Schießpulver und Geometrie (eBook)

Das Leben von Charles Hutton, Grubenjunge, Mathematiker und wissenschaftlicher Rebell
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2021 | 1. Auflage
356 Seiten
Harpercollins (Verlag)
978-3-95967-927-5 (ISBN)

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Schießpulver und Geometrie -  Benjamin Wardhaugh
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Die unglaubliche Geschichte von Charles Hutton - vom Grubenjungen zum begnadeten Wissenschaftler

England, 1755: Als Sohn eines Schichtmeisters wächst Charles Hutton in den Bergwerken Newcastles auf. Die industrielle Revolution ist in vollem Gange und Kinderarbeit an der Tagesordnung. Mit acht Jahren beginnt auch Charles, in den Kohlegruben zu arbeiten, doch ein Unfall rettet ihn. Eine Zeit lang darf er deswegen die Schule besuchen, erkennt seine Begabung für Mathematik und fängt Feuer.

Er verschlingt die Werke Newtons, besucht weiterführende Abendkurse, verfasst schon bald eigene Lehrbücher und publiziert mathematische Rätsel in den damals beliebten Unterhaltungsmagazinen The Gentleman's Diary und The Ladies' Diary.

Nebenbei arbeitet er als Landvermesser, erfindet die Höhenlinien und bekommt eine Stelle an der Königlichen Militärakademie, für die er Newcastle hinter sich und seiner Liebe zum Schießpulver freien Lauf lässt ...

Eine Bildungsgeschichte, die ihresgleichen sucht.

»Die Mathematik bildet die Grundlagen unserer Gesellschaft. Dieses wundervolle Buch beleuchtet endlich, warum dem so ist.«
New Scientist

»Benjamin Wardhaugh erzählt die fast unglaubliche Geschichte eines Kohlejungen, der zum größten Mathematiker seiner Zeit und zu einer nationalen Berühmtheit wurde. Mit Stil und Esprit erweckt er sowohl das georgianische Zeitalter als auch die Ära der Kohleindustrie zum Leben.«
Matt Ridley



<p>BENJAMIN WARDHAUGH ist ein britischer Historiker. Er studierte Mathematik, Musik und Geschichte an der Cambridge University sowie an der Guildhall School of Music and Drama in London - und ist fasziniert vom Einfluss der Mathematik auf unser Leben. Benjamin Wardhaugh lebt, lehrt und schreibt in Oxford.</p>

»Benjamin Wardhaughs Buch gehört in jede Handbibliothek!«
Mathematical Reviews

2
MATHEMATIKLEHRER

Herbst 1758. High Heaton, in der Nähe von Newcastle. Stille (zumindest beinahe). Jungen sitzen an einer Reihe von Pulten. Griffel quietschen über Tafeln, Schreibfedern kratzen über Papier. Die Felder werden wieder einmal abgeerntet. Die Plackerei im Bergwerk ist höllisch wie immer. Aber Charles Hutton arbeitet nun nicht mehr unter Tage, sondern im ehemaligen Schulzimmer von Jonathan Ivison.

Der junge Lehrer sitzt vorn, von wo aus er seine Schüler im Blick hat. Einer nach dem anderen kommt zu ihm, zeigt ihm seine Ergebnisse und wird gelobt oder getadelt. Kann er die Wörter buchstabieren, die der Klasse aufgegeben wurden? Ist seine Schrift ordentlich genug? Kann er den aufgetragenen Abschnitt lesen? Hat er die Summe richtig und anhand der korrekten Methode errechnet? Weiß er die Antworten auf die Fragen im Katechismus? Dann bekommt er eine neue Aufgabe, neue Anweisungen oder eine Definition, die er in sein Heft abschreiben soll, und wird damit zurück an sein Pult geschickt.

Im Laufe des Tages und der Woche wechseln sich Lesen, Schreiben, Rechnen und Religion ab. Lesen lernen die Jungen wahrscheinlich aus dem gleichen Buch von Ann Fisher, aus dem Hutton es selbst gelernt hat. Dann gibt es noch ein Rechenbuch, und sie lesen die Bibel. Montags beginnt das Ganze von vorn.

Wie war der junge Charles Hutton als Lehrer? Wie ging er mit seinen Schülern um? Streng oder freundlich? Setzte er ihnen die Lerninhalte vor oder versuchte er, sie den Schülern zu entlocken? Wir wissen es nicht.

Früh übt sich: Ein Lehrer und seine Schüler. Der Beruf des Lehrers war jedoch nicht sonderlich geachtet – im Gegenteil, ein gebildeter Mann galt als gescheitert, wenn er an einer Schule unterrichtete.

George Fisher (1760): The Instructor, London: A. Bettesworth et al., Frontispiz.
World History Archive / Alamy Stock Photo.

Aber die Bücher, die er später schrieb, geben etwas von der Art zu denken wieder, die auch seinen Unterricht geprägt haben wird. Sie deuten auf einen Mann hin, der seinen Unterrichtsstoff perfekt organisiert hat und seinen Schülern jedes Mal etwas Neues beibrachte – einen neuen Kniff, eine komplexere Variante, um den wachsenden Geist herauszufordern. In den Klassenzimmern jener Zeit arbeiteten die meisten Kinder still, während der Lehrer Einzelne nach vorn rief. 48 Da jeder Schüler auf einem anderen Stand war und individuelle Unterstützung brauchte, erforderte diese Methode von dem Lehrer ein hohes Maß an geistiger Beweglichkeit.

Man kann sich gut vorstellen, dass die Schüler unter einem Lehrer, der den Stoff nicht aus dem Effeff beherrschte oder sich zu sehr auf das Lehrbuch verließ, den Großteil der Zeit die gleichen, nur halb verstandenen Aufgaben bearbeiteten und die Schwächeren unter ihnen schnell auf der Strecke blieben. Aber für außergewöhnliche, umsichtige Lehrer bot dieses System maximale Flexibilität und Freiheit. Es funktionierte, wenn man seinen Unterrichtsstoff klar vor Augen und vor allem in kleine Schritte unterteilt hatte. Hutton beherrschte das anscheinend hervorragend. Im Laufe seines langen Lebens machte er sich einige Feinde und wurde – berechtigt und unberechtigt – kritisiert. Aber niemand leugnete, dass er ein ausgezeichneter Lehrer war.

Er war begabt, voller Energie und arbeitete hart. Die Schule in High Heaton war tagsüber und abends geöffnet und wurde nicht nur von Knaben, sondern auch von Bergarbeitern aus dem Ort besucht, manche von ihnen frühere Kollegen von Hutton. 49 Die Kinder strömten regelrecht in seinen Unterricht. Irgendwann waren es so viele, dass das Klassenzimmer zu klein wurde. 50 Hutton organisierte einen Raum in der nahe gelegenen Stote’s Hall, und so fand der Unterricht dort statt.

Vom ehemaligen Wohnhaus von Sir Robert Stotte stehen heute nur noch die Torpfosten und das Torhaus. Aber alte Fotos zeigen, dass es ein imposantes Gebäude war. Es stand oberhalb des kleinen Tals von Jesmond Dene, und man kann heute noch Huttons etwa eine Viertelstunde dauernden Gang von einem Dorf in das andere nachvollziehen. Zuerst geht es leicht bergauf über damaliges Ackerland, dann hügelabwärts durch ein ziemlich tiefes, bewaldetes und nie bewirtschaftetes Tal. Gewundene Pfade boten weite Aussichten zwischen den Bäumen hindurch. Das war ein Weg in eine völlig andere Welt als die der Bergwerke, unendlich weit entfernt vom Kohlenstoß des Rose Pit.

Dennoch war der Beruf des Lehrers nicht sonderlich geachtet – im Gegenteil, ein gebildeter Mann galt als gescheitert, wenn er an einer Schule unterrichtete. Wobei »Schule« ein großes Wort für den einen Raum ist, den ein Gönner bereitgestellt hatte und in dem Hutton Pennys dafür einsammelte, dass er Kindern Lesen, Schreiben und Rechnen beibrachte und sie ein paar Geschichten aus der Bibel auswendig lernen ließ. Die Meinung des Chemikers und unitarischen Theologen Joseph Priestley war typisch: »Wie die meisten anderen jungen Männer mit einer gewissen Allgemeinbildung hatte ich einen großen Widerwillen gegen das Geschäft des Schulmeisters entwickelt und habe oft gesagt, dass ich ihm jede andere Beschäftigung vorziehen würde, um meinen Lebensunterhalt zu verdienen.« 51 Besonders der Grundschulunterricht wurde im Allgemeinen als Arbeit für alte Frauen, Witwen oder andere Menschen mit einer eher niedrigen gesellschaftlichen Position betrachtet. 52 Zudem wurden die langen, fordernden Stunden nicht gerade großzügig entlohnt: Die Bezahlung lag nur wenig über der eines Arbeiters, man hatte keine Gelegenheit aufzusteigen und keine Aussicht auf eine Rente. 53

Eine formelle Lehrerausbildung gab es nicht. 54 Unbegabte Universitätsabsolventen stolperten in den Beruf hinein und durch ihn hindurch, mittellose Kirchenmänner übten ihn mit einer tiefen Abscheu aus, die sie an den Kindern ausließen (ein gewisser Dr. Parr aus Harrow brüstete sich damit, dass er keinen Jungen mehr als einmal pro Unterrichtsstunde schlug 55 ). Eine typische zeitgenössische Beobachtung beschreibt verächtlich, was in einer kleinen Amateurschule wie der von Hutton vor sich ging:

Reuben Dixon, der unglückliche Knecht,

führt eine Schule mehr schlecht als recht,

voll mit lauten, wilden Lumpenbuben,

deren Väter schuften in den Gruben. 56

In der Tat verlangte die Position als Lehrer von aufsässigen Jungen, die nur wenige Jahre jünger waren als er selbst, mehr natürliche Autorität, als Charles Hutton je besessen hatte. Manche erinnerten sich mit einem Schaudern an ihn als einen Lehrer, der für die »strikteste Disziplin« sorgte und es manchmal »mit der Strenge übertrieb«. 57 Einem Schüler aus jener Anfangszeit war im Gedächtnis geblieben, dass Hutton im Klassenzimmer »etwas wichtigtuerisch« geworden war. 58 Man könnte es auch aufgeblasen nennen. Eine Zeit lang trug er stolz einen langen akademischen Talar und dazu, um das Bild zu vervollständigen, eine rote Kappe. Selbst seinen besten Freunden war er peinlich. Bei einer Wahl in der Gemeinde erschien er in diesem Aufzug, und »seine Freunde, deren Unterstützung er als Raupe wohl bekommen hätte, fanden seine Verwandlung in einen Schmetterling so abstoßend, dass sie ihm ihre Stimmen verweigerten und er die Wahl verlor«. 59

Damals war Hutton noch sehr jung, und diese Phase hielt nicht allzu lange an. Doch seine herausragenden Fähigkeiten als Lehrer blieben. Er beschloss bald, dass das Klassenzimmer in Stote’s Hall für ihn nicht die Endstation sein würde. Mit der ungeheuren Energie und Selbstdisziplin, die immer wieder an ihm auffielen, machte er sich an seine persönliche Weiterbildung. Er las, was er in die Finger bekam: keine Groschenhefte oder Liebesgeschichten, sondern die schwierigsten und neuesten Mathematikbücher. 60 Newtons Arbeiten und die seiner Zeitgenossen und Schüler: Christiaan Huygens, Roger Cotes. Descartes und seine Anhänger. Lehrbücher über das Eichen und Messen. Die Werke von Huttons Zeitgenossen in Großbritannien und anderen Ländern. 61

Zusätzlich zu seiner eigenen Tätigkeit als Lehrer und seiner Lektüre ging er abends den Hügel nach Newcastle hinunter und besuchte den Unterricht eines Mr. Hugh James, der sich auf Mathematik spezialisiert hatte. 62 Huttons Bildungsprogramm war anspruchsvoll, und seine Mutter sorgte sich um seine Gesundheit. 63 Aber der junge Mann wusste, wo er seine Zukunft sah, und hatte beschlossen, sein Ziel um jeden Preis zu verfolgen.

*

Doch es war seine Mutter, die im März 1760 starb. 64 Am 17. des Monats wurde sie neben ihrem ersten Ehemann auf dem Friedhof der St-Andrew’s-Gemeinde in Newcastle beerdigt.

Hutton war zweiundzwanzig Jahre alt. Wir wissen nicht, wie das Verhältnis zwischen ihm und seiner Mutter war, als sie starb, oder ob er sein Elternhaus bereits verlassen hatte. Was wir wissen, ist, dass er keine drei Wochen später nach St Andrew’s zurückkehrte, um zu heiraten. 65 Seine Braut Isabella war vier Jahre älter als er und Schneiderin. In der Heiratserlaubnis ist ihr Mädchenname ebenfalls mit Hutton angegeben, also war das Paar vielleicht verwandt. Die wenig angemessene Hast deutet auf ein nicht mehr rekonstruierbares Familiendrama hin, vielleicht eine Verbindung...

Erscheint lt. Verlag 16.2.2021
Übersetzer Johanna Wais
Sprache deutsch
Original-Titel Gunpowder and Geometry
Themenwelt Literatur Biografien / Erfahrungsberichte
Sachbuch/Ratgeber Natur / Technik Naturwissenschaft
Geisteswissenschaften Geschichte
Mathematik / Informatik Mathematik
Naturwissenschaften
Technik
Schlagworte Ballistik • Bergarbeiter • Biografie • Charles Hutton • Der große Roman der Mathematik • dies ist keine Badeanstalt • Ein endloses geflochtenes Band • Geometrie • Geschichte • Höhenlinien • Launay • Mathematik • Mathematiker • Meine Herren • Wissenschaftsgeschichte
ISBN-10 3-95967-927-0 / 3959679270
ISBN-13 978-3-95967-927-5 / 9783959679275
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