Brainstorm -  Matthias Boll

Brainstorm (eBook)

Ein Kriminalroman aus Südafrika
eBook Download: EPUB
2020 | 1. Auflage
408 Seiten
Books on Demand (Verlag)
978-3-7526-1076-5 (ISBN)
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Mithila wirft die kleine Pille ein - und öffnet damit das Tor zur Hölle. Skyscraper. Eine neuartige Droge erobert die Welt - auch den Süden Afrikas. Naturwissenschaftler Frank Sattler wird von seiner Firma nach Durban geschickt, um rätselhafte Vorgänge in der lokalen Niederlassung aufzuklären. Seine Lebensgefährtin Pia ermittelt dort zeitgleich und auf eigene Faust in einem mysteriösen Mordfall. Sie werden in einen Strudel gefährlicher Ereignisse hineingezogen, aus dem sich am Ende nur einer der beiden befreien kann...

Matthias Boll (geb. 1971) ist promovierter Naturwissenschaftler mit einem großen Interesse an guten und logischen Krimis. Nach einem mehrjährigen beruflichen Aufenthalt in Südafrika hat er begonnen, selbst Krimis zu schreiben, die - natürlich - in Südafrika spielen. Einem Land voller Widersprüche und Extreme, das damit eine ideale Kulisse für Verbrechen aller Art darstellt. Dabei lässt er die eigenen Erfahrungen geschickt in die erzählten Geschichten einfließen.

2 Luleå - Nordschweden


Ulf machten die langen Nächte und kurzen Tage im Winter zu schaffen. Psychisch. Dieses Jahr war es besonders schlimm.

In Luleå war es fast das ganze Jahr über kalt. Es gab zwar einen kurzen Sommer, aber nur mit viel Glück stiegen die Temperaturen über fünfundzwanzig Grad, sodass es warm genug war für eine gemütliche Angelpartie. Der lange Winter war im Vergleich zum Sommer kompromisslos, und Temperaturen von dreißig Grad unter null waren keine Seltenheit. Auch dieses Jahr hatte es sich Väterchen Frost in Nordschweden gemütlich gemacht. Während Stockholm gerade langsam wieder aufzutauen begann, mussten sie hier oben immer noch die kleinen Heizlüfter in den Autos an den Steckdosen der Parkplätze anschließen, damit der Wageninnenraum nicht einfror. Oder, schlimmer noch, dass der Motor den Tag über derart auskühlte, dass er abends nicht mehr ansprang.

Manchmal gab es im Winter einige sonnige Tage, und Ulf konnte den Schnee genießen, auch wenn es nur wenige Stunden hell war. Mit einer Kanne heißem Kaffee konnte er, zusammen mit Freunden vom Institut und mit Skiern an den Füßen, in die lichten, dürren Tannenwälder hinausfahren und Spuren der Tiere deuten, oder – mit viel Glück – sogar einen Elch beobachten, wie er mit seinen langen Beinen durch den tiefen, losen Pulverschnee stakste.

Ulf seufzte leise, und seine Finger verkrampften sich um das Lenkrad seines kleinen Peugeots. Viel mehr als das konnte man hier, am Ende der Welt, im Winter kaum unternehmen. Ja, natürlich gab es da den Nationalsport, Eishockey, schnell und ereignisreich, aber das Unterhaltungsangebot war auch nicht viel größer. Die Situation war so verzweifelt, dass dieser harte Sport hier oben am Polarkreis nicht nur von Männern, sondern – mit geänderten Regeln – auch von vielen Frauen gespielt wurde.

Ulf war ein Fan des lokalen Teams, und wie die anderen pilgerte er zu den Spielen regelmäßig in die riesige Sporthalle. Er betrachtete sich als einen der hartgesottenen Fans, die sich niemals von der Mannschaft abwenden würden, selbst wenn sie gegen Linköping verlor – wie am vergangenen Wochenende geschehen.

Nicht alles am Winter war schlecht, nur fast alles. An vielen Tagen, an denen es zufällig nicht regnete oder schneite, war es so neblig, dass er das Wasser der Ostsee nur erahnen konnte, und die wenigen Restaurants am kleinen Hafen der Stadt konnte man bei solchen Wetterlagen erst erkennen, wenn man die Hand schon auf der Türklinke hatte. Immerhin: Im Winter gab es Lichterfeste zu Weihnachten. Halb Schweden schien danach auf dem Weg nach Thailand zu sein, um etwas Sonne zu tanken und dieser scheinbar ewigen Dunkelheit zu entfliehen.

Also entweder war es dunkel, so wie jetzt um acht Uhr morgens, hier auf dem Parkplatz vor dem großen Stahlwerk, sodass man die Hand vor Augen nicht sehen konnte. Oder es war neblig. Oder eisig kalt, minus dreißig Grad. Oder erst dunkel und kalt, dann neblig und kalt.

Dieses Wetter kotzte ihn an.

Ulf seufzte, setzte sich seine Wollmütze auf, schlug den Kragen der Daunenjacke hoch, schloss den Reißverschluss bis unter das Kinn und stieg aus dem warmen Auto, hinaus in die beißende Kälte, die seine Gesichtsmuskeln zu lähmen schien. Mit seinen fünfunddreißig Jahren war er eigentlich jung genug, um sich noch einen anderen Job im Süden des Landes zu suchen, aber die Eisen-, Stahl- und Edelstahlindustrie befand sich nun einmal hier im Norden, und er würde im Süden nichts finden, das auch nur annähernd so gut bezahlt wurde wie seine Arbeit hier, in diesem Analytiklabor.

Er fühlte sich hundemüde, ja, regelrecht zerschlagen, denn er hatte in der Nacht kaum ein Auge zugemacht. Die ziemlich zuverlässigen Informationen, die er gestern Abend erhalten hatte – eine Zeitung würde schreiben, dass sie aus ›in der Regel gut unterrichteten Kreisen‹ stammte – waren mehr als beunruhigend gewesen. Nein, alarmierend, das war das richtige Wort. Er dachte darüber nach, während er durch hart gefrorene Schneereste auf die große Werkhalle zuschritt. Alarmierend? Nein, das war eigentlich noch untertrieben. Eine Katastrophe bahnte sich an.

Sofort hatte er mit den ›Freunden‹ über das Prepaid-Handy eine Telefonkonferenz organisiert und sie auf die neue Situation aufmerksam gemacht.

Sie hatten ganz anders reagiert, als er erwartet hatte.

Sicher, sie waren grundsätzlich anderer Ansicht gewesen, und diesen Standpunkt konnte er verstehen. Die ›Freunde‹ profitierten von seiner Erfindung am meisten. Er war die Gans, die die goldenen Eier legte. Die schlachtete man nicht, wenn man noch bei Trost war.

Aber dass sie so weit gehen würden, hatte er für unmöglich gehalten.

Ulf hatte im Gespräch versucht, ihnen seine Sichtweise der Dinge klar zu machen. Er hatte von Verantwortung gesprochen, hatte an das eigentliche Ziel erinnert, und daran, dass es so auf keinen Fall weitergehen konnte. Aber sie hatten ihn ab einem bestimmten Punkt nicht ernst genommen. Sie hatten ihn nicht wirklich ausgelacht, nein, das traute sich keiner von ihnen, aber ihm eben auch nicht zugehört.

Einer der ›Freunde‹ hatte versucht, ihn am Telefon einzulullen, quasi weichzuklopfen. »Du bist ein begnadeter Chemiker, ein brillanter Kopf mit wunderbaren Einfällen«, hatte er gesagt, und Ulf spürte, dass er das wirklich ernst meinte, »aber vom Geschäft hast du einfach keine Ahnung. Skyscraper ist dir über den Kopf gewachsen.« Nach einer kurzen Pause, wohl um das Gewicht der Worte zu verstärken, wiederholte er seine Feststellung und bemühte sich, sie nicht wie einen Vorwurf klingen zu lassen. »Die Vermarktung von Skyscraper ist eine Nummer zu groß für dich. Du weißt doch, dass keiner von uns ›Freunden‹ dumm ist. Und wir alle wissen, dass eine neue Technologie ihre Opfer fordert, oder? Wie viele Menschen sind beim Versuch gestorben, das Fliegen zu erfinden? Wir können uns an die großen Namen erinnern, Transatlantikflug, Erdumrundung, aber vorher hat es viele gegeben, die mit ihren Eigenbauten einfach ins Meer gestürzt und ertrunken sind. Oder denk an die Raumfahrt. Oder wie viele Menschen sind durch das Auto gestorben, wie viele bei der Erforschung von Arzneimitteln oder Impfstoffen? Sind auf hohe Berge gestiegen, in tiefen Meeren getaucht oder in Höhlen gekrochen, um die Natur zu erforschen, um Entdeckungen zu machen, und sind nie wieder gesehen worden. Der Fortschritt verlangt nun einmal Tote, Ulf. Sieh das endlich ein und komm raus aus deinem Elfenbeinturm der Forschung. Du musst das abwägen. Ich habe nachgesehen: Auf der Welt sterben jedes Jahr fast eineinhalb Millionen Menschen im Straßenverkehr. Und bisher ist noch niemand ernsthaft auf die Idee gekommen, das Auto zu verbieten. Autofahren ist eine Technologie mit Risiken, die wir akzeptieren. Mit Skyscraper ist das genauso.«

»Das ist doch etwas ganz anderes«, hatte Ulf erwidert. »An einem Autounfall irgendwo in Afrika kann ich nichts ändern. Skyscraper dagegen kann ich verhindern. Aber so wie es sich anhört, bin ich der Einzige, der dazu bereit ist.«

Das Schweigen der ›Freunde‹ an ihren Telefonen sprach Bände. Er war der Einzige, das war ihm in diesem Moment klar geworden.

Er musste am Ende des Gesprächs den ›Freunden‹ noch versprechen, über seine Entscheidung noch einmal zu schlafen. Aber als er heute Morgen aufgewacht war, stand sein Entschluss fest: Er würde Skyscraper verhindern.

Aber das konnte er nicht heute oder morgen tun. Er gähnte. Die schlaflose Nacht würde seinen Tribut fordern, er würde heute sicher etwas früher nachhause gehen. Um die Sache mit Skyscraper würde er sich am Wochenende kümmern. Er hatte einen richtigen Job zu erledigen, seinen Brotjob, und den würde er nicht vernachlässigen, Skyscraper hin oder her.

Wie üblich war er einer der ersten im Werk. Anders als die Eisen- und Stahlindustrie, mit ihren Hochöfen und Konvertern und ständigen Abstichen, war die Edelstahlindustrie nicht rund um die Uhr in Betrieb. Es gab hier im Werk eine Früh- und eine Spätschicht und nachts war alles ausgeschaltet. Die Frühschicht würde erst in einer Stunde beginnen.

Ulf genoss, trotz der Kälte, die langsam unter seine Jacke kroch, die Ruhe des frühen Morgens. So konnte er in seinem Labor nach dem Rechten sehen, Bestellungen von Chemikalien aufgeben, bevor die Laboranten eintrafen und ihn wie üblich mit überflüssigen Fragen löcherten. Und bevor natürlich der dicke Produktionsleiter auftauchen und nach irgendwelchen Ergebnissen fragen konnte.

Umso überraschter war er, als er Licht durch die hoch gelegenen Fenster der geräumigen Werkhalle dringen sah. Irgendjemand hatte wohl ähnlich schlecht geschlafen wie er.

Er stapfte durch den Schnee auf das niedrige Laborgebäude zu, das durch einen kurzen Gang mit der Produktion verbunden war.

In der eisigen Kälte war es auf Dauer unzumutbar gewesen, jedes Mal mit irgendwelchen Edelstahlproben aus der Fabrik ins Freie und dann ins Labor zu gehen. Es war eine kluge Entscheidung gewesen, beide Gebäude auf diese Art zu verbinden.

Mit den dicken Handschuhen an den Händen zog er die Tür auf, und eine wohlige Wärme schlug ihm entgegen. Er ging durch die Tür und stand in einem kurzen Gang. Auf der rechten Seite befand sich seine Bürotür, auf der linken die seiner Sekretärin. Überrascht stellte er fest, dass die Tür nur angelehnt war – sie musste also auch schon im Haus sein. Ungewöhnlich.

Geradeaus ging es weiter zum Labor, das noch in völliger Dunkelheit lag. Zumindest auf die beiden Laboranten war Verlass, dachte er und grinste. Sie waren spät wie immer.

Wie üblich zog er als Erstes seine dicken Handschuhe und die Jacke aus, erst dann konnte er den Lichtschalter...

Erscheint lt. Verlag 26.11.2020
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Krimi / Thriller / Horror
ISBN-10 3-7526-1076-X / 375261076X
ISBN-13 978-3-7526-1076-5 / 9783752610765
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