König Arthur und die Ritter der Tafelrunde (eBook)
1232 Seiten
Anaconda Verlag
978-3-641-27914-1 (ISBN)
ERSTES BUCH
I. KAPITEL
Es geschah in den Tagen des Uther Pendragon, als er König von ganz England war und allda regierte, daß ein mächtiger Herzog in Cornwall war, der lange Zeit gegen ihn Krieg führte. Und dieser Herzog hieß der Herzog von Tintagil. Eines Tags also entbot König Uther diesen Herzog zu sich und befahl ihm, sein Weib mitzubringen, denn sie galt als schöne und sehr kluge Frau, und ihr Name war Igraine. Als da her der Herzog und sein Weib zu dem König gekommen waren, wurden sie von großen Herren beide zu ihm geleitet. Dem König gefiel die Dame sehr, und er fiel in Liebe zu ihr, und er nahm sie beide über die Maßen freundlich auf und begehrte bei ihr zu liegen. Aber sie war eine sehr gute Frau und wollte dem König nicht zu Willen sein. Und da sprach sie zu dem Herzog, ihrem Gemahl, und sagte: Mich dünkt, wir sind entboten worden, damit ich entehrt werde; darum rate ich Euch, Gemahl, wir wollen uns schnell von hinnen heben, daß wir die ganze Nacht durch bis zu unserm Schloß reiten. Und wie sie gesagt hatte, schieden sie, daß weder der König noch einer von seinem Rat ihren Abschied innewurden. Sowie Uther von ihrem plötzlichen Ab schied gehört hatte, ergrimmte er fürchterlich. Dann berief er seinen geheimen Rat zu sich und teilte den Herren die plötzliche Entfernung des Herzogs und seines Weibes mit. Sie aber rieten dem König, mit unweigerlichem Befehl den Herzog und sein Weib vor sich zu laden. Und wenn er auf Euer Geheiß nicht kommen will, dann könnt Ihr nach Belieben verfahren, dann habt Ihr gerechten Grund, ihn mit Krieg zu überziehen. So geschah es, und die Boten bekamen ihre Antwort, und die lautete in Kürze, weder er noch sein Weib würden kommen. Da ergrimmte der König fürchterlich. Und dann schickte der König ihm klare Botschaft und hieß ihn sich fertigmachen und wohl versorgen und vorsehen, denn binnen vierzig Tagen würde er ihn aus dem festesten Schloß, das er hätte, herausholen. Als der Herzog diese Ansage erhalten hatte, machte er sich stracks auf und verproviantierte zwei seiner Schlösser mit allem, was not tat; von denen hieß das eine Tintagil und das andere Terrabil. So barg er sein Weib, Dame Igraine, im Schloß Tintagil und sich selbst barg er in dem Schloß Terrabil, das viele Ausgänge und heimliche Türen hatte. Dann kam eilends Uther mit einer großen Schar und fing an, das Schloß Terrabil zu belagern. Und er schlug viele Zelte auf, und auf beiden Seiten wurde viel gekämpft und viele Mannen erschlagen. Dann fiel der König Uther aus purem Zorn und großer Liebe zur schönen Igraine in Krankheit. Kam also Sir Ulfius, ein adliger Ritter, zu König Uther und fragte den König, warum er krank wäre. Ich will dich berichten, sagte der König: ich bin krank aus Zorn und aus Liebe zur schönen Igraine, daß ich nicht gesund werden kann. Wohlan, Herr, sagte Sir Ulfius, ich werde Merlin aufsuchen, und er soll Euch Hilfe schaffen, daß Euer Herz Genüge findet. So brach Ulfius auf, und er stieß auf Merlin; der war in der Tracht eines Bettlers und fragte Ulfius, wen er suche. Der aber gab zur Antwort, er hätte keine Lust, es ihm zu sagen. Wohlan, sagte Merlin, ich weiß, wen du suchst, du suchst Merlin; also suche nicht weiter, denn ich bin es, und wenn König Uther mich gut lohnen will und mir schwören, mein Verlangen zu erfüllen, wird das mehr ihm zu Ehre und Gewinn sein als mir; denn ich werde zuwege bringen, daß all sein Verlangen erfüllt wird. All das will ich auf mich nehmen, sagte Ulfius; wenn es recht und billig ist, wird dein Verlangen erfüllt werden. Wohlan, sagte Merlin, sein Wunsch und Begehren soll ihm gestillt werden. Und darum, sagte Merlin, reite du deines Weges, denn ich werde nicht lange nachher kommen.
II. KAPITEL
Da war Ulfius froh und ritt eilends dahin, bis er vor König Uther Pendragon kam und ihm sagte, daß er Merlin getroffen hatte. Wo ist er? fragte der König. Herr, sagte Ulfius, er wird nicht lange säumen; und derweilen bemerkte Ulfius, daß Merlin draußen vor dem Zelt stand. Da wurde Merlin veranlaßt, zum König zu kommen. Als König Uther ihn sah, hieß er ihn willkommen. Herr, sagte Merlin, ich kenne Euer Herz ganz und gar; und wenn Ihr mir schwört, so wahr Ihr ein gesalbter König seid, mein Verlangen zu erfüllen, sollt Ihr haben, was Ihr begehrt. Darauf legte der König den Schwur auf die vier Evangelisten ab. Herr, sagte Merlin, hört mein Verlangen: in der ersten Nacht, in der Ihr bei Igraine lieget, werdet Ihr ein Kind zeugen; und wenn das geboren ist, soll es mir übergeben werden, damit es aufwachse, wo ich es haben will; denn es soll Euch Ehre machen, und das Kind soll solchen Vorteil haben, als das Kind wert ist. Ich will so, sagte der König, wie du es haben willst. Jetzt macht Euch fertig, sagte Merlin; in dieser Nacht werdet Ihr bei Igraine im Schloß Tintagil liegen, und Ihr werdet dem Herzog, ihrem Gemahl, gleich sein, Ulfius wird sein wie Sir Brastias, ein Ritter beim Herzog, und ich werde wie ein Ritter sein, der Sir Jordanus heißt und ein Ritter beim Herzog ist. Aber hütet Euch und fragt sie und ihre Mannen nicht viel, sagt vielmehr, daß Ihr nicht wohl seid und legt Euch schnell zu Bett und erhebt Euch am Morgen nicht, ehe ich zu Euch komme, denn Schloß Tintagil ist nur zehn Meilen von hier. So wurde der Anschlag ausgeführt. Aber der Herzog von Tintagil erspähte, wie der König von der Belagerung Terrabils wegritt, und also machte er in dieser Nacht einen Ausfall aus dem Schloß aus einem Pförtchen, um die Schar des Königs zu zerstreuen. Und so wurde durch seinen eigenen Ausfall der Herzog selber erschlagen, noch ehe der König an Schloß Tintagil angekommen war. Nach dem Tod des Herzogs also lag König Uther, mehr als drei Stunden nach seinem Tod, bei Igraine und zeugte mit ihr in dieser Nacht Arthur, und ehe der Tag anbrach, kam Merlin zu dem König und hieß ihn sich fertigmachen, und so küßte er Frau Igraine und schied in großer Eile. Als aber die Frau die Nachricht von dem Herzog, ihrem Gemahl, hörte, und er nach übereinstimmendem Bericht tot gewesen war, bevor König Uther zu ihr gekommen, da wunderte sie sich, wer das gewesen sein konnte, der in der Gestalt ihres Herrn bei ihr gelegen hatte; so trauerte sie in der Stille und hielt sich ruhig. Dann baten alle Barone mit einer Stimme den König um Frieden zwischen Frau Igraine und ihm; der König gab ihnen Gehör, denn gern wollte er mit ihr in Frieden sein. So vertraute der König die ganze Verhandlung zwischen ihnen Ulfius an; und während der Verhandlung kamen schließlich der König und sie zusammen. Jetzt wollen wir ein gutes Werk stiften, sagte Ulfius; unser König ist ein starker Ritter und hat kein Weib, und Frau Igraine ist eine sehr schöne Dame: es wäre große Freude für uns alle, wenn es dem König gefällig wäre, sie zu seiner Königin zu machen. Dem stimmten alle gern bei und brachten es vor den König. Und unverzüglich gab er, wie einem starken Ritter ansteht, gern seine Zustimmung; und so wurden sie eilends an einem Morgen mit großer Lust und Freude vermählt. Und König Lot von Lothian und Orkney heiratete zugleich Margawse, die Gawains Mutter wurde, und König Nentres aus dem Lande Garlot heiratete Elaine. All das geschah auf Verlangen des Königs Uther. Und die dritte Schwester Morgan le Fay wurde in ein Kloster zur Schule gegeben, und da lernte sie so viel, daß sie eine große Meisterin der Nekromantie wurde; und später wurde sie dem König Uriens aus dem Lande Gore vermählt, der Sir Ewains le Blanchemains Vater wurde.
III. KAPITEL
Dann wuchs Königin Igraine mit jedem Tag mehr in die Breite. Und es geschah nach einem halben Jahr, daß König Uther, als er bei seinem Weib lag, sie bei der Treue, die sie ihm schuldete, fragte, von wem das Kind in ihrem Leibe wäre; da schämte sie sich sehr, Antwort zu geben. Seid nicht erschreckt, sagte der König, sondern sagt mir die Wahrheit, und ich will Euch, so wahr ich bei Euch bin, noch mehr liebhaben. Herr, sagte sie, ich werde Euch die Wahrheit sagen. In der nämlichen Nacht, in der mein Herr starb, in der Stunde seines Todes, wie seine Ritter berichten, kam in mein Schloß Tintagil ein Mann, der glich meinem Herrn in Rede und Gestalt, und zwei Ritter waren bei ihm, die glichen seinen zwei Rittern Brastias und Jordanus; und so ging ich mit ihm zu Bett, wie es mir mit meinem Herrn zukam, und in der nämlichen Nacht, ich schwöre es bei Gott, wurde mir dies Kind gezeugt. Das ist Wahrheit, sagte der König, was Ihr da saget: ich war es selbst, der in der Gestalt gekommen ist, und darum erschreckt Euch nicht, denn ich bin der Vater des Kindes; und nun berichtete er ihr die ganze Sache, wie alles auf Merlins Rat geschehen war. Da war die Königin von Herzen froh, als sie erfuhr, wer der Vater ihres Kindes war. Bald kam Merlin zum König und sagte: Herr, Ihr müßt Euch vorbereiten; die Zeit ist nahe, wo das Kind gestillt werden muß. Wie du willst, sagte der König, so sei es. Wohlan, sagte Merlin, ich kenne einen Eurer Vornehmen in diesem Land, das ist ein sehr treuer und verläßlicher Mann, dem soll das Stillen Eures Kindes anvertraut werden. Sein Name aber ist Sir Ector, und er ist ein Mann mit stattlichen Besitzungen in vielen Teilen von England und Wales; sendet nun nach diesem Herrn, daß er herkomme und mit Euch rede, und sprecht ihm selbst bei seiner Liebe zu Euch Eure Bitte aus, daß er sein eigenes Kind einer andern Frau zum Stillen gibt und daß sein Weib Eures stillt. Und wenn das Kind geboren ist, sorget, daß es mir ungetauft an Eurem geheimen Pförtchen übergeben werde. Als nun Sir Ector gekommen war, gelobte er dem König, für das Stillen des Kindes so zu sorgen, wie der König begehrte; und der König gab Sir Ector reichen Lohn. Als nun die Königin überstanden hatte, befahl der...
Erscheint lt. Verlag | 29.3.2021 |
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Illustrationen | Aubrey Beardsley |
Übersetzer | Hedwig Lachmann |
Zusatzinfo | mit den schwarz-weißen Illustrationen Aubrey Beardsleys |
Sprache | deutsch |
Original-Titel | Le Morte Darthur |
Themenwelt | Literatur ► Klassiker / Moderne Klassiker |
Literatur ► Romane / Erzählungen | |
Schlagworte | Abenteuerepos • Abenteuerroman • Arthussage • Artussage • Aubrey Beardsley • Der Heilige Gral • eBooks • Epos • Gralssuche • illustriert • illustrierte Ausgabe • Klassiker • kleine geschenke für frauen • Lancelot • Literaturklassiker • Mittelalter • Mittelalter-Epos • Parzival • Ritter • Ritterabenteuer • Ritterroman • Rittertum • Rosenkrieg |
ISBN-10 | 3-641-27914-3 / 3641279143 |
ISBN-13 | 978-3-641-27914-1 / 9783641279141 |
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Größe: 26,1 MB
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