Aus Kroatien -  Arthur Achleitner

Aus Kroatien (eBook)

Skizzen und Erzählungen
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2021 | 1. Auflage
124 Seiten
Andhof (Verlag)
978-3-7364-2853-9 (ISBN)
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Arthur Achleitner berichtete in spannend geschriebenen Feuilletons mehrerer großer Zeitungen und finanzierte so seine Reise und seine Schriftstellerei, war Redakteur bei der Süddeutsche Presse in München und lebte in München als freier Schriftsteller. In den Sommermonaten bereiste er die Bergwelt von Bayern bis in die Steiermark. Seine Erlebnisse auf der Jagt, in den Alpen und im Gebirge thematisierte er in seinen Heimatromanen. Dieses Werk enthält die Erzählungen und Skizzen Drei Regimentsbefehle. Des Popen Meisterstück Waldkultur Kroatische Glanzkohlen. Auf Forstinspektion. Feuerstein und Schwefelfaden Sprachliches Durcheinander. Von der Sann zur Korana Eine Wahl ohne Ochsen, ohne Wein. Die tausendjährige Linde.

Arthur Achleitner berichtete in spannend geschriebenen Feuilletons mehrerer großer Zeitungen und finanzierte so seine Reise und seine Schriftstellerei, war Redakteur bei der Süddeutsche Presse in München und lebte in München als freier Schriftsteller. In den Sommermonaten bereiste er die Bergwelt von Bayern bis in die Steiermark. Seine Erlebnisse thematisierte er in seinen Heimatromanen, besonders aber auch in seinen Novellen.

„Glaub' Er das nicht, lieber Prota!“ erwiderte eifrig der Kommandant. „In mancher Beziehung sind die Zustände bei uns in der Grenze sogar besser! Wir haben doch nicht die Rechtsbeugungen der adeligen Gutsbesitzer, nicht die Willkürherrschaft der autonomen Komitate, nicht die Gier und Leidenschaft politischer Hitzköpfe im Provinzial!“

Milde sprach der Erzpriester im Silberhaar. „Das nicht, gnädiger Herr!
Aber dafür den Despotismus des Regimentskommandanten!“

„Das muß man als etwas Selbstverständliches hinnehmen! Das Volk der Grenze so gut wie wir Offiziere! Übrigens haben wir in der Grenze immer noch mehr Rechtssicherheit als das Provinzial!“

Ergebungsvoll stimmte der Prota zu. „Euer Herrlichkeit belieben recht zu haben! Nur dürfte die Härte des Militärgesetzes nicht zu bestreiten sein.“

„Warum ‚Härte‘?“

„Halten zu Gnaden, Herr Kommandant! Hart ist es für uns Serbokroaten, weil die Auditore (Militärrichter) Fremde sind, unsere Sprache nicht verstehen, auf Dolmetscher angewiesen sind, die zwar Kroatisch gut, Deutsch hingegen nur ungenügend können! Ich meine, daß die beiderseitige Sprachunkenntnis gefährliche Folgen für Leben, Freiheit und Eigentum der Angeklagten hat und noch haben wird!“

„Hm! Ist ja richtig, aber wir zwei können das nicht ändern! Na zdravje!“[5]

Demütig dankte der Prota für diese Ehre. Und mit bebender Hand führte er sein Glas zum Munde.

„Recht so, lieber Prota! Muß sagen, daß ich recht zufrieden mit Ihm bin! Der einzige Pope im ganzen Bezirk, der mir noch keinen Verdruß bereitet hat!“

„Ich danke gehorsamst für diese Anerkennung! Dennoch zittere ich schier jeglichen Tag, daß doch einmal Unheil über mich kommen werde….“

„Warum? Hat Er denn von früher her etwas auf dem Kerbholz?“

„Nicht schlimm, Euer Herrlichkeit aufzuwarten! Nur einen üblen Auftritt hat es vor Jahren gegeben, als wir zur Vorstellung vor dem damaligen neuen Regimentskommandanten, einem Deutschen, nach Otočac (Ototschatz) befohlen waren und vom Militärchef bös angefahren wurden, daß wir Erzpriester Feinde des Kaisers und Österreichs seien….“

„Wieso?“

„Der Oberst warf uns vor, daß wir in unseren Kirchenbüchern für den Zar von Rußland beten, nicht für den Kaiser von Österreich!“

Interessiert rief Tonidandel. „Was? Ist das wahr?“

„Ja und nein, Euer Herrlichkeit aufzuwarten! Die Erklärung ist leicht zu geben! Unsere Kirchenbücher müssen in — Rußland gedruckt werden, weil die österreichische Regierung nicht erlaubt, daß unsere orthodoxen Bücher in Österreich gedruckt werden! So ist es denn ganz erklärlich, daß in den in Rußland gedruckten Büchern der Name des dortigen Landesherrn steht. Selbstverbindlich beten wir aber für den Kaiser von Österreich, für unseren Landesherrn!“

„Weiter!“

„Jener Oberst steifte sich aber darauf, daß es in den Büchern ‚Zar‘, nicht ‚Kaiser‘ heißt! Ich als Sprecher der Erzpriester habe den gestrengen Kommandanten aufmerksam gemacht, daß man in der slavischen Sprache das Wort ‚Kaiser‘ nicht kennt, nicht anders nennen kann als ‚Zar‘! Zar ist gleichbedeutend mit Kaiser! Zum Schluß der denkwürdigen Audienz hatte ich gebeten, es möge der Oberst bewirken, daß unsere Kirchenbücher in Österreich gedruckt werden dürfen; dann werde sicher der Name unseres österreichischen Zaren = Kaisers gedruckt werden!“

„Was geschah dann?“

„Wir wurden ziemlich ungnädig entlassen! Der Oberst schien nicht recht zu glauben, was ich ihm sagte! Und seither befürchte ich immer, daß man mir meinen Freimut verübeln, mich hinterdrein bestrafen, um meine so kärgliche Stelle bringen werde!“

„Mut, lieber Alter! Jener Oberst ist längst nach — Europa versetzt, also hat es für den Prota von S. keine Gefahr! Und selbst im Falle, daß sich unser gestrenger Chef um diese verjährte Geschichte unerwarteterweise kümmern sollte, werde ich für den Prota schon einzutreten wissen! Jawohl! Prosit!“

Erfreut, von dieser alten Sorge befreit, griff der alte Erzpriester zum Glase, dankte für die Zusicherung des Wohlwollens und der Unterstützung und leerte das Glas auf das Wohl des gnädigen Kompagniekommandanten.

Spät wurde es an diesem Abend, bis Tonidandel sich verabschiedete und sporenklirrend seiner Behausung zustapfte.

In der Kompagniekanzlei erschien der Kommandant am andern Tag erst zur
Stunde, da die Militärstaffette die Post von Karlstadt brachte.

Mit einigem „Haarweh“ behaftet, sah Tonidandel den Einlauf durch, langsam, ohne Interesse, verdrossen. Stutzig wurde er, als er einen neuen Befehl des Regimentskommandos in Händen hielt, ein Dienstschreiben an alle Militärstationen des Likaner Bezirks mit dem Wortlaute. „Sollten sich bei den Militärstationen alte Pfaffen vorfinden, sind diese, wohlverwahrt im Verschlag, dem Regimentskommando unverweilt abzuliefern.“ Die unleserliche, doch wohlbekannte Unterschrift des Chefs stand unter diesem verblüffenden Befehl.

Zweimal las Tonidandel dieses Schriftstück sehr aufmerksam. Dann pfiff
er durch die Zähne. Wie weggeblasen war nun das „Haarweh“. Und in seinen
Augen glänzte eine seltsame Freude. Wie Donnerrollen klang der Ruf:
„Jovo, hereinkommen!“

Der Kompagnieschreiber Jovo erschien, erwies stramm die Ehrenbezeugung.
„Zu Befehl, Herr Kommandant!“

„Da! Vorlesen diesen Regimentsbefehl!“

Jovo nahm gehorsamst dieses Schriftstück und las es mit geschraubter Stimme laut vor. Beim Worte: „Pfaffen“ stockte er, las es zweimal und hielt verblüfft inne. Seine Augen waren groß wie Pflugräder geworden. Und der Mund stand so weit offen, daß ein Leiterwagen hätte hineinfahren können.

„Noch einmal vorlesen das Wort!“ donnerte der Kommmandant.

Gehorsam las Jovo: „Alte Pfaffen vorfinden!“

„Gut! Du bestätigst also, daß ‚Pfaffen‘ geschrieben und zu lesen ist!“

„Zu Befehl, Herr Kommandant, ja! Es steht deutlich geschrieben:
Pfaffen!“

„Gut! Geh in das Pfarrhaus und hole den Prota! Das ist der einzige alte
Pfaffe[6], den wir hier haben! Abtreten!“

Eine Viertelstunde später stand der ehrwürdige Greis vor dem
Kompagniekommandanten. Verschüchtert, demütig, zitternd.

Herr Tonidandel bedauerte die Belästigung des alten Erzpriesters und machte den Prota mit dem Inhalt des überraschenden Regimentsbefehles bekannt. Dabei hatte der Kommandant ein Wetterleuchten in den Augen. Und seine Lippen umzuckte ein Lächeln vergnüglichsten Spottes, unverfälschter Schadenfreude.

Bebenden Tones erklärte sich der Prota bereit, sofort nach Karlstadt zu gehen trotz der alten steifen Beine und des weiten Weges und sich beim Regimentskommandanten auf Grund des Befehles gehorsamst zu melden. „Ich bitte Euer Herrlichkeit nur um eine Abschrift des Befehles zu meiner Legitimation bei der Vorstellung!“

„Aber nein, lieber Prota! Das ist unmöglich! Tut mir sehr leid! Befehl ist Befehl! Jeder Befehl muß befolgt werden, buchstäblich und gehorsamst befolgt! Demnach muß ich eine Kiste beschaffen lassen, einen Verschlag, wie es im Dienstschreiben heißt! In diesem Verschlag muß der Prota von S. dem Regimentskommando eingeliefert werden! Laut Befehl!“

„Bog, bog!“[7] jammerte der Erzpriester beweglich und rang die Hände.

„Nur ruhig, lieber Prota! Ich bin kein Freund von Grausamkeiten, hasse jede Brutalität! Demnach verfüge ich, daß der Prota bis eine Viertelstunde des Weges vor Karlstadt inmitten des Militärpiketts auf dem Wagen fährt, dort aber in die Kiste kriecht und im befohlenen ‚Verschlag‘ nach Karlstadt in die Regimentskanzlei gebracht wird! Halte Er sich bereit! In einer Stunde geht der militärische Transport ab! Pelz mitnehmen, Prota, denn es ist verdammt frisch! Wünsche wohl zu speisen!“

Der alte Erzpriester hatte eine Träne im Auge und bittere Angst im Herzen, als er die Kanzlei verließ und zum Pfarrhause wankte. Jovo mußte den merkwürdigen Befehl abschreiben, worauf der Kommandant die Kopie verglich und den Wortlaut mit Unterschrift und Dienstsiegel beglaubigte. Die Abschrift erhielt der Transportführer eingehändigt behufs Legitimierung dieses — Pfaffentransportes. Dazu scharfe Befehle betreffend schonendster Behandlung des Prota, der erst kurz vor Karlstadt in die Kiste einzuschließen sei.

Auch dieser Unteroffizier, ein Graničar aus der Korbava, machte ein höchst verblüfftes Gesicht und große Augen. Der Mund stand weit offen.

Mit einer Bedeckung von sechs Mann Grenzsoldaten in voller Wehr, mit scharfen Patronen und „aufgepflanztem Bajonett“, in der Mitte der zweispännige Wagen mit dem Prota und der Kiste, ging unter Führung des Korporals der seltsame Transport ab.

Im Städtchen S. zerbrach man sich die Köpfe darüber.

Tonidandel rieb sich in seiner curia nobilis sehr vergnügt die Hände.
Den armen Prota als Opfer hoffte er später entschädigen zu können. Dem
Regimentschef aber gönnte Attilius den unausbleiblichen Ärger von ganzem
Herzen.

Behaglich speiste der Kommandant zu Mittag, schlief auch noch ein
Stündchen. Dann aber erteilte er Befehl, daß morgen ab acht Uhr früh ein
berittenes Pikett marschbereit zu sein habe, und zwar zu seiner
Begleitung auf dem Ritt nach Karlstadt. Denn Attilius ahnte etwas….

Noch vor Tagesbeginn bei dichtestem Karstnebel traf auf dampfendem Pferde ein Meldereiter in S. ein, der dem...

Erscheint lt. Verlag 5.2.2021
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Historische Romane
ISBN-10 3-7364-2853-7 / 3736428537
ISBN-13 978-3-7364-2853-9 / 9783736428539
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