Das Robinson-Projekt (eBook)
244 Seiten
Piper Verlag
978-3-492-98783-7 (ISBN)
Alexandra Maibach wurde 1994 in Mainburg geboren und entdeckte schon früh ihre Liebe zu Geschichten. Sie hat ihr Medizinstudium in Ulm 2019 abgeschlossen und absolviert nun ihre Ausbildung zur Fachärztin. Sie lebt und arbeitet in Regensburg und im Allgäu.
Alexandra Maibach wurde 1994 als mittleres von drei Kindern in Mainburg geboren. Schon früh entdeckte sie ihre Liebe zu Geschichten und machte in ihrer Schulzeit erste Gehversuche als deren Verfasserin. Sie hat ihr Medizinstudium in Ulm 2019 abgeschlossen und absolviert nun ihre Ausbildung zur Fachärztin. Sie lebt und arbeitet in Regensburg und im Allgäu.
Kapitel eins
Erste Nacht auf der Robinsoninsel
Die Gruppe hat sich locker im Wohnzimmer verteilt. Niemand weiß, was er sagen soll, und wir können uns nicht ansehen, doch wir teilen einen Gedanken. Er verdrängt alles andere in unseren Köpfen, zeichnet sich auf unseren Gesichtern ab und lähmt unsere Glieder, doch niemand wagt es, ihn auszusprechen.
Es ist Maik, der die Stille bricht. »Was machen wir mit der Leiche?«
Andi sieht auf. Er muss sein Regie-Klemmbrett irgendwo liegen lassen haben und jetzt hat er nichts mehr, an dem er sich festhalten kann. »Wovon sprichst du?«
Maik verdreht die Augen. Er macht das ständig. Es muss daran liegen, dass er doppelt so schlau ist wie der Rest von uns. »Die Karibik hat ein tropisches Klima. Feucht und heiß, sogar jetzt im März. Wir haben keine Ahnung, wie lang diese Leiche schon liegt, aber eines ist sicher: Es wird nicht lange dauern, bis sie anfängt zu stinken.«
Daran habe ich noch gar nicht gedacht.
»Wir sollten sie kühlen«, sagt Oliver, als sei das seine Idee gewesen. Er zupft an dem Kragen seines Poloshirts.
Maik hebt die Mundwinkel. Offenbar denkt er das Gleiche wie ich. »Guter Gedanke. Und wie könnten wir das machen?«
»Es gibt eine Kühltruhe in der Küche«, erwidert Annika, die im Lotussitz auf dem Sofa sitzt. Die Hände mit den vielen silbernen Ringen ruhen auf ihren Oberschenkeln und sie wirkt so entspannt, als hätte sie gerade mehrere Stunden meditiert. Vielleicht hat sie das auch. So etwas wie ein Mord bringt sie nicht so schnell aus der Ruhe.
»O nein«, ruft Astrid und springt auf, die Hände in die Seiten gestützt. »Nein, auf gar keinen Fall. Wir werden die Leiche nicht dort verstauen, wo wir alle essen.«
Annika sieht sie ungerührt an. »Warum? Was ist der Unterschied zwischen einer Leiche und dem Fleisch, das du andauernd isst?«
»Ihr habt recht, wir sollten ein wenig über Veganismus diskutieren«, wirft Maik ein. »Soll ich das Flowchart holen, damit wir Pro und Kontra erörtern können?«
Oliver hebt die Hände. »Keinen Streit jetzt. Wir brauchen eine Lösung.«
Andi räuspert sich und nestelt am Saum seines T-Shirts herum. Er ist das einzige Mitglied des Filmteams, das noch übrig ist, scheint aber froh darüber zu sein, dass Maik die Verantwortung für die Situation übernommen hat. »Es gibt noch eine Eismaschine im Keller. Daneben ist ein Reservoir für das Eis, damit es länger hält. Dort sollte man eine Leiche verstauen können, denke ich.«
»Perfekt. Und wer hilft mir beim Tragen?« Maik wirft einen auffordernden Blick in die Runde.
»Wartet! Was ist mit dem Tatort? Wenn wir die Leiche einfach wegschaffen, dann kann die Polizei keine Spuren mehr sichern.« Oliver sieht Maik herausfordernd an.
Der lächelt. »Gutes Argument. Du hast nur eine winzige Kleinigkeit vergessen. Wir sitzen hier fest. Wir sitzen noch zehn verdammte Tage auf dieser dreckigen Insel fest. Wenn wir die Leiche liegen lassen, sind alle Spuren verschimmelt, ehe auch nur ein Cop den Fuß auf den weißen Sandstrand setzt. Wir können Fotos machen, wenn wir eine Kamera haben, und danach werfen wir die Leiche in den Eiscontainer. Keine Diskussionen.«
Andi nickt. »Ich habe eine Handkamera dabei.«
»Dann sollten wir es hinter uns bringen«, sagt Oliver. »Maik, Felix, helft ihr mit?«
»Klar«, erwidert Felix. Er hat die Arme vor seiner breiten Brust verschränkt und sieht nicht besonders glücklich darüber aus, sich an der Aktion beteiligen zu müssen. Natürlich würde er das nie im Leben zugeben.
Astrid stöhnt. Sie hat sich wieder zurück auf das Sofa fallen lassen und nestelt an den Knöpfen ihrer hochgeschlossenen Bluse herum. »Könnt ihr sie bitte in eine Decke einwickeln, bevor ihr sie quer durchs Haus tragt? Nicht dass ihr noch irgendwelche Blutspuren hinterlasst.«
»Wir können die Bettdecke aus ihrem Zimmer nehmen«, schlägt Maik vor.
Ich habe ihr Gespräch schweigend verfolgt und frage mich, wie das alles sie so kaltlassen kann. Ein Mensch ist gestorben. Ein Mensch, den wir alle gekannt haben. Und es war ein Mord. Vielleicht ist das eine Form des Schocks. Vielleicht können sie so leichter damit umgehen. Mir ist es lieber, auf dem Sofa sitzen zu bleiben und meine Hände in mein Gesicht zu krallen. Ich habe nicht die Ausgeglichenheit und Gelassenheit, die Annika besitzt, oder die Fähigkeit wie Astrid, mein eigenes Wohl über alles andere zu stellen.
Die Männer gehen zur Tür und Maik dreht sich noch einmal um. »Mia, würdest du bitte mitkommen? Ich möchte, dass noch jemand den Tatort ansieht, bevor wir ihn zerstören.«
Oliver runzelt die Stirn. »Das können wir doch machen.«
»Ja, Oliver, ich möchte, dass jemand Schlaues das macht. Nichts für ungut. Außerdem war Mia schon mal da, als sie die Leiche gefunden hat. Vielleicht siehst du auf den zweiten Blick mehr.« Er sieht mich auffordernd an und ich stehe auf und verlasse meinen sicheren Ort auf dem Sofa.
Die Blicke, mit denen mich die anderen mustern, sind misstrauisch. Ich kann es ihnen nicht wirklich verdenken. Denn wir alle teilen einen Gedanken, auch wenn ihn noch niemand laut ausgesprochen hat. Einer von uns ist ein Mörder.
Erster Tag auf der Robinsoninsel, zwölf Stunden vor dem Fund der Leiche
Das Schnellboot sprang über eine flache Welle und ich klammerte mich fester an die Reling. Mir war übel, doch das flaue Gefühl in meinem Bauch kam nicht allein vom Seegang. Warum hatte ich mich nur auf die ganze Sache eingelassen? Ich richtete meinen Blick fest auf den Horizont und versuchte wieder die Schönheit um uns herum zu sehen. Der azurblaue Ozean funkelte in der strahlenden Sonne der Karibik und wir zogen an Inseln mit weißen Stränden vorbei. Bevor ich auf das Boot gestiegen war, hatte ich das alles noch wertschätzen können, jetzt herrschte nur noch ein Gedanke in meinem Kopf: Es gibt kein Zurück mehr.
Außer mir befand sich nur noch eine weitere Person auf dem Deck des Schnellbootes. Eine junge Frau stand direkt am Bug und der Wind ließ ihre schwarzen Haare flattern wie eine Fahne. In der rechten Hand hielt sie ein Handy, mit dessen Kamera sie sich selbst begutachtete. Um sich auf dem Bildschirm besser sehen zu können, hatte sie ihre riesige Sonnenbrille auf die Stirn geschoben. Vollkommen in Weiß gekleidet wirkte sie so, als würde sie auf das Boot gehören. Sie kam mir seltsam bekannt vor, was vielleicht daran lag, dass sie die Ausstrahlung eines Promis hatte. Mit ihrer freien Hand fuhr sie sich durch die Haare, um sie noch besser zur Geltung zu bringen, dann klappte sie die Sonnenbrille hinunter und setzte ein strahlendes Lächeln auf. Möglicherweise war es einstudiert, trotzdem wirkte es absolut natürlich und charmant.
»Hi, ihr Lieben«, sagte sie und warf der Kamera eine Kusshand zu. »Das ist das letzte Mal, dass ich mich melden kann, weil ich in den nächsten zehn Tagen an einem streng geheimen Projekt arbeiten werde. Falls ihr eine Idee habt, was es sein könnte, schreibt es mir gern in die Kommentare. Einen Hinweis kann ich euch geben: Ich befinde mich gerade in der Karibik.« Sie schwenkte das Mobiltelefon für einen Moment, um den Ozean und das Schnellboot zur Geltung zu bringen, dann richtete sie die Kamera wieder auf sich selbst. »Ich werde euch ein Update geben, sobald ich kann. Ihr könnt euch schon darauf freuen, weil das hier absolut super wird. Macht es gut und bis bald, eure Vivi!«
Ich beobachtete, wie sie ihrem Publikum eine weitere Kusshand zuwarf, dann wandte ich mich ab. Wenn das meine Konkurrenz war, würde ich nicht besonders weit kommen.
»Mia?«
Erica war neben mich getreten, und wie die junge Frau mit den schwarzen Haaren und dem Handy trug sie weiße Kleidung und eine Sonnenbrille. Ich hatte nicht gewusst, dass sie mit uns auf dem Boot war. Umso erleichterter war ich, sie wiederzusehen.
»Hi.«
»Habt ihr beide schon Bekanntschaft geschlossen?«
Obwohl ich Fortschritte gemacht hatte, was meine Selbstsicherheit anging, hätte ich mich nie getraut, einfach so auf jemanden zuzugehen, der eine solche Ausstrahlung hatte wie das andere Mädchen. Umso irrwitziger, dass ich hier war. »Noch nicht.«
»Das ist Vivien Brassart«, sagte Erica. »Sie ist ein berühmtes Instagram-Model.«
Vielleicht kam sie mir deshalb bekannt vor. »Ist sie auch eine Teilnehmerin?« Die Unsicherheit schlich sich in meine Stimme, ohne dass ich es verhindern konnte.
Erica lehnte sich neben mich an die Reling. »O ja, das ist sie. Ihr seid die letzten beiden, die wir auf die Insel bringen.« Sie lächelte zufrieden, während sie sprach. Natürlich. Leute wie Vivien Brassart würden ihrem Projekt noch mehr Aufmerksamkeit bringen. »Hast du irgendwelche Fragen, Mia?«
Mindestens hundert. Nur würden die jetzt den Rahmen sprengen. Außerdem hatte Vivien aufgehört, auf ihrem Handy herumzutippen, und sah zu uns herüber. Es war besser, wenn ich jetzt keine dummen Fragen stellte. »Nein, eigentlich nicht.«
»Gut, denn wir werden bald da sein. Dort könnt ihr euch kennenlernen und wir machen eine kleine Vorstellungsrunde mit den Kameras, bevor es dann morgen Abend richtig losgeht.« Sie hob die Hand, um Vivien zuzuwinken. »Wir sehen uns dann später.«
Sie ging in Richtung Cockpit davon. Zu meinem Erschrecken sah Vivien immer noch zu mir herüber und hatte sich gerade in Bewegung gesetzt, um zu mir zu kommen. Die Sonnenbrille verbarg ihre Augen, doch ihr Lächeln entblößte eine Reihe strahlend weißer Zähne. »Hi, ich bin Vivi. Du musst auch eine Teilnehmerin sein.«
»Ja. Ich bin Mia.«
Sie schüttelte meine Hand und lehnte sich neben mich an die Reling. »Nett, dich kennenzulernen. Schon verrückt, dass wir hier sind, findest du nicht?«
Ich sah sie überrascht an....
Erscheint lt. Verlag | 1.4.2021 |
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Verlagsort | München |
Sprache | deutsch |
Themenwelt | Literatur ► Krimi / Thriller / Horror ► Krimi / Thriller |
Schlagworte | Casting-Show • Cliffhänger • Escape Room • geschlossenes Setting • influencer • Insel • Inselkrimi • Karibik • Killer • Krimis für den Urlaub • Mord • Psychothriller • Social Media • spannende Bücher • Spannungsroman • St. Kitts • Thriller • Verdächtige |
ISBN-10 | 3-492-98783-4 / 3492987834 |
ISBN-13 | 978-3-492-98783-7 / 9783492987837 |
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Größe: 3,1 MB
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