Die Küstenkommissarin - Der Tote am Leuchtturm (eBook)
300 Seiten
Ullstein (Verlag)
978-3-8437-2500-2 (ISBN)
Jonas Brandt ist im Norden Deutschlands aufgewachsen. Er arbeitet als Lehrer und reist gern, wobei ihn das Schreiben stets begleitet. Immer wieder zieht es ihn an Deutschlands Küsten, wo er seine klugen Kommissare mit Vorliebe ermitteln lässt.
Jonas Brandt ist im Norden Deutschlands aufgewachsen. Er arbeitet als Lehrer und reist gern, wobei ihn das Schreiben stets begleitet. Immer wieder zieht es ihn an Deutschlands Küsten, wo er seine klugen Kommissare mit Vorliebe ermitteln lässt.
Prolog
Mecklenburger Bucht, August 1977
Der Junge blickte aus dem Fenster. Kleine Dörfer mit reetgedeckten Häusern, Sträucher, die sich in der Meeresbrise bogen. In der Ferne die weißen Schaumkronen der Ostsee. In seiner Brust zog sich etwas zusammen. Er wusste noch nicht, dass es der Abschied war, der sich so anfühlte.
Plötzlich kam das Auto am Straßenrand zum Stehen.
»Alle aussteigen!«, befahl der Volkspolizist und beugte sich herunter, um den Rücksitz besser sehen zu können. »Auch das Kind.«
Lars wartete, bis seine Mutter das Auto verlassen hatte, dann kletterte er aus dem zitronengelben Trabant und griff sofort nach ihrer Hand. Sie fühlte sich anders an als sonst. Nass und kalt.
»Sie haben kein Boot dabei, oder?«, fragte der Polizist.
»Nein«, antwortete sein Vater. Doch das war gelogen. Das schwarz angepinselte Schlauchboot war in den hinteren Autositz eingenäht, auf dem er gerade noch gesessen hatte. Lars wusste, dass sie damit zu dritt über die Ostsee fahren würden. Nächtelang hatte Papa auf Mama eingeredet. Bis sie am Ende nachgegeben hatte. Na gut, wir kommen mit, hatte sie gesagt. Wir, das waren Lars und seine Mutter.
»Die sehen wir hier in Grenznähe nicht so gern«, sagte der Polizist und steckte seinen Kopf ins Auto, um sich darin umzusehen.
»Ach so.« Papas Stimme klang anders als sonst. Weich und nicht so streng.
»Sie sollten schon etwas besser Bescheid wissen. Ist ja schließlich auch Ihre DDR«, erwiderte der Polizist vorwurfsvoll, nachdem er im Kofferraum nachgesehen hatte. »Trotzdem noch eine gute Fahrt!«
»Ihnen auch einen schönen Tag.«
Rasch schob Lars sich wieder auf die harte Rückbank, die ganz warm von der Sonne war. Dann ließ Papa den Motor an.
»Das hast du toll gemacht«, sagte seine Mutter zu ihm und streichelte ihm zur Belohnung das Haar. Er griff nach ihrer Hand. Sie sollte nicht aufhören.
»Nicht schlecht«, lobte ihn sein Vater in das Knattern des Motors hinein, als sie wieder auf der Landstraße waren.
»Was denn?«, erkundigte sich Lars.
»Die Klappe halten und keine Angst zeigen.« Kurz darauf bremste sein Vater scharf und schaute nervös in alle Richtungen. Dann bog er in einen schmalen Waldweg ein, der direkt von der Landstraße abging. »Hat uns jemand gesehen?«
»Nein«, antwortete Lars. Ganz sicher war er sich aber nicht.
Nach einer kurzen Holperfahrt kamen sie an die Düne. Es roch nach Meer und Sommerferien. Lars hörte das Rauschen der Wellen. Eine Möwe schrie eine Begrüßung zu ihnen herunter. Endlich da!
Seine Eltern brauchten eine Weile, um die Nähte der Rückbank aufzutrennen und das Schlauchboot herauszuholen. Es folgten der Blasebalg, drei Taucheranzüge aus dem Stoff mit dem schwierigen Namen, drei kleine Schwimmringe, zwei Schläuche mit Wasser und ein paar Haferkekse, die Mama selbst gebacken hatte. Sie versteckten alles im hohen Gras der Düne und Papa nähte die Sitze wieder halbwegs zusammen. Dann stiegen sie in den Trabi.
»Den müssen wir woanders abstellen«, sagte sein Vater.
Sie fuhren ein Stück in den Wald hinein. Hinter ihnen staubte der Sandweg. Mama nahm seine Hand und streichelte sie. Dann entdeckte Papa offenbar eine Stelle, an der er das Auto verschwinden lassen konnte. Er legte den Rückwärtsgang ein und fuhr ins Gebüsch hinein, bis es nicht mehr weiterging. Als Lars ausstieg, passte er nicht auf, und eine Brennnessel streifte seine nackten Beine. Es brannte ein bisschen. Aber er biss die Zähne zusammen und sagte nichts, während sie sich gemeinsam auf den Rückweg zur Düne machten.
Als sie ankamen, war es spät geworden. Im roten Licht der tief stehenden Sonne sah Lars seinen Eltern dabei zu, wie sie das Schlauchboot abwechselnd aufpumpten. Ihr Schweigen machte ihm Angst, und er fragte sie, ob er mithelfen solle. Sein Vater erlaubte es ihm nicht, aber er sagte, er könne aufpassen, dass niemand kam und sie entdeckte. Lars fand, dass das eine schwierige Aufgabe war. Wenn die Polizei kam und er sie nicht früh genug bemerkte, wäre er allein schuld.
Als es dunkel wurde, trugen sie das Boot einen kleinen Pfad über die Düne entlang zum Wasser. Lars packte auch mit an.
»Die Ostsee ist ruhig hier«, sagte sein Vater. »Erst recht im Sommer.«
Lars tauchte die Hand ins dunkle Meer ein und griff in den weichen Sand am Grund. Vielleicht konnte er ein bisschen davon auf die Reise mitnehmen. Plötzlich verspürte er einen brennenden Schmerz. Ruckartig zog er den Arm aus dem Wasser. Ihm wurde schwindelig und heiß zugleich. Aber er riss sich zusammen und schrie nicht, sondern sagte nur leise: »Aua!«
»Was ist denn, Lars?«, fragte ihn seine Mutter.
»Ich glaube, mich hat was gestochen.«
»Eine Feuerqualle?«
»Was spielt er auch da rum?«, schimpfte sein Vater. »Halt sie ins Wasser, wenn wir fahren. Das kühlt. Wir müssen los.«
»Sei tapfer!«, sagte seine Mutter und küsste ihn auf die Stirn.
Nach dem Kuss tat es noch doller weh. Tränen kullerten ihm über die Wangen. Noch einmal biss er die Zähne zusammen. So fest wie noch nie zuvor in seinem Leben.
Schließlich legten sie ab.
»Die ersten drei Seemeilen vor der Küste sind die gefährlichsten«, flüsterte sein Vater. »Von ihren Beobachtungstürmen aus sehen sie fast alles.«
»Was sind das für große Lichter?«, fragte Lars.
»Flakscheinwerfer«, antwortete sein Vater. »Da dürfen wir nicht reinfahren.«
Nach einer Weile ging ein kleiner Mond auf, der sich aber schnell wieder hinter ein paar Wolken verkroch. Es war fast ganz dunkel. Mehrmals überprüfte der Vater den Kompass mit der kleinen Taschenlampe, die Lars an einer Schnur um den Hals trug. Es war wichtig, dass sie erst einmal stramm nach Norden fuhren. Lars versuchte, nicht an seine Hand zu denken, die immer noch wehtat.
»Was ist das, Papa?«, fragte er in die Stille hinein, die keine mehr war, weil sich ein entferntes Brummen in sie gebohrt hatte. Es kam schnell näher. Ein Schiffsmotor. Lars sah die Bordlichter.
»Leise!«, ermahnte ihn sein Vater und gab ihm einen Klaps auf den Hinterkopf. »Das ist ein Streifenschiff. Sie nennen es Bremse. Aber nicht, weil es so langsam ist, sondern weil es brummt wie eine Pferdebremse.«
»Was ist, wenn die Leute auf der Bremse uns sehen?«
»Pst!«, machte der Vater.
Ich kann ja mal ihre Lichter zählen, dachte Lars bei sich. Doch dazu kam er nicht mehr. Die Bremse hatte plötzlich so laut den Motor aufgedreht, dass er vor Schreck fast ins Wasser gefallen wäre. Dann kam sie direkt auf ihr kleines Schlauchboot zugerast. Immer näher und näher! Mit beiden Händen klammerte Lars sich an seiner Mutter fest. Er konnte spüren, dass sie am ganzen Körper zitterte.
»Was machen die denn?«, rief Papa. Dabei hätte er es wissen müssen, dachte Lars. Das mit der blöden Flucht war schließlich seine Idee gewesen. Er hatte Mama dazu überredet. »Die halten ja volle Kanne auf uns zu!«
»Lars! Halt dich an mir fest!«, schrie seine Mutter in das Dröhnen hinein.
»Eure Schwimmringe!«, hörte er den Vater rufen.
»Hilfe! Mama!«
Das Tosen des Motors wurde immer lauter. Es klang für Lars nicht wie eine Bremse, sondern wie Tausende. Ein großer Schwall Wasser klatschte auf das schmale Schlauchboot. Lars verschluckte sich. Im nächsten Moment wurde er unter Wasser gezogen. Die Bremse war einfach über sie drüber gebrettert, schoss es ihm durch den Kopf. Panisch ruderte er mit den Armen, kam an die Oberfläche und spuckte das Meerwasser aus. Das Salz brannte ihm in der Kehle. Er blickte sich um. Das Schlauchboot war verschwunden. Er begann zu weinen. Eine Welle schlug hart in sein Gesicht, und die Ostsee vermischte sich mit seinen Tränen. Wo war Mama? Um ihn herum war es dunkel, nass und kalt. Die Bremse brummte davon und zog eine weiße Schneise in das schwarze Wasser.
»Lars!«, hörte er die Stimme seines Vaters.
»Ja?«
»Wirf mir die Leine zu, die an deinem Schwimmring dran ist!«, rief er. »Und atme ruhig.«
Er strampelte heftig mit den Beinen, während er die lange weiße Schnur suchte. Er wusste, dass sie an dem Rettungsring festgemacht sein musste, weil seine Finger eben noch mit ihr gespielt hatten.
»Mama?«, kreischte er und starrte mit weit aufgerissenen Augen in die Dunkelheit.
Sein Vater stimmte kurz darauf in seine Rufe mit ein. Sie riefen so lange, bis ihnen die Luft ausging. Aber seine Mutter antwortete nicht. Sie hatte doch einen Schwimmring gehabt! Oder war sie noch im Boot gewesen? Wo war das Boot? Konnte ein Schlauchboot untergehen? Und wo war der Kompass?
»Mama muss hier irgendwo sein«, sagte sein Vater.
»In welche Richtung müssen wir jetzt, Papa?«
»Immer nach Norden.«
»Woher weiß Mama, wo Norden ist?«, fragte Lars japsend. Woher wusste Papa, wo Norden war?
»Rede nicht so viel!«, befahl ihm sein Vater. »Spar dir deine Kräfte auf. Du lässt...
Erscheint lt. Verlag | 15.3.2021 |
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Reihe/Serie | Frida Beck ermittelt | Frida Beck ermittelt |
Verlagsort | Berlin |
Sprache | deutsch |
Themenwelt | Literatur ► Krimi / Thriller / Horror ► Krimi / Thriller |
Schlagworte | Band 1 • Dahmeshöved • Deutschland • Dünen • Fehmarn • Heiligenhafen • Kommissarin • Krimi • Kriminalroman • Küste • Landhaus • Leiche • Leuchtturm • LKA • Meer • Mord • Mörder • Norden • Opfer • Ostsee • Polizei • regional • Roman • Strand • Strandkorb • Täter • Toter • Urlaub • Weiblich |
ISBN-10 | 3-8437-2500-4 / 3843725004 |
ISBN-13 | 978-3-8437-2500-2 / 9783843725002 |
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