Algorytmica (eBook)

Roman

(Autor)

eBook Download: EPUB
2021
432 Seiten
Heyne Verlag
978-3-641-26367-6 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Algorytmica - Marion Herzog
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Wir schreiben das 24. Jahrhundert: Nach einer globalen Katastrophe haben sich die Überlebenden in riesige unterirdische Bunkeranlagen, sogenannte Archen, zurückgezogen. Dank hochmoderner Technologie und fähiger Programmierer sind die Arche-Bewohner vierundzwanzig Stunden am Tag in virtuelle Welten eingeloggt und können so vergessen, dass sie tief unter der Erdoberfläche in winzigen Zellen an lebenserhaltende Systeme angeschlossen sind. Dann kommt es eines Tages zu einem Black-out, die Systeme fallen aus und es wird klar, wie verletzlich die unterirdische Gesellschaft eigentlich ist. Die Informatikstudentin Kaja wittert eine Verschwörung, aber niemand nimmt sie ernst. Sie erhält jedoch Unterstützung von unerwarteter Seite: Liam Turner ist ein brillanter Kopf, der Verbindungen ins Darknet hat, und er glaubt Kaja. Und tatsächlich kommen die beiden einem gewaltigen Komplott auf die Spur ...

Marion Herzog studierte Literaturwissenschaften und Anglistik in München und verbrachte einige Zeit in London und Auckland. Sie betreute viele Jahre als Redakteurin erfolgreich Buchprojekte, bevor sie ihre eigene Liebe zum Schreiben entdeckte. Unter anderem Namen hat sie bereits mehrere Krimis veröffentlicht, nun wagt sie mit »Algorytmica« und »Terra Nova« den Aufbruch in die ferne Zukunft. Die Autorin lebt mit ihrer Familie auf dem Land.

Prolog

Samuel Crowe beobachtete konzentriert die vier Monitore. Endlich war es so weit. Seine Drohne begann nach einem langen Heimweg mit dem Landeanflug, und obwohl ihm eine ermüdende Nachtschicht in den Knochen steckte, durfte er jetzt keinen Fehler machen. Immerhin war es seine einzige Aufgabe, das Flugzeug sicher nach Hause zu bringen.

Es war ungewöhnlich ruhig auf der Lotsenbrücke. Ein angekündigter Sturm war der Grund dafür. Die meisten seiner Kollegen hatten ihre Babys längst ins Dock geholt und waren in die Sicherheit der tieferen Ebenen verschwunden. Außer ihm selbst waren nur noch vier weitere Drohnenpiloten anwesend. Cathy, Miriam und Don verfolgten an ihren Pulten zwei Reihen vor ihm die Flugbahnen ihrer eigenen Schützlinge. Auch die drei anderen Drohnen waren nicht mehr weit entfernt. Sie würden es rechtzeitig in die Arche schaffen.

Auf dem Platz direkt neben Samuel war Riley vor seinem virtuellen Cockpit eingeschlafen. Wie sein bester Freund es schaffte, seelenruhig vor sich hinzuschnarchen, während sein Flugzeug meilenweit entfernt unterwegs war, konnte Samuel nicht verstehen. Aber es war typisch für ihn. Was Riley nicht ändern konnte, das interessierte ihn auch nicht. Wäre es Samuels Drohne gewesen, die direkt auf einen Jahrhundertsturm zusteuerte, er hätte keine ruhige Minute gehabt. Doch die Sorge um sein ferngesteuertes Auge war nicht der einzige Grund für seine Nervosität an diesem Abend.

Das Blinken auf seinem Monitor zeigte ihm an, dass DX.567.34, oder Dottie, wie er sie liebevoll nannte, den Signalradius der Arche erreicht hatte. Nur wenige Sekunden später flackerte die Übertragung ihrer Außenkamera über den Screen. Wackelnd, vom Wind hin- und hergezerrt, schoss Dottie auf der südlichen Einflugschneise auf das Schott zu. Angespannt nagte Sam an seiner Unterlippe. Der Sturm war näher als gedacht und stärker. Samuel hatte das Landemanöver schon viele Hundert Male durchgeführt, und doch war er immer wieder nervös, als wäre es sein erster Flug. Sein Blick hüpfte zwischen den Bildschirmen hin und her. Er kontrollierte abwechselnd die Daten der errechneten Flugbahn, das Cockpit seiner Drohne und die Bilder, die sie ihm aus der Luft zeigte. Viel war darauf nicht zu erkennen. Der dichte rote Feinstaub schränkte die Sicht bis auf wenige Meter ein. Zudem funktionierte Dotties Liveübertragung nur in unmittelbarer Nähe der Arche. Je weiter sich die Drohne entfernte, desto schwächer wurde ihr Funksignal. Schon nach wenigen Kilometern war sie nicht mehr zu steuern und konnte nur noch ihrer vorprogrammierten Flugbahn folgen.

Nur eine der vielen Herausforderungen, die da draußen auf die Flieger wartete. Es kam immer wieder vor, dass Lotsen ihre Drohnen an die Oberfläche verloren. Samuel war das noch nie passiert, und es würde ihm auch heute nicht passieren. Seine Finger hüpften zwischen den Screens hin und her und justierten auf der transparenten Oberfläche die Koordinaten immer wieder neu. In schnellem Zickzack raste Dottie tief am Boden über aschgrauen Stein und rote Staubhügel, bis wie aus dem Nichts die Tore der Südschleuse auftauchten. Im selben Moment, in dem die Bilder Samuels Monitor erreichten, öffnete er mit einer geübten Handbewegung die Tore und ließ sein Baby ins Innere der Arche einfliegen.

Sobald sich die meterdicken Tore hinter der Drohne geschlossen hatten, wurde das Übertragungsvideo deutlicher. Samuel sah, wie Dotties Scheinwerfer den grauen Stahl in weißes Licht tauchten. Erleichtert atmete er auf. Sie hatten es wieder einmal geschafft. Dottie war sicher im Hafen. Ein paar Minuten noch, dann würde der Aufzug den Hangar auf Level –1 erreichen, und sie war zu Hause.

Samuel legte den Kopf in den Nacken und blickte nach oben an die graue Betondecke. Wie viele Meter Stein trennten ihn von seiner Drohne? Und von den Schotts auf Level 0? Was hatte Dottie diesmal gesehen, welche Bilder würde sie mit ihm teilen?

»Riley, hey Riley, wach auf!« Er boxte seinen Freund in die Seite. »Dottie ist zurück. Es ist so weit.«

Der schlafende Pilot röchelte genervt durch die Nase und blinzelte müde mit einem Auge zu ihm hoch.

»Bist du dir sicher? Das ist das dritte Mal heute, dass du den Vogel gesehen hast.«

Samuel nickte überzeugt. »Sie ist es. Sieh selbst.« Er deutete auf seine Monitore.

Riley wischte sich mit dem Ärmel seiner Uniform ein dünnes Rinnsal Speichel vom Kinn und stemmte sich von seinem Stuhl hoch. Mit gerunzelter Stirn betrachtete er die Daten und schließlich die Bilder aus dem Lastenaufzug.

»Hallo hallo, alte Freundin, da bist du ja wieder«, murmelte er. Ein Lächeln stahl sich auf sein Gesicht. »Na? Was hast du da draußen gesehen? Hast du uns etwas Interessantes mitgebracht?« Er wandte sich an Samuel und sagte: »Dann wollen wir mal nach oben. Lange genug hat es gedauert. Hoffentlich hat sich die Warterei diesmal gelohnt. Langsam frage ich mich, warum wir das hier eigentlich machen. Ob wir überhaupt je etwas finden.«

»Pst«, zischte Samuel und warf einen hektischen Blick über die Schulter in Richtung der anderen Piloten.

»Ach, komm schon«, beruhigte ihn Riley und verdrehte die Augen. »Als ob es hier jemanden interessiert, was wir treiben.« Aus der Innentasche seiner Jacke zog er einen kleinen Flachmann. Er nahm einen kräftigen Schluck und zog scharf die Luft ein. »Puh, das Zeug wird auch nicht besser. Aber bei den Preisen, die Miller verlangt …« Er bot Samuel einen Schluck an, aber der schüttelte nur den Kopf.

»Lieber nicht. Ich bin nervös genug.«

»Eben darum.« Riley steckte den Flachmann wieder weg.

»Komm, wir wollen dein Baby nicht warten lassen. Vielleicht hat sie uns ja tatsächlich etwas Neues mitgebracht.«

Zielstrebig überquerten sie die Brücke in Richtung der beiden Aufzüge.

»Habt ihr einen Heimkehrer?«, fragte Miriam Bold und hob den Blick für einen Moment von ihren eigenen Daten.

»Jepp, er hier«, erklärte Riley und klopfte Samuel auf die Schulter. »Mein Miststück treibt sich noch da draußen rum. Ich denke nicht, dass sie es nach Hause schafft, bevor es richtig ungemütlich wird. Wie sieht es bei euch aus?«

»Cathy könnte Glück haben. Ihr Vogel ist nur noch ein paar Stunden entfernt. Don rechnet nicht mehr mit einer Rückkehr. Sein letztes Signal ist fast acht Stunden alt. Die ursprüngliche Route führt mitten in den Sturm, und er kann nicht umlenken. Bei mir sieht es nicht viel besser aus. Ich bin zwar nur noch vier Stunden von der Arche entfernt, aber ich hab kaum noch Energie. Ich kann versuchen durchzufliegen«, sie zuckte mit den Achseln, »aber ihr wisst ja selbst, wie die Chancen stehen. Ich werde den Sturm abwarten. Vielleicht kann ich landen und in ein paar Tagen eine Bergungsmaschine schicken. Warst du weit weg, Samuel?«

Samuel warf Riley einen Blick zu, als wünschte er, sein Freund würde für ihn antworten. Dann schüttelte er den Kopf. »Nein, die übliche Tour.« Nervös rieb er seine Handflächen aneinander.

»Na dann, herzlichen Glückwunsch zur Heimkehr. Hab ein gutes Charching. Wir werden wohl mindestens eine Woche nicht starten. Ich kann eine Pause gut gebrauchen. Vielleicht sehen wir uns ja die Tage im Holovit?«

»Darauf kannst du wetten«, sagte Riley. »Guten Flug, Mir.«

Gemeinsam verschwanden Riley und Samuel im Fahrstuhl. Riley drückte den Knopf für die Ebene –1. Nachdem er seine ID in das Display getippt hatte, schlossen sich die Türen. Schulter an Schulter standen die beiden Männer nebeneinander, bis sich die Türen mit einem leichten Ruck wieder öffneten.

»Level –1. Drohnenhangar«, kündigte eine freundliche Frauenstimme an.

Samuel straffte die Schultern. Gemeinsam mit Riley verließ er den Aufzug, und im Gleichschritt durchquerten sie die weitläufige Halle.

Wie immer, wenn er so nahe an der Oberfläche war, fühlte Samuel sich unbehaglich. Ausgeliefert und schutzlos angesichts der tödlichen Welt, die direkt über seinem Kopf lauerte. Aber da war noch etwas anderes. Eine bizarre Neugier, eine Sehnsucht nach dieser unbekannten, unendlichen Weite. Die Hoffnung auf Freiheit, für die er immer wieder sein Leben aufs Spiel setzte.

»Langsam könnte man hier auch mal umparken«, knurrte Riley, während sie mit langen Schritten den stillgelegten Teil der Halle mit Personenflugzeugen durchquerten. »Die Dinger waren seit Jahren nicht mehr in der Luft. Die können auch woanders verrosten. Und ich würde mir ein paar Meter sparen.«

»Bewegung ist gesund für Körper und Geist«, entgegnete Samuel. Nachdenklich betrachtete er die in die Jahre gekommene Passagierflotte der Arche, knapp dreißig Falcon Jets, ein Dutzend kleinere Senkrechtstarter und fünf Boeing Modelle der A800er-Familie. Seit dem Amtsantritt von Präsidentin Smith war keines der Flugzeuge mehr gewartet worden. Zehn Jahre war das nun her. Würden die Maschinen überhaupt noch fliegen? War genügend Treibstoff vorhanden? Wie viele Menschen könnte man damit in die Freiheit tragen?

Tausend?

Etwas mehr? Etwas weniger?

Das waren nur etwa 0,5 Prozent der Menschen, die in dieser Arche lebten. »Träumst du?«, fragte Riley und holte ihn zurück in die Realität. Samuel schüttelte den Kopf, auch, um die sinnlosen Gedankenspiele zu beenden. Selbst wenn die Flugzeuge starteten, selbst wenn einem kleinen Teil der Bewohner eine Flucht gelang – wo sollten sie hin? In eine der anderen beiden Archen? Es war überall gleich. Nur dass die Präsidenten und die Mitglieder des Rats dort andere Namen trugen.

»Dann beeil dich. Sie kommt...

Erscheint lt. Verlag 13.12.2021
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Fantasy / Science Fiction Science Fiction
Schlagworte deutschprachige Science-Fiction • dystopie fantasy • eBooks • Ferne Zukunft • Hologramm • Intrigen • Liebesgeschichte • Postapokalypse • unterirdischer Bunker • Virtuelle Welten • zerstörte Erde
ISBN-10 3-641-26367-0 / 3641263670
ISBN-13 978-3-641-26367-6 / 9783641263676
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