Der Liebesbrief (eBook)

Roman
eBook Download: EPUB
2021 | 1. Auflage
480 Seiten
Aufbau Verlag
978-3-8412-2525-2 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Der Liebesbrief -  Ruth Saberton
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Wahre Liebe dauert ein Leben lang an - und darüber hinaus.

Nach einem Schicksalsschlag zieht die Künstlerin Chloe nach Cornwall, um sich in einem Cottage an den Klippen ein Atelier einzurichten. Der malerische Küstenort ist geprägt von dem charismatischen Dichter Kit Rivers, dessen Geschichte die Bewohner noch immer in Bann hält. Auch Chloe ist fasziniert von seinem Werk. Zusammen mit dem Historiker Matt beginnt sie nachzuforschen, was mit dem jungen Dichter in den Wirren des Ersten Weltkriegs geschah. Dann entdeckt Chloe das alte Tagebuch einer jungen Frau namens Daisy und findet heraus, dass Daisy und Kit ein düsteres Geheimnis verband - das plötzlich auch Chloes Leben zu verändern droht ...

Eine große Liebesgeschichte vor der atemberaubenden Kulisse Cornwalls - von einer neuen Meisterin des emotionalen Erzählens.



Ruth Saberton wurde in London geboren und lebt heute mit ihrer Familie in Cornwall. Obwohl sie weit gereist ist, gibt es für sie keinen Ort, der sich mit der rauen Schönheit dieser Küstenlandschaft messen kann. Hier findet sie immer wieder neue Inspiration für ihre Romane. In England gilt sie als absolute Bestsellerautorin. Uta Hege lebt mit ihrem Mann und ihrer Tochter in Saarbrücken. Mit dem Übersetzen englischer Titel hat sie ihre Reiseleidenschaft und ihre Liebe zu Büchern perfekt miteinander verbunden und ihren Traumberuf gefunden.

1

Chloe


Es ist seltsam, dass man vom alten Pfarrhaus direkt auf den Friedhof sehen kann. Natürlich standen die Grabsteine auch schon hier, als ich mir das Haus im Sommer zum ersten Mal angesehen habe. Es hätte mich also nicht überraschen sollen, sie jetzt beim Aufziehen der Vorhänge zu sehen. Ich hatte wohl einfach verdrängt, wie nah das alte Pfarrhaus von Rosecraddick am Friedhof steht. Bei meiner Besichtigung im Hochsommer mit all den bunt blühenden Blumen im Garten und dem blauen Meer, das sich am Fuß der Klippen brach, störten mich die Grabsteine jedenfalls deutlich weniger als jetzt, an diesem neblig grauen Novembertag. Damals war ich vor allem begeistert von der wunderbaren Aussicht auf das Wasser und die Klippen. Ich konnte vom Wohnzimmer aus bis auf die Landzunge, das Kriegerdenkmal und die Segelboote sehen, die am Horizont wie Perlen aufgefädelt waren, und durch das offene Fenster drangen der Gesang der Vögel und der süße Duft von Geißblatt herein. Ich habe mich sofort in diesen Ort verliebt, der völlig anders war als London mit seinen dicht befahrenen Straßen und den laut rumpelnden Lastwagen. Dies ist genau der richtige Ort für mich, ein Zufluchtsort, an dem ich vielleicht endlich Frieden finden kann.

Selbst an diesem düsteren Novembermorgen überträgt sich die tiefe Ruhe dieses Ortes auf mich. Ich hoffe nur, dass die Grabsteine mich nicht ständig daran erinnern werden, welchen Verlust ich erlitten habe.

Ich atme durch und versuche, es positiv zu sehen, wozu mir meine Therapeutin Pippa immer rät. Alles, was geschieht, hat auch sein Gutes, Chloe. Doch es fällt mir schwer, das zu glauben. Was soll gut daran sein, seinen Ehemann zu verlieren? Der Anblick von Neils Sachen oder der Gedanke, dass er den Riegel unseres Küchenfensters noch reparieren wollte, sind noch immer kaum auszuhalten. Auch mein Leben endete, als Neil starb.

Es sind vor allem die alltäglichen Dinge, die es mir so schwermachen. Wenn ich im Supermarkt stehe und erstarre, weil mir plötzlich klar wird, dass ich nie wieder eine Geburtstagskarte für ihn kaufen werde. Oder wenn ich staubsauge und eine verloren geglaubte Socke von Neil unter unserem Bett hervorziehe. Ich weiß nicht mehr, wie lange ich, die Socke an die Brust gedrückt, neben dem Bett saß und hemmungslos weinte. Irgendwann muss es Abend geworden sein, denn ich sah an der Wand die Lichter der Autos vorbeiziehen.

Wie konnte etwas so Reales wie die Liebe, die uns zwei verband, von einem auf den anderen Tag verschwinden? Das kann ich einfach nicht begreifen.

Vielleicht empfinden manche Menschen die Vertrautheit ihres Zuhauses als tröstlich, doch ich musste weg aus unserer gemeinsamen Wohnung. Alles dort erinnert mich an Neil. Die limettengrüne Wandfarbe unseres Flurs, die er ausgesucht und die ich von Anfang an verabscheut hatte. Das Gästezimmer, von dem wir hofften, wir würden es eines Tages zu einem Kinderzimmer umgestalten. In jedem Winkel dieser Wohnung lauerten Erinnerungen und Träume von einer Zukunft, die mir zusammen mit Neil genommen worden war. Ich konnte dort nicht mehr klar denken, nicht einmal mehr malen. Und da wurde mir klar, dass ich verschwinden musste.

Ich sehe den Leuten ihre Angst an, sie könnten etwas Falsches sagen und ich würde dann zusammenbrechen. Sie fühlen sich in meiner Gegenwart unwohl, hin und her gerissen zwischen Mitgefühl und der Erleichterung darüber, dass ihnen so ein Schicksalsschlag erspart blieb.

Neil und ich hatten einen großen Freundeskreis und haben viel zusammen unternommen, aber in den letzten zwei Jahren haben sich die meisten von ihnen zurückgezogen. Und wenn ich ehrlich bin, kann ich es den Leuten nicht einmal verdenken, denn ihr Leben geht einfach weiter seinen gewohnten Gang. Inzwischen haben sie Babys oder Kindergartenkinder. Ich passe seit Neils Tod einfach nicht mehr hinein.

Irgendwann fragte niemand mehr, wie es mir ging, oder klingelte spontan an meiner Haustür. Die Leute nahmen an, ich käme irgendwie zurecht. Und das tat ich auch, zumindest versuchte ich es in den ersten Monaten. Insgeheim aber haderte ich immer stärker mit dem Schicksal, ich konnte nicht mehr schlafen, nicht mehr essen, und sobald ich einen Skizzenblock zur Hand nahm, fühlten sich meine Finger schlaff wie Gummi an. Ein knappes Jahr hielt ich mich mühsam auf den Beinen, aber dann brach ich zusammen, und mein Hausarzt schrieb mich erst einmal krank.

Witwe. Wenn ich an eine Witwe denke, stelle ich mir eine alte Frau vor, die ihre Enkelkinder mit Süßigkeiten verwöhnt. Sie blickt auf ein glückliches Leben an der Seite ihres Ehemannes zurück, mit dem sie sich alle Träume erfüllte. Eine Witwe sollte, wenn sie nachts wach liegt, einen unerschöpflichen Vorrat glücklicher Erinnerungen haben. Eine Witwe sollte nicht erst zweiunddreißig Jahre alt sein und ihren Mann nach nur drei gemeinsamen Jahren verloren haben, die einfach nicht ausreichen, um sich der Leere, die sich nun vor ihr ausbreitet, zu stellen.

Mir wurde klar, ich brauche einen Neuanfang. An einem Ort, an dem ich mich noch einmal neu erfinden kann und an dem niemand meine Vergangenheit kennt.

»Ist mit dem Haus alles in Ordnung?«

Die Maklerin steht in der Tür und sieht mich verunsichert an.

Ich lächele entschuldigend. »Tut mir leid, ich war in Gedanken. Irgendwie hatte ich das Haus etwas anders in Erinnerung.«

Sie beißt sich auf die Lippe und sagt verlegen: »Natürlich ist es nicht in allerbestem Zustand, es ist schon seit einer ganzen Weile unbewohnt. Und hier in Cornwall tut es den Häusern nicht gut, wenn sie länger leer stehen.«

Ihre Strumpfhose hat eine Laufmasche, und ihr Kostüm sieht ein wenig abgetragen aus. Das Clipboard mit den Unterlagen zittert leicht in ihren Händen. Wahrscheinlich ist sie eine Angestellte des Büros in Truro und soll dafür sorgen, dass ich unterschreibe, bevor mein gesunder Menschenverstand mir rät, die Beine in die Hand zu nehmen, weil man hier unmöglich den Winter verbringen kann. Aber meine Wohnung ist verkauft, und wenn ich dieses Haus nicht nehme, müsste ich zu meinen Eltern ziehen.

Es ist kein Wunder, dass das alte Pfarrhaus noch zu haben ist. Die Lage und die Aussicht sind phantastisch, doch der betagte Herr, dem es gehört, lebt im Pflegeheim und hat anscheinend in den letzten vierzig Jahren keinen Penny in die Renovierung investiert. Als Feriendomizil für Urlauber ist es nicht hübsch genug, doch es würde sich bestimmt ein Yuppie aus der Großstadt finden, der es kauft, um dann der Haustür einen salbeigrünen Anstrich zu geben und in den Räumen kitschige Segelboote und Skulpturen aus Treibholz zu verteilen. Aber trotz des halb verfallenen Zustands und des nahen Friedhofs hat das alte Pfarrhaus einen ganz besonderen Charme. Und ich weiß, ich will dort leben. Immer noch.

»Es ist wunderschön«, erkläre ich und bemerke die Erleichterung im Gesicht der Maklerin. Wenn mir etwas an Komfort, einer Zentralheizung und einer funktionierenden Dusche läge, hätte ich meine Wohnung nicht verkauft. Aber ich tausche meine schmerzlichen Erinnerungen gerne gegen Badezimmerfliesen in der Farbe überreifer Avocados und Velourstapeten.

»Ich weiß, dass Mr Sargent in den letzten Jahren die Dinge etwas hat schleifen lassen, aber die Aussicht ist phantastisch, finden Sie nicht auch?« Inzwischen sieht die Maklerin zufrieden aus. »Das neue Pfarrhaus ist nicht halb so schön wie dieses hier. Sie wussten früher einfach, wie man Häuser baut, nicht wahr?«

»Auf jeden Fall. Und diese Aussicht ist genau das, was ich wollte«, pflichte ich ihr bei und überlege, ob ich noch was sagen soll.

»Sobald Sie Ihre eigenen Sachen haben, finden Sie es hier bestimmt gemütlich«, fährt die junge Frau optimistisch fort. »Die Kamine sind gefegt, und wenn der Holzofen erst in Betrieb ist, wird es hier richtig behaglich.«

Behaglich ist es in dem Haus bisher beim besten Willen nicht. Es riecht abgestanden, nach allzu lang verschlossenen Räumen. In dunklen Ecken schlummern unter staubigen Tüchern längst vergessene Möbel, die Vorhänge an den Fenstern sind bis auf einen geschlossen, und im Zimmer ist es kalt.

Es ist so still im Haus, dass ich hören kann, wie sich in der Bucht unterhalb des Grundstücks die Wellen an den Felsen brechen, und die wehmütigen Klagerufe einer Möwe, die einsam am Himmel schwebt. Bei der Besichtigung im Sommer drang eine milde Brise durch die aufgerissenen Fenster und trug den frischen Salzgeruch des Meers herein. Die Sonne malte honiggelbe Flecken auf den Holzboden. Ich hatte mir gar keine Gedanken darüber gemacht, wie es hier wohl im Winter sein würde.

»Ist es okay, wenn ich ein paar Möbel verrücke und ein bisschen ausmiste?«, erkundige ich mich. Das Haus ist voll mit altem Plunder.

»Sie können hier tun und lassen, was Sie wollen. Mr Sargent hat alles, was ihm wichtig war, mit ins Pflegeheim genommen und uns eine Genehmigung erteilt, zu entrümpeln und wegzuwerfen, was nicht mehr gebraucht wird. Ehrlich gesagt, sind leere Häuser viel leichter zu vermieten, aber um dieses hier auszuräumen, bräuchten wir ein ganzes Team. Mr Sargent weiß, dass er nicht mehr hierher zurückkehren wird.« Die junge Frau macht eine Pause und runzelt die Stirn. »Das muss sehr traurig für ihn sein, denken Sie nicht auch?«

»Sehr«, stimme ich ihr zu, während mein Herz sich für den unbekannten alten Mann zusammenzieht, der in dem Wissen von hier fortgegangen ist, dass er nie mehr nach Hause kommen wird.

»Allmählich wird es kalt. Am besten erledigen wir den Papierkram im...

Erscheint lt. Verlag 15.2.2021
Reihe/Serie Die Pencallyn Geheimnisse
Übersetzer Uta Hege
Sprache deutsch
Original-Titel The Letter
Themenwelt Literatur Historische Romane
Literatur Romane / Erzählungen
Schlagworte Anna Romer • Cornwall • Downton Abbey • England • Erster Weltkrieg • Familiengeheimnis • geheimes Tagebuch • Geheimnis • Herrenhaus • Historischer Roman • Jojo Moyes • Künstlerin • Küste • Liebe • Liebesbrief • Liebesgeschichte • Lucinda Riley • Schicksalsschlag • tragische Liebe • zwei Zeitebenen
ISBN-10 3-8412-2525-X / 384122525X
ISBN-13 978-3-8412-2525-2 / 9783841225252
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