Gespenster-Krimi 65 (eBook)
Bastei Lübbe (Verlag)
978-3-7517-1159-3 (ISBN)
Finstere Nacht lag über dem kleinen Friedhof am Rand der Urwaldsiedlung und hüllte die Gräber fast vollständig ein. Nur verschwommen waren die verwitterten Grabkreuze zu erkennen. Dazwischen ragte hier und da ein matt schimmernder Marmorblock auf.
An einer Stelle brannte verloren ein Licht. Es war eine Kerze, die ihren unruhig flackernden Schein auf einen frisch aufgeworfenen Erdhügel warf.
Welke Blumen lagen auf diesem Grab, Kränze und Sträuße, die man für den kürzlich Verstorbenen niedergelegt hatte.
Plötzlich geriet das Erdreich in Bewegung ...
Zombie-Rache
von Hal W. Leon
Finstere Nacht lag über dem kleinen Friedhof am Rand der Urwaldsiedlung und hüllte die Gräber fast vollständig ein. Nur verschwommen waren die verwitterten Grabkreuze zu erkennen. Dazwischen ragte hier und da ein matt schimmernder Marmorblock auf.
An einer Stelle brannte verloren ein Licht. Es war eine Kerze, die ihren unruhig flackernden Schein auf einen frisch aufgeworfenen Erdhügel warf.
Welke Blumen lagen auf diesem Grab, Kränze und Sträuße, die man für den kürzlich Verstorbenen niedergelegt hatte.
Plötzlich geriet das Erdreich in Bewegung ...
Eine menschliche Hand bohrte sich ins Freie und stieß dabei die Wachskerze um.
Die Finger waren gespreizt. Jetzt krümmten sie sich, die Hand machte eine Faust. Dann öffnete sie sich wieder, packte die verdorrten Blumengebinde und schleuderte sie zur Seite.
Große Erdklumpen folgten. Die Hand schuf Platz für eine zweite Hand, die ebenfalls sofort zu scharren begann. Das Loch erweiterte sich, und ein gedrungener Schädel tauchte auf.
Es war ein männlicher Kopf. Dunkle Augen starrten leer aus einem Gesicht, das so grau wie die lehmige Erde war. Die wulstigen Lippen waren fest geschlossen. In den Nasenlöchern und in den strähnigen Haaren des Unheimlichen hatte sich Ungeziefer festgesetzt.
Schon drängten breite Schultern nach. Kraftvoll stießen sie an die Oberfläche und schoben einen ganzen Berg von Erde vor sich her.
Wenig später stieg die Gestalt aus dem Grab. Es war ein höchstens dreißigjähriger, auffallend muskulöser Mann, der zerschlissene Kleidung trug. Ohne nach der gewaltigen Anstrengung verschnaufen zu müssen, orientierte er sich kurz, dann setzte er sich schleppend in Bewegung.
Er ging, als wären seine Glieder eingerostet. Alles an ihm wirkte schwerfällig. Doch er bewegte sich trotz der Dunkelheit zielstrebig und stolperte auch nicht über die herumliegenden Steine.
Die Nacht war heiß, aber der Unheimliche spürte das nicht. Er wusste nicht mehr, dass er als Lebender Carlos geheißen hatte, erinnerte sich auch nicht an den Zombie, der ihm das Leben ausgesaugt hatte. Denn er war jetzt selbst ein Zombie, ein durch geheime Riten Wiedererweckter, der bedingungslos alles tun würde, was sein Herr und Meister von ihm verlangte.
Schon hatte Carlos den Totenacker hinter sich gelassen. Vor ihm lag die Siedlung, in der trotz der späten Stunde noch Leben herrschte.
Vor den armseligen Hütten saßen in Gruppen Männer beisammen, die Cachaça tranken, den selbstgebrannten Zuckerrohrschnaps. Dabei unterhielten sie sich lachend.
Ohne Zögern näherte sich der Untote den Hütten und gelangte in den Lichtschein.
Da bemerkte man ihn. Schlagartig verstummte die Unterhaltung der Indios. Alle starrten erschrocken auf die mit feuchter Erde bedeckte Gestalt, die mit plumpen Schritten auf sie zukam.
»Carlos!«, stieß ein junger Bursche fassungslos hervor. »Er hat sein Grab verlassen!«
»Rettet euch vor ihm!«, schrie ein anderer Mann entsetzt. »Sonst seid ihr verloren!«
Die Indios fuhren hoch und sprangen in ihre Hütten, warfen die Türen zu und verrammelten sie.
Auch auf der Straße ergriffen die Leute die Flucht. Schreiend stoben sie auseinander, denn sie alle wussten, dass ihnen nichts Schlimmeres passieren konnte, als einem Zombie zu nahe zu kommen.
Aber der Wiedererweckte kümmerte sich nicht um sie. Er setzte seinen Weg unbeirrt fort. Eine innere Stimme befahl ihm, sich unverzüglich zum Iriri zu begeben, einem Nebenfluss des Rio Xingú.
Er ließ das Dorf hinter sich und verschwand im nahen Dschungel.
†
Behäbig tuckerte der alte Flussdampfer den Iriri hinauf, dessen Ufer von den grünen Mauern des Urwalds gesäumt waren. Eileen Ashley stand an der Reling und blickte in die trüben Fluten, die sich vor dem Bug des Schiffes teilten und hinter dem Heck wieder zusammenflossen.
Sie dachte an Bob Carter, ihren Verlobten, der sich in seine Kabine zurückgezogen hatte, weil ihm die Hitze nicht guttat. Das Klima in diesem Land war einfach mörderisch. Obwohl Eileen keinen Finger zu rühren brauchte, floss auch ihr der Schweiß in Strömen über den Körper.
Einige Meter von ihr entfernt stand Ray Brendon, einer der beiden jungen Amerikaner, die sie schon im Flugzeug gesehen hatte, mit dem sie von Brasilia nach Manaus gekommen waren. Wie sie wusste, hatten auch sie Schiffsfahrkarten bis Entre Rios genommen.
Die hübsche Engländerin spürte, dass sie von Brendon beobachtet wurde. Aber sie ließ sich nichts anmerken.
Plötzlich kam er näher und stellte sich direkt neben sie.
»Sie erlauben doch?«
Eileen wandte den Kopf. Ihre Augen trafen sich mit denen von Ray, der sie entwaffnend anlächelte. Da konnte sie nicht anders, als zustimmend zu nicken.
»Ziemlich anstrengend, diese Reise, nicht wahr?«, fuhr er mit seiner sympathisch klingenden Stimme fort. »Sagen Sie, hat denn Ihr Verlobter keine Angst, dass Sie über Bord stürzen könnten?«
»Ich kann schwimmen«, antwortete Eileen.
»Das bezweifle ich nicht. Es fragt sich nur, ob es die Piranhas daran hindern würde, über Sie herzufallen.«
»Piranhas – gibt es denn welche in diesem Fluss?«
»Und ob! Diese Biester sind imstande, einen Menschen innerhalb einer Minute bis auf das Skelett abzunagen. Aber sie sind nur eine von tausend Gefahren, mit denen wir in Brasilien zu rechnen haben.«
»Wollen Sie mir Angst machen?«, fragte die junge Frau in leicht ärgerlichem Ton.
»Nein, durchaus nicht.« Ray Brendon grinste breit. »Aber mich hätte der Grund Ihrer Reise interessiert. Das heißt, wenn ich ihn erfahren darf«, bemerkte er einschränkend und fügte rasch hinzu: »Ich möchte nämlich nicht neugierig sein.«
»Ich will zu meinem Vater«, entgegnete Eileen.
»Lebt er denn in dieser Gegend?«
»Ja. Er ist Botaniker und geht irgendwo am Oberlauf des Iriri seiner Forschungsarbeit nach. Allerdings habe ich schon seit mehreren Monaten nichts mehr von ihm gehört.«
»Und deshalb glauben Sie, es könnte ihm etwas zugestoßen sein?«
Die blonde Frau nickte ernst. »Irgendetwas stimmt jedenfalls nicht. Als auch mein letzter Brief nicht beantwortet wurde, habe ich mich entschlossen, Nachschau zu halten.«
»Ich hoffe für Sie, dass Sie Ihren Vater wohlbehalten wiedersehen werden.«
»Danke! Und was führt Sie in diese unwirtliche Gegend?«
»Ich möchte mit meinem Freund einen Dokumentarfilm über Sitten und Gebräuche wilder Indios drehen.«
»Wie aufregend!«, rief Eileen Ashley. »Aber ist das, was Sie vorhaben, nicht sehr gefährlich?«
»Kann schon sein.« Der athletisch gebaute, ungefähr sechsundzwanzigjährige Amerikaner zuckte unbekümmert mit den Schultern. »Viele Indianerstämme am Amazonas sind noch Kopfjäger und töten jeden Weißen, der in ihr Gebiet eindringt. Aber wir werden schon auf uns achtgeben. Außerdem haben wir in Entre Rios einen Freund, der genau weiß, wie man mit den Indios umgehen muss, um ihr Zutrauen zu gewinnen. Er heißt übrigens Ernesto Vargas und lebt schon sehr lange in dieser Gegend. Leicht möglich also, dass er Ihren Vater kennt und etwas über seinen Verbleib zu sagen weiß. Ich werde ihn jedenfalls danach fragen.«
»Da wäre ich Ihnen sehr dankbar«, erwiderte Eileen.
Sie wollte noch etwas sagen, schwieg aber, weil in diesem Moment Harry Webb auf sie zukam, der zweite Amerikaner.
Harry war wie Ray sehnig und braun gebrannt und hatte ein gut geschnittenes, leicht verwegenes Gesicht. Er nickte der junge Frau freundlich zu, dann wandte er sich an Ray. »Hier steckst du also! Tut mir leid, eure Unterhaltung stören zu müssen. Aber ich denke, es ist Zeit, sich fertigzumachen. Hinter der nächsten großen Flussschleife sind wir am Ziel.«
†
Entre Rios lag, wie schon sein Name besagte, zwischen zwei Flüssen: dem wilden Iriri und dem hier einmündenden Curua. Es war eine armselige Bretterbudenstadt, in der hauptsächlich Mischlinge lebten, letzter Vorposten der Zivilisation und Endstation für den Schiffsverkehr. Wer von hier weiterreisen wollte, war auf kleine Boote angewiesen.
Schwitzend gingen die Passagiere an Land. Eileen Ashley tat es mit gemischten Gefühlen. Ihr wäre plötzlich viel wohler gewesen, hätte sie heimatlichen Boden unter den Füßen gehabt.
Noch im Hafen verabschiedete sie sich von den beiden Amerikanern, die von einem jungen Indio abgeholt wurden. Sie und Bob würden in dem einzigen Hotel der Stadt wohnen, wohin sie ihr Gepäck bringen ließen.
Es war bereits spät. Unbemerkt versank die Sonne hinter schweren Regenwolken, die seit einer Stunde den Himmel verdüsterten. Sicher würde es heute noch ein Gewitter geben.
Eileen war von der langen Reise so müde, dass sie sich gleich nach dem Abendessen zu Bett begab. Das gemietete Zimmer war klein, aber verhältnismäßig sauber.
»Was ist mit dir?«, fragte...
Erscheint lt. Verlag | 6.4.2021 |
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Reihe/Serie | Gespenster-Krimi |
Verlagsort | Köln |
Sprache | deutsch |
Themenwelt | Literatur ► Krimi / Thriller / Horror ► Horror |
Literatur ► Romane / Erzählungen | |
Schlagworte | 2017 • 2018 • Abenteuer • alfred-bekker • Bastei • Bestseller • Dämon • Dämonenjäger • dan-shocker • Deutsch • eBook • E-Book • eBooks • Extrem • Fortsetzungsroman • Frauen • Geisterjäger • grusel-geschichten • Gruselkabinett • Grusel-Krimi • Grusel-Roman • Horror • Horror-Roman • horrorserie • Horror-Thriller • john Sinclair • Julia-meyer • Kindle • Krimi • Kurzgeschichten • larry-brent • Lovecraft • Macabros • Männer • morland • neue-fälle • Paranomal • professor-zamorra • Professor Zamorra • Psycho • Roman-Heft • Serie • Slasher • sonder-edition • spannend • Splatter • Stephen-King • Terror • Thriller • Tony-Ballard • Top • Zaubermond |
ISBN-10 | 3-7517-1159-7 / 3751711597 |
ISBN-13 | 978-3-7517-1159-3 / 9783751711593 |
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