John Sinclair 2216 (eBook)

Blutsbande

(Autor)

eBook Download: EPUB
2020 | 1. Aufl. 2020
64 Seiten
Bastei Lübbe (Verlag)
978-3-7517-0684-1 (ISBN)

Lese- und Medienproben

John Sinclair 2216 - Rafael Marques
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Die düstere Gasse endete in einer drei Meter hohen Mauer. Ringsherum ragten hunderte Jahre alte Ziegelsteinbauten in die Höhe. Die Fenster waren meist beschmutzt, die Fassaden mit Graffiti beschmiert.
In seiner unmittelbaren Umgebung stand ein überfüllter Müllcontainer, aus dem unablässig heller Dunst strömte, ebenso wie aus einem nahen Kanaldeckel. Es stank erbärmlich, und irgendwie passte dieser Geruch zu der Umgebung, in der er sich befand. Menschen wie er sollten sich um diese Uhrzeit, mitten in der Nacht, nicht hier aufhalten, denn diese Gegend war bekannt dafür, dass sich in diesem Viertel Gesindel herumtrieb, das kein Gewissen kannte.
Paul Stevenson wusste das alles, andererseits konnte er sich im Notfall auch wehren. Ebenso wie die Frau in der dünnen, offenen Lederjacke, die mit ihrem bauchfreien Top und den löchrigen Jeans fast wie eine Prostituierte wirkte. Doch das war sie nicht, das war ihm bereits bekannt. Sie war eine Vampirin!


Blutsbande

von Rafael Marques

Die düstere Gasse endete in einer drei Meter hohen Mauer. Ringsherum ragten hunderte Jahre alte Ziegelsteinbauten in die Höhe. Die Fenster waren meist beschmutzt, die Fassaden mit Graffiti beschmiert. In seiner unmittelbaren Umgebung stand ein überfüllter Müllcontainer, aus dem unablässig heller Dunst strömte, ebenso wie aus einem nahen Kanaldeckel. Es stank erbärmlich, und irgendwie passte dieser Geruch zu der Umgebung, in der er sich befand. Menschen wie er sollten sich um diese Uhrzeit, mitten in der Nacht, nicht hier aufhalten, denn diese Gegend war bekannt dafür, dass sich in diesem Viertel Gesindel herumtrieb, das kein Gewissen kannte.

Paul Stevenson wusste das alles, andererseits konnte er sich im Notfall auch wehren. Ebenso wie die Frau in der dünnen, offenen Lederjacke, die mit ihrem bauchfreien Top und den löchrigen Jeans fast wie eine Prostituierte wirkte. Doch das war sie nicht, das war ihm bereits bekannt. Sie war eine Vampirin!

Die Frau bot einen schaurigen Anblick, der in gewisser Weise sogar zu ihrem Auftreten passte. Sie gab sich lasziv und schien mit den Emotionen der Männer zu spielen, denn selbst Paul konnte sich dem Anblick des körperbetont eng anliegenden Oberteils nicht entziehen. Sie hatte einen braunen Teint, der von einer unnatürlichen Blässe in den Hintergrund gedrängt wurde.

Von ihren Mundwinkeln über den Hals bis hinab zu den Brüsten zeichneten sich mehrere Linien ab, die wahrscheinlich von Blutstropfen stammten, die über ihre Haut gerollt waren. Die Vampirin lächelte, denn sie wusste ja, wie sie aussah. So konnte Paul auch ihre weißen Zähne erkennen, auf denen sich ebenfalls dunkle Flecken abzeichneten. Die beiden deutlich aus dem Oberkiefer herausragenden Zähne waren ihm bereits bekannt, und er ging einfach davon aus, dass sie echt waren.

»Du bist noch immer nicht bereit, Paul?«

Die Frage der dunkelhaarigen Frau ließ ihn zusammenzucken. Er hatte ja mit ihr gerechnet, und obwohl seine Entscheidung bereits gefallen war, stellte die Antwort immer noch einen gewaltigen Schritt für ihn dar. Sie würde bedeuten, dass er mit seinem alten Leben endgültig abschließen musste, dass es keine Möglichkeit mehr geben würde, in seinen Job und zu seiner Frau zurückzukehren – jedenfalls nicht so, wie er vorher gewesen war. Andererseits gab es für ihn auch keinen anderen Ausweg. Er war bereit, alles zu riskieren, für sich und für seine Frau.

»Noch ein Tag, Cassandra, noch ein Tag. Ich möchte mich von meiner Frau verabschieden. Dann bekommst du dein Geld, versprochen.«

»Aber nur, weil du es bist. Weil du ein Stevenson bist ...«

Wieder fuhr Paul zusammen, denn die Worte der Vampirin lösten etwas in ihm aus. Eine Erinnerung, in gewisser Weise auch eine Tatsache, mit der er nur schwer zurechtkam, durch die es andererseits auch erst zu diesem Treffen gekommen war.

»Gleiche Zeit, gleicher Ort?«, fragte er.

»Nein.«

Die Vampirin griff in ihre Jacke und zog einen gefalteten Zettel hervor. Dann trat sie auf ihn zu, lächelte und strich mit einer Hand über sein Gesicht, den Hals und die Brust. Sie genoss die Berührungen, während er angesichts der Kälte, die Cassandras Finger abstrahlten, erschauderte.

»Du bist anders als die anderen, Paul«, hauchte sie ihm zu. »Du widerstehst meiner Nähe, dem Drang, einfach über mich herzufallen. Das gefällt mir. Ich habe dir die Adresse aufgeschrieben. Sei pünktlich.«

»Das werde ich.«

»Da bin ich mir sicher.«

Noch einmal strich die Dunkelhaarige über seine Wangen und warf ihm einen vielsagenden Blick zu, dann schob sie sich dicht an ihm vorbei, bevor sie mit schnellen Schritten die Gasse verließ und um die Ecke verschwand.

Paul blieb noch einige Zeit stehen. Zunächst schloss er die Augen und atmete mehrmals durch. Dann entfaltete er den Zettel und nickte. »Ja, ich werde kommen.«

Seine Frau Linda drückte sich eng an ihn, und obwohl er ihr Gesicht nicht sah, wusste er, dass sie lächelte. »Das war so ein wunderschöner Tag, Paul«, flüsterte sie ihm ins Ohr. »Warum kann nicht jeder Tag so sein wie heute?«

»Das hattest du dir verdient, Linda. Eigentlich hast du es verdient, jeden Tag zu genießen wie diesen. Ich wollte nur, dass du das weißt. Ich liebe dich, auch wenn ich oft nicht die Zeit und die Kraft dafür habe, es dir zu zeigen.«

Seine Frau löste sich aus der Umarmung und lächelte. Für ihn war sie immer noch so schön wie an dem Tag, an dem er sie kennengelernt hatte. Das war an einem nasskalten Oktobertag vor fünfundzwanzig Jahren gewesen. Paul, der gerade kurz davorstand, einen Platz in der Polizeiakademie zu erhalten, hatte sich unter einer alten Linde vor den Regenmassen in Sicherheit zu bringen versucht – genau wie ein blondes, siebzehnjähriges Mädchen, das ihm zunächst gar nicht aufgefallen war. Sich gegenseitig wärmend waren sie sich langsam näher gekommen, hatten sich quasi ihre gesamte Lebensgeschichte erzählt, und als der Regen wieder dem Sonnenschein gewichen war, waren sie einfach bis in die Nacht hinein unter der Linde geblieben.

Es tat Paul in der Seele weh, dass er seiner Frau nicht das Leben bieten konnte, das sie sich damals erträumt hatten. Er war ein guter Polizist, aber kein Karrieremensch. Zwar war er inzwischen Sergeant, doch im Gegensatz zu zahlreichen anderen Kollegen seiner Generation war er nicht in den höheren Dienst aufgestiegen und würde es wohl auch nie. Dazu war er viel zu stark mit der Straße und dem Kontakt mit den Leuten verwurzelt.

Das bedeutete allerdings auch, dass er Tag und Nacht verfügbar sein und nicht selten auch Nachtschichten einlegen musste. Wie oft hatte er Linda schon versprochen, etwas Zeit mit ihr zu verbringen, nur um kurz darauf zum Dienst beordert zu werden?

So waren die Jahre ins Land gezogen, und Paul konnte die Enttäuschung fühlen, die sich langsam in seiner Frau ausbreitete. Sie hatten keine Kinder, denn irgendwie war dafür weder die Zeit noch das Geld da gewesen. Auch Linda ging arbeiten, wenn auch nur halbtags. Immerhin reichte der Bürojob in Chelsea dafür, dass sie stets ihre Rechnungen zahlen konnten. Größere Sprünge blieben dagegen ein Traum.

»Was ist los mit dir?«, fragte Linda plötzlich. »Du wirkst so nachdenklich. Auf dem London Eye hatte ich schon das Gefühl, dass du nicht ganz bei der Sache bist. Ist es wegen der Arbeit? Oder ist da noch etwas?«

Paul seufzte. »Ein wenig von allem, Schatz. Ich denke einfach oft darüber nach, was ist und was sein könnte, wenn ...«

Linda legte ihm einen Finger auf die Lippen und lächelte. Es war ein ehrliches Lächeln, doch er war sich sicher, dass in ihm auch ein Hauch Traurigkeit mitschwang. Dazu kannte er seine Frau einfach zu gut. Den ganzen Tag über war davon nichts zu spüren gewesen, weder während ihrer Fahrt auf dem London Eye, während des Spaziergangs an der Themse entlang und durch die Whitehall und Jubilee Gardens oder in dem kleinen Café direkt am Fluss. Jetzt waren sie wieder für sich, die Realität kehrte langsam zurück, und damit die für sie erdrückende Aussicht, dass sich auch in Zukunft nichts an ihrem Leben ändern würde.

»Denk nicht so viel darüber nach, Paul«, riss Linda ihn aus seinen Gedanken. »Wir lieben uns, wir haben uns, und nur das zählt. Ja, manchmal wünsche ich mir auch, dass manches anders verlaufen wäre und wir finanziell auf Rosen gebettet wären, aber was siehst du vor dir? Mich. Wenn ich etwas anderes gewollt hätte, würde ich jetzt nicht vor dir stehen. Egal, was passiert – ich werde immer bei dir sein.«

»Danke.«

Paul hauchte ihr einen Kuss auf die Lippen, dann zog er an der Lehne des Stuhls und wartete darauf, dass Linda sich an den bereits abgeräumten Tisch setzte. Das Abendessen – Zanderfilet – war ein Traum gewesen, auch, weil sie es gemeinsam zubereitet hatten. Was blieb, war noch der Rotwein aus Italien. Der Preis der Flasche überstieg eigentlich das, was er sich mit seinem normalen Gehalt leisten konnte, aber für diesen besonderen Abend war ihm nichts zu teuer gewesen.

Bevor er sich zu Linda setzte, betrachtete er sich kurz in einem kleinen, an der Wand hängenden Spiegel. In den letzten Monaten waren noch einige Falten in seinem Gesicht hinzugekommen, während seine Augen leicht gerötet waren. Seine Stirn war schon immer recht hoch gewesen, die Koteletten jedoch noch nie so grau. Automatisch fragte er sich, ob seine Frau etwas von dem ahnte, was in ihm vorging. Er hoffte, dass es nicht so war. Aber bald würde sich das so oder so ändern.

»Kommst du?«, rief ihm seine Frau zu.

»Ja. Entschuldige.«

»Schon gut.«

Paul ließ sich Linda gegenüber nieder, zog den bereits gelösten Korken aus der Flasche und schenkte den Wein in die beiden Gläser ein. Er perlte leicht, zudem roch er bereits, dass es sich um einen Wein handelte, der zu seinen Favoriten gehören würde. Zugleich hoben sie die Gläser und stießen an.

»Auf dich«, sagte er und lächelte.

»Nein, auf...

Erscheint lt. Verlag 29.12.2020
Reihe/Serie John Sinclair
Verlagsort Köln
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Krimi / Thriller / Horror Horror
Literatur Romane / Erzählungen
Schlagworte 2017 • 2018 • Abenteuer • Academy • alfred-bekker • Bastei • Bestseller • Dämon • Dämonenjäger • dan-shocker • Deutsch • e Book • eBook • E-Book • e books • eBooks • Extrem • Fortsetzungsroman • Frauen • Geisterjäger • grusel-geschichten • Gruselkabinett • Grusel-Krimi • Grusel-Roman • Horror • Horror-Roman • horrorserie • Horrorthriller • Horror-Thriller • Julia-meyer • Kindle • Krimi • Kurzgeschichten • larry-brent • Lovecraft • Macabros • Männer • morland • neue-fälle • Paranomal • professor-zamorra • Professor Zamorra • Psycho • Roman-Heft • Serie • Slasher • spannend • Splatter • Stephen-King • Terror • Thriller • Tony Ballard • Tony-Ballard • Top • Walking Dead
ISBN-10 3-7517-0684-4 / 3751706844
ISBN-13 978-3-7517-0684-1 / 9783751706841
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