Ewiger Schlaf (eBook)

(Autor)

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2020 | 1. Auflage
444 Seiten
Aufbau digital (Verlag)
978-3-8412-2452-1 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Ewiger Schlaf - Greg Iles
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Der Geologe John Waters führt ein glückliches Leben mit Frau und Kind in Natchez, Mississippi. Das war nicht immer so, denn Jahre zuvor drohte ihn die obsessive Affäre zu einer anderen Frau zu vernichten. Doch die Frau verschwand und fand einen schrecklichen Tod in New Orleans. Nun, zehn Jahre später, macht John die Bekanntschaft der attraktiven Immobilienmaklerin Eve Sumner, einer Frau, die offenbar jedes Detail aus seiner bewegten Vergangenheit zu kennen scheint. Als auch Eve ums Leben kommt, wird der Geologe in einen Strudel aus Hass und Gewalt verwickelt, der ihn an den Rand des Wahnsinns bringt...



Greg Iles wurde 1960 in Stuttgart geboren. Sein Vater leitete die medizinische Abteilung der US-Botschaft. Mit vier Jahren zog die Familie nach Natchez, Mississippi. Mit der »Frankly Scarlet Band«, bei der er Sänger und Gitarrist war, tourte er ein paar Jahre durch die USA. Mittlerweile erscheinen seine Bücher in 25 Ländern. Greg Iles lebt heute mit seiner Frau und seinen beiden Kindern in Natchez, Mississippi. Fünf Jahre hat er kein Buch herausgebracht, da er einen schweren Unfall hatte, nun liegen im Aufbau Taschenbuch seine Thriller 'Natchez Burning', 'Die Toten von Natchez vor', 'Die Sünden von Natchez' und 'Blackmail' vor.

1


Eve Sumner erschien am ersten Herbsttag. Nicht am kalendarischen Herbstanfang – nichts an Eve war regelkonform-, sondern am ersten Tag, an dem die Luft so kalt war, dass sie durch den Stoff von John Waters’ Hemd drang. Es war kühl genug, um eine Jacke zu tragen, doch Waters verzichtete darauf, weil es so lange unglaublich heiß gewesen war, weil die Luft nach Metall schmeckte und sein Herz schneller schlug, angetrieben vom Temperaturumschwung und dem verringerten Druck auf seiner Haut, wie bei einem Höhenwechsel. Seine Schritte waren leichter, der Wind trug ihn vorwärts, und tief in seiner Brust regte sich etwas, so wie die Hirsche sich tief in den Wäldern regten und die Blätter an den Zweigen flatterten. Schon bald würden die Jäger den Hirschen zwischen den Eichen auflauern und sie erlegen, und die Blätter würden zu Haufen zusammengekehrt und verbrannt, doch am heutigen Tag war noch alles offen, verharrte in einem Augenblick der Erwartung oder einem Atemholen. Und mit dem ersten Ausatmen kam Eve Sumner.

Sie stand an der gegenüberliegenden Seitenlinie des Fußballfeldes, zu weit entfernt, als dass Waters sie richtig sehen konnte. Zunächst nahm er sie auf die gleiche Weise wahr wie all die anderen Väter: als Silhouette, die seinen Blick auf sich zog – weibliche Kurven und eine Mähne dunklen Haares, die bei den Müttern zu beiden Seiten des Fußballfelds irrationale Verärgerung hervorrief. Aber mehr bemerkte Waters nicht. Er hatte keine Zeit; er trainierte die Mannschaft seiner Tochter.

Die siebenjährige Annelise rannte über das Meer aus Gras und warf sich, die Blicke fest auf den Ball geheftet, zwischen achtjährige Jungen, die beinahe doppelt so groß waren wie sie. Waters trabte am Spielfeldrand neben den Mannschaften her und feuerte sein Team an. Er bewegte sich leicht und geschmeidig für sein Alter und seine Statur – er hatte vor einem Jahr die vierzig überschritten und war gut einsfünfundachtzig groß- und lief schnell genug, um am nächsten Morgen Muskelkater zu bekommen. Aber er mochte dieses Gefühl. Es zeigte ihm, dass er immer noch voller Schwung war. Stolz beobachtete er Annelise: Letztes Jahr war seine Tochter noch ein schüchternes kleines Mädchen gewesen, das sich fürchtete, dem Ball zu nahe zu kommen, doch seit diesem Jahr, seit ihr Vater Trainer war, hatte sie gewaltig an Selbstvertrauen gewonnen. So jung sie auch war – sie lernte jetzt schon Lektionen, von denen sie im späteren Leben profitieren konnte.

»Der Ball ist aus!«, rief Waters. »Blau hat den Ball.«

Während das gegnerische Team den Ball zum anderen Ende des Fußballfelds spielte, fühlte Waters fremde Blicke auf sich ruhen wie Finger auf der Haut. Er wurde beobachtet, und das nicht nur von den Kindern und deren Eltern. Als Waters zum gegenüberliegenden Spielfeldrand schaute, sah er direkt in die Augen der dunkelhaarigen Frau. Sie waren tief und dunkel wie ihr Haar, blickten klar und zielgerichtet. Waters wandte rasch den Blick ab, doch das Bild hatte sich in sein Hirn eingebrannt: dunkle, wissende Augen, die sich mit Männerseelen auskannten.

Noch stand es unentschieden, und Waters wusste, dass die Spielzeit bald um sein würde. Brandon Davis, der achtjährige Spitzenspieler seiner Mannschaft, führte den Ball mit den Fußspitzen, kontrollierte ihn geschickt, fädelte ihn sicher durch die Beine der Gegner. Waters sprintete an der Seitenlinie los, um zu Brandon aufzuschließen. Annelise lief dicht hinter Brandon und versuchte, sich in Position zu bringen, damit er sie anspielen konnte, sobald sie sich dem gegnerischen Tor näherten. Als Brandon einen kraftvollen Schuss aufs Tor abgab, sprintete Annelise instinktiv nach rechts. Der Ball prallte von den Schienbeinen des Torhüters ab, zurück zu Brandon. Er wollte schon ein zweites Mal schießen, als er Annelise auf der rechten Spielfeldseite sah. Er schlenzte den Ball in ihre Schusslinie – womit er zeigte, dass er zu den wenigen Jungen gehörte, die es auch genießen können, indirekt an einem Erfolg beteiligt zu sein. Annelise war beinahe zu überrascht von Brandons Selbstlosigkeit, um zu reagieren, doch im allerletzten Moment schoss sie den Ball am Torhüter vorbei ins Netz.

Ein Freudenschrei ging durch die Zuschauermenge. Waters hörte, wie die Stimme seiner Frau alle anderen übertönte. Er wusste, dass er Annelise eigentlich nicht bevorzugen sollte, aber er konnte nicht anders: Er rannte aufs Feld und drückte sie an seine Brust.

»Ich hab getroffen, Daddy!«, rief Annelise, und ihre Augen funkelten vor Stolz und Erstaunen. »Ich hab ein Tor geschossen!«

»Und was für eins.«

»Brandon hat mir den Ball zugespielt!«

»O ja.«

Waters merkte, dass Brandon hinter ihm stand. Er drehte sich halb um, ergriff die Hand des Jungen und hob dessen Arm zusammen mit dem Annelises in die Höhe, um auf diese Weise allen zu zeigen, dass das Verdienst am Treffer beiden gebührte.

»Okay, zurück in die Verteidigung!«, rief er.

Seine Mannschaft rannte zum eigenen Tor, um dort wieder Aufstellung zu nehmen, doch der Trainer der Gegenmannschaft schob sich die Pfeife zwischen die Lippen und blies hinein, und der schrille Pfiff beendete das Match.

Die Eltern von Waters’ Spielern strömten aufs Spielfeld, um den Kindern und deren Trainer zu gratulieren und den Sieg zu bejubeln. Waters’ Frau Lily trug die Kühlbox heran, in der sich die Leckerbissen für nach dem Spiel befanden: isotonische Getränke und Schokoladenkekse. Als Lily die Kiste auf den Boden setzte und den Deckel abhob, wirbelte ein Tornado aus Körpern um sie herum, der ihr die Flaschen und Tüten aus den Händen riss. Lily lächelte aus dem lärmenden Chaos ihren Mann an, zeigte ihm stumm ihren Stolz auf Annelise, während der glückliche Vater eines Jungen Waters auf die Schulter klopfte. Lilys Augen waren kornblumenblau, und ihr Haar, das ihr bis auf die Schultern fiel, glänzte golden. In Augenblicken wie diesem sah sie noch genauso aus wie an der Highschool, wo sie an Langstreckenläufen teilgenommen und die Konkurrenz weit hinter sich gelassen hatte. Ein Glücksgefühl erfüllte Waters inmitten dieser Collage aus erhitzten Gesichtern, Grasflecken, aufgeschürften Knien und dem abgebrochenen Zahn des kleinen Jimmy O’Brien, der jetzt wie ein Artefakt aus einer historischen Schlacht von Hand zu Hand gereicht wurde.

»Was für eine Saison, John!«, sagte Brandon Davis’ Vater. »Nur noch ein Spiel.«

»Heute war ein toller Tag.«

»Wie fandest du Brandons Pass zu deiner Tochter?«

»Brandon hat einen guten Riecher.«

»Kann man wohl sagen«, sagte Davis. »Der Junge hat eine große Zukunft. Warte nur, bis er alt genug fürs AYA-Team ist.«

Waters fühlte sich bei solchen Gesprächen unwohl. In Wahrheit kümmerte es ihn wenig, ob die Kinder siegten oder eine Niederlage einstecken mussten. In ihrem Alter ging es in erster Linie um den Spaß und das Gemeinschaftsgefühl – was vielen Eltern jedoch entging.

»Ich muss den Ball holen«, sagte Waters, um das Gespräch zu beenden.

Er lief zu der Stelle, wo der Ball beim Abpfiff liegen geblieben war. Eltern der gegnerischen Spieler nickten ihm auf dem Weg zu ihren Autos anerkennend zu, und ein Gefühl der Kameradschaft überkam ihn. Diese grüne, rechteckige Raseninsel mit den weißen Seiten-, Tor- und Mittellinien war jener Ort, an dem heute das Herz von Natchez schlug – einer Stadt mit 20.000 Einwohnern, geschichtsträchtig, aber ohne Zukunftsperspektiven. In Waters’ Jugend hatten in den Wohnsiedlungen in der Gegend weiße Fabrikarbeiter gelebt; heute waren hier fast ausschließlich Schwarze zu Hause, was diese Gegend vor zwanzig Jahren zur Tabuzone gemacht hätte. Heute jedoch spielten auch schwarze Kinder in Waters’ Fußballmannschaft – ein Zeichen für eine Veränderung, die so tief greifend war, dass nur Menschen, die sie miterlebt hatten, ihre Bedeutung wirklich verstanden.

Gedankenversunken ließ Waters den Blick in die Runde schweifen. Die Leere, die er dabei verspürte, erinnerte ihn an das Gefühl, als einmal ein prächtiger Vogel direkt vor seinem Bürofenster gelandet war: ein Kardinal. Als Waters sich das Tier genauer anschauen wollte, hatte er rasches Flügelschlagen gehört; dann war die Stelle vor dem Fenster leer gewesen. Jetzt hielt Waters Ausschau nach der dunkelhaarigen Frau, doch sie war fort.

Er hob den Ball auf und lief zurück zu seinem Team, das auf einen abschließenden Kommentar wartete.

»Ihr habt sehr gut gespielt«, sagte Waters und sah die Kinder an, während die Eltern jubelten. »Jetzt bleibt nur noch ein Spiel, und ich bin sicher, wir werden gewinnen. Doch ob wir nun siegen oder verlieren – ich nehme euch alle hinterher mit zu McDonald’s, auf ein Happy Meal und ein Eis!«

»Jaaa!«, riefen elf Stimmen zugleich.

»Und jetzt ab nach Hause. Macht eure Schularbeiten.«

»Buuuh!«

Die Eltern lachten und lotsten ihre Kinder zu ihren Vans, Pick-ups und Pkws.

»Zum Schluss hast du es total vermasselt, Dad«, sagte Annelise.

»So viele Hausaufgaben hast du doch gar nicht.«

»Aber die Drittklässler haben eine...

Erscheint lt. Verlag 8.12.2020
Reihe/Serie Greg Iles Bestseller Thriller
Greg Iles Bestseller Thriller
Übersetzer Bianca Güth
Sprache deutsch
Original-Titel Sleep no more
Themenwelt Literatur Krimi / Thriller / Horror Krimi / Thriller
Literatur Romane / Erzählungen
Schlagworte Affäre • Mord • Todesfall • Verfolgung • Vergangenheitsbewältigung
ISBN-10 3-8412-2452-0 / 3841224520
ISBN-13 978-3-8412-2452-1 / 9783841224521
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