Im Bann der Vergangenheit - Ellinor Wohlfeil

Im Bann der Vergangenheit

Buch
252 Seiten
2021
Verlag 3.0 Zsolt Majsai
978-3-95667-368-9 (ISBN)
14,80 inkl. MwSt
Der Roman „Im Bann der Vergangenheit“ erzählt von Anna, die trotz der Schwierigkeiten in den Nachkriegsjahren versucht, ihren Lebensplan, Schauspielerin zu werden zu verwirklichen ... von ihren Erfolgen und Niederlagen ... von Neubeginn und wieder Scheitern ... von hoffnungsfrohem Optimismus und tiefer Niedergeschlagenheit.

In einer Phase der Mutlosigkeit gibt sie Ralfs Drängen, ihn zu heiraten, nach. Sie bekommt zwei Kinder, die sie zärtlich liebt, trotzdem nimmt ihr das eintönige Leben, nur auf den Haushalt beschränkt zu sein, jede Lebensfreude.

Der Roman erzählt auch von Ralf, der mit 18 Jahren noch Soldat wurde ... von seinen traumatischen Erlebnissen in Kriegsgefangenschaft ... von seiner dominanten Mutter, die seine Berufspläne vereitelt ... und von seiner Alkoholsucht, mit der er versucht, seine Probleme zu verdrängen.

Am Ende finden beide einen Weg, den sie gehen können und wollen. Anna wird auf dem zweiten Bildungsweg Grundschullehrerin und findet im Studium von Pädagogik, Psychologie und Philosophie die Kraft, sich ihren eigenen Problemen zu stellen. Ralf macht eine Therapie, die ihm hilft, seine Alkoholsucht zu überwinden.
Anna ist nach ihrer geglückten Flucht aus der sowjetischen Besatzungszone wieder zu Hause. Hunger und Entbehrungen, Mangel an allem Nötigen beherrschen die Nachkriegsjahre. Trotzdem verfolgt Anna weiter ihre Pläne, Schauspielerin zu werden. Sie bekommt ein Engagement bei einer Wanderbühne und tingelt zwei Jahre lang über die Dörfer und kleinen Städte der Umgebung. Bei einer Kollegin nimmt sie Unterricht und meldet sich zur Prüfung an. Sie besteht die Prüfung nicht. Das trifft sie hart, sie fällt in ein tiefes Loch. So sollte es noch viele Jahre weiter gehen. Ihr Leben bewegt sich zwischen Aufbruch und Niederlage, Neubeginn und Scheitern. Ihr Selbstwertgefühl, das Vertrauen in die eigene Kraft waren in ihrer Kindheit und Jugend durch die traumatischen Erlebnisse der Verfolgung durch die Nazis erheblich gestört worden. 1948 mit der Währungsreform macht die Wanderbühne pleite. Anna geht nach Düsseldorf, wo sie schließlich die Bühnenreifeprüfung besteht. Aber all ihre Versuche, ein Engagement zu finden, führen zu nichts. Niedergedrückt und mutlos gibt sie die Hoffnung auf und lässt sich von Ralf, den sie bei einer Laienbühne kennen gelernt hat, und der ganzen Familie zur Heirat überreden. Ein Angebot als Sprecherin in Bremen beim Rundfunk zu arbeiten, lehnt sie auf massiven Druck von Ralf und der Familie ab. Sie heiratet Ralf und lebt mit ihm vorläufig im Haus der Schwiegereltern. Das Verhältnis zur Schwiegermutter gestaltet sich schwierig. Sie kritisiert die Schwiegertochter ständig, auch wenn es nichts zu kritisieren gibt. Annas einzige Freude ist ihr kleiner Sohn. Schließlich können sie in eine eigene Wohnung ziehen. Sie bekommt ein zweites Kind, und obwohl sie ihre Kinder zärtlich liebt, droht das eintönige Familienleben Anna langsam zu zermürben. Ralf hat seine eigenen Probleme. Er hat im Krieg viel durchgemacht und leidet unter seiner dominanten Mutter. Er ertränkt seine Schwierigkeiten im Alkohol und trinkt mit der Zeit immer exzessiver. Schließlich verliert er seine Stellung. Anna hat inzwischen ihrem Leben eine neue Wendung geben können. Sie studiert Pädagogik und wird auf dem zweiten Bildungsweg Grundschullehrerin. Das gibt ihr Kraft und die Bestätigung, die sie so nötig braucht. Außerdem bewahrt ihr Gehalt die Familie vor finanzieller Not, als Ralf seine Arbeit verliert. Ralf versinkt immer tiefer in seiner Alkoholsucht. Anna, die bisher zu ihm gehalten hat, lässt ihn auch jetzt nicht im Stich. Sie weiß, dass Alkoholabhängigkeit eine Krankheit ist. Ralf erlebt eine Krise und will sich das Leben nehmen. Da erkennt er plötzlich ganz klar, dass es für ihn nur einen Weg geben kann: vom Alkohol los zu kommen. Anna unterstützt seinen Entschluss, eine Therapie zu machen und macht ihm Mut: „Zusammen werden wir es schaffen“.

Düsseldorf, den 15.November 1955 Liebste Mutti! Sei ganz herzlich bedankt für Deinen lieben Brief und das Päckchen mit der hübschen Mütze und dem Schal für Klaus. Solch warme Sachen kann ich jetzt bestens gebrauchen. Beides steht ihm gut, und es passt auch ganz ausgezeichnet zu seiner Winterjacke. Aber mach Dir keine Sorgen! Ich passe schon auf, dass unser Kleiner sich nicht erkältet. Anna hält inne, lässt den Füllfederhalter sinken und starrt vor sich hin, müde und abwesend. So ist es oft in der letzten Zeit: Plötzlich überkommt sie eine unerklärliche Mattigkeit, eine tiefe Niedergeschlagenheit. Sie versteht nicht, warum. Da ist so ein großer Unterschied zwischen innen und außen, denkt sie, wie eine Kluft, über die man nicht hinweggehen kann. Mit leeren Augen blickt sie das Blatt Papier an, unfähig weiter zu schreiben. Ihr ist, als ob sie gleichzeitig zwei Leben lebte. Eines nach außen, für alle sichtbar; ein zufriedenes, glückliches Leben, so, wie es von ihr erwartet wird; wie ihre Familie und die Menschen um sie herum es richtig, ja selbstverständlich finden. Das Leben einer strahlenden jungen Ehefrau und Mutter. Eines nach innen, das niemand sieht. Es ist ein geheimes, verstecktes Leben, das das helle Bewusstsein des Tages scheut und sich nachts in ihre Träume schleicht. Schatten liegen auf den Wegen in diesem Leben, die Schatten der Vergangenheit. Nebelschwaden lassen alles grau und öd erscheinen. Spinnweben, stark wie Seile, umschlingen sie, dass sie keine Luft mehr bekommt und halten sie fest. Gespenster hocken in den Ecken, kauern hinter Bäumen und Mauervorsprüngen und machen ihr Angst. Anna weiß im tiefsten Innern, dass die anderen dieses Leben nicht sehen wollen, dass sie es falsch finden und nicht verstehen. Darum lässt sie nichts davon nach außen dringen. Aber das kostet Kraft. Es kostet Kraft, die Schatten zu verdrängen, die Gespenster zu verscheuchen und so zu tun, als gäbe es sie nicht, als sei das alles nicht da. Langsam steht sie auf und tritt an das Bett ihres Kindes. Der kleine Klaus schläft ruhig, er atmet tief und regelmäßig. Eine Welle von Zärtlichkeit durchflutet Anna. Liebevoll betrachtet sie ihren Sohn: die vom Schlaf rosigen Pausbäckchen, die langen, seidigen Wimpern, das leicht geöffnete Mündchen, das zu lächeln scheint. Ganz sacht streichelt sie über sein Köpfchen und zieht die Decke gerade, unter der die nackten Beinchen hervorkommen. „Mein lieber kleiner Schatz, wenn ich dich nicht hätte!“ Dann setzt sie sich wieder an den Tisch und versucht, den Brief weiter zu schreiben. Sie hat noch Zeit. Es ist Mittwoch, und Ralf ist bei seinem allwöchentlichen Kegelabend. Er wird spät nach Hause kommen. Wie immer wird er einen Dunst von Schnaps, Bier und Zigarettenqualm mitbringen und mit unsicheren Schritten zum Kühlschrank gehen, um sich noch eine Flasche Bier zu holen, als Schlaftrunk, wie er sagt. Wenn sie dann nebeneinander im Bett liegen, wird er ungeschickt und etwas grob nach Anna greifen, sie wird ihn abwehren und sich auf die andere Seite drehen, angewidert von seinem Geruch. Er wird sie zufrieden lassen und schnell einschlafen, während Anna noch lange wach liegen wird, weil sie wegen seines Schnarchens nicht schlafen kann. So ist es immer, einmal in der Woche, am Mittwochabend. Anna seufzt leise auf und bedeckt ihr Gesicht mit den Händen. Ihr ist trostlos zumute. Sie fühlt sich sehr allein. Aber welch ein rücksichtsvoller und hilfsbereiter Ehemann Ralf ist, denkt sie dann. Diese Kegelabende müssen sein. Ein Mann braucht solche Vergnügungen mit seinesgleichen, braucht Männerfreundschaften. Wenn er doch auch einmal mit mir ausginge, so wie damals, als wir noch bei der Thalia waren. Ein Babysitter für Klaus würde sich schon finden. Sicher, wir haben wenig Geld, aber einmal im Monat zusammen ausgehen, das könnten wir uns leisten. Ich muss zufrieden sein, ja, ich darf mich nicht beklagen. Sie lässt die Hände sinken. Ein Lächeln huscht über ihr eben noch so ernstes Gesicht. Wenn ich morgens aufwache, durchzieht schon der Kaffeeduft die Wohnung. Ralf macht das Frühstück. Und samstags. „Schreib alles auf einen Zettel, was du brauchst. Ich fahre in die Stadt und besorge es.“ Wie oft sagt er: „Lass das Geschirr stehen, Anna, ich wasche ab, dann kannst du dich um Klaus kümmern.“ Ihr wird ganz warm ums Herz. Welcher Mann tut das?? Alle, die uns kennen, beneiden mich. Und wie liebevoll er mit Klaus umgeht. Wie der Kleine jauchzt, wenn sein Vater ihn auf den Schultern herumträgt. Nein, ich darf mich nicht beklagen, es gibt keinen Grund dafür. Und dann ist da plötzlich wieder dieses Schuldgefühl, das sie so oft quält. Bin ich undankbar? Eine schlechte Ehefrau und Mutter? Ich sollte mich freuen an dem, was das Leben mir geschenkt hat. Es sind die Schatten in ihrem Innern, die sie so oft traurig machen, die sie daran hindern, Erfüllung zu finden, das spürt sie und empfindet es wie ein Vergehen. Aber die Schatten, die Gespenster sind nun einmal da, sie wird sie nicht los. Was kann sie tun? Sie fühlt sich hilflos.

Erscheinungsdatum
Reihe/Serie Familiensaga Ellinor Wohlfeil ; 2
Sprache deutsch
Maße 137 x 210 mm
Einbandart Englisch Broschur
Themenwelt Literatur Historische Romane
Literatur Romane / Erzählungen
Schlagworte Alkoholsucht • Eheprobleme • Frauenschicksal • Nachkriegszeit • Vergangenheitsbewältigung • Winternähe
ISBN-10 3-95667-368-9 / 3956673689
ISBN-13 978-3-95667-368-9 / 9783956673689
Zustand Neuware
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