Rettungsdrang (Ein Avery Black Mystery - Band 5) (eBook)
250 Seiten
Lukeman Literary Management Ltd. (Verlag)
978-1-0943-4776-9 (ISBN)
Blake Pierce ist die Autorin der RILEY-PAGE-Bestsellerreihe, die siebzehn Krimis um die FBI-Spezialagentin umfasst. Aus ihrer Feder stammt außerdem die vierzehnbändige MACKENZIE-WHITE- Krimiserie. Darüber hinaus sind von ihr die Krimis um AVERY BLACK (sechs Bände), KERI LOCKE (fünf Bände), die Krimiserie das MAKING OF RILEY PAIGE (sechs Bände), die KATE-WISE- Krimiserie (sieben Bände), die Psychothriller um JESSIE HUNT (vierzehn Bände), die Psychothriller-Trilogie AU PAIR, die ZOE-PRIME-Krimiserie (bislang fünf Bände), die neue Krimireihe um ADELE SHARP und die Cosy-Krimi-Reihe LONDON ROSES EUROPAREISE, deren erster Band hier vorliegt, erschienen. Als begeisterte Leserin und lebenslanger Fan des Krimi- und Thriller-Genres freut sich Blake immer, von ihren Leserinnen und Lesern zu hören. Bitte besuchen Sie www.blakepierceauthor.com, um mehr zu erfahren und in Kontakt zu bleiben.
KAPITEL EINS
Avery kam sich vor, als habe sie die letzten zwei Wochen in einer seltsamen Einzelhaft verbracht. Sie war sie freiwillig angetreten, weil es ehrlich gesagt, keinen Ort gab, an dem sie lieber sein wollte – nur innerhalb der sterilen Wände des Krankenhauses, wo Ramirez um sein Leben kämpfte.
Von Zeit zu Zeit zeigte ihr Telefon einen Anruf oder eine SMS an – aber sie überprüfte es nur selten. Ihre Einsamkeit wurde nur von Krankenschwestern, Ärzten und Rose unterbrochen. Avery war sich bewusst, dass sie ihrer Tochter wahrscheinlich Angst einjagte. Um ehrlich zu sein, fing sie an, sich selber Angst einzujagen. Sie hatte bereits davor, während ihrer Teenagerjahre und nach ihrer Scheidung Depressionen gehabt, aber das hier war etwas Anderes. Das ging über Depressionen hinaus und grenzte eher an die Frage, ob das Leben, das sie lebte, wirklich noch ihr Eigenes war.
Vor zwei Wochen – dreizehn Tagen, um genau zu sein – war es passiert. Alles hatte sich nach Ramirez’ OP, die nach einer Schussverletzung weniger als einen halben Zentimeter neben seinem Herzen, zum Schlimmsten gewendet. Sein Zustand besserte sich nicht. Die Ärzte sagten, er litte an einer Herzinsuffizienz. Es ging auf und ab; er konnte sich jeden Moment vollkommen erholen oder man konnte ihn genauso plötzlich sterben. Es gab einfach keine Möglichkeit, es sicher vorauszusagen. Er hatte viel Blut verloren – technisch gesprochen, war er nach einem Herzversagen 42 Sekunden lang tot gewesen – und es stand nicht gut um ihn.
All das wurde durch die schreckliche Nachricht, die sie nur 20 Minuten nach dem Gespräch mit dem Arzt erhalten hatte, verschlimmert.
Howard Randall war aus dem Gefängnis geflohen. Und jetzt, zwei Wochen später, war er noch immer auf der Flucht. Falls sie an diese schreckliche Tatsache erinnert werden wollte (was wirklich nicht der Fall war), konnte sie es im Fernsehen sehen, jedes Mal, wenn sie das Gerät anschaltete. Sie saß wie ein Zombie in Ramirez’ Zimmer und sah Nachrichten. Auch wenn Howards Flucht nicht die erste Meldung gewesen war, war sie immer noch im News-Ticker am unteren Rand des Bildschirms zu lesen.
Howard Randall wird immer noch vermisst. Behörden haben keine Antworten.
Ganz Boston war nervös. Es war, als ob ein Krieg mit einem anderen namenlosen Land bevorstand, und man wartete nur darauf, dass die Bomben anfingen zu fallen. Finley hatte mehrmals versucht, sie anzurufen, und O'Malley hatte sogar zweimal den Kopf ins Zimmer gesteckt. Selbst Connelly schien sich um ihr Wohlergehen zu sorgen und drückte es in einer einfachen SMS aus, die sie immer noch mit dankbarer Wertschätzung betrachtete.
Lassen Sie sich Zeit. Rufen Sie an, wenn Sie etwas brauchen.
Sie ließen sie trauern. Sie wusste das und es fühlte sich etwas albern an, Ramirez war noch nicht tot. Aber es wurde ihr auch erlaubt, das Trauma des letzten Falles zu verarbeiten. Sie war wie betäubt, wenn sie daran dachte und sich an das Gefühl erinnerte bei zwei unterschiedlichen Gelegenheiten fast zu erfrieren – in einem Gefrierschrank und nach einem Sturz in eiskaltes Wasser.
Aber neben all dem war da noch die Tatsache, dass Howard Randall geflohen war. Sie hatte die Nachrichten in den sozialen Netzwerken gesehen, in denen alles andere als anständige Menschen Howard für seine Fähigkeiten bewunderten, aus dem Gefängnis entkommen zu können, ohne eine Spur zu hinterlassen.
Avery dachte über all das nach, während sie auf einer Liege saß, die letzte Woche eine freundliche Krankenschwester für sie aufgestellt hatte, als klar wurde, dass Avery das Krankenhaus nicht so schnell verlassen würde. Ihre Gedanken wurden von ihrem Handy unterbrochen. Es war das einzige Geräusch, das sie zuließ, ein Zeichen, dass Rose sich um sie sorgte.
Avery blickte auf ihr Telefon und sah eine SMS ihrer Tochter. Ich bin’s nur, will wissen, wie es dir geht, stand dort. Lebst du noch immer im Krankenhaus? Hör auf damit. Komm raus und lass uns was trinken gehen.
Mehr aus Pflichtbewusstsein, als aus irgendeinem anderen Grund antwortete Avery: Du bist noch keine 21.
Die Antwort kam sofort: Oh Mom, das ist süß. Es gibt da wohl sehr viel, das du nicht von mir weißt. Und du könntest diese Geheimnisse erfahren, wenn du mit mir ausgehst. Nur einen Abend. Auch ohne dich wird sich dort jemand um ihn kümmern ...
Avery legte ihr Telefon weg. Sie wusste, dass Rose recht hatte, obwohl sie von der Vorstellung gequält wurde, Ramirez könnte aufwachen, während sie weg war. Und niemand würde da sein, um ihn zu begrüßen, seine Hand zu nehmen und ihm erzählen, was geschehen war.
Sie stand auf und ging zu ihm hinüber. Sie hatte sich daran gewöhnt, dass er schwach aussah, mit dünnen Schläuchen an Maschinen angeschlossen und intubiert war. Wenn sie sich daran erinnerte, warum er hier lag – er hatte den Schuss abbekommen, der für sie bestimmt gewesen war – dann schien er ihr stärker als je zuvor. Sie fuhr mit ihrer Hand durch seine Haare und küsste ihm die Stirn.
Sie nahm seine Hand in die ihre und setzte sich auf die Bettkante. Sie würde es niemandem erzählen, dass sie in der Hoffnung, er könnte sie hören, mehrmals mit ihm gesprochen hatte. Jetzt tat sie es und fühlte sich deswegen etwas dumm.
„Also, es ist so“, sagte sie zu ihm. „Ich habe das Krankenhaus seit fast drei Tagen nicht mehr verlassen. Ich muss duschen. Ich will etwas Ordentliches essen und eine Tasse echten Kaffee trinken. Ich werde jetzt kurz weg sein, okay?“
Sie drückte seine Hand und verspürte in ihrem Herzen einen Stich, als sie merkte, dass sie naiv darauf wartete, er würde ihre Hand drücken. Sie sah ihn flehend an, seufzte und nahm dann ihr Telefon. Bevor sie aus dem Zimmer trat, blickte sie auf den Fernseher. Sie packte die Fernbedienung, um ihn abzuschalten, und wurde von einem Gesicht begrüßt, das sie in den letzten zwei Wochen so sehr versucht hatte, zu verdrängen.
Howard Randall starrte sie an, sein Verbrecherfoto prangte über dem halben Bildschirm, während ein ernst dreinblickender Nachrichtensprecher etwas von einem Teleprompter ablas. Avery schaltete angewidert den Fernseher aus und machte sich schnell aus dem Zimmer, als ob Howards Bild auf dem Bildschirm ein Gespenst gewesen wäre, das ihr jetzt nachjagte.
***
Die Erinnerung daran, dass Ramirez angefangen hatte, bei ihr einzuziehen (und der Verlobungsring, den man im Krankenhaus in seiner Tasche entdeckt hatte) machten es unmöglich, sich in ihrer Wohnung willkommen zu fühlen. Als sie dort ankam, sah sie sich geistesabwesend um. Der Ort fühlte sich tot an. Es fühlte sich an, als hätte dort seit langer Zeit niemand mehr gelebt; ein Ort, der darauf wartete ausgeräumt, neu gestrichen und an jemand anderen vermietet zu werden.
Sie dachte daran, Rose anzurufen. Sie könnten zusammen eine Pizza essen gehen. Aber sie wusste, dass Rose darüber reden wollte, was los war und Avery war noch nicht bereit dafür. Sie verarbeitete in der Regel alles recht schnell, aber das hier war etwas anderes. Ramirez schwebte in Lebensgefahr und Howard Randall lief frei herum ... das war alles zu viel.
Doch auch wenn sich dieser Ort nicht mehr wie ihr Zuhause anfühlte, sehnte sie sich danach, sich auf das Sofa hinzulegen. Und das Bett rief nach ihr.
Natürlich ist das noch mein Zuhause, dachte sie. Auch wenn es Ramirez es vielleicht nicht schafft und hier mit dir wohnt, ist es immer noch dein Zuhause. Stell dich nicht so an.
Und plötzlich war es soweit. Sie hatte es bis hierher geschafft, diese Möglichkeit zu verdrängen. Aber jetzt, da sich diese Möglichkeit in ihren Gedanken verfestigt hatte, war es schlimmer, als sie angenommen hatte.
Mit hängenden Schultern ging sie ins Bad. Sie zog sich aus, stieg in die Wanne, zog den Vorhang zu und drehte das Wasser heiß auf. Dort stand sie für einige Minuten, bevor sie an Seife oder Shampoo dachte und das Wasser ihre Muskeln zu lockern begann. Als sie fertig war, drehte sie die Dusche ab, drückte den Stöpsel in die Wanne und ließ heißes Wasser einlaufen. Als die Wanne voll war, setzte sie sich hinein und entspannte sich.
Als das Wasser fast über den Rand schwappte, drehte sie den Hahn mit ihrem Fuß ab. Sie schloss die Augen und erlaubte sich, loszulassen.
Das einzige Geräusch in der Wohnung war das langsame und rhythmische Tropfen aus dem Wasserhahn ins Badewasser und ihr eigener Atem. Kurz darauf kam ein drittes Geräusch dazu: Averys Weinen. Sie hatte es unterdrückt, nicht im Krankenhaus geweint, weil sie nicht wollte, dass Ramirez sie weinen hörte, wenn er sie überhaupt hören konnte. Sie war ein paar Mal in das Badezimmer seines Zimmers gehuscht, um etwas zu weinen, aber sie hatte sich nie so gehen lassen. Sie weinte in der Wanne und, als ihr der Gedanke, Ramirez könnte möglicherweise nicht überleben immer bewusster wurde, weinte sie heftiger, als sie erwartet hatte. Sie ließ alles raus und stieg nicht eher aus der Wanne, bis das Wasser lauwarm war und ihre Füße und Hände verschrumpelt waren. Als sie endlich rauskam, roch sie wieder wie ein normaler Mensch und gut eingeweicht, fühlte sie sich viel besser.
Nachdem sie sich angezogen hatte, nahm sie sich sogar etwas Zeit, Make-up aufzulegen und ihre Haare in eine einigermaßen ordentliche Form zu bringen. Dann wagte sie sich in die Küche vor, machte sich als ein spätes Mittagessen eine Schüssel...
Erscheint lt. Verlag | 25.2.2021 |
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Sprache | deutsch |
Themenwelt | Literatur ► Krimi / Thriller / Horror |
ISBN-10 | 1-0943-4776-0 / 1094347760 |
ISBN-13 | 978-1-0943-4776-9 / 9781094347769 |
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