Das Haus der Winde (eBook)

Asta Nielsen und ein Sommer auf Hiddensee

(Autor)

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2021 | 1. Auflage
304 Seiten
Aufbau digital (Verlag)
978-3-8412-2724-9 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Das Haus der Winde - Sylvia Frank
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Eine Liebe auf Hiddensee.

Juni 1934: Die dänische Schauspielerin Asta Nielsen will den Sommer auf Hiddensee verbringen. Eine schmerzliche Trennung liegt hinter ihr, und sie ist in Sorge um ihren Freund Joachim Ringelnatz, dem die Nazis Auftrittsverbot erteilt haben. Doch der Zauber der Insel Hiddensee wirkt, und Asta verbringt unbeschwerte Sommertage voller Leichtigkeit. Als sie bei einem Bootsausflug in Seenot gerät, kommt Kai, einer der Fischer, ihr zu Hilfe. Die beiden verlieben sich ineinander, doch eines Tages bestellen hohe Nazi-Funktionäre Asta nach Berlin ein und machen ihr ein Angebot. Sie fällt eine Entscheidung, die ihr Leben für immer verändern wird - und ihre Liebe zu Kai ...

Eine tragische Liebesgeschichte und ein unvergesslicher Sommer mit Asta Nielsen - erzählt nach wahren Begebenheiten.



Sylvia Frank ist das Pseudonym eines erfolgreichen deutschen Schriftstellerehepaares, das auf der Insel Rügen lebt. Sylvia Vandermeer, geboren 1968, studierte Biologie, Psychologie und Bildende Kunst. Heute ist sie freiberuflich als Schriftstellerin und Malerin tätig. Frank Meierewert, geboren 1967, ist promovierter Ethnologe und seit 2016 als freier Autor tätig.

Im Aufbau Taschenbuch ist von ihnen lieferbar: »Das Haus der Winde«, »Gala und Dalí - Die Unzertrennlichen« sowie »So long, Marianne - Leonard Cohen und seine große Liebe«.

Mehr Informationen unter https://sylviafrank.myportfolio.com/home

1


Berlin, 1934

Die Lilien dufteten stark und süß. Asta Nielsen trat mit einem Arm voller Blumen, die an den Stängeln wippten, hinter den Vorhang. Es sah aus, als schwebte ihr Gesicht über den zarten Blütenköpfen.

Ihre zahllosen Verehrer kannten ihre Vorliebe für weiße Lilien und kauften sie bei den Blumenhändlern am Kurfürstendamm rund um das Theater.

Sie ließ sich von Gudrun, ihrer Ankleidedame, in die Garderobe begleiten, dicht gefolgt von einem Pulk Presseleuten, die sich hinter ihr im Korridor eng aneinander drängten und ihr Fragen stellten.

»Frau Nielsen, was sind Ihre Pläne nach der Sommerpause …«, rief einer aus dem Hintergrund, ein anderer fragte: »Wann gibt es einen neuen Film?«

Um sie herum explodierten grelle Lichtblitze, und die Glasscherben der abgebrannten Birnen bedeckten bald den Boden und knirschten unter den Sohlen der Männer.

Erschöpft betrat Asta den halbdunklen Raum, hielt inne und vernahm erleichtert, wie Gudrun hinter ihnen energisch die Tür schloss. Es dauerte eine Weile, dann entfernten sich hastig die Schritte, und der Lärm verebbte.

Die Garderobiere nahm ihr die Blumen ab, gab sie in eine Vase und stellte sie auf den Tisch in der Mitte des Raums zu den anderen Sträußen.

Asta wartete geduldig, bis Gudrun wieder neben sie trat und geschickt begann, mit einer liebevollen, geradezu mühelos wirkenden Beharrlichkeit die Klammern in ihrem Haar zu lösen und das Hütchen von ihrem Kopf zu nehmen. Ohne Eile drapierte sie es in eine Schachtel und kam zurück, um am Rücken den Reißverschluss ihres Bühnenkleides zu öffnen. Keine der beiden Frauen verlor dabei ein Wort. Asta mochte die stumme, eingespielte Choreographie des Entkleidens. Sie gab ihr die Möglichkeit, wieder ein Gespür für die Wirklichkeit zu bekommen, die Rolle, die sie auf der Bühne spielte, wie eine fremde Haut abzustreifen.

Der Stoff raschelte, als Asta aus dem Kleid stieg und einen Schritt zur Seite tat. Dabei fiel ihr Blick auf den großen Ankleidespiegel, und das, was sie sah, gefiel ihr. Sie war zweiundfünfzig, gerade mal zweiundfünfzig, und immer noch war sie schlank und beinahe unnatürlich gesund. Ihre Schenkel straff und fest, und die Haut sah frisch und rosig aus. Sie fühlte sich noch genauso gut wie damals in Dänemark, als sie mit einundzwanzig Jahren im Dagmar-Theater in Kopenhagen debütiert hatte.

Gudrun hielt ihr den Bademantel auf, und Asta schlüpfte hinein. Anschließend setzte sie sich an den Schminktisch, der von einer Reihe kleiner Lämpchen erhellt wurde, und zog das Kästchen mit der Abschminkwatte zu sich heran.

Es klopfte.

Sie hob fragend den Kopf. »Gudrun, könnten Sie bitte nachsehen?«

Die Ankleidedame ging zur Tür und öffnete sie einen Spalt. Dann drehte sie sich zu ihr um, und Asta sah die Ratlosigkeit auf ihrem Gesicht. »Frau Nielsen, ich …«

Aber in diesem Augenblick wurde die Tür bereits aufgeschoben, und ein Mann betrat die Garderobe. Er trug einen dunklen Mantel über seinem Anzug, den Hut hielt er an der Krempe in der linken Hand. Über einem exakt gebundenen Krawattenknoten erkannte Asta sein energisches Kinn, darüber ein sinnlicher Mund und grüne Augen, die jetzt aufmerksam auf sie gerichtet waren. Das immer noch volle dunkle Haar, von ersten Silberfäden durchzogen, hatte er elegant zurückgekämmt.

»Hallo Asjenka.«

Asta hielt den Atem an, ihr Herz pochte plötzlich so laut, dass sie glaubte, er könnte es hören. Vor ihr stand Grigori Chmara.

Sie hatte ihn vor zehn Jahren auf einer Gesellschaft ihres Freundes Georg Brandes getroffen. Die russischen Emigranten standen damals hoch im Kurs in Berlin. Überall öffneten russische Lokale, Balalaikaklänge erfüllten die Luft, und bärtige Kosaken geleiteten die Gäste, die in Scharen in die Restaurants strömten, an die Tische, Patronengurte um die Hüften geschlungen.

In ihrer Erinnerung hockte Grischa auf der breiten Lehne eines alten, wuchtigen Sofas. Die Ärmel seines Hemdes hochgekrempelt, spielte er auf einer perlmutteingelegten Gitarre. Er sah gut aus, war überaus charmant, sogar amüsant, wenn er nicht mit einer den Russen eigenen Verbissenheit über Dostojewski philosophierte; und was noch wichtiger war, er war durch und durch ein Theatermensch, genauso wie sie getrieben von dem Verlangen nach Kunst und Schönheit. Unverhofft war er damals ihr Lebens- und Filmpartner geworden.

Dann hatte er sie verlassen.

»Du sagst gar nichts«, bemerkte Grigori.

Asta atmete langsam aus. »Was soll ich denn sagen? Nach fast einem Jahr«, fragte sie betont gleichgültig, während sich ihre Finger fest um ein Watteknäuel schlossen. Noch immer setzte ihr Grigoris Abschied mehr zu, als sie zuzugeben bereit war. Sie hatte die Erklärungen in seinem Brief nur widerwillig hingenommen, was sollte sie auch anderes tun.

»Na ja, zum Beispiel könntest du mich fragen, wie es mir geht.

Oder du sagst mir, wie gut ich aussehe … oder dass du mich nie wiedersehen willst.«

Ihre Blicke trafen sich im Spiegel. »Ich habe nie über ein Wiedersehen nachgedacht«, entgegnete Asta bestimmt und griff nach dem Topf mit der Vaseline. »Das ist ein Unterschied.«

Sie fuhr mit den Fingern in die Masse hinein und verteilte diese auf ihrem Gesicht.

Grigori grinste. »Na wenigstens kennst du mich noch. Wie schön.«

Asta wischte sich die Hände ab. Die Vaseline musste kurz einwirken.

»Im Gegensatz zu dir vergesse ich nicht so schnell jemanden.« Sie schob den Stuhl mit den Kniekehlen zurück und erhob sich. »Willst du etwas trinken?«

Sie wartete die Antwort nicht ab, sondern schritt zum Tisch, nahm die Flasche aus dem Sektkübel und goss sich selbst Champagner ein. »Ich jedenfalls trinke jetzt was.«

Sie nippte am Glas und ging zurück an ihren Platz. »Gudrun?«

Die Ankleidedame kam hinter einem Paravent hervor.

»Ja, Frau Nielsen.«

»Das ist alles für heute. Sie können gehen.«

»Vielen Dank, Frau Nielsen.« Sie nahm das Kleid und die Hutschachtel und verließ mit einem angedeuteten Knicks den Raum.

Asta begann sich mit der Watte die Vaseline von der Stirn zu wischen. »Wo warst du?«, fragte sie ihn.

»In Paris.«

Sie erinnerte sich, dass er dorthin hatte gehen wollen, weil er der Meinung war, dass es seiner Karriere gut tun würde.

Sie legte den verschmierten Wattebausch zur Seite und nahm einen neuen. »Seit wann bist du zurück?«

»Seit ein paar Tagen.«

Sie hielt in der Bewegung inne und musterte ihn. »Für länger?«

Grigori zog einen Stuhl zu sich heran und setzte sich. »Das kommt darauf an …«

Ihre Blicke trafen sich wieder im Spiegel. »Warum wolltest du mich sehen?«, fragte Asta.

Grigori legte den Hut auf die Tischplatte. »Dafür gibt es zwei Gründe. Ich wollte dich spielen sehen.«

»Und?«

»Du warst großartig. Das Stück ist dir wie auf den Leib geschrieben.«

»Findest du?« Asta fuhr mit der Watte um die Augen herum.

»Und was ist der andere Grund?«

Grigori zögerte. »Der andere Grund ist … Wir beide sollten morgen Abend zusammen essen gehen.«

Asta setzte die Hand ab. »Essen gehen?«

Sie sah im Spiegel, wie sich Grigori erhob, und spürte, wie er hinter sie trat und ihr die Hände auf die Schultern legte.

Vorsichtig begann er sie zu massieren.

Sie schloss die Augen und legte den Kopf leicht zurück, als lausche sie Musik. Wie vertraut ihr seine Hände nach all der Zeit immer noch waren.

Plötzlich hämmerte es energisch an der Tür. »Grigori!«, ertönte die verärgerte Stimme einer Frau mit unverkennbar russischem Akzent, begleitet von weiterem Klopfen. »Verdammt, wie lange dauert das denn noch?«

Astas Oberkörper schnellte hoch, während Grigori einen langen Schritt zurück tat.

»Raus mit dir!«, zischte Asta und ballte die Fäuste.

Er zögerte und stand jetzt still da. »Asta, ich …«

Sie nahm das Glas Champagner, drehte sich um und schüttete es ihm ins Gesicht. »Raus hier! Sofort.«

Er starrte sie an, während er ein Taschentuch aus der Manteltasche nestelte und sich das Gesicht trocken tupfte. Dann wandte er sich wortlos ab und nahm seinen Hut.

»Bist du dieses Jahr wieder auf Hiddensee?«, fragte er unvermittelt, als er schon die Tür erreicht hatte.

Asta funkelte ihn an. »Wag es ja nicht, dort aufzukreuzen!«

Abwehrend hob er die Hände. »Nein. Keine Sorge.« Er setzte den Hut auf. »Ich dachte nur an den letzten Sommer, den wir dort …«

Er brach ab und legte die Hand auf die Klinke.

Plötzlich war alles wieder da. Damals war Asta überzeugt gewesen, dass die letzten zehn Jahre mit Grigori die bedeutendsten und erfülltesten ihres Lebens waren, aber als sie genauer zurückschaute, stellte sie mit Verblüffung fest, dass sie einen Teil dieser »besten Jahre« damit zugebracht hatte, unglücklich zu sein. Hatte sie ihr Lebensglück für die Schauspielerei geopfert? Alles änderte sich so plötzlich. Neue Regisseure kamen, wollten nur mit ihr, dem Filmstar, drehen. Während ihr Stern immer heller strahlte, war seiner verloschen. Andauernd kam es deshalb zum Streit, was am Ende zum Zerwürfnis führte.

»Auf Wiedersehn, Asjenka,« sagte er leise und...

Erscheint lt. Verlag 15.3.2021
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Historische Romane
Literatur Romane / Erzählungen
Schlagworte Asta Nielsen • Familienroman • Familiensaga • Hiddensee • Historischer Roman • Insel • Joachim Ringelnatz • Karusel • Norddeutschland • Ostsee • roman skandinavien • Rügen • Seebad • Sommer • Sommerbuch • Stummfilm
ISBN-10 3-8412-2724-4 / 3841227244
ISBN-13 978-3-8412-2724-9 / 9783841227249
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