Brillantine -  Josef Volsa

Brillantine (eBook)

Ein Wien-Thriller des Jahres 1925

(Autor)

eBook Download: EPUB
2020 | 1. Auflage
300 Seiten
Books on Demand (Verlag)
978-3-7526-7868-0 (ISBN)
Systemvoraussetzungen
7,99 inkl. MwSt
  • Download sofort lieferbar
  • Zahlungsarten anzeigen
Obwohl Nagys äußere Kriegsverletzungen langsam verheilen, plagen ihn immer noch die Bilder des Krieges. Durch die vom Bundespräsidenten persönlich angeordnete Geheimpolizei, die er nun leiten darf, kämpft er nicht nur gegen die sich auftuende Gefahr im Untergrund. Auch mit den eigenen Grenzen muss er sich auseinandersetzen. Auf sich alleine gestellt und ohne auf die ansonsten verfügbaren Ressourcen zugreifen zu können, konfrontiert er sich mit dem Feind, um Wien vor einer hinterhältigen Verschwörung zu bewahren. Dabei begegnet er skurrilen Originalen, die immer wieder aufs Neue sein kreatives und spontanes Handeln auf die Probe stellen.

Josef Volsa, Jahrgang 1967, hauptberuflich Geomant fand erst sehr spät zum Schreiben. Durch seine Liebe zur Geschichte Wiens legt er sehr viel Wert auf die detailreiche und historisch korrekte Darstellung der jeweiligen Zeit.

Herr Franz


»Meine Verehrung, Herr Franz.« Franz deutete mit einem Nicken eine kurze Verbeugung an und Nagy bat ihn mit einer Handbewegung in die Wohnung. Franz war sein Verbindungsmann im Ministerium. Sie waren übereingekommen, dass sie einander mit dem Vornamen ansprachen. Wegen der Geheimhaltung sollte Nagy nichts über Franz erfahren. Weder den ganzen Namen noch die Position. Franz war für Nagy nur ein junger, speichelleckender Karrierist. Nagy war für Franz ein ungehobelter, respektloser Bürgerlicher. Er schien ihm als jemand, der durch Glück in seine Position gekommen war, sich nicht an Konventionen hielt und keine Manieren besaß. Zweimal schon hatte Franz sich auf eine Diskussion mit Nagy eingelassen. Beide Male hatte ihn Nagy mit Worten förmlich seziert. Beide Male beendete Franz die Diskussion, indem er mit hochrotem Kopf die Wohnung verließ und die Tür zuknallte. Im Ministerium war es einfacher. Da gab es keine Diskussionen. Da brauchte er nur auf seine Position hinweisen und er ging aus jeder Diskussion als Sieger hervor. Aber Nagy hielt sich nicht an diese Gepflogenheiten. Franz vermutete, dass Nagy sie nicht einmal kannte. Immerhin stammte er weder vom Adel ab noch hatte er Offiziersstatus. Diese Offiziersehre und der nötige Gehorsam und die erforderliche Disziplin waren Nagy fremd. Dafür verachtete Franz Nagy.

»Herr Nárcisz, der Herr Präsident hat wieder einen Auftrag für Sie. Am Wienfluss wurde ein ertrunkener Strotter gefunden«, begann Franz seinen Besuch, ohne sich lange mit Begrüßungsformeln aufzuhalten.

Franz sprach Nagys Vornamen nicht mit dem ungarischen Akzent aus, sondern wie den berühmten Narziss in der griechischen Mythologie.

Nagy hasste diesen Namen, den er der humanistischen Bildung seines Vaters zu verdanken hatte. Der Mythos um Narziss, oder ungarisch Nárcisz, war eine seiner Lieblingsmythen. Sein Vater wetterte immer dagegen, dass dieser Name in Ungarn Mädchen gegeben wurde, wo Nárcisz doch eindeutig, der Mythologie nach, ein Jüngling gewesen wäre. Nach Nagys Geburt setzte sich sein Vater mit diesem, für einen Buben ungewöhnlichen Vornamen durch.

Nagy war froh, dass in Wien diese Assoziation mit einem Mädchennamen nicht zutraf. Und er hasste seinen Vater dafür, dass er allen Gästen den Hintergrund seines Namens und die Information, dass dies eigentlich ein Mädchenname wäre, erklärte. Dabei zitierte Nagys Vater mit dramatischer Stimme aus Ovids Metamorphosen in lateinischer Sprache.

Nagy hatte schon immer den Verdacht, dass er diesen Namen nicht bekommen hatte, weil seine Eltern ihm etwas Gutes tun wollten, sondern um aller Welt das Niveau der humanistischen Bildung seines Vaters vor Augen zu führen.

Nagy hob kurz die Hand, um die Erklärungen von Franz zu bremsen: »Einen Moment bitte.« Er ging zu seinem Schreibtisch, nahm sein Notizbuch und schlug eine Doppelseite auf. Auf die linke Seite des Notizbuches hatte er einen Pudel gezeichnet. Auf der rechten Seite machte er mit seinem Bleistift einen dicken Strich. Den ersten Strich von fünfundzwanzig. »Also ein ersoffener Strotter«, sagte Nagy verbittert, »ein wichtiger Fall. Schön, dass Sie damit zu mir kommen. Für solche Fälle sind wir die Richtigen. Genau dafür wurde die ganz geheime Geheimpolizei gegründet.«

Franz blickte verwirrt auf den Pudel in Nagys Notizbuch, das dieser wieder zuklappte und auf den Schreibtisch legte: »Na ja, nicht nur. Wir vermuten einen Mord. Wir haben einen Brief an den Präsidenten bei ihm gefunden. Dieser befand sich in seinem Schuh«. »Ein Ersuchen um ein Autogramm oder um die Spende von ein, zwei Flaschen Branntwein?«, fragte Nagy. Franz hasste Nagy für diese Art der Gesprächsführung. Er würde heute noch ein schriftliches Ansuchen darüber verfassen, dass doch bitte eine andere Person Nagy die Aufträge überbringen sollte.

Franz legte einige schmutzige, ausgefranste, wellige, mit dichten Zeilen beschriebene Zettel auf den Schreibtisch. Darauf war mit vielen Schreibfehlern und furchtbarer Klaue zu lesen, dass der hochverehrte Herr Präsident vor einer bevorstehenden Revolution und seiner Ermordung gewarnt werden sollte. Ein verworrenes Schreiben, das eher darauf hinwies, dass dessen Verfasser in den Gugelhupf gehörte, als dass dem Präsidenten etwas drohte.

Nagy dachte kurz nach. War es möglich, solche Aufträge mit zwei anstatt mit einem Strich in seiner Pudelliste zu führen? Dafür hatte er sich vorher gar keine Spielregeln zurechtgelegt. Es ging zwar um einen Menschen und nicht um einen Pudel aber von der Wertigkeit der Ermittlungen her, wäre dies durchaus angebracht.

Franz gefiel der Anblick des nachdenklichen Nagy. Vielleicht war diesem jetzt endlich aufgefallen, dass sein anfänglicher Sarkasmus unangemessen war und er es mit der Gefahr eines Staatsstreichs zu tun hatte. Es machte ihm Angst, wenn er daran dachte, bei solchen Aufträgen das Schicksal dieser Republik in die Hände derartiger geistig minderbemittelter Idioten legen zu müssen. Franz fühlte seinen Augenblick gekommen, einen Trumpf auszuspielen. Er würde Nagy heute fertig machen und ratlos zurücklassen. In Vorfreude darauf Nagys Gesicht zu sehen, wenn er die Tragweite seiner Information begreifen würde, begann Franz betont harmlos zu erzählen: »Ach, Herr Nárcisz. Ich hab da noch was. Ich habe Ermittlungen angestellt.« Nagy unterbrach: »Ermittlungen? Dann sind wir ja Kollegen. Heißt das, ich darf zum Duzen übergehen?« Franz ignorierte diese Unterbrechung: »Diese Dorina, die Bestandteil Ihrer, ähm, Ihrer Truppe ist. Sie war als Prostituierte registriert.« Franz genoss die Macht seiner Information. Jedes dieser Worte musste wie ein Hammerschlag auf Nagy wirken. Dessen Kartenhaus, mit dem er den Präsidenten beeindruckt hatte, brach nun vor seinen Augen zusammen. Franz fühlte sich in dieser Situation gerade sehr wohl. So wohl hatte er sich in der Gegenwart Nagys noch nie gefühlt.

Diese geheime Geheimpolizei ohne Namen war sinnvoll, jedoch nicht in den Händen von Leuten wie Nagy. Er selbst wäre dazu deutlich besser geeignet. Er hatte Erfahrung im Ministerium. Er hatte als ehemaliger Adeliger eine entsprechende Erziehung, Bildung und Selbstdisziplin. Er hatte Beziehungen und könnte sofort, also zumindest binnen einer Woche, eine Truppe aufstellen, die deutlich besser und schlagkräftiger war, als diese Leute, die Nagy um sich scharte. Nagys Truppe war für ihn doch gar keine Truppe, sondern ein Panoptikum.

Nagy lächelte. Er lächelte lange, ohne etwas zu sagen. Viel zu lange. Diese Information musste ihn doch aus der emotionalen Mitte bringen. Aber Nagy lächelte. Dabei hatte sich Franz auf alles, was Nagy sagen könnte, alles, womit Nagy sich rechtfertigen könnte, vorbereitet und freute sich darauf, seine Argumente zu bringen.

»Franz, also wenn sie wissen wollen, was ihr derzeitiger Preis ist oder ob ich Ihnen einen Termin oder gar einen besseren Tarif verschaffen kann, muss ich Sie enttäuschen. Fragen Sie Dorina bitte selbst.«

»Nein, also...«, antwortete Franz und war etwas aus dem Tritt geraten. »Also was?«, fragte Nagy scharf, »Also was?« Nagy ging ganz nahe zu Franz und dieser konnte den Champagneratem des Vorabends riechen. Nagy hielt Franz den Zeigefinger unter die Nase: »Sie wollen Dorina anklagen, weil sie als Prostituierte registriert war? Tatsächlich? Wenn alle Männer, welche die Dienste von Prostituierten in Anspruch nehmen, aus Ihrem Ministerium ausziehen müssten, wäre dieses leer!« Franz widersprach: »Das stimmt doch nicht!« Nagy redete sich nun richtig in Fahrt: »Sie haben natürlich recht, lieber Herr Franz. Das stimmt selbstverständlich nicht. Da gibt es diese zehn Prozent, die impotent sind. Die dürften dann bleiben.« Franz schüttelte den Kopf. Irgendwie lief dieses Gespräch nicht so, wie er es vorbereitet hatte. »Gut, zehn Prozent sind untertrieben«, lenkte Nagy ein, noch bevor Franz etwas erwidern konnte, »da gibt es zusätzlich drei bis fünf Prozent an Mitarbeitern, die auf Männer stehen und es nicht zugeben können, weil das Strafgesetz es ihnen verbietet.«

Franz stand da und schnappte nach Luft - wie ein Fisch, der aus dem Wasser gezogen wurde. Nagy lächelte ihn ruhig und freundlich an und wartete, bis Franz seine Gedanken sortiert und seine Stimme wiedergefunden hatte: »Ich war noch nie bei einer Prostituierten. Ich habe das nicht nötig.« Nagy lächelte immer noch. Dann sagte er leise: »Meinen Sie wegen Ihrer süßen Frau? Dorothea heißt sie, glaube ich. Oder meinen Sie wegen ihrer Geliebten Charlotte, die als Dienstmädchen bei Ihrem Vorgesetzten beschäftigt ist? Oder benutzen sie Charlotte nur, um an Informationen zugunsten Ihrer Karriere zu gelangen und nicht für ihre sexuelle Ausgeglichenheit?«

Franz riss die Augen auf und war sprachlos. »Woher,... woher wissen Sie?« Nagy stieß ihm den Zeigefinger in die Brust: »Unterschätzen Sie tatsächlich meine Kompetenz? Sie haben mir sieben verschiedene Aufträge im vergangenen Jahr...

Erscheint lt. Verlag 10.11.2020
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Krimi / Thriller / Horror
ISBN-10 3-7526-7868-2 / 3752678682
ISBN-13 978-3-7526-7868-0 / 9783752678680
Haben Sie eine Frage zum Produkt?
EPUBEPUB (Ohne DRM)
Größe: 703 KB

Digital Rights Management: ohne DRM
Dieses eBook enthält kein DRM oder Kopier­schutz. Eine Weiter­gabe an Dritte ist jedoch rechtlich nicht zulässig, weil Sie beim Kauf nur die Rechte an der persön­lichen Nutzung erwerben.

Dateiformat: EPUB (Electronic Publication)
EPUB ist ein offener Standard für eBooks und eignet sich besonders zur Darstellung von Belle­tristik und Sach­büchern. Der Fließ­text wird dynamisch an die Display- und Schrift­größe ange­passt. Auch für mobile Lese­geräte ist EPUB daher gut geeignet.

Systemvoraussetzungen:
PC/Mac: Mit einem PC oder Mac können Sie dieses eBook lesen. Sie benötigen dafür die kostenlose Software Adobe Digital Editions.
eReader: Dieses eBook kann mit (fast) allen eBook-Readern gelesen werden. Mit dem amazon-Kindle ist es aber nicht kompatibel.
Smartphone/Tablet: Egal ob Apple oder Android, dieses eBook können Sie lesen. Sie benötigen dafür eine kostenlose App.
Geräteliste und zusätzliche Hinweise

Buying eBooks from abroad
For tax law reasons we can sell eBooks just within Germany and Switzerland. Regrettably we cannot fulfill eBook-orders from other countries.

Mehr entdecken
aus dem Bereich
Roman

von Anne Freytag

eBook Download (2023)
dtv (Verlag)
14,99
Band 1: Lebe den Moment

von Elenay Christine van Lind

eBook Download (2023)
Buchschmiede von Dataform Media GmbH (Verlag)
9,49
Ein Provinzkrimi | Endlich ist er wieder da: der Eberhofer Franz mit …

von Rita Falk

eBook Download (2023)
dtv (Verlag)
14,99