Bäng! -  Lothar Berg

Bäng! (eBook)

SKURRILES - ABSURDES - TÖDLICHES ... GESCHICHTEN UND BRACHIALE POESIE

(Autor)

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2020 | 1. Auflage
186 Seiten
Books on Demand (Verlag)
978-3-7526-1649-1 (ISBN)
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Wer sich für das Buch BÄNG! entscheidet, muss den Mut für diesen Weg haben. An Lothar Bergs Vorstellungskraft trennen sich die Geister. Genial oder abgedreht? Er macht seine Leser zu Komplizen einer Krebszelle beim Organhopping oder er stürzt sich mit ihnen kaltlächelnd vom Dach. Sie fühlen das Messer zwischen den Rippen und werden mitgerissen in das kalte, feuchte Grab. Für Berg sind Sie nur eines seiner Opfer, das er sich aussucht, benutzt, in dessen Gehirn er kriecht. Gerade seine scheinbare Gewissenlosigkeit in der Schreibweise ist es, die immer wieder fasziniert, die verführt und die seine Fan-Gemeinde wachsen lassen.

Der Autor Lothar Berg wurde 1951 an der Ruhr geboren. Er lebt und arbeitet in Berlin. Seine Veröffentlichungen befassen sich zumeist mit Alltagscharaktere, den menschlichen Schicksalen und den Abgründen des menschlichen Daseins. Seine Kurzgeschichten, Romane und Poesie sind ein ständiger Drahtseilakt zwischen Drama und Komödie. Die Werke zeichnet die ehrliche, authentische und brachiale Sprache aus, die keinen Zweifel an den Absichten der Protagonisten zulässt. Lothar Berg verbindet seine Lebenserfahrung, seine eigenen Erlebnisse mit Fiktion und dominiert durch Authentizität, die seinen Werken Glaubhaftigkeit verleiht.

Gewalt ist keine Lösung

Neun Kerzen sind die letzten guten Erinnerungen, die ich an früher habe. Das heißt aber nicht, dass ich keine Hoffnung gehabt hätte.

Tief Luft holen, nur einmal pusten, wenn der Wunsch in Erfüllung gehen soll. Während ich die Luft in meine kleine Lunge pumpte, blinzelte ich durch die Panoramascheibe in den Garten. Alles war geschmückt, der Grill qualmte und mein Vater jonglierte gerade auf einem Tablett Getränke.

Pffft! Alle Neune, mit nur einem Luftzug!

„Alles Gute zum Geburtstag!“ „Wünsch dir was!“ „Gesundheit mein Junge und ein glückliches Leben!“ „Hoch, hoch, hoch!“ „Auf das Geburtstagskind!“

Alle riefen durcheinander, die Nachbarskinder, die Schulkameraden, Oma, Mutter, Tante, Opa, Onkel und alle, die da waren.

„Na los, alle raus jetzt, es gibt Würstchen und Cola!“ Die Bande stürmte unkontrolliert in den Garten und übernahm die Regentschaft im Grünen.

Meine Mutter hielt mich zurück, drückte mich an ihre weiche Brust. Ich roch den herrlichen Duft von frischer Seife und spürte ihren Atem an meinem Ohr „Mein kleiner Liebling, ich wünsche dir, dass du immer so glücklich wie heute sein wirst!“ Ihre Lippen küssten meine Stirn, meine Nase und meinen Mund. Hoffentlich hatten das meine Freunde nicht gesehen. Mutter lachte, nahm eine Serviette, feuchtete sie mit Spucke an und wischte den Lippenstift aus meinem Gesicht. Die kleinen Falten um ihre Augen legten sich zusammen und ihr Lächeln entblößte eine Reihe weißer Zähne. Mutter gab mir einen Klaps auf den Hintern „Na los, nu lauf schon!“ Endlich. Ich lief in den Garten zu Uli, Gerd, Martina, Rolf, Marcel, Susanne, Roswitha und all die anderen, die bewundernd um mein neues Fahrrad standen. Es hatte nicht drei oder fünf, nein, es hatte zwölf Gänge. Auf dem Tisch daneben stapelten sich die anderen Geschenke.

***

„Wir schaffen das schon. Das liegt nur an der neuen Geschäftsleitung!“, hörte ich ein halbes Jahr später meine Mutter sagen. Sie saß mit Vater auf der Veranda. Mein Fenster im ersten Stock war wegen der Hitze auf.

„Nächste Woche kommt ein Motivator und die Computerprogramme werden getauscht. Sie haben mich jetzt in die Asienregion gesteckt!“ Vater hörte sich anders als üblich an, wenn er mit seinen Ratschlägen Lebenshilfen verteilte. „Ach Heinz, das ist nur vorübergehend. Du wirst sehen. Zwanzig Jahre Erfahrung sind nicht mit Programmen zu ersetzen.“

Ich verstand nichts. War mir auch egal, übermorgen fuhr ich mit der Klasse nach Rom und morgen würde Mutter mir das moderne Kofferset und den neuen Trainingsanzug kaufen.

***

Der Junge bleibt auf der Schule. Bildung ist das höchste Gut. Das wird ihm das Leben leichter machen. Da müssen wir uns eben einschränken!“ Vater stand in der Tür zur Küche, wo Mutter mit verweintem Gesicht die Kartons packte. Sie nickte stumm. „Wir ziehen nur kurzfristig um, bis die neuen Abteilungsleiterposten besetzt sind, da bin ich sicher dabei. Hat mir Herr Schiermer schon signalisiert.“ Mutter nickte wieder und klappte einen neuen Umzugskarton auf. „Die Beförderungen sind erst zum zweiten Quartal des nächsten Jahres angesetzt.“ Vater wirkte irgendwie hilflos. So kannte ich ihn nicht. „Die Bank will aber nicht warten...“. Das Gespräch war mir zu langweilig und ich lief nach draußen, wo der riesige LKW rückwärts in unsere Einfahrt setze.

***

Die neue Bleibe war scheußlich, die Straße war scheußlich, die Nachbarn waren scheußlich, alles war scheußlich. Wir hatten kein Haus mehr, wir wohnten in einer hässlichen Vierzimmerwohnung. Über uns die Frau im Minirock, die auch in der Wohnung nicht ihre Absatzschuhe auszog. „Da müssen wir uns daran gewöhnen. Wir sind die Neuen. Es ist ja nicht für lange“, sagte mein Vater, wenn Mutter sich die Ohren zuhielt. Unter uns der dicke Mann, der mit der Zunge schnalzte und sich über die wulstigen Lippen leckte, wenn er Mutter sah. „Achtet einfach nicht darauf, der weiß es nicht besser. Das kommt davon, wenn man nichts lernt.“

Der Keller wurde aufgebrochen und außer meinem Fahrrad fehlten noch einige der Umzugskisten. Auch die mit den Fotoalben und dem Geschirr von Oma. Mutter weinte, aber Vater tröstete sie „Weißt du, das sind ganz arme Menschen, die das gemacht haben. Die haben noch weniger wie wir. Die wissen nicht, was sie tun. Vielleicht hat ihnen das geholfen.“

In meiner Schule war nichts wie vorher. Ich trug keine trendy Klamotten mehr, konnte nicht mehr überall teilnehmen. Die Klassenfahrt im Winter musste ich ausfallen lassen. Auf dem Schulhof wurde ich schüchtern gegrüßt, aber niemand blieb bei mir stehen oder lud mich ein, zu ihm zu kommen. „Junge, das sind oberflächliche Menschen. Gut, dass du das früh genug kennen lernst. Die haben nur deine Sachen gemocht. Dich selbst, aber nicht“, klärte mich Vater auf.

Eine Woche später stand mein Fahrrad an der Ecke beim Eiscafé. Als ich es mir nehmen wollte, kam ein älterer Junge, gab mir eine Ohrfeige. „Junge, prügeln bringt nichts“, hatte ich von Vater gelernt, “das tun nur ganz dumme Menschen. Dazu sind wir zu schlau.“ Ich habe die Prügel runtergeschluckt und bin zur Polizei gegangen. „Wie hieß der Junge? Wie sah er aus? Kannst du beweisen, dass das dein Fahrrad war? Schick deinen Vater mal her, der soll die Anzeige machen.“

Verwirrt starrte ich den Beamten an. Ich war zehn Jahre alt. Vater ging mit mir weder zum Eiscafé, noch zur Polizei. „Junge, das bringt doch nichts. Die Quittung ist mit den Umzugskartons aus dem Keller gestohlen worden und sicher haben die das Fahrrad jetzt anders angestrichen.“

***

Ich ahnte noch nichts, als Vater den dritten Morgen zu Hause saß. Mutter starrte stumm auf den Tisch und Vater raschelte mit der Zeitung. „Papa, Papa, warum bist du denn zu Hause? Hast du Urlaub?“ „Sei ruhig, Junge. Mach dich fertig für die Schule, damit etwas aus dir wird!“.

Papa blieb jeden Tag zu Hause und sein Kaffee roch nach Cognac. Als er die Tasse gegen ein Glas tauschte, war der Kaffeegeruch ganz weg.

Mutter suchte sich erst eine Arbeit, dann eine zweite dazu.

Wir zogen wieder um, in die Mau Mau Siedlung am Stadtrand. Nur für ein paar Wochen, wie Vater sagte. Zweieinhalbzimmer im Achten. Ich fürchtete mich. Schreckliche Dinge hatte ich von hier gehört. „Keine Angst Junge“, beruhigte Vater mich, „Ein intelligenter Mensch findet immer seinen Weg.“

„Entschuldigen sie, aber das ist mein Parkplatz.“ Stolz stand mein Vater vor dem tätowierten Kerl, der sich mit seinem Wagen in den Parkplatz gedrängelt hatte, in dem mein Vater gerade einfädeln wollte. „Laut Straßenverkehrsordnung hat derjenige das Recht ...“ PATSCH! Mein Vater taumelte zurück, als ihn die Ohrfeige traf. Seine Brille flog ihm vom Kopf, ein Glas zersplitterte am Boden. „Verpiss dich, du Arschloch. Wenn du die Bullen rufst, steck ich deine Karre an, du Pisser!“

Wir schleppten den Einkauf fünfhundert Meter weit, die Tüten schnitten in meinen Handflächen. „Der Klügere gibt nach, mein Junge. Es macht keinen Sinn sich auf dasselbe Niveau zu begeben, “ kommentierte Vater den Vorfall. Mutter sagte nichts.

In der neuen Schule war alles anders. Hier fiel ich selbst mit meinen getragenen Sachen noch auf. In den ersten Wochen büßte ich mehrere Jacken, zwei Schultaschen und ein Paar Turnschuhe ein.

„Bist du völlig durchgedreht? Reicht es nicht, dass du säufst? Jetzt verkaufst du auch noch das Auto für diesen Mist? Kümmere dich lieber um eine Arbeit. Im Supermarkt suchen sie!“ Mutter betrachtete von der Küche aus, wie Vater die vielen Kartons auspackte. „Schatz, ich gehe nicht für acht Euro arbeiten. Ich habe etwas gelernt. Ich bin eine Fachkraft. Ich mache mich mit einem Home-Office selbstständig, als Web-Designer.“ „Du warst Web-Designer. Da bist Du geflogen!“ PENG! Die Tür war zu.

Die Siedlung blieb Feindesland. Man schubste mich, trat mir die Einkauftüten kaputt, spukte mich an oder hetzte die Hunde hinter mir her.

„Junge, du machst etwas falsch. Du musst ihnen zeigen, dass du sie magst.“ „Junge, die Menschen sind unterschiedlich, sie verstehen die Zeichen nicht immer gleich.“ „Junge, gebe ihnen eine Chance, sie haben nicht dieselbe Bildung, wie wir.“ Vater saß in Trainingshose und ärmellosen Unterhemd vor dem Computer.

***

„Die Leute hier sind einfach dumm!“ Vater stand zwischen den blauen Mülltüten auf dem Balkon. „Nun seht euch den da an. Wie blöd muss man sein? Er trägt jeden Eimer Wasser gute acht Meter zum Auto, um es zu waschen, anstatt gleich vor der Pumpe zu parken.“ Er nahm einen Schluck aus der Flasche. „Oder gestern, da sind die Neuen eingezogen. Jeder hat ein Teil in den Zweiten geschleppt. Besser wäre es gewesen eine Kette auf der Treppe bilden....

Erscheint lt. Verlag 29.11.2020
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Krimi / Thriller / Horror
ISBN-10 3-7526-1649-0 / 3752616490
ISBN-13 978-3-7526-1649-1 / 9783752616491
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