Tollkirschenjahre (eBook)

Roman
eBook Download: EPUB
2021 | 1. Auflage
320 Seiten
Ullstein (Verlag)
978-3-8437-2423-4 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Tollkirschenjahre -  Paula Leonhardt
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Eine Frau sucht ihre Erfüllung und entdeckt eine neue Heilkunst Paris 1872: Die aus Lübeck stammende Selma lebt seit einigen Jahren als Malerin an der Seine. Doch sie strebt nach mehr und glaubt, ihren Sinn im Leben noch nicht gefunden zu haben. Zudem wird sie immer wieder von starken Kopfschmerzattacken geplagt, gegen die bisher kein Arzt ein Mittel gefunden hat. Ihre letzte Rettung scheint der deutsche Homöopath Julius Beermann zu sein, dessen Behandlungsart sie sofort beeindruckt. Als Selma kurz darauf zurück nach Lübeck reist, lernt sie dort den charismatischen Gustav kennen und verliebt sich in ihn. Doch Gustav ist bereits verlobt. Selma flieht zurück nach Paris, wo sie bei Beermann eine Ausbildung beginnt. Schon bald beginnen die Leute über den alten Mann mit der jungen Assistentin herzuziehen, und Selma kann Gustav einfach nicht vergessen...

Paula Leonhardt, Jahrgang 1963, ist das Pseudonym einer bekannten deutschen Autorin. Sie schreibt gern über Frauen, die unerschütterlich, neugierig und meistens auch unangepasst ihren Weg gehen. Paula Leonhardt lebt mit ihrer Familie in der Nähe von Nienburg. 

Paula Leonhardt, Jahrgang 1963, ist das Pseudonym einer bekannten deutschen Autorin. Sie schreibt gern über Frauen, die unerschütterlich, neugierig und meistens auch unangepasst ihren Weg gehen. Paula Leonhardt lebt mit ihrer Familie in der Nähe von Nienburg. 

1.


Paris im Sommer 1872


Die Strahlen der Nachmittagssonne glitzerten auf der Wasseroberfläche der Seine. Selma hatte die Hand über die Augen gelegt und betrachtete mit skeptischem Blick die Zeichnung auf ihren Knien. Sie hatte eine Gruppe Schwäne gezeichnet, die sich auf der Seine treiben ließen – bis eine Malerin ihre Aufmerksamkeit erregt hatte, die ganz in der Nähe vor ihrer Staffelei saß, einen breitkrempigen Sonnenhut auf dem Kopf. Ihre Hingabe und Versunkenheit hatten Selma fasziniert, und sie hatte darüber nachgedacht, wie schön es sein musste, die Kunst, das Malen so lieben zu können.

Sie hatte ihr Studium längst abgeschlossen und vertändelte ihre Zeit, unfähig, eine klare Entscheidung zu treffen.

Wollte sie als Malerin in Paris bleiben oder in ihre Heimatstadt zurückkehren?

Selma mochte die französische Lebensart, ihr gefielen die Freundlichkeit und Wärme der Menschen, das unbeschwerte Lachen, wenn man sich auf der Straße begegnete und ein paar Sätze plauderte, obwohl man sich kaum kannte.

Sie spazierte gern durch die Stadt, besuchte den Jardin des Tuileries und den Palais. Selma hatte eine Schwäche für Schlösser, und sie liebte den Park mit seinem achteckigen Brunnen.

Es bereitete ihr großes Vergnügen, den spielenden Kindern auf der Straße zuzusehen, den Katzen, die träge auf den Fensterbänken lagen und dösten, und den alten Männern, die vor den Häusern saßen und würfelten, einen Zigarettenstummel im Mundwinkel.

Sie liebte das ganz besondere Licht im Frühling, in das die Stadt getaucht war, und den morgendlichen Duft, der aus den Boulangerien strömte.

Die Malerin hob den Kopf, ihre Blicke trafen sich, ein kurzes Lächeln, dann malte sie weiter.

Ich wünschte, ich könnte auch hin und wieder eins sein mit meinem Bild, meiner Zeichnung.

Eine Gruppe Kinder kam auf Selma zugelaufen, und für einen kurzen Augenblick befürchtete sie, umgerannt zu werden. Doch im letzten Moment stoben die Kinder auseinander, kreischend vor Lachen und Übermut.

Könnte ich doch wieder ein kleines Mädchen sein, das in den Tag hineinträumen durfte. Ohne Gewissensbisse, weil es die Zeit vertrödelte.

Selma legte den Block beiseite, streckte die Beine unter ihrem langen Rock aus und ließ sich auf die Ellbogen zurückfallen. Sie hob das Gesicht in die Sonne und schloss die Augen. Ihr Vater wartete auf einen Brief, sie sollte sich am Abend hinsetzen und ihm schreiben.

Sie hörte Schritte hinter sich und Kleiderrascheln, kurz darauf umschlossen sie von hinten zwei Arme, kräftig und braun gebrannt, und warme Lippen hauchten einen sanften Kuss auf ihre Stirn. Lippen, die ihr vertraut waren.

Auch der Geruch, der dem Hemd entstieg, war ihr vertraut; der Geruch von Tabak, Wein und Leinöl.

»Pierre.« Selma lächelte, die Augen noch immer geschlossen.

»Es sieht wunderschön aus, wie du hier in der Sonne sitzt«, flüsterte er ihr ins Ohr und knabberte an ihrem Ohrläppchen.

Sie musste lachen und versuchte sich frei zu machen, doch seine Arme hielten sie fest.

»Du willst mir doch nicht etwa davonlaufen?«, raunte er, die Stimme heiser vor Begehren.

Sie kannte diesen Klang bereits. »Wie könnte ich, wo du mich umklammerst wie ein Bär.«

Sie machte die Augen auf und betrachtete ihn. Sein Hemd war fleckig wie meistens und hing ihm aus der Hose. Seine dunklen Locken waren zerzaust, seine Wangen unrasiert, und um den Mund hatte er ein feines, amüsiertes Lächeln.

Wie oft hatte sie die Konturen seines Gesichts mit dem Finger nachgezeichnet, seine vollen Lippen, die aristokratische Nase, die sich leicht kräuselte, wenn er grinste, und die hohe Stirn.

Ein paarmal hatte sie versucht, ihn zu zeichnen, aber er weigerte sich standhaft. »Ich bin ein Maler, kein Modell. An mir ist nichts, das sich zu malen lohnt.«

Selma erinnerte sich noch gut an den Tag, als sie sich das erste Mal begegnet waren. Sie kam gerade aus der Académie, und Pierre eilte mit einer Leinwand unter dem Arm auf sie zu.

Selma machte einen Schritt nach rechts, während er gleichzeitig nach links ausweichen wollte. So standen sie erneut voreinander und versuchten es ein weiteres Mal: diesmal Selma nach links und Pierre nach rechts.

Beide lachten kopfschüttelnd, und er meinte: »So wird das wohl nichts, Mademoiselle.« Er trat beiseite, und sie schlüpfte an ihm vorbei.

Sie war kaum drei Schritte entfernt, da rief er ihr nach: »Werden Sie morgen wiederkommen, Mademoiselle?«

Selma drehte sich zu ihm um. »Möglicherweise.«

Er hatte eine Verbeugung gemacht und die freie Hand auf sein Herz gelegt. »Ich werde hier sein.«

Jetzt sagte Pierre: »Die ist gut, ganz hervorragend sogar.« Er war neben ihr ins Gras gesunken, die Beine über Kreuz, und hatte ihre Zeichnung in die Hand genommen.

Mit einem Nicken legte er sie zurück in ihren Schoß. »Seit wann bist du hier?«

»Ich weiß nicht.« Selma zuckte die Schultern. »Seit heute Mittag?« Sie fühlte sich schläfrig. Am liebsten hätte sie sich im Gras zusammengerollt und geschlafen.

»Lass uns etwas essen gehen.« Er beugte sich zu ihr und küsste sie auf den Mund.

»Ich habe keinen Hunger.«

»Natürlich hast du Hunger.« Er nahm eine ihrer Haarsträhnen, die sich aus dem Knoten gelöst hatten, und ließ sie durch seine Finger gleiten.

»Woran denkst du gerade?«, fragte sie ihn.

»Daran, wie du auf meinem Bett liegst, Chérie.«

Sie mochte seine Anspielungen und Anzüglichkeiten nicht, weil sie sich damit unter Druck gesetzt fühlte. Das wusste er auch.

Pierre nahm ihre Hand und zog sie hoch. »Komm, Chérie.«

»Ich sagte doch, ich bin nicht hungrig.« Sie musste dennoch lachen und fügte sich schließlich.

Sie räumte ihre Zeichensachen zusammen und warf der Malerin einen letzten Blick zu. »Au revoir!«

Pierre nahm ihr die Ledertasche ab, in der sie Pinsel und Farben verstaute. Beides hatte sie heute nicht gebraucht.

»Was hältst du von einem Glas Wein und einer Taubenpastete?«

»Wein sehr gerne.«

»Aber du musst auch etwas essen, Chérie. Sieh dich an, du bist viel zu dünn.«

»Ich weiß, ihr Franzosen mögt üppige Frauen.«

Er verdrehte die Augen, und sie wusste nicht, ob es als amüsiertes Bejahen oder Verneinen gemeint war.

Pierre hatte sein Studium bereits beendet, als Selma nach Paris gekommen war. Er war begabt und ging in seiner Malerei, seinem Schaffen auf. Etwas anderes als Künstler werden zu wollen, war ihm noch nie in den Sinn gekommen.

Auch sein Vater war Maler, ein recht berühmter sogar, der ihn von Anfang an bestärkt hatte. Seine Mutter dagegen hatte die Hände über dem Kopf zusammengeschlagen.

Nach dem Essen gingen er und Selma in sein Atelier, wo er eine Flasche Wein öffnete. »Auf uns, Chérie!« Er prostete Selma zu.

»Ich bin schon ein bisschen beschwipst.«

Er winkte ab. »Umso besser.«

»Was meinst du denn damit?«, fragte sie gespielt entrüstet.

In diesem Moment ging ihr durch den Kopf, was ihr Vater wohl denken würde, wenn er sie so sähe. Vermutlich wäre er empört, entsetzt. »Das also ist dein Leben, Selma? Du lebst in den Tag hinein, trinkst am Nachmittag Wein und sitzt an der Seine im Gras, um Zeichnungen anzufertigen, die dich doch nicht zufriedenstellen?«

»Was hast du?«, fragte Pierre und setzte sich neben sie. Er verschüttete etwas Wein auf ihrem Kleid und wischte halbherzig über den Fleck. »Du sahst aus, als hättest du einen Geist gesehen.«

»Keinen Geist, nur meinen Vater.« Sie ließ ihren Wein im Glas kreisen.

»Du glaubst, dass er deinen Lebensstil nicht gutheißt.« Er nickte grinsend. »Kann ich mir vorstellen. Du kommst aus gutem Hause. Ich dagegen …« Er zuckte die Schultern. »Mir war es schon immer egal, was andere von mir denken. Ich tue das, was mir Spaß macht. Das solltest du auch.«

Er zog sie an sich und küsste sie. »Mach dich frei von diesen Gedanken«, flüsterte er ihr ins Ohr. Seine Zunge spielte mit ihrem Ohrläppchen. »Lass das alles hinter dir. Das hier ist Paris, Chérie, das süße Leben, und du bist eine begnadete Malerin.«

»Du übertreibst maßlos«, murmelte sie und ließ sich gegen ihn fallen. Es tat gut, in seiner Nähe zu sein, immer in der Hoffnung, etwas von seiner spielerischen Leichtigkeit würde auf sie abfärben. Häufig geschah das auch.

»Unsinn.« Er knabberte an ihrem Ohr und strich über ihr helles, krauses Haar. Seine Hand löste den Knoten und entwirrte ihre Locken, sodass sich ihr langes Haar über ihre Schultern ergoss. Pierre liebte diesen Anblick, das wusste sie. Oft schon hatten dann seine Augen geleuchtet, und er hatte sich an sie gepresst.

Auch jetzt drückte er sein Gesicht in ihre Locken und stöhnte leise auf. »Lass dich fallen, Chérie.«

Eine Weile ließ sie ihn machen. Ließ ihn mit ihrem Haar spielen, seine...

Erscheint lt. Verlag 3.5.2021
Verlagsort Berlin
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Historische Romane
Literatur Romane / Erzählungen
Schlagworte 19. Jahrhundert • Ärztin • Ärztinnen-Roman • Ayurveda • Biografischer Roman • Deutsche Geschichte • Frauenunterhaltung 2020 • Heilerin • Heilkunst • Historische Liebesgeschichte • Historischer Liebesroman • Historische Romane • Historischer Roman • Historische Unterhaltung • Homöopathie • inspirierende Frau • Kunst und Liebe • Liebe gegen Hindernisse • Liebesgeschichte um 1900 • Melanie Hahnemann • Muse • Musen-Reihe • mutige Frauen • Neuer Historischer Roman • Samuel Hahnemann • Unterhaltung für Frauen • Zeitgeschichte • Zweite Chance
ISBN-10 3-8437-2423-7 / 3843724237
ISBN-13 978-3-8437-2423-4 / 9783843724234
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