Die Brücke der Ewigkeit (eBook)

Historischer Roman

(Autor)

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2021 | 1. Auflage
608 Seiten
Ullstein (Verlag)
978-3-8437-2487-6 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Die Brücke der Ewigkeit -  Wolf Hector
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Prag, 1342. Der halbwüchsige Otlin wird Zeuge einer Katastrophe: Hochwasser zerstört die große Moldau-Brücke und reißt seine Familie in die Fluten. In seiner Angst stößt der Junge ein Gelübde aus: Wenn Gott seine Familie rettet, will Otlin ihm eine neue Brücke bauen, eine Brücke der Ewigkeit. Wie durch ein Wunder überlebt seine Familie. Jahre später erhält der inzwischen zum Baumeister gereifte Otlin Gelegenheit, sein Versprechen an Gott einzulösen: Der Kaiser beauftragt ihn, die neue Moldau-Brücke zu bauen. Doch Otlin hat Feinde, allen voran den Steinmetz Rudolph, der sich um das Amt des Bauleiters betrogen fühlt. Um den Konkurrenten auszuschalten, ist Rudolph jedes Mittel recht. So zwingt er ausgerechnet die Frau, die Otlin liebt, Teil seines tödlichen Racheplans zu werden.

Wolf Hector ist das Pseudonym eines mehrfach preisgekrönten Autors von Krimis, Fantasy- und historischen Romanen. Zuletzt wurde er mit dem goldenen HOMER für den besten historischen Roman des Jahres 2019 ausgezeichnet. Wolf Hector lebt mal in der Karlsruher, mal in der Wismarer Gegend. Wenn er gerade einmal nicht schreibt, läuft er durch die badische Hügellandschaft oder schwimmt in einem Mecklenburger See.

Wolf Hector ist das Pseudonym eines mehrfach preisgekrönten Autors von Krimis, Fantasy- und historischen Romanen. Zuletzt wurde er mit dem goldenen HOMER für den besten historischen Roman des Jahres 2019 ausgezeichnet. Wolf Hector lebt mal in der Karlsruher, mal in der Wismarer Gegend. Wenn er gerade einmal nicht schreibt, läuft er durch die badische Hügellandschaft oder schwimmt in einem Mecklenburger See.


Das Ende


Königlicher Wald bei Prag, Karfreitag 1367

Im Morgengrauen weckte ihn das Geschrei des Kindes. Er legte es trocken, wickelte es in die letzte saubere Windel, die er noch fand, danach in eine Wolldecke und zuletzt in ein Lammfell, denn es war kalt. Das Kind schrie die ganze Zeit, wollte sich weder durch gutes Zureden noch durch Grimassenschneiden trösten lassen. Tränen der Verzweiflung quollen ihm aus den Augen und tropften dem Säugling ins Gesicht.

Das Kind schrie, während er Feuer machte, es schrie, während er Brot und geräucherten Fisch mit Dünnbier herunterspülte, es schrie, während im Wald rings um die alte Köhlerhütte die Vögel zu singen begannen. Es schrie, bis er ihm den frisch mit honigsüßem Haferbrei gefüllten Lutschbeutel ins Mündchen stopfte. Endlich gab es Ruhe, riss die Augen auf und saugte gierig.

Er trat aus der Tür, wischte sich die Tränen aus dem Gesicht und blinzelte ins erste Licht des neuen Morgens. So stand er eine Zeit lang, atmete schwer und lehnte im Türrahmen, denn Erschöpfung und Angst machten ihm die Knie weich; er meinte zu spüren, wie die Erde unter seinen Sohlen bebte. Sie bebte, als wollte sie bald ebenso zerbrechen, wie Glück und Zukunft ihm bereits zerbrochen waren.

Er lauschte dem Rauschen des Windes in den frühlingsgrünen Wipfeln, lauschte den Vögeln, blinzelte zur Lichtung hinauf, wo der Pfad abzweigte, der zur Köhlerhütte herabführte. Im wechselnden Schattenspiel der vom Wind bewegten Eichbüsche dort oben glaubte er, schon die Umrisse der Reiter zu erkennen, auf die er so sehnlich wartete. Doch erst für die zweite Stunde nach Sonnenaufgang hatte Meister Parlers Frau ihre Rückkehr angekündigt. Gleich nach der Karfreitagsmesse wollte sie aufbrechen, und eine Amme wollte sie mitbringen; beides hatte sie am Abend zuvor versprochen.

Später, während er Holz hackte, spuckte das Kind den Lutschbeutel aus und fing von Neuem an zu quäken. Er hinkte in die Hütte, tunkte das zerquetschte, ausgesaugte Ding in Wein und Honig und drückte es zurück in das hungernde Mäulchen. Eine Weile half das, sodass er Zorn und Verzweiflung wieder in die Holzscheite dreschen konnte, jedoch nicht lange. Bald schrie sein kleines Mädchen erneut und so durchdringend, dass er die Axt sofort in den Hackklotz hieb, zurück in die Hütte wankte und den untröstlichen Säugling vom Strohsack nahm.

Das schreiende Bündel an die Brust gedrückt und eine Melodie summend, trottete er zwischen Feuerstelle und offener Tür hin und her. Das Kind lief ganz rot an im Gesichtchen, so laut schrie es, da nützte kein Summen, kein Wiegen, kein Küssen. Die quäkende Stimme ging ihm durch und durch, und seine anfangs noch beruhigenden Weisen gerieten ihm allmählich zu verzweifelten Gebetsrufen.

Jedes Mal, bevor er an der offenen Tür kehrtmachte, spähte er sehnsüchtig zur Lichtung hinauf, doch kein lebendes Wesen zeigte sich dort oben, keine Reiterin, kein Pferd. Indessen flutete die Märzsonne den Wald mit dem Glanz des neuen Tages, und als sie sich schließlich auf der Lichtung hinter den Birkenwipfeln he­raus in den Himmel schob, sah er, wie sich ihr Licht dort oben in Helmen und Lanzenspitzen brach.

Sie kamen! Endlich.

Ein Ritter in Harnisch und Wappenrock und sein Knappe bildeten die Vorhut. Auf dem Schild des Ritters und auf seinem langen blauen Waffenmantel prangte ein schneeweißer Schwan, an der Lanze des Knappen flatterte die Fahne des Prager Erzbischofs. Den beiden Frauen dahinter folgten fünf weitere Reiter. Er stutzte: Gleich fünf? Und prangte nicht das Wappen des Kaisers auf ihren Schilden, der schwarze Doppeladler? Er blinzelte der Schar entgegen, und während sie sich näherte, erkannte er, dass auf dem Schimmel an ihrem Ende ein Fremder ritt. Der trug einen langen schwarzen Mantel, und der Wind zerwühlte ihm den grauen Bart und das lange graue Haar.

Wer war dieser Mann, und was hatte er hier verloren?

Er wich in den Schatten des Türrahmens zurück, spähte voller Misstrauen aus der Deckung und drückte das schreiende Kind fester an sich. Dessen rotes Gesichtchen und seine um sich greifenden, wie nach Halt suchenden Händchen waren schweißnass.

Was um alles in der Welt sollte dieser Leichtsinn? Warum verrieten sie sein Versteck an einen Fremden?

Er schielte in die Hütte hinein und zur Wand hin, an der sein Jagdbogen hing. Kämpfen? Flüchten? Doch der quäkende Säugling an seiner Brust trieb ihm solche Gedanken gleich wieder aus – wohin denn fliehen mit dem Schreihals? Außerdem war es sowieso zu spät, die beiden Reiter der Vorhut nämlich erreichten bereits die Rodung mit der Köhlerhütte und rissen an den Zügeln.

Da trieb die Frau des Meisters Parler ihr Pferd an, überholte Ritter und Fahnenträger und brachte ihr Tier erst kurz vor der Hütte zum Stehen.

Den plärrenden Säugling in den Armen bückte er sich aus der Tür und eilte ihr entgegen.

»Endlich!«, rief er. »Einen gesegneten Tag wünsche ich Euch, Frau Agnes.« Misstrauisch spähte er zu dem Schimmelreiter hin. »Wer ist dieser Fremde?«

»Bei der Heiligen Jungfrau, das Kind ist ja ganz außer sich vor Hunger!« Die zierliche Edelfrau stieg von ihrem Sattel, lief zu ihm und nahm ihm das quäkende Bündel ab. Das weiße Spitzentuch rutschte ihr vom Kopf auf die Schultern und enthüllte ihr goldblondes, zu einem Zopf geflochtenes Haar. »Ganz feucht und heiß ist es vor lauter Geschrei!« Voller Erbarmen beugte sie sich über den Säugling, stieß zärtliche Laute aus und schälte ihn aus dem Lammfell.

»Wer ist dieser Fremde?«, zischte er. »Warum bringt Ihr ihn zu unserem Versteck?«

»Sorgt Euch nicht, Meister Otlin«, sagte sie mit gesenkter Stimme. »Er ist der Letzte, der Euch verraten würde.« Sie drehte sich um und bedeutete der zweiten Frau mit hektischen Gesten, sich zu sputen. »Schnell doch! Das Würmchen verhungert uns noch!«

Die kaum Sechzehnjährige glitt aus ihrem Damensattel und öffnete bereits im Herbeieilen Mantel und Kleid. Die Edelfrau drückte ihr das plärrende Kind in die Arme, woraufhin die blutjunge Amme im Halbdunkeln der Hütte verschwand. Kurz darauf verstummte das durchdringende Säuglingsgeschrei.

»Danke, Frau Agnes!« Meister Otlin seufzte erleichtert. »Gott vergelte Euch Eure Treue.« Er zögerte, musterte sie beinahe ängstlich und schluckte unentwegt. Endlich wagte er, die Frage auszusprechen, die ihm auf dem Herzen brannte. »Habt Ihr mit meiner Frau reden können?«

Neben ihnen sprang eben der grauhaarige Fremde aus dem Sattel, denn auch er hatte seinem Pferd die Sporen gegeben und die Waffenträger überholt. An der Edelfrau und Meister Otlin vorbei wollte der große, kräftig gebaute Mann hinter der Amme her in die Hütte laufen, doch Frau Agnes hielt ihn am Ärmel fest. »Bitte geduldet Euch, bis sie das Kind gestillt hat!«

»Lasst mich!« Der Graubart – er hatte die Augen eines alten Wolfes – streifte ihre Hand ab. »Ich muss doch meine Enkelin sehen!« Schon hastete er weiter und bückte sich in die Behausung hinein.

Meister Otlin erbleichte. »Seine Enkelin?« Der erschrockene Blick des Erschöpften richtete sich auf die Edelfrau. »Dieser Fremde ist …?« Fassungslos schüttelte er den Kopf. »Das kann nicht sein.«

»Oh doch!« Traurig und sehr ernst musterte sie ihn aus ihren großen hellblauen Augen. »Er ist der Vater Eurer Gattin und der Großvater Eures Kindes, Meister Otlin. Wie hätten wir ihm da den Wunsch abschlagen können, seine Enkeltochter in den Armen zu halten?«

Als könnte er es noch immer nicht glauben, schaute Meister Otlin zur Hüttentür hin. Der Großvater seines Kindes? Der Vater seiner geliebten Frau? In der Hütte hörte er die Amme singen und den Graubart flüstern. Betete er?

Meister Otlin wandte sich wieder der Edelfrau zu. »Sagt, Frau Agnes, habt Ihr mit ihr sprechen können?«

»Ja, wenn auch nur kurz.« Sie hielt seinem Blick stand, was ihr nicht leichtfiel, wie er sofort merkte. »Sie sendet Euch Grüße und Küsse – und Ihr mögt darauf achten, nicht nur kalten Fisch und kaltes Fleisch zu essen, sondern auch warmen Haferbrei.« Sie trat näher zu ihm und sprach leiser. »Und sie bittet Euch, der Amme das Kind anzuvertrauen.«

»Hat man ihr etwas angetan?« Schier brach ihm die Stimme. »Um Jesu willen, Frau Agnes – so sagt es mir doch!«

»Ihr könnt der Amme und ihrer Familie vertrauen, Meister Otlin.« Die Edelfrau legte ihm die Hand auf den Arm. »Es sind fromme Leute, ich kenne sie gut …«

»Hat man meiner geliebten Frau etwas angetan, Frau Agnes?« Er wurde lauter, seine Stimme zitterte.

»Sie lebt und ist wohlauf«, wich sie aus. »Mein Gatte hat sich beim Erzbischof für sie verwendet, damit keiner sie anrührt und sie eine Kerkerzelle erhält, in die Sonnenlicht fällt.«

»Gütiger Jesus Christus …!«...

Erscheint lt. Verlag 29.11.2021
Reihe/Serie Die Baumeister
Verlagsort Berlin
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Historische Romane
Literatur Romane / Erzählungen
Schlagworte Architektur • Bauwerke • Bestsellerautor • Brücke • Familie • Geschichte • Gott • Hochwasser • Karlsbrücke • Konkurrenz • Mittelalter • Moldau • neuerscheinung 2020 • Prag • Wahre Begebenheit
ISBN-10 3-8437-2487-3 / 3843724873
ISBN-13 978-3-8437-2487-6 / 9783843724876
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