Die Frau vom Coroner‘s Court (eBook)

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2021 | 1. Auflage
375 Seiten
Aufbau digital (Verlag)
978-3-8412-2491-0 (ISBN)

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Die Frau vom Coroner‘s Court - Molly Lefebure
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London 1941. Während in Europa Krieg herrscht, findet auch in den Straßen Londons ein endloser Kampf gegen Gewalt, Mord und die kriminelle Unterwelt statt. Eines Tages fällt dem Gerichtspathologen Dr. Keith Simpson im Gerichtssaal eine engagierte, junge Journalistin auf und kurzerhand bittet er sie seine Sekretärin zu werden. Triste Büroarbeit war eigentlich nicht Molly Lefebures Traumvorstellung, aber die Tätigkeit an der Seite des Pathologen reizt sie so sehr, dass sie sein Angebot annimmt. Clever, smart und neugierig wird Molly in kürzester Zeit Dr. Simpsons rechte Hand auf seiner Suche nach der Wahrheit und den Rätseln, die es im Dienst der Toten zu lösen gilt. Sie begleitet ihn von düsteren Leichenhallen zu den grauenvollsten Tatorten Londons, beobachtet, hinterfragt und hilft ihm dabei, die dunklen Geheimnisse aufzudecken ...

Mit scharfem Sinn für Humor erzählt Molly Lefebure ihre eigene, bemerkenswerte und wahre Geschichte und malt ein lebendiges Porträt des Londons der vierziger Jahre.



Molly Lefebure wurde 1919 in London geboren und studierte am King's College London und der University of London. Während des Zweiten Weltkriegs arbeitete sie als Reporterin bei einer Londoner Zeitung, bevor sie die Sekretärin des bekannten Pathologen Dr. Keith Simpson wurde. Ihre Erlebnisse aus dieser Zeit schildert Molly Lefebure in ihrem Buch 'Die Frau vom Coroner´s Court' (Murder on the Home Front). Später schrieb sie Kinderbücher, eine Biografie über Coleridge und mehrere Romane und wurde vor ihrem Tod im Jahr 2013 Fellow der Royal Society of Literature.

4
Mein erster Mord


Das Telefon klingelte ständig, wenn wir arbeiteten, und Nachrichten von den Leichenbeschauern trafen ein. »Drei Fälle in Hackney, einer vermutlich Lebensmittelvergiftung.« »Zwei in Walthamstow, eine alte Frau, die aus dem Bett gefallen ist, das andere eine Kindstötung.« »Ein Selbstmord in Wandsworth; aufgeschlitzte Kehle.« »Zwei klare Fälle und ein Ertrunkener in Southwark.« Und so ging es immer weiter. An einem Junitag erklärte der Leichenbeschauer aus Leyton (P. C. Goodwin, inzwischen im Ruhestand) recht atemlos am Telefon, er hätte einen Mordfall, das Opfer wurde erschossen von einem Soldaten, der sich bereits gestellt hatte. »Es ist ein Mord, aber kein wirklich guter«, berichtete der famose Mann, »was mir sehr leidtut. So einen hatten Sie noch gar nicht, oder, Miss Molly?« (Sie nannten mich alle Miss Molly, weil sie den Namen Lefebure schlecht aussprechen konnten.)

Goodwin hatte genaue Vorstellungen davon, wie ein Mord aussehen sollte. »Es ist kein besonderer Mord, Sir, nur ein Mann, der seine Gattin mit dem Schwert erstochen hat«, berichtete er bei anderer Gelegenheit. Aber Goodwin hatte in vielen Belangen ziemlich präzise Erwartungen. Er war sehr redselig, selbst für einen Constable der Polizei. Zudem war er kein großer Freund von Konventionen. Ich weiß noch genau, wie er einmal aus dem Obduktionsraum des Whipps Cross Hospital in die angrenzende Kapelle verschwand, einen kleinen Raum mit Bahre und Betpult, der auch für Aufbahrungen genutzt wurde. Goodwin hielt sich fünf bis zehn Minuten dort auf, bevor er strahlend zu uns zurückkehrte. »Raten Sie mal, was ich eben gemacht habe, Dr. Simpson.« »Ich habe nicht die geringste Ahnung.« »Ich habe eben ein halbes Dutzend Austern gegessen«, sagte Goodwin.

Doch kehren wir nach Leyton zurück, wo ich mein erstes Mordopfer gesehen habe, das - Goodwins Worten zufolge - »bloß« erschossen worden war. Damit hatte er recht. Ein junger Soldat, ein Deserteur, war eine Woche lang herumgelaufen und hatte »auf die Gelegenheit gewartet, jemanden umzubringen«, wie er in seinem kleinen Notizbuch aufgeschrieben hatte. Schließlich hatte er sich ganz zufällig für einen älteren Herrn entschieden, der gerade in seinem Schrebergarten Gemüse erntete. Nachdem er den Mann umgebracht hatte, stellte sich der Soldat.

Das war kein aufsehenerregender Fall, der es auf die Titelseiten schaffen würde. Ich musste bis zum folgenden September warten, bis wir einen »richtigen«, einen »guten« Mord hatten. Da war es die Polizei von Surrey, die uns anrief und mitteilte, sie hätte »einen unschönen Fall in Weybridge«.

Und so fuhren wir nach Weybridge zu einem hübschen kleinen Haus mit dem Namen »The Nook«, in dem eine alte Dame lebte, die sich nach Surrey zurückgezogen hatte, um dort Ruhe und Frieden zu genießen. Durch den Garten voller Blumen, die im herbstlichen Sonnenschein die Köpfe hängen ließen, gingen wir in einen Flur voller umgestürzter Möbelstücke und Glassplitter auf dem Teppich. Wir marschierten die Treppe hinauf und an vielen Bildern mit religiösen Motiven vorbei in das Schlafzimmer. Noch nie hatte ich eine solche Unordnung gesehen!

Auf dem Bett stapelten sich Kleidungsstücke, Bettdecken, ein rosafarbener Wollschal, Schmuckkästchen, Schals und Schmuck. Die Kommode war mit unzähligen Dingen bedeckt, und jemand hatte sämtliche Schubladen aufgezogen. Irgendetwas war in die Tür des Kleiderschranks gerammt worden. Auf dem Boden lagen mehrere Strohhüte, wie sie alte Damen trugen, eine rote Brosche, Uhrenketten, eine rosafarbene Daunendecke, auf der ich eine Flasche Brandy und eine Flasche Lotion entdeckte, und um den umgestürzten Ölofen lag ein blutbeschmierter Petticoat. Eine zweite Brandyflasche stand auf dem Nachttisch. Inmitten des Chaos tickte eine kleine Uhr unbeirrt auf dem Kaminsims vor sich hin …

Inmitten dieser Unordnung lag zwischen dem umgestürzten Ofen und einem kleinen, ebenfalls umgeworfenen Tisch - halb auf der Daunendecke und halb auf dem Teppich - eine alte, weißhaarige Frau auf dem Rücken, die Arme ausgestreckt, in der rechten Hand noch immer ein Glas mit etwas Brandy. Sie war nur mit einem rosafarbenen Baumwollnachthemd bekleidet, hatte ein blaues Auge, und etwas Blut lief ihr aus der Nase und einem Mundwinkel.

Um sie herum hatten sich mehrere Detectives versammelt, die die Möbelstücke nach Fingerabdrücken absuchten, während zwei Fotografen von Scotland Yard, denen es irgendwie gelungen war, sich mit ihrer Ausrüstung in den Raum zu zwängen, mit Blitzlicht Fotos schossen. Dr. Simpson, Supt T. Roberts vom Surrey County Constabulary und ich quetschten uns noch dazu. Zu uns gesellte sich der Pathologe aus Weybridge, der inzwischen verstorbene Dr. Eric Gardner, der sich zusammen mit Dr. Simpson daran machte, nach Hinweisen Ausschau zu halten.

Einige Haare, ein Zigarettenstummel, der abgebrochene Griff eines Kamms sowie etwas blutbefleckte Watte wurden mir gereicht, und ich verstaute alles in kleinen gelbbraunen Umschlägen, die ich sogleich beschriftete. Nichts wurde mit der Hand angefasst; all diese Dinge wurden mit Pinzetten aufgehoben und in die Umschläge gesteckt. Dr. Simpson entnahm auch Proben unter den Fingernägeln der alten Dame, da diese entscheidende Informationen wie Haare und Stofffasern enthalten konnten, die oftmals vom Mörder stammten. Zudem vermaß er den Raum und die Leiche und vermerkte, in welcher Position sie aufgefunden worden war.

Derweil fasste uns Supt Roberts das Verbrechen zusammen, soweit die Fakten bisher bekannt waren. Bei der alten Dame handelte es sich um eine Miss Salmon, die allein in »The Nook« lebte. Doch von Zeit zu Zeit wohnte eine Weile ein achtzehnjähriger Seemann bei ihr, ein Waise, mit dem sie sich aus Herzensgüte angefreundet und den sie praktisch adoptiert hatte. Sein Name lautete Cusack.

In der Mordnacht war Cusack mit einem kanadischen Soldaten nach Hause gekommen. Beide waren betrunken im »The Nook« eingetroffen und hatten sich im Keller der alten Dame an deren Alkoholvorräten bedient. Miss Salmon war offenbar der Ansicht gewesen, es wäre das Beste, ihnen aus dem Weg zu gehen, und war zu Bett gegangen.

Als der Briefträger am nächsten Morgen kam und ihm niemand öffnete, hatte er eine Leiter ans Haus gestellt, war hinauf zum Fenster des hinteren Schlafzimmers geklettert und hatte hineingeschaut. Dort lag die alte Dame tot am Boden, und alles lag kreuz und quer durcheinander.

Der entsetzte Postbote hatte die Polizei gerufen. Als die Beamten eintrafen, stießen sie auf Cusack, der betrunken durch den Vorgarten taumelte, während ein kanadischer Soldat sturzbetrunken auf dem Küchenboden lag.

Die Tür von Miss Salmons Schlafzimmer war von innen verriegelt und zusätzlich mit einem Stuhl verbarrikadiert. Ob die alte Dame diese Maßnahmen selbst ergriffen hatte oder nicht, war unklar.

Bei der Obduktion, die die beiden Pathologen in einer hübschen kleinen Leichenhalle umgeben von großen scharlachroten Dahlien bei ihr durchführten, wurde festgestellt, dass diese arme Seele von zweiundachtzig Jahren gnadenlos verprügelt und schließlich zum Sterben auf dem Fußboden zurückgelassen worden war. Sie war schließlich ihren Verletzungen erlegen.

Dr. Simpson sagte, sie wäre nach dem Angriff zu schwach gewesen, um die Tür noch selbst verriegeln und verbarrikadieren zu können, daher kehrten die Detectives ins Haus zurück und führten einige Experimente mit der Schlafzimmertür durch. Sie fanden heraus, dass sich diese Tür auch von außen verschließen ließ und man den Schlüssel recht einfach wieder ins Schlafzimmer schieben konnte, und ähnlich verhielt es sich mit der Barrikade.

Cusack machte zwei Aussagen bei der Polizei. Bei der ersten sagte er: »Ich bin ins Zimmer gegangen und habe sie mit der Hand geschubst, ihr mit der rechten Hand ins Gesicht geschlagen. Daraufhin fiel sie zu Boden und blieb liegen. Sie landete zwischen dem Schrank und der Ankleidekommode und rührte sich danach nicht mehr.«

Aber kurz nach dieser Aussage beschloss er anscheinend, dass Vorsicht die Mutter der Porzellankiste war, denn er machte eine weitere Aussage, in der er seinen kanadischen Freund McDonald beschuldigte, für den Großteil der Misshandlungen verantwortlich zu sein, und behauptete gar, sich um Miss Salmon Sorgen gemacht zu haben.

Seine zweite Aussage lautete: »Sie öffnete die Tür, und McDonald packte sie, an der Kehle, glaube ich. Ihr blieb keine Zeit, um noch etwas zu sagen. Sie rangen miteinander, und sie versuchte zu schreien, bekam jedoch keinen Ton heraus, weil er sie so festhielt. Dann legte er sie auf den Boden zwischen Schrank und Ankleidekommode, zog die Daunendecke vom Bett und drückte sie fest auf den Boden. Er verlangte, dass ich die Decke auf sie drücke.

Das habe ich gemacht. Die alte Dame konnte den Kopf herausstrecken und fragen: ›Was hat das alles zu bedeuten?‹ Ich rang mit ihr und konnte ihr die Decke wieder über den Kopf ziehen. Dann zog ich die Schubladen der Kommode auf und nahm ihren Schmuck heraus. Die alte Dame wehrte sich wieder, und McDonald sagte: ›Ich werde mich um sie kümmern. Ich muss ihr wohl eine verpassen.‹

Ich habe gesagt: ›Wenn du das machst, dann schlag nicht zu fest zu, denn sie ist alt.‹

Er zog die Decke von ihrem Kopf und fragte sie: ›Wirst du jetzt leise sein?‹ Sie fing an zu kreischen, und McDonald hat ihren Kopf ein kleines Stück vom Boden hochgehoben und ihr mit der rechten Hand ins Gesicht geschlagen. Sie hat nicht aufgehört zu schreien, und er schlug fester zu. Danach stöhnte sie leise und verstummte. Er ließ sie in Ruhe, und wir zogen beide die Schubladen auf...

Erscheint lt. Verlag 1.2.2021
Übersetzer Kerstin Fricke
Sprache deutsch
Original-Titel Murder on the Homefront
Themenwelt Literatur Biografien / Erfahrungsberichte
Literatur Historische Romane
Literatur Romane / Erzählungen
Schlagworte Die geliehene Schuld • Die Nachtigall • Hanni Münzer • Kate Quinn • Kristin Hannah • London • Pathologe • Pathologie • Penny Vincenzi • Tod • Zweiter Weltkrieg
ISBN-10 3-8412-2491-1 / 3841224911
ISBN-13 978-3-8412-2491-0 / 9783841224910
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