könne also im Theater erschrecken, führe ich sie deshalb überhaupt gar nicht erst dahin aus. Und ich selbst bin auf Theateraufführungen nicht sonderlich erpicht.

III


Pjotr Iwanytsch an Iwan Petrowitsch


Mein unschätzbarster Freund,

bester Iwan Petrowitsch!

Ich bekenne mich schuldig, schuldig und abertausendmal schuldig, will aber hurtig einiges zu meiner Entlastung vorbringen. Gestern kommt in der sechsten Abendstunde und damit genau zu der Zeit, als wir Ihrer mit aufrichtiger Herzensrührung gedachten, ein vom lieben Onkel Stepan Alexejitsch geschickter Kurier mit der Nachricht zu uns gestürmt, es stehe...

Erscheint lt. Verlag 11.10.2021
Reihe/Serie Penguin Edition
Penguin Edition
Nachwort Eckhard Henscheid
Übersetzer Christiane Pöhlmann
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Romane / Erzählungen
Schlagworte Aufzeichnungen aus dem Kellerloch • Coming of Age • Das Krokodil • Der Idiot • eBooks • Ehedrama • Geschenk • Geschenkbuch • Humor • Klassiker • lustig • lustige • Neuübersetzung • Penguin Edition • Russische Literatur • Satire • Schuld und Sühne • Sprachwitz • St. Petersburg
ISBN-10 3-641-28237-3 / 3641282373
ISBN-13 978-3-641-28237-0 / 9783641282370
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