John Sinclair Sonder-Edition 148 (eBook)
Bastei Lübbe (Verlag)
978-3-7517-0937-8 (ISBN)
Ein Friedhof. Nebel. Gräber. Geheimnisvolle Lichter. Und unzählige Menschen, die allesamt nur erschienen waren, um Tabitha zu sehen, die Geisterheilerin. Tabitha war tot. Sie lag in der kalten Erde ihres Grabes. Doch sie hatte auch versprochen: 'Ich komme wieder'. Und Tabitha Leroi kam zurück. Dann lockte sie die, die an sie glaubten, in die Totenfalle ...
Die Totenfalle
von Jason Dark
Ein Friedhof. Nebel. Gräber. Geheimnisvolle Lichter. Und unzählige Menschen, die allesamt nur erschienen waren, um Tabitha zu sehen, die Geisterheilerin. Tabitha war tot. Sie lag in der kalten Erde ihres Grabes. Doch sie hatte auch versprochen: »Ich komme wieder«. Und Tabitha Leroi kam zurück. Dann lockte sie die, die an sie glaubten, in die Totenfalle ...
Tabitha Leroi wusste, dass sie sterben musste, und sie hatte sich dafür einen besonderen Ort ausgesucht. Es war der Friedhof, auf dem sie auch bestattet werden würde.
Sie hatte alles sehr gut vorbereitet und ihre geräumige Wohnung im Erdgeschoss des Hauses nicht einmal abgeschlossen. Würden Klienten und Ratsuchende erscheinen, würden die schon wissen, was mit Tabitha geschehen war, und sie würden gewiss eine andere Möglichkeit finden, ihr auch in Zukunft immer wieder die Ehre eines Besuchs zu erweisen.
Bei diesem Gedanken umspielte ein Lächeln Tabithas Gesicht. Sie hatte keinen Koffer mitgenommen auf ihre Reise, trug aber einen gefütterten Staubmantel, der die winterliche Kälte abhalten sollte. Ihr Haar hatte sie mit einem wollenen Tuch bedeckt, das die dunkle Flut mit den nur ganz wenigen grauen Strähnen verdeckte.
Das Taxi wartete vor dem Grundstück. Der Fahrer blickte erst von seiner Illustrierten hoch, als die beinahe alterslos wirkende Frau bereits die hintere Tür erreicht hatte. Sie öffnete den Wagenschlag und nahm Platz in dem alten, klassischen Londoner Gefährt, in dem der Fahrer stets der Herrscher ist.
Sie war froh, einen älteren Chauffeur erwischt zu haben, die jüngeren waren ihr oft zu frech. Auf deren Bemerkungen konnte sie verzichten. Sie gab ihr Ziel an, und der Mann hinter dem Lenkrad nickte nur. Für ihn war es wohl nicht ungewöhnlich, dass sich jemand zu einem Friedhof chauffieren ließ.
Als der Wagen anfuhr, schaute Tabitha noch einmal zurück. Durch die Lücken im winterlichen Gesträuch konnte sie noch einmal einen Blick auf das große Haus werfen. Sie empfand nicht einmal Bedauern, denn sie wusste, dass es kein Abschied für immer sein würde. Menschen starben, ihr Körper verging, aber es gab andere Kräfte, die all das wieder ausglichen.
Bei diesem Gedanken lächelte sie versonnen. Sie hatte noch die vollen Lippen eines jungen Mädchens, und auch ihr Gesicht war beinahe noch faltenlos.
London zeigte sich nicht eben von der besten Seite. Die Stadt hatte ihr Dunstkleid übergestreift, das sich in Nähe der Themse zu einem zähen Nebel verdichtet hatte.
Tabitha hatte einen schweren Entschluss gefasst. Fast schien es so, als freute sie sich auf den Tod, denn auf ihren Mund hatte sich ein Lächeln gelegt. Sie genoss die Fahrt wie ein Tourist, der sich durch London fahren lässt, diese Stadt zum ersten Mal erlebt und möglichst viel von ihr sehen will.
Jetzt meldete sich der Fahrer. »Soll ich auf Sie warten, wenn ich Sie am Friedhof abgesetzt habe?«
»Nein, das ist nicht nötig. Warum?«
»Das Gelände liegt ziemlich einsam, da werden Sie so leicht keinen zweiten Wagen bekommen, wenn Sie zurückkehren wollen.
»Danke für den Tipp, doch was ich zu erledigen habe, dauert länger.«
»Dann ist es gut.«
Es dauerte sogar sehr lange, dachte Tabitha. Sie räusperte sich und strich über ihr Kopftuch. Der Stoff fühlte sich so herrlich weich an. Es war feinstes Kaschmir, sie liebte das Tuch, zahlreiche ihrer Klientinnen kannten es.
Tabitha hatte es oft als Seelentuch bezeichnet, als Verbindung zwischen zwei Welten oder zwei Extremen, und es war keinem eingefallen, jemals darüber zu lächeln.
Sie mussten in den Südwesten von London, wo die Themse nach ihrer großen Schleife wieder einen Bogen nach Norden macht und wo die großen Wasserwerke lagen. In unmittelbarer Nähe befindet sich der Ortsteil Hammersmith, zu dessen Friedhof sie sich nun fahren ließ.
Vergangenheit und Gegenwart waren dort eine Symbiose eingegangen.
Über die breite Talgarth Road erreichten sie ihr Ziel. An der U-Bahn-Haltestelle Barons Court Station mussten sie nach links ab in die Palliser Road und waren damit bereits in direkter Nähe zum Friedhof, der vor ihr lag wie ein großer, winterlich grauer Park.
»Wo soll ich halten, Madam?«
»Fahren Sie bitte an die Schmalseite.«
Der Fahrer kannte sich aus. »Ah, Sie wollen den alten Teil des Friedhofs besuchen.«
»Sehr richtig.«
»Er ist auch der bessere.«
»Sie kennen ihn?«
»Mein Großvater liegt dort begraben. Als Kind bin ich mit meinen Eltern oft an seinem Grab gewesen, doch da habe ich immer Angst bekommen. Mir lief es jedes Mal kalt den Rücken runter!«
»Warum?«
»Das kann ich Ihnen sagen. Friedhöfe machen mir einfach Angst. Ich habe immer das Gefühl, dass sich jeden Augenblick die Gräber öffnen und die Toten herausklettern. Das mag aber daher kommen, dass ich zu viele dieser Grusel-Streifen gesehen«. Er lachte jetzt über sich selbst. »Und nach dem neuen Dracula-Film von Coppola habe ich mir auf dem Trödelmarkt sogar ein altes Kreuz aus Silber gekauft, das jetzt über meinem Bett hängt.«
»Nutzt es dort etwas?«
»Klar.«
»Ich denke, dass Sie es lieber bei sich tragen sollten, wenn Sie schon Schutz wollen.«
»Nein, Madam, nein.« Er schüttelte den Kopf. »Wenn mich irgendwelche Blutsauger besuchen, dann in der Nacht. Und dort werden sie dann vor dem Kreuz zurückschrecken.«
»Das kann auch sein.«
Kies knirschte unter den Reifen des Fahrzeugs, als der Fahrer vom Weg abbog und auf das offenstehende, schmiedeeiserne Tor zufuhr, in dessen Schatten Kiosk stand, in dem Blumen verkauft wurden.
Um diese Zeit war der Kiosk geschlossen. Rollläden verdeckten die Fenster. Auf dem Gelände rechts daneben wuchsen struppige Sträucher, und ein Ford Transit stand in der Nähe und rostete vor sich hin.
Das Taxi hielt.
Tabitha zahlte den Preis, legte noch ein Trinkgeld dazu und wünschte dem Fahrer ein langes Leben.
Der schaute sie erstaunt an. »Wie ... wie meinen Sie das?«
»Wie es gesagt wurde.«
»Ja, dann ... ähm ... dann bedanke ich mich.«
»Bitte schön«, sagte sie lächelnd. »Keine Ursache.« Tabitha drehte sich um und ging davon.
Der Fahrer schaute ihr nach und schüttelte den Kopf. »Eine seltsame Person«, murmelte er. »Nun ja, mir soll es egal sein. Soll jeder sein Glück finden, wo er will, und wenn es auf dem Friedhof ist. Aber heute ist ja nichts unmöglich ...«
✰
Seit einigen Tagen ging es der siebenundzwanzigjährigen Yvonne Terry nicht sehr gut. Das hing, wie sie genau wusste, nicht mit ihrer Entlassung zusammen, denn bereits in zwei Wochen würde sie ihren neuen Job bei einer Versicherung antreten, dann sogar in die Direktionsetage. Nein, das Unwohlsein hatte einen anderen Grund, und der hing mit ihrer Psyche zusammen.
Sie schlief schlecht.
Auch darüber hätte sie noch hinweggesehen, wären da nicht die schlimmen Träume gewesen, die sie immer wieder quälten.
Zuerst hatte sie über die Träume gelacht. Später aber waren sie intensiver geworden, hatten sich zu einem wahren Horror verdichtet, und Yvonne war das Lachen vergangen.
Es ging um Dinge, die sie nicht mochte. Um alte Gräber, um einen Friedhof, um unheimliche Lichter, um Geister und auch um lebende Tote, die Zombies genannt wurden.
Das alles bedrückte sie und machte sie zusehends nervös. Mit ihrer Chefin hatte sie nie darüber gesprochen, zudem arbeitete sie ja nicht mehr für Tabitha Leroi. Dennoch sah Yvonne sie trotzdem noch als Chefin an. Tabitha war mit ihr immer sehr zufrieden gewesen, und doch war sie von einem auf den anderen Tag entlassen worden. Natürlich mit einer entsprechenden Abfindung, und die zehntausend Pfund waren mehr als großzügig bemessen gewesen.
Der Grund für die Kündigung lag auch nicht bei der jungen Frau. Vielmehr hatte Tabitha ihre Praxis aufgelöst, sodass Yvonnes Dienste nicht mehr benötigt wurden.
Eine Praxis-Auflösung in einer Zeit, in der Tabitha als bekannte Geistheilerin immer mehr Zulauf erhielt. Viele Menschen vertrauten der Schulmedizin nicht mehr. Hinzu kamen die Berichte in den Medien, die sich mit der Wunderheilerin beschäftigten, sodass Tabithas Terminplan praktisch überquoll. Doch von einem Tag zum anderen war dann plötzlich alles vorbei.
Nun, Yvonne war gegangen, aber sie hatte im Nachhinein auch feststellen müssen, dass die Träume sie exakt seit dieser Kündigung quälten und nun an Schwere immer noch zunahmen. Und mittlerweile fürchtete sie sich vor jeder neuen Nacht!
Allzu gern hätte sie den neuen Job schon jetzt angetreten. Aber der Vertrag war auf ein bestimmtes Datum fixiert, und daran ließ sich nichts ändern.
Also musste sie warten.
Die Tage und vor allen Dingen die Nächte würden sich quälend langsam hinziehen. Bei jedem Zubettgehen überkamen Yvonne die gleichen Angstvorstellungen. Klappte es mit dem Einschlafen, klappte es nicht?
Doch das Einschlafen war meist kein...
Erscheint lt. Verlag | 2.2.2021 |
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Reihe/Serie | John Sinclair Sonder-Edition |
Verlagsort | Köln |
Sprache | deutsch |
Themenwelt | Literatur ► Krimi / Thriller / Horror ► Horror |
Literatur ► Romane / Erzählungen | |
Schlagworte | 2017 • 2018 • Abenteuer • alfred bekker • Bastei • Bestseller • Dämon • Dämonenjäger • dan-shocker • Deutsch • eBook • E-Book • eBooks • Extrem • Fortsetzungsroman • Frauen • Geisterjäger • grusel-geschichten • Gruselkabinett • Grusel-Krimi • Grusel-Roman • Horror • Horror-Roman • horrorserie • Horror-Thriller • Julia-meyer • Kindle • Krimi • Kurzgeschichten • larry-brent • Lovecraft • Macabros • Männer • morland • neue-fälle • Paranomal • professor-zamorra • Professor Zamorra • Psycho • Roman-Heft • Serie • Slasher • spannend • Splatter • Stephen-King • Terror • Thriller • Tony Ballard • Tony-Ballard • Top • Walking Dead |
ISBN-10 | 3-7517-0937-1 / 3751709371 |
ISBN-13 | 978-3-7517-0937-8 / 9783751709378 |
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