Emsdeichmord. Ostfrieslandkrimi -  Hans-Rainer Riekers

Emsdeichmord. Ostfrieslandkrimi (eBook)

eBook Download: EPUB
2021 | 1. Auflage
200 Seiten
Klarant (Verlag)
978-3-96586-310-1 (ISBN)
Systemvoraussetzungen
11,99 inkl. MwSt
  • Download sofort lieferbar
  • Zahlungsarten anzeigen

In der neuen Dienststelle in Aurich haben sich Hauptkommissar Stefan Grote und seine junge Kollegin Stine Lessing gut eingelebt. Als sie bei einem spektakulären Geldautomatenraub, der mit dem Tod von zwei Männern endete, als Sonderermittler hinzugezogen werden, stellt sich bald heraus, dass hier ihr ganzes Können gefragt ist. Sie stoßen auf weitere Leichen, die sie zunächst nicht miteinander in Verbindung bringen können. Doch dank akribischer Ermittlungsarbeit lichtet sich der Nebel und es offenbart sich, dass Täter manchmal auch Opfer sind und wie ein missglückter Raub und eine aus dem Ruder gelaufene Strafaktion in einer Katastrophe enden konnten, die so keiner der Beteiligten wollte. Und es ist noch nicht vorbei: Um den Täter zu stellen, muss Stine ihr Trauma, das sie seit ihrem ersten Einsatz auf Juist mit sich trägt, überwinden und über sich hinauswachsen...

Neue Zeit, neuer Ort


 

Der Lüfter des Computers brauste noch einmal hörbar auf, dann wurde er immer leiser, und das Bild auf dem Monitor erlosch. Es war ein recht ereignisloser Tag gewesen, und der bevorstehende Feierabend erschien Stine Lessing wie eine Erlösung. Der Stuhl vor dem Schreibtisch ihr gegenüber war seit dem Mittag unbesetzt, denn Stefan Grote hatte schon früh die Dienststelle verlassen, um zu Hause den Geburtstag seiner Zwillinge zu feiern.

Stine goss den letzten Kaffeerest in ihren übergroßen Becher und kippte noch einen kräftigen Schuss Milch dazu. Seit gut einem halben Jahr war die Polizeiinspektion Aurich ihre neue dienstliche Heimat. Obwohl sich ihre Dienststelle mitten in Ostfriesland befand, blieb sie ihrem Kaffee treu, denn an den herben Tee, der hier ihrem Gefühl nach eimerweise getrunken wurde, konnte sie sich einfach nicht gewöhnen. Sie hatte es nicht eilig, nach Hause zu kommen, sondern genoss die Stille des Raumes und setzte sich auf die Fensterbank, um den heißen Kaffee zu genießen. Entspannt ließ sie ihren Oberkörper zurücksinken, um sich am Fensterrahmen anzulehnen, stöhnte aber im selben Moment auf, denn ein kurzer, schneidender Schmerz durchzog sie. Die große Narbe auf ihrem Rücken wollte einfach keine Ruhe geben, besonders dann nicht, wenn das Wetter wechselte. Ihr Blick schweifte über den Schlackeplatz hinter dem Polizeigebäude, der den Polizisten als Parkplatz diente. Dann ging er über die angrenzenden Gärten bis hinauf zum Himmel. Es war noch gar nicht so lange her, dass eine wochenlang brütende Hitze den Norden ausgedörrt hatte. Schon im August begannen die erschöpften Bäume, ihr Laub abzuwerfen. Und nun stand plötzlich der Herbst vor der Tür.

»Genau wie damals, genauso grau und ungemütlich!«, murmelte sie leise vor sich hin und pustete steil nach oben, um ihre roten Haare von der Stirn zu vertreiben. Sie hatte sich an die Widerspenstigkeit ihrer Haare gewöhnt, auch wenn es nervte, weil sie ihr, wie so oft, vorwitzig vor die Augen fielen. Die auffällige, rot leuchtende Bobfrisur war an der neuen Dienststelle schnell ihr Markenzeichen geworden. Lächelnd erinnerte sie sich daran, dass eines Morgens neben der Tür ihres Büros ein Zettel hing, den irgendein Spaßvogel zuvor angebracht hatte:

»Meister Eder und sein Pumuckl« stand plötzlich neben ihrem und Stefan Grotes Namen. Grote hatte sich darüber geärgert und wollte die Notiz entfernen, doch Stine konnte das verhindern.

»Bleib entspannt, Stefan, was glaubst du denn, wie man mich früher in der Schule genannt hat? Etwa Blondie?«

Dann ging sie unter den Augen der grinsenden Kollegen lächelnd auf den Flur und überarbeitete den Zettel mit einem roten Filzstift.

»Hauptkommissar Grote und sein Pumuckl« stand fortan dort, und Stine Lessing hatte die Lacher auf ihrer Seite. Das Schild war inzwischen fester Bestandteil ihres Türschilds und niemand wäre auf die Idee gekommen, es wieder abzunehmen.

 

Das Lächeln verschwand aus ihrem Gesicht, und sie wurde wieder ernster. Immer wenn der Himmel wolkenverhangen und drohend wirkte, stiegen in ihr wieder die Bilder des letzten Herbstes auf. Da waren die Ermittlungen in der Mordserie, die sie damals vor sich her getrieben hatten. Die Fahrten mit Stefan Grote quer durch Ostfriesland liefen vor ihrem inneren Auge ab, sogar an die letzten Minuten auf Juist konnte sie sich erinnern. Doch dann war da ein großes, schwarzes Loch. Die verhängnisvolle Sturmbö, die sie beinahe in den Tod stieß - alles restlos ausgelöscht. Wie war es möglich, dass ein Teil des eigenen Lebens einfach so verschwinden konnte, ohne Spuren im Kopf zu hinterlassen? Es schien ihr unbegreiflich.

Die nächste Situation, an die sie wieder eine verschwommene Erinnerung hatte, war, wie die junge Ärztin im Nordwestkrankenhaus Sanderbusch, die kaum älter war als sie, lächelnd ihre Hand hielt, als sie aus dem künstlichen Koma erwachte.

»Herzlich willkommen im Leben, Frau Lessing«, waren ihre ersten Worte gewesen. Dann brachte die Ärztin ihr schonend bei, dass man sie zwei Wochen lang in einem künstlichen Koma belassen hatte, um ihrem Körper zu helfen, die schwere Operation zu verkraften.

Die Ärztin hatte ein makabres Talent, Stine unterhaltsam beizubringen, wie dicht der Tod an ihr vorbeigestrichen war. »Ich vermute mal, dass all Ihre Schutzengel gerade auf Juist Herbsturlaub gemacht haben, als man Ihnen versehentlich den Blattschuss verpasst hat.« Dabei musste sie über ihren eigenen Scherz kichern.

»Zumindest waren sie alle pünktlich zur Stelle, als Sie jeden Einzelnen von ihnen dringend benötigten. Natürlich hat auch der Inselarzt mitgeholfen. Sie hatten Glück, denn Dr. Lange war als junger Assistenzarzt häufig als Notarzt unterwegs und weiß, wie man den letzten Funken Leben in einem halbtoten Menschen am Glimmen halten kann. Und dann war da noch der brillante Chirurg, der Ihre Lunge wieder zusammengeflickt hat und es schaffte, die Blutung der handtellergroßen Austrittswunde zu stoppen. Ganz abgesehen davon, dass die Kugel Ihr Herz nur um einen Zentimeter verfehlt hat. Alles in allem: Sie sind ein Glückspilz!«

 

Nun ja, wie ein Glückspilz hatte Stine Lessing sich in den Wochen und Monaten nach der Operation wahrlich nicht gefühlt. Selbst während ihrer Kur in der muffig riechenden, altertümlichen Rehaklinik im Harz verspürte sie immer wieder Schmerzen. Jede Treppe empfand sie als Herausforderung, und das Atmen fiel ihr anfänglich so schwer, dass sie fast verzweifelt wäre.

Und dann stand eines Tages Stefan Grote, ihr ehemaliger Chef, in der überfüllten Cafeteria der Kurklinik vor ihr. Er hatte sein Erscheinen nicht angekündigt, und Stine Lessing erinnerte sich noch genau daran, wie sie ihn überrascht mit »Herr Grote« angesprochen hatte. Grote hatte nur das Gesicht verzogen und den Kopf geschüttelt: »Die Ärzte sagten mir, dass du inzwischen wieder ziemlich fit bist. Deshalb solltest du dich eigentlich daran erinnern, Stine, dass wir beide schon lange beim »Du« waren.«

Erst nach der zweiten Tasse Kaffee hatte Grote begonnen, von den Entwicklungen der vergangenen Monate zu berichten. Dass er als Leiter der Mordkommission des Landeskriminalamtes abgelöst worden war und man ihm eine Stelle als Sonderermittler bei der Polizeiinspektion Aurich angeboten hatte. Er sollte in seiner neuen Funktion immer dann eingeschaltet werden, wenn Kriminalfälle zugleich mehrere Dienststellen tangierten oder von besonderer Qualität waren, losgelöst von den üblichen Zuständigkeiten.

»Eigentlich fast alles so wie früher bei der Mordkommission des Landeskriminalamtes in Hannover, nur eine Nummer kleiner.« Grote hatte sich ein gequältes Lächeln abgerungen: »Ich habe mich entschlossen, die Stelle anzunehmen und mit meiner Familie von Hannover wegzuziehen. Wir hatten dort zuletzt eine schwere Zeit, das kannst du mir glauben, in Hannover hält uns nichts mehr.«

Er machte eine Pause, als suche er nach Worten.

»Ich habe dich damals in Sanderbusch besuchen wollen, aber du lagst noch im Koma, das wusste ich nicht. Einige Zeit später war ich noch einmal dort, doch du hattest gerade Besuch von deinen Eltern und ich wusste nicht, wie sie«, er zögerte erneut, »oder wie du auf mein Erscheinen reagieren würdest.«

Dann, völlig unerwartet, war die Frage gekommen, auf die Stine nicht vorbereitet gewesen war, und die ihr Leben in eine andere Bahn gelenkt hatte.

»Genaugenommen handelt es sich in Aurich um zwei Stellen, darum möchte ich dich fragen, ob du dir vorstellen kannst, ebenfalls dorthin zu gehen?«

Stine sagte damals, ohne richtig nachzudenken, »Ja« und in Stefan Grotes Augen konnte sie lesen, wie sehr er sich darüber freute. Rückblickend betrachtet hatte sie sich von den Ereignissen überrollen lassen und nicht bedacht, dass sie damit ihre kleine Wohnung in Hannover aufgeben musste und gewiss einen Teil ihres Freundeskreises verlieren würde. Andererseits sagte sie sich, dass Ostfriesland schließlich nicht aus der Welt sei. Ein Wochenendtrip nach Hannover war ja wirklich keine Fernreise.

 

Nun saß sie als frischgebackene Kriminalkommissarin gemeinsam mit Stefan Grote in einem recht passablen, modernen Dienstzimmer und musste sich eingestehen, dass sie trotz anfänglicher Zweifel sicher war, die richtige Wahl getroffen zu haben. Man hatte ihr und Grote samt seiner Familie genug Zeit gelassen, in aller Ruhe ein neues Domizil zu finden und die Umzüge durchzuführen. Sie selbst hatte ein kleines Stadtappartement ganz in der Nähe der Dienststelle gefunden und sich sogar ein ganz klein wenig in das beschaulich-verschlafene Aurich verliebt. Die Grotes lebten nun in einem freistehenden Haus in Wiesens, nur wenige Kilometer von Aurich entfernt. Tatsache war, beide hatten sich in ihr neues Leben eingewöhnt. Die ersten Fälle hatten sie bereits erfolgreich bearbeitet und sich so den Respekt ihrer Kollegen verdient. So ein richtig »Dickes Ding«, wie Grote zu sagen pflegte, war allerdings bislang noch nicht dabei gewesen. Doch beide wussten, das war nur eine Frage der Zeit. Auch wenn Ostfriesland das...

Erscheint lt. Verlag 8.2.2021
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Krimi / Thriller / Horror
Sozialwissenschaften Politik / Verwaltung
ISBN-10 3-96586-310-X / 396586310X
ISBN-13 978-3-96586-310-1 / 9783965863101
Haben Sie eine Frage zum Produkt?
EPUBEPUB (Wasserzeichen)
Größe: 543 KB

DRM: Digitales Wasserzeichen
Dieses eBook enthält ein digitales Wasser­zeichen und ist damit für Sie persona­lisiert. Bei einer missbräuch­lichen Weiter­gabe des eBooks an Dritte ist eine Rück­ver­folgung an die Quelle möglich.

Dateiformat: EPUB (Electronic Publication)
EPUB ist ein offener Standard für eBooks und eignet sich besonders zur Darstellung von Belle­tristik und Sach­büchern. Der Fließ­text wird dynamisch an die Display- und Schrift­größe ange­passt. Auch für mobile Lese­geräte ist EPUB daher gut geeignet.

Systemvoraussetzungen:
PC/Mac: Mit einem PC oder Mac können Sie dieses eBook lesen. Sie benötigen dafür die kostenlose Software Adobe Digital Editions.
eReader: Dieses eBook kann mit (fast) allen eBook-Readern gelesen werden. Mit dem amazon-Kindle ist es aber nicht kompatibel.
Smartphone/Tablet: Egal ob Apple oder Android, dieses eBook können Sie lesen. Sie benötigen dafür eine kostenlose App.
Geräteliste und zusätzliche Hinweise

Buying eBooks from abroad
For tax law reasons we can sell eBooks just within Germany and Switzerland. Regrettably we cannot fulfill eBook-orders from other countries.

Mehr entdecken
aus dem Bereich
Roman

von Anne Freytag

eBook Download (2023)
dtv Deutscher Taschenbuch Verlag
14,99
Roman. Aus den Memoiren der Herbjörg María Björnsson

von Hallgrímur Helgason

eBook Download (2011)
Tropen (Verlag)
9,99
Band 1: Lebe den Moment

von Elenay Christine van Lind

eBook Download (2023)
Buchschmiede von Dataform Media GmbH (Verlag)
9,49