Im Versteck (eBook)

Thriller
eBook Download: EPUB
2021 | 1. Auflage
608 Seiten
Heyne (Verlag)
978-3-641-25874-0 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Im Versteck -  Sabine Thiesler
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Der gut situierte Fotograf Paul Böger kauft sich in den toskanischen Bergen ein Haus. Es liegt am Ende eines kaum befahrbaren Weges und ist völlig verwahrlost. Paul kündigt seinen Job und zieht sofort in die eigentlich unbewohnbare Hütte ein. Von nun an vermeidet er jeden menschlichen Kontakt und versteckt sich in der Einsamkeit. Denn er ist auf der Flucht. Auf der Flucht vor sich selbst und seinem unbezwingbaren Trieb, Schlimmes zu tun.

Und dann verschwindet ein kleines Mädchen.

Sabine Thiesler, geboren und aufgewachsen in Berlin, studierte Germanistik und Theaterwissenschaften. Sie arbeitete einige Jahre als Schauspielerin im Fernsehen und auf der Bühne und schrieb außerdem erfolgreich Theaterstücke und zahlreiche Drehbücher fürs Fernsehen (u.a. Das Haus am Watt, Der Mörder und sein Kind, Stich ins Herz und mehrere Folgen für die Reihen Tatort und Polizeiruf 110). Ihr Debütroman »Der Kindersammler« war ein sensationeller Erfolg, und auch all ihre weiteren Thriller standen auf der Bestsellerliste.

1

Toskana im Juni

Der Makler beobachtete während der Fahrt im Auto seinen potenziellen Kunden aus dem Augenwinkel. So um die vierzig schätzte er ihn. Stadtmensch, eventuell Geschäftsmann, lässig elegant gekleidet, modischer Haarschnitt, kein Ehering. Nicht superreich, aber man musste sicher nicht für ihn sammeln. Ein gewisser Paul Böger aus Hamburg. Sein rechtes unteres Augenlid zuckte in unregelmäßigen Abständen. Ein Tick, oder aber Nervosität. Viele Kunden waren vor dem Besichtigen einer Immobilie ähnlich nervös wie vor dem ersten Date.

Viel hatten sie bisher nicht geredet, aber eines war klar geworden: Paul Böger sprach nur so viel Italienisch, dass er im Restaurant bestellen konnte. Dafür war sein Englisch sehr gut.

Luigi Manzoni strich sich eine fettige Haarlocke aus der Stirn und fragte sich, was dieser Typ hier wollte. In der Einsamkeit der toskanischen Berge. Kilometerweit vom nächsten Dorf, vierzig Kilometer von der nächsten Stadt entfernt. Und das Haus, das er aufgrund eines Exposés unbedingt besichtigen wollte, würde er sowieso nicht kaufen. Niemals! Das war nichts für einen luxusverwöhnten Städter, er würde den Schock seines Lebens kriegen.

Unvorstellbar, dass dieser geschniegelte Typ hinter dem Haus das Holz für den Winter hackte, mit der Kettensäge Bäume fällte und knorrige Büsche vom jahrelangen Wildwuchs befreite. Dazu müsste er ja seinen Anzug in einen Blaumann und seine teuren Lederslipper in Gummistiefel oder schwere Arbeitsschuhe eintauschen.

Er passte hierher wie eine Kegelrobbe in die Wüste Gobi.

Der teure SUV quälte sich auf der extrem engen Bergstraße über dicke Baumwurzeln, an Felsbrocken vorbei und durch beängstigend große Erdlöcher, die der Regen jedes Mal tiefer auswusch. Irgendwann würde er hier gar keine Besichtigungen mehr durchführen können.

Luigi war schon ewig nicht mehr zu einer Besichtigung dieser heruntergekommenen Immobilie gefahren und bekam von Kurve zu Kurve schlechtere Laune. Er konnte es nicht ausstehen, seine Zeit sinnlos zu vergeuden, aber dieser Signor Böger war ein extrem sturer Hund gewesen.

»Signor Böger, ich glaube nicht, dass Caprinaia das ist, was Sie suchen.«

»Das lassen Sie mal meine Sorge sein.«

»Es ist sehr verwohnt und renovierungsbedürftig.«

»Das ist mir egal.«

»Die Straße dorthin ist extrem schlecht.«

»Ich bin gespannt.«

»Und es liegt unglaublich einsam. Weit weg von jeglicher Zivilisation.«

»Wunderbar. Bitte zeigen Sie es mir.«

Daraufhin hatte Luigi seufzend einen Termin vereinbart.

Und jetzt waren sie fast am Ziel.

Nur wenige Minuten später parkte er auf einer Wiese unterhalb des Hauses.

Sie stiegen aus.

Der Makler sah, dass es Böger mit seinen dünnen Lederschuhen hier in diesem unwegsamen Gelände verdammt schwer haben würde, aber gut. Er hatte es so gewollt.

Von der Wiese führte eine verwitterte Steintreppe, die von Unkraut überwuchert war, bis zur wild zugewachsenen Terrasse des Hauses. Die Treppe war schmal und steil, einige Stufen waren weggebrochen, ein Geländer gab es nicht.

»Geht es?«, fragte Luigi.

»Aber sicher.«

Paul Böger erreichte die Terrasse und sah sich um.

Unbeweglich und still stand er da und rührte sich nicht. Sah ins Tal und über die Hügel.

Vor ihm undurchdringlicher, dichter Wald, nur vereinzelt Olivenhaine. Grillen zirpten, Geckos flüchteten über die Natursteinmauer hinauf bis unters Dach.

In der Nachmittagssonne leuchtete die Natursteinwand des alten toskanischen Hauses in einem angenehm bräunlichen Ton und lud geradezu dazu ein, sich davorzusetzen, die warme Hauswand im Rücken zu spüren und den Blick ins Tal zu genießen.

Augenblicklich verspürte er unendliche Ruhe und Frieden.

Er atmete tief durch und schloss die Augen. Versuchte die zarten Gerüche des mediterranen Frühlings in sich aufzunehmen. Von einem hellviolett blühenden Rosmarinzweig zupfte er einen kleinen Trieb ab und hielt ihn sich an die Nase. Und so eine Köstlichkeit wucherte hier fast überall.

Der gesamte Garten war verwildert, das Gras stand einen halben Meter hoch und bog sich im Wind, was Paul faszinierend fand. Auf der Terrasse diente ein steinernes Mühlrad, auf einen Stein gewuchtet, unter einem knorrigen, alten Olivenbaum als Tisch. Was für eine Kraftanstrengung musste es einmal bedeutet haben, dieses Ungetüm zu bewegen! Und jetzt stand dieser Tisch hier für die Ewigkeit.

Hinter ihm unterdrückte der Makler ein gelangweiltes Gähnen.

»Das Haus ist ja größer, als ich dachte!«

»Ja, es bietet viel Platz. Man kann etwas Fantastisches daraus machen.«

»Was ist das?« Ein paar Meter neben dem hinteren Teil des Hauses stand ein kleines quadratisches, mit roten Backsteinen gemauertes Gebäude, ungefähr fünf Quadratmeter groß.

»Keine Ahnung. Das können Sie abreißen. Ich nehme an, es wurde bei der Olivenernte genutzt, um die gepflückten Oliven bis zum Pressen zu lagern.«

»Wie lange werden Oliven gelagert?«

»Einen Tag. Höchstens drei. Dann verderben sie.«

»Hat das Haus Strom?«

»Sicher. Aber der ist abgeschaltet. Sie müssten das Wiederanschalten beantragen.«

»Ist das kompliziert?«

»Aber nein. Die Stromanbieter sind verpflichtet, auch die entlegensten Einzellagen zu beliefern, insofern funktioniert das ganz unproblematisch.«

Paul nickte. »Wunderbar.«

Der Blick nach Süden ging tief ins Tal, im Westen sah man bewaldete Hügel, im Norden schlängelte sich der Weg durch die Wildnis, und im Osten eröffnete sich eine Schlucht in ein enges Tal, das sich dann zum Süden hin weitete.

Paul fühlte sich von diesem Haus umarmt.

Weit und breit gab es keinen Nachbarn, der nächste Ort war mehrere Kilometer entfernt.

Hier kann ich es schaffen, dachte er. Ja, das könnte meine Rettung sein.

Der Makler trat ungeduldig von einem Fuß auf den anderen und ging Paul gehörig auf die Nerven.

»Möchten Sie jetzt vielleicht das Haus von innen sehen?«

Luigi wurde immer nervöser. Er hatte für die komplette Besichtigung dieser Bruchbude maximal eine halbe Stunde eingeplant. Und jetzt starrte dieser merkwürdige Mensch schon seit einer gefühlten Ewigkeit das Haus von außen an und hatte sich noch keinen einzigen Raum angeguckt. Wahrscheinlich konnte er sich sein Mittagessen und die Verabredung mit Signora Capresi, die sich ein Ferienappartement in Moncioni ansehen wollte, abschminken.

»Tun Sie mir die Liebe und seien Sie einen Moment still«, sagte Paul leise. »Bitte!«

Der Makler schwieg erschrocken und bohrte mit der Schuhspitze in der trockenen Erde.

Paul setzte sich auf das Mühlrad und schloss die Augen. Ja, dachte er, ja. Dies hier war ein magischer Ort. Hier würde er glücklich werden, hier würde sich alles zum Guten wenden, davon war er überzeugt.

Es war unglaublich, hier zu sitzen. Immer intensiver roch er die Kräuter, die wild wucherten. Büsche von Kamille hatten sich ausgesamt, und auch Dill und Oregano. Dazu die Sonne, die er auf seinen Armen spürte und die der Haut einen sandig erdigen Geruch verlieh, den er so liebte.

Hier in einer warmen Sommernacht zu sitzen und auf die Lichter von Ambra zu schauen – ein größeres Glück konnte er sich im Moment nicht vorstellen.

Der Makler stand dort, wo die Terrasse aufhörte und die baufällige, zugewucherte Treppe zum Parkplatz führte, und versuchte jetzt zu telefonieren. Ging hin und her, streckte das Handy zum Himmel und fluchte leise, weil er anscheinend kein Netz hatte.

»Was ist das da unten?«, rief Paul dem Makler zu, der sofort seine Bemühungen unterbrach und zu ihm kam. »Diese lang gestreckten Kästen. Sind das Ställe oder Lagerhallen?«

»Das ist eine Tabakfabrik«, antwortete der Makler und sah jetzt anscheinend doch all seine Felle davonschwimmen. »Aber sie ist im Moment...

Erscheint lt. Verlag 13.9.2021
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Krimi / Thriller / Horror Krimi / Thriller
Schlagworte Commissario Neri • eBooks • Flensburg • Flucht • Hamburg • Haus in der Toskana • Kindermörder • Missbrauch • Psychothriller • spiegel bestseller • Spiegel Bestsellerliste aktuell • Thriller • Toskana • Trauma
ISBN-10 3-641-25874-X / 364125874X
ISBN-13 978-3-641-25874-0 / 9783641258740
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