John Sinclair 2226 (eBook)

Im Wald der Nebelwölfe

(Autor)

eBook Download: EPUB
2021 | 1. Aufl. 2021
64 Seiten
Bastei Lübbe (Verlag)
978-3-7517-1268-2 (ISBN)

Lese- und Medienproben

John Sinclair 2226 - Rafael Marques
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Jonathan Devane blickte zum Himmel und sah den Mond. Der Erdtrabant leuchtete mit immenser Kraft, obwohl er noch nicht zu voller Größe angewachsen war. Das würde sich in den nächsten Tagen ändern, und so hell und nah, wie er sich momentan zeigte, würde das ein besonderes Naturschauspiel bieten.
Jonathan befand sich in einem kleinen, abgeschiedenen Waldgebiet an der Westküste der Atlantikinsel Guernsey. Er liebte seine Insel, ihre Wälder, Seen und Küstenstreifen. So sehr, dass er nie daran gedacht hatte, sie zu verlassen und sein Glück auf dem Festland zu suchen.
Doch Guernsey hatte auch seine Schattenseiten, denn seit einigen Tagen war sein alter Freund Lester Cullum spurlos verschwunden. Und genau hier, in den Bluebell Woods, sollte er zuletzt gesehen worden sein ...


Im Wald der Nebelwölfe

von Rafael Marques

Jonathan Devane blickte zum Himmel und sah den Mond. Der Erdtrabant leuchtete mit immenser Kraft, obwohl er noch nicht zu voller Größe angewachsen war. Das würde sich in den nächsten Tagen ändern, und so hell und nah, wie er sich momentan zeigte, würde das ein besonderes Naturschauspiel bieten.

Jonathan befand sich in einem kleinen, malerischen und abgeschiedenen Waldgebiet an der Westküste der Atlantikinsel Guernsey, auf der zwei so unterschiedliche Kulturen – Großbritannien in Form der Normannen und Frankreich durch die Bretonen – aufeinandertrafen. Er liebte seine Insel, ihre Wälder, Seen und Küstenstreifen. So sehr, dass er nie daran gedacht hatte, sie zu verlassen und sein Glück auf dem Festland zu suchen.

Doch Guernsey hatte auch seine Schattenseiten, denn seit einigen Tagen war sein alter Freund Lester Cullum spurlos verschwunden. Und genau hier, in den Bluebell Woods, sollte er zuletzt gesehen worden sein ...

Für Jonathan war es eigentlich unvorstellbar, dass in einem so kleinen Waldstück jemand einfach so verschwinden konnte. Es sei denn, man warf ihn von den nahen Klippen ins Meer, aber daran konnte und wollte er nicht glauben. Beweise hatte er dafür nicht, allein sein Instinkt sagte ihm, dass mehr hinter der Sache steckte. Und genau deshalb war er auch hier – kurz vor Mitternacht, also etwa zur selben Zeit, zu der sich hier die Spur seines Freundes verloren hatte.

Er kannte die Bluebell Woods wie seine Westentasche. Nicht nur, weil er der leitende Revierförster der Insel war und damit im Prinzip alle Wälder Guernseys in- und auswendig kannte. Er liebte es auch, diese stillen, geradezu magischen Orte aufzusuchen und besonders in der Nacht das geheimnisvolle Treiben der Tiere und die intensiven Gerüche der Pflanzen aufzunehmen.

Die Bluebell Woods boten sich für solche Spaziergänge besonders gut an. Dabei handelte es sich bei dem Gebiet um einen relativ kleinen Waldstreifen, der an Sonntagen sogar von Touristen recht gut frequentiert wurde. Die alten Eichenhaine und der umliegende, dichte Niederwald boten insbesondere kurz nach Sonnenaufgang einen kolossalen Anblick, wenn sich ein wahrer Blütenteppich auf dem Waldboden ausbreitete. Zudem lag der Wald auf einem Wanderweg, an dem sich weiter nördlich die Clarence Battery, Überreste von befestigten Geschützpositionen aus dem 18. Jahrhundert, sowie ein Stück weiter südlich die Ozanne Steps, eine historische, zu einem versteckten Strand liegende Treppe, anschlossen.

Nach diesen ebenfalls sehr reizvollen Orten stand ihm allerdings nicht der Sinn. Er wusste selbst nicht so genau, was er hier zu finden glaubte. Immerhin war der Wald zuvor schon von der Polizei durchsucht worden, ohne nennenswerte Ergebnisse. Lester Cullum war und blieb wie vom Erdboden verschluckt.

Der Wald schlief nicht, obwohl es bereits kurz vor Mitternacht war. Viele Tiere erwachten in den dunklen Stunden des Tages, und manchmal glaubte Jonathan, zwischen den Stämmen der Bäume einen Hasen auszumachen. Hin und wieder erklang auch das laute Rufen einer Eule, und wenn er genau hinsah, konnte er oberhalb der Baumwipfel auch die schnell umherhuschenden, schwarzen Körper der Fledermäuse wahrnehmen.

Was war mit Lester passiert? Er arbeitete seit Jahren als stellvertretender Forstleiter für den Bezirk St. Peter Port und war ihm so direkt unterstellt. Allerdings war er für ihn nicht nur ein verlässlicher Angestellter, sondern eben auch ein enger Freund, und als solcher kannte er ihn auch sehr gut. Lester war ein selbstbewusster Mann, der mit beiden Beinen im Leben stand. Für Josh und Peter, seine Söhne, mussten die vergangenen beiden Tage die Hölle gewesen sein, ebenso wie für seine Frau Jane, mit der er ebenfalls eine Freundschaft pflegte.

Deshalb wusste er, dass Lester niemals von sich aus seine Familie im Stich lassen würde. Selbstmord fiel also weg, und da er offenbar keinen Unfall hatte, musste etwas völlig anderes mit ihm geschehen sein.

Ein Mord. Ein Mord auf Guernsey ...

Ausschließen wollte er nichts, auch wenn es schon hin und wieder mal zu gewaltsamen Todesfällen auf der Insel kam. Die meisten davon lagen allerdings schon Jahre zurück und standen sicher nicht mit Lesters Verschwinden in Verbindung. Aber wer hätte einen Grund gehabt, Lester töten zu wollen? Oder war er Opfer eines Gelegenheitstäters geworden? Und wenn ja, würde er wieder zuschlagen?

Jonathan merkte, dass seine Gedanken in eine völlig falsche Richtung glitten. Schließlich hoffte er noch immer, Lester lebend zu finden. Irgendeine Spur zu ihm musste es doch geben, selbst wenn ihm seine eigene Handlungsweise wie die Suche nach der Nadel im Heuhaufen vorkam.

Zur Not würde er sogar im Bereich der Felsen nach ihm suchen. Er kannte dort an der Küste einige Pfade, die den meisten verborgen blieben. Es konnte schließlich sein, dass auch Lester dorthin einen Abstecher gemacht hatte und dabei gestürzt war. Die Gesteinsformationen in diesem Bereich der Küste waren zwar nicht besonders hoch, dafür aber oft feucht und dementsprechend glitschig.

Und wenn doch irgendwo im Wald ein Mörder auf sein nächstes Opfer lauerte, würde er sich schon zu wehren wissen. Er war ein stämmiger, hochgewachsener Mann, zudem führte er ein Messer mit sich, mit dem er normalerweise Wildbret zerteilte. Sicher war schließlich sicher.

Noch befand er sich nicht in dem Bereich der Bluebell Woods, den er gerne Urwald nannte. Dieser zeichnete sich durch seine hunderte, vielleicht sogar über tausend Jahre alten Eichen aus, und jedes Mal, wenn er ihn betrat, überkam ihn das Gefühl, in eine magische Zone zu geraten. Darüber sprach er jedoch mit niemandem, schließlich wollte er nicht für verrückt gehalten werden. Nicht einmal mit seiner Frau Michelle.

Hin und wieder kam ihm der Gedanke, nach Lester zu rufen, aber dann erschien ihm das fast lächerlich. Wenn er sich wirklich noch in dem Wald befand, dann unter Holz und Erde begraben, sonst hätte ihn die Polizei bestimmt gefunden. Trotzdem wollte er so schnell nicht aufgeben. Was er hier tat, sah er schlichtweg als eine Pflichterfüllung gegenüber einem Freund an.

Wenn man die schmalen, nicht ausgewiesenen Trampelpfade entlanglief oder sich wie er mitten durch das Gebüsch schlug, konnte man sich kaum vorstellen, dass die Ausläufer der für die Historie der Insel immens wichtigen Stadt Fort George nur kurz hinter den Bäumen in die Höhe wuchsen. Und obwohl dieser Bereich der Insel so dicht bewohnt war, gab es keine Zeugen für das, was mit Lester geschehen war.

Endlich öffnete sich vor ihm das dicht wachsende Unterholz und gab so den Blick auf den Hain der besonders alten Eichen frei. Es waren insgesamt neun Bäume, und wenn er sie so betrachtete, war es sicher kein Zufall, dass sie einen Kreis bildeten, in dessen Mitte sich eine vom Mondlicht beschienene Waldwiese abzeichnete. Zwar wusste er nicht genau, ob die Kelten in vergangenen Zeiten auf Guernsey aktiv gewesen waren, aber auch in anderen Kulturen – sowohl in der bretonischen als auch der normannischen, zumindest vor dem Einzug des Christentums – waren Bäume bedeutende Heiligtümer gewesen. Vielleicht war das auch hier der Fall.

Jonathan nahm sofort die besondere Stimmung wahr, die hier vorherrschte. Das Rufen der Eule war längst verklungen, auch ein Rascheln im Unterholz nahm er nicht mehr wahr, so wie er es auf dem Weg hierher mehrfach erlebt hatte. Es war, als würden die Tiere aus unbestimmten Gründen einen Bogen um diesen Ort machen.

Lester kannte ebenfalls diese spezielle Stelle, zumindest hatte Jonathan sie ihm einmal beschrieben, doch bisher wies nichts darauf hin, dass er in der Nacht seines Verschwindens hier auch vorbeigekommen war. So richtig wusste er nicht einmal selbst, warum er ausgerechnet diesen Weg genommen hatte und hier nach Lester suchte. Vielleicht war es aber auch die magische Anziehungskraft des Baumkreises gewesen, der er sich so schwer entziehen konnte.

In dieser Nacht war etwas anders. Und das, obwohl sich an den Eichen nichts verändert hatte. Erhaben und altehrwürdig wuchsen sie vor, hinter und neben ihm in die Höhe, wo sie sich in hunderten Ästen verteilten und ein so dichtes Blattwerk bildeten, das kaum ein Lichtstrahl einen Weg hindurchfand. Zwei der Bäume waren von Blitzeinschlägen gezeichnet, ein dritter bereits so weit in die Breite gegangen, dass man einen Blick in seinen hohlen Stamm werfen konnte. Dennoch lebten sie und ließen Jahr um Jahr die Blätter aus ihren Ästen sprießen.

Die Veränderung war weniger zu sehen, sondern vielmehr zu spüren. Etwas lag in der Luft, eine ihm fremde Stimmung, die er schon als bedrückend empfand. Bisher war ihm immer ein wohliger Schauer über den Rücken geronnen, wenn er in den Kreis zwischen den Bäumen getreten war. Jetzt aber fühlte er so etwas wie eine nicht fassbare Kälte. Zudem war ihm, als würden sich aus der Dunkelheit unzählige Blicke auf ihn richten.

Obwohl er keine physische Gefahr wahrnahm, zog er jetzt das Messer mit der breiten Klinge. Sollte hier wirklich jemand auf ihn lauern, würde er bald sein blaues Wunder erleben.

Er wollte etwas rufen, doch jedes Wort blieb ihm im Halse stecken. Etwas kam auf ihn zu, für das er keine Worte fand. Zunächst war...

Erscheint lt. Verlag 9.3.2021
Reihe/Serie John Sinclair
Verlagsort Köln
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Krimi / Thriller / Horror Horror
Literatur Romane / Erzählungen
Schlagworte 2017 • 2018 • Abenteuer • Academy • alfred-bekker • Bastei • Bestseller • Dämon • Dämonenjäger • dan-shocker • Deutsch • e Book • eBook • E-Book • e books • eBooks • Extrem • Fortsetzungsroman • Frauen • Geisterjäger • grusel-geschichten • Gruselkabinett • Grusel-Krimi • Grusel-Roman • Horror • Horror-Roman • horrorserie • Horrorthriller • Horror-Thriller • Julia-meyer • Kindle • Krimi • Kurzgeschichten • larry-brent • Lovecraft • Macabros • Männer • morland • neue-fälle • Paranomal • professor-zamorra • Professor Zamorra • Psycho • Roman-Heft • Serie • Slasher • spannend • Splatter • Stephen-King • Terror • Thriller • Tony Ballard • Tony-Ballard • Top • Walking Dead
ISBN-10 3-7517-1268-2 / 3751712682
ISBN-13 978-3-7517-1268-2 / 9783751712682
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