Sanfte Träume hält der Tag bereit (eBook)

Die schönsten Briefe und Gedichte

(Autor)

eBook Download: EPUB
2021 | 1. Auflage
195 Seiten
Insel Verlag
978-3-458-76718-3 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Sanfte Träume hält der Tag bereit - John Keats
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John Keats war neben Lord Byron und Percy Shelley der bedeutendste Vertreter der englischen Romantik. Im Mittelpunkt seiner Gedichte und Briefe steht seine Geliebte Fanny Brawne. Es ist eine Liebe, die in der frühen englischen Klassengesellschaft zum Scheitern verurteilt scheint: Zu groß sind die Unterschiede zwischen der jungen Schneiderin und dem höchst begabten, aber schwermütigen Dichter. Meist voneinander getrennt, bleibt den Liebenden nur ihr inniger Briefwechsel, um einander nahe zu sein. In seinen Oden, Sonetten und Balladen besingt Keats die Geliebte. Noch jung verstirbt Keats fernab von Fanny Brawne einsam in Rom. Die posthume Publikation der Briefe führte in England zum Skandal.
Der vorliegende Band versammelt die Briefe des englischen Romantikers John Keats an seine Geliebte Fanny Brawne sowie Gedichte, die in dieser Zeit entstanden. Sie zählen zu den sprachlich intensivsten Werken der englischen Lyrik überhaupt.



<p>John Keats,<strong> </strong>geboren am 31. Oktober 1795 in London, starb am 23. Februar 1821 in Rom.</p>

John Keats
Briefe an Fanny Brawne
1819-1820


Shanklin, Insel Wight, Donnerstag
[1. Juli 1819]

Teuerste Frau,

ich bin froh, daß ich keine Gelegenheit hatte, einen Brief abzusenden, den ich Dienstag abend für Dich schrieb – er glich zu sehr einem aus Rousseaus Heloïse. Heute morgen bin ich vernünftiger. Der Morgen ist für mich die einzig richtige Zeit, um einem schönen Mädchen zu schreiben, das ich so sehr liebe, denn am Abend, wenn der einsame Tag beendet ist und das einsame, stille, musiklose Zimmer wartet, um mich wie in einer Gruft aufzunehmen, dann – glaub mir – gerät meine Leidenschaft völlig außer Rand und Band, dann wünsche ich nicht, daß Du die Rhapsodien sähest, deren Losströmen ich bei mir niemals für möglich gehalten und die ich oft bei anderen verlacht habe, aus Angst, Du könntest mich entweder für unglücklich oder für ein wenig verrückt halten. Ich sitze jetzt an einem sehr angenehmen Landhausfenster, durch das man auf eine schöne hügelige Landschaft mit einem Streifen Meer sieht. Der Morgen ist herrlich. Ich weiß nicht, wie elastisch mein Geist sein könnte, was für ein Vergnügen ich finden könnte, wenn ich an dieser schönen Küste lebte, atmete und frei wie ein Hirsch herumstriche, falls die Erinnerung an Dich nicht so schwer auf mir läge. Nie habe ich ungetrübtes Glück durch viele Tage gekannt: der Tod oder die Krankheit irgend jemands haben mir immer meine Stunden verdorben – und jetzt, da mich keine solchen Sorgen drücken, bist Du es, die ungern bekennen muß, daß eine andere Art von Schmerz mich verfolgen soll. Frag Dich selbst, Liebste, ob es von Dir nicht sehr grausam ist, mich so gefesselt, meine Freiheit so zerstört zu haben. Willst Du dies in dem Briefe gestehen, den Du sofort schreiben mußt, und alles tun, was Du kannst, um mich zu trösten – so mach den Brief üppig wie einen Mohntrunk, um mich zu betäuben – schreib die sanftesten Worte und küsse sie, daß ich wenigstens meine Lippen dorthin drücken kann, wo Deine waren. Ich selbst weiß nicht, wie ich meine Verehrung für eine so herrliche Erscheinung ausdrücken soll: Ich brauche ein freudigeres Wort als freudig, ein herrlicheres Wort als herrlich. Ich wünsche beinahe, wir wären Schmetterlinge und lebten nur drei Sommertage – drei solche Tage mit Dir könnte ich mit mehr Entzücken füllen als fünfzig gewöhnliche Jahre jemals enthalten könnten. Aber wie selbstisch ich auch fühlen mag, ich könnte sicherlich niemals selbstisch handeln. Wie ich einen oder zwei Tage vor meiner Abreise von Hampstead sagte, werde ich niemals nach London zurückkehren, wenn mein Schicksal nicht den Treffbuben oder wenigstens eine andere Figur aufschlägt. Obwohl ich mein Glück in Dir konzentrieren könnte, kann ich nicht erwarten, daß ich Dein Herz so völlig an mich ziehe – in der Tat, wenn ich glaubte, Du fühltest für mich so viel wie ich für Dich in diesem Augenblick, ich denke nicht, daß ich mich enthalten könnte, Dich morgen wiederzusehen, um das Entzücken einer einzigen Umarmung zu genießen. Aber nein – ich darf nicht von Hoffnung und Zufall leben. Im Falle des Schlimmsten, das sich ereignen kann, werde ich Dich dennoch lieben – aber welchen Haß werde ich gegen einen andern haben! Einige Zeilen, die ich neulich las, klingen mir immer im Ohr:

Zu sehn, daß diese Augen, die ich preise,

verheißen einem andern Gunst –

und diese süßen Lippen (nektarspendend)

von einem andern sanfte Küsse spüren –

Denk, denk Francesca, welch verruchtes Tun

dies wäre über alle Maßen.

Schreib doch sofort. Hier ist keine Post, daher mußt Du adressieren: Postamt Newport, Insel Wight. Ich weiß, daß ich mich noch vor Abend verwünschen werde, weil ich Dir einen so kühlen Brief geschrieben habe, doch es ist besser, es so vernünftig wie möglich zu tun. Sei so gütig, wie die Entfernung es zuläßt mit

Deinem
J. Keats.

Bitte empfiehl mich Deiner Mutter, grüß mir Margaret und Deinen Bruder.

8. Juli [1819]

Mein süßes Mädchen,

Dein Brief entzückte mich mehr, als irgend etwas in der Welt außer Dir es könnte. Wirklich, ich bin beinahe erstaunt, daß ein Abwesender eine so ausgedehnte Macht über meine Sinne haben kann, wie ich sie verspüre. Selbst wenn ich nicht an Dich denke, dringt Dein Einfluß zu mir, und ein sanfteres Wesen überkommt mich. Ich bemerke, daß alle meine Gedanken, meine unglücklichsten Tage und Nächte mich durchaus nicht von meiner Liebe zur Schönheit geheilt, sondern sie so gesteigert haben, daß ich unglücklich bin, weil Du nicht bei mir bist – oder besser gesagt: Ich atme in jener schläfrigen Art von Geduld, die nicht Leben genannt werden kann. Niemals wußte ich vordem, was eine Liebe wäre, wie Du sie mich fühlen läßt; ich glaubte nicht daran; meine Einbildungskraft scheute sich davor, damit sie mich nicht verbrenne. Aber wenn Du mich völlig lieben willst, wird es trotz ein wenig Feuer nicht mehr sein, als wir vertragen können, wenn wir taufeucht von Vergnügen sind. Du erwähntest »schreckliche Leute« und fragst mich, ob es von ihnen abhängt, daß ich Dich wiedersehe. Versteh mich darin, Liebste. Ich habe so viel von Dir in meinem Herzen, daß ich zum Mentor werden muß, wenn ich bemerke, daß Dir Leid zustoßen kann. Ich wünschte niemals etwas anderes zu sehen als Freude in Deinen Augen, Liebe auf Deinen Lippen und Glück in Deinen Schritten. Ich wünschte Dich jenen Vergnügungen nachhängen zu sehen, die Deinen Neigungen und Gedanken entsprechen, so daß unsere Liebe eher inmitten der Freude ein völliges Entzücken als eine Zuflucht von Ärger und Sorgen sein könnte. Aber ich zweifle stark, ob ich im schlimmsten Falle genug Philosoph sein könnte, um meine eigenen Lehren zu befolgen: wenn ich sähe, daß mein Entschluß Dich schmerzte, würde ich es nicht können. Warum darf ich nicht von Deiner Schönheit sprechen, da ich ohne sie Dich niemals geliebt haben würde? Ich kann mir als Beginn einer Liebe, wie ich sie für Dich empfinde, nur Schönheit vorstellen. Es mag eine Art von Liebe geben, für die ich ohne den geringsten Spott die höchste Anerkennung habe und die ich bei andern bewundern kann: aber sie hat nicht den Reichtum, den Duft, die volle Form, den Zauber der Liebe meines eigenen Herzens. Daher laß mich von Deiner Schönheit sprechen, wenn ich mich dadurch auch selbst gefährde, wenn Du auch gegen mich so grausam sein könntest, anderswo ihre Macht zu versuchen. Du sprichst von Deiner Furcht davor, daß ich denken werde, Du liebtest mich nicht. Indem Du dies sagst, stärkst Du mein schmerzliches Verlangen, bei Dir zu sein. Ich mache hier fleißig Gebrauch von meinen Fähigkeiten, ich verbringe keinen Tag, ohne einige regellose Blankverse hinzuschreiben oder einige Reime zusammenzustoppeln; und hier muß ich gestehen, daß (da ich einmal bei diesem Thema bin) ich Dich infolge des Glaubens, Du liebtest mich um meiner selbst willen und um sonst nichts, um so mehr liebe. Ich traf mit Frauen zusammen, von denen ich wirklich glaube, sie hätten sich gern an ein Gedicht verheiratet oder einem Roman hingeben lassen. Ich habe Deinen Kometen gesehen und wünsche nur, es wäre ein Zeichen dafür gewesen, daß der arme Rice, dessen Krankheit ihn zu einem ziemlich melancholischen Gefährten macht, gesund würde, und dies um so mehr, als er seine Gefühle bekämpft und mit gewaltsamem Witz vor mir zu verbergen sucht. Ich küßte Dein Schreiben ab in der Hoffnung, Du hättest mir meinen Willen getan, indem Du eine Spur Honig zurückließest. Was war Dein Traum? Erzähl ihn mir, und ich will Dir seine Erklärung geben.

Immer Dein, meine Liebe! ‌
John Keats.

Beschuldige mich nicht der Verzögerung – wir haben hier keine Gelegenheit, jeden Tag Briefe abzuschicken. Schreibe bald.

Shanklin Donnerstag abends
[15. Juli 1819]

Mein Lieb,

mein Gesundheitszustand während der letzten zwei oder drei Tage war so schwankend, daß ich nicht glaubte, Dir diese Woche noch schreiben zu können. Nicht daß ich sehr krank war, aber doch so viel, um nur eines ungesunden, quälenden Briefes fähig zu sein. Heute abend bin ich zum größten Teil wiederhergestellt, aber nur um die Sehnsucht nach Dir erglühen zu fühlen. Du sagst, Du hättest mich vielleicht besser machen können: Du würdest mich aber dann schlechter gemacht...

Erscheint lt. Verlag 15.2.2021
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Klassiker / Moderne Klassiker
Literatur Romane / Erzählungen
Schlagworte Anthologie • Briefe • Clemens Brentano • Dichtung • England • Gedichtsband • Gefühle • insel taschenbuch 4835 • IT 4835 • IT4835 • Joseph Görres • Joseph von Eichendorff • Lord Byron • Lyrik • Natur • Netflix • Novalis • Poesie • Romantik • Sammlung • Sinnlichkeit
ISBN-10 3-458-76718-5 / 3458767185
ISBN-13 978-3-458-76718-3 / 9783458767183
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