Langeooger Gier. Ostfrieslandkrimi (eBook)
200 Seiten
Klarant (Verlag)
978-3-96586-272-2 (ISBN)
Die Aufregung auf der ostfriesischen Insel Langeoog ist groß, als eines Morgens der Strand voller angeschwemmter Schuhe ist. Dabei handelt es sich um nagelneue Ware, die einer der vorbeiziehenden Frachter mitten in der Nacht auf offener See verloren haben muss. Gierig fallen die Urlauber darüber her. Die Inselkommissare Gerret Kolbe und Rieke Voss werfen einen belustigten Blick auf das Geschehen und ahnen noch nichts Böses. Aber das lässt nicht lange auf sich warten. Etwas weiter, an Langeoogs Ostende, wurde nämlich ein beschädigter Container angespült. Einige Insulaner beharren vehement auf ihr altes Seefahrer- und Friesenrecht, wonach jegliches angespülte Strandgut den Inselbewohnern gehört. Zunächst gelingt es Kolbe mit diplomatischem Geschick, eine Plünderung und Eskalation zu verhindern, doch schon am nächsten Morgen haben die Ermittler eine Leiche...
Marc Freund wuchs in Osterholz auf, direkt an der Ostseesteilküste gelegen, die schon von Kindesbeinen an eine große Faszination auf ihn ausübte. Und so spielen viele seiner Geschichten am Meer, dem er sich sehr verbunden fühlt. Regelmäßig zieht es den Krimiautor auch auf die andere Seite der Küste - an die Nordsee. Derzeit vor allem auf die bezaubernden Inseln Langeoog und Spiekeroog, wo seine Ostfrieslandkrimis spielen.Seit 2010 ist Marc Freund für verschiedene Verlage tätig. Daneben wurde er auch als Hörspielautor bekannt. Weit über 300 Veröffentlichungen für die unterschiedlichsten Reihen und Serien gehen bisher auf sein Konto.
Kapitel 2
Der Rest der Nacht lief ereignislos. Keine Träume, keine Stimmen. Dieser Zustand hielt bis um sechs Uhr morgens an.
Kolbe war mit dem ersten Signalton seines Weckers wach. Mit traumwandlerischer Sicherheit langte er aus dem Bett und stellte den kleinen Quälgeist ab.
Kolbe fuhr sich mit den Händen über sein Gesicht und wischte sich den Schlaf und die Eindrücke der letzten Nacht weg.
Er stand auf und begab sich in das Badezimmer, das sich auf der anderen Seite des Flurs im ersten Stock befand.
Irgendwo im Haus, vermutlich unten in der Küche, spielte leise ein Radio.
Kolbe wusch und rasierte sich, kleidete sich an und eilte trotz der nächtlichen Unterbrechung einigermaßen ausgeruht die Treppe hinunter.
Ein Blick ins gemütliche Esszimmer zeigte ihm, dass er heute wieder alleine würde frühstücken müssen. Bente Franzen und der Professor waren wieder einmal schneller gewesen. Ihre Gedecke waren bereits abgeräumt. Nicht ein einziges Krümelchen zeugte davon, dass hier heute Morgen schon jemand gesessen hatte. Und nicht nur das: Es schien, was durchaus ungewöhnlich war, überhaupt niemand im Haus zu sein.
Auf dem Tisch stand ein Stövchen, darauf eine große, bauchige Kanne mit Friesenmuster. Das kleine Teelicht darunter züngelte unruhig und warf hektische Muster auf die saubere Tischdecke.
Hinter Kolbes Frühstücksteller, gegen das Glas mit selbst gemachter Erdbeermarmelade gelehnt, befand sich ein Zettel.
Der Kommissar griff danach und las. Bente Franzen teilte ihm mit, dass sie und der Professor draußen am Strand waren.
»Das sollten Sie sich unbedingt ansehen«, lautete der letzte Satz. Kolbe ließ den Zettel auf die Tischdecke fallen, setzte sich und griff automatisch nach dem Korb, in dem sich frische Brötchen befanden. Kolbe führte die Bewegung nicht zu Ende, da sein Blick wieder auf Bente Franzens geschwungene Handschrift fiel.
Seine rechte Hand verharrte in der Luft, während er die wenigen Zeilen noch einmal las. Dann griff er nach der Kanne, schenkte sich eine Tasse schwarzen Tee ein und trank ihn schwarz und bereits halb im Stehen.
Es war idiotisch, dachte er. Aber er wollte unbedingt wissen, was die beiden anderen so früh bereits an den Strand getrieben hatte. Kolbe leerte seine Tasse und stellte sie auf den Unterteller zurück.
Er schlüpfte in seine Schuhe, die sich im Flur in einem Regal neben der Tür befanden. Kurz darauf befand er sich auf seinem Rad, seine lederne Aktenmappe in den Gepäckträger geklemmt, und schlug den Weg zum Strand ein.
Die Straßen waren noch so gut wie leer. Bis auf wenige Ausnahmen. Die gab es immer. Ein kleiner Elektrokarren, der zu einer der Inselbäckereien gehörte, rollte fast geräuschlos an ihm vorbei. Kolbe fand die Zeit, die Hand kurz zum Gruß zu heben.
Im Osten war die Sonne gerade vorsichtig dabei, über den Horizont zu klettern. Es wehte ein angenehm frischer Wind von der See her. Er verfing sich in Kolbes Haar, kühlte seine Stirn.
Der Kommissar genoss diesen kleinen Augenblick. Der Tag würde spätestens ab Mittag noch heiß genug werden.
Er radelte zu seiner Dienststelle und lehnte sein Rad dort gegen die Mauer des roten Backsteinbaus. Dann klemmte er sich seine Aktenmappe unter den Arm und legte die wenigen Schritte bis zum Strand zu Fuß zurück.
Von Weitem erkannte er bereits ungewöhnlich viel Aktivität am Wasser. Etliche Urlauber und sogar Einheimische bewegten sich auf dem Sand auf und ab. Sogar die Gruppen, die am Sportstrand ansonsten um diese Uhrzeit bereits ihren Übungen nachgingen, schienen sich heute auf eine andere Beschäftigung verständigt zu haben.
Als Kolbe näher kam, erkannte er auch, warum.
Der Strand war übersät von Schuhen!
Ein bizarrer Anblick. Die Anwesenden stocherten im Sand herum, nahmen mal den einen, mal den anderen Schuh in die Hand, warfen sie wieder zurück oder spülten einige Exemplare im Wasser ab.
Kolbe stand für einen Moment nur da und betrachtete das seltsame Treiben. Er schüttelte den Kopf, ließ seinen Blick schweifen. Mitten unter den Suchenden machte er Professor Ladengast aus, der ihn im selben Moment erkannt hatte, denn er winkte von der Wasserlinie aus und kam wenig später auf seinen Zimmernachbarn zugestapft. In seiner rechten Hand hielt er ein Paar auffallend gelber Gummistiefel, die viel zu groß schienen, als dass sie seinen eher zierlichen, fast schon damenhaften Füßen passen könnten. Kaum vorstellbar, dass er diese Dinger hier am Strand gefunden hatte.
»Guten Morgen, Herr Kolbe! Na, ausgeschlafen?«
»Moin, Professor«, erwiderte der Kommissar, ohne den Blick von dem mehr als ungewöhnlichen Bild abzuwenden.
»Was ist hier passiert?«
»Über Nacht muss irgendwo da draußen ein Container über Bord gegangen sein«, erklärte Ladengast. In seinen Blick stahl sich daraufhin ein listiger Ausdruck. Er deutete auf die angespülten Schuhe. »Die sind alle nagelneu. Das Problem ist nur, dass sie auf ihrer abenteuerlichen Reise natürlich alle durcheinandergewürfelt wurden.« Der alte Mann kicherte. »Während Sie hier einen linken Turnschuh in der Hand halten, ist der dazugehörige rechte vielleicht auf Spiekeroog oder Baltrum gelandet. Bin gespannt, wann diese Leute es spitzkriegen.«
»Wem gehört denn der ganze Kram jetzt?«, wollte Kolbe wissen.
Ladengast stemmte seine dünnen Händchen in seine Hüften und vollführte eine halbe Drehung. »Tja, da scheiden sich wie üblich die Geister. In erster Linie handelt es sich um Strandgut. Und das gehört seit jeher den Insulanern. Oder sagen wir, derjenige, der es findet, darf es behalten.«
Ladengast deutete auf die offene See hinaus. In einiger Entfernung zog gerade ein Frachtschiff vorbei.
»Die da draußen interessiert das doch nicht mehr. Die werden wegen eines verlorenen Containers doch nicht extra umkehren. Und vermutlich fällt der Verlust erst in Caracas auf.« Wieder ließ der Professor seiner guten Laune freien Lauf, indem er einen kurzen, prustenden Laut ausstieß.
»Hören Sie, Professor«, fuhr Kolbe fort, »ich wollte Sie die ganze Zeit schon etwas zu dem Foto fragen, das Sie mir gegeben haben.«
»Das Foto, ja«, gab Ladengast zurück. Er blinzelte Kolbe gegen die aufgehende Sonne an und klopfte ihm mit der flachen Hand gegen den Brustkasten. »Später, ja? Ich muss jetzt zu Franzi zurück, um ihr zu helfen.« Ladengast winkte Bente Franzen zu, die mit bis zu den Knien hochgekrempelten Hosenbeinen im Wasser herumstakte. Dabei hob er die andere Hand mit den Gummistiefeln in die Höhe, sodass sie regelrecht in der Morgensonne aufleuchteten. Vermutlich gehörten sie Bente Franzen, überlegte Kolbe.
»Helfen? Wobei?«
Das Grinsen des Professors wurde breiter. »Sie hat eine von diesen todschicken Sandalen gefunden und hat sich nun in den Kopf gesetzt, die zweite auch noch irgendwo aufzutreiben. Natürlich passend in ihrer Größe.«
Damit wandte sich der Professor ab und ging den Weg zurück, den er gekommen war.
Gerret Kolbe blieb noch für ein paar Sekunden auf dem Fleck stehen und sah zu, wie Ladengast langsam mit der Menge verschmolz und zu einem unter vielen wurde.
Der Kommissar drehte sich um und schlenderte langsam über den Westerpad zum Ortskern zurück. Lale Andersens Statue lehnte wie gewohnt an ihrer Laterne und schenkte ihm ein versonnenes Lächeln. Es war, als würde sie sich über die Suchenden am Strand amüsieren.
Kolbe ließ sich Zeit, um zu seiner Dienststelle zu gelangen. Als er das Gebäude erreichte, radelte der junge Enno Dietz die Auffahrt hinauf.
»Moin, Herr Kolbe«, rief er im Vorbeifahren.
Der Kommissar hob die Hand und lenkte seine Schritte auf den Eingang zu. Dort wartete er einen Moment ab, bis der junge Polizist sein Fahrrad abgestellt und die beiden Klammern von seinen Hosenbeinen entfernt hatte.
Der junge Polizeimeister wohnte noch zu Hause bei seiner Mutter. Zu seinen Markenzeichen gehörte ein metallener Aktenkoffer, der täglich mit allerhand Leckereien von Gerda Dietz gefüllt war.
»Haben Sie schon gesehen, was unten am Strand los ist?«, fragte Enno, dessen rötliche Flecken im Gesicht so früh am Morgen noch verhältnismäßig blass wirkten. Das würde sich allerdings schlagartig ändern, wenn ihre neue gemeinsame Kollegin Rieke Voss zum Dienst erschien.
»Vor ein paar Jahren ist dasselbe schon mal mit Überraschungseiern passiert«, erklärte Enno grinsend. »Der ganze Strand war voll davon. Eier in allen möglichen Farben. Ein zweites Ostern für die Kids.«
»Passiert so etwas häufiger?«, fragte Kolbe, als die beiden hineingingen. Insgeheim fragte er sich, ob Enno damals selbst zu jenen Kindern gehört hatte, die am Strand nach Eiern gesucht hatten.
»Nein«, kam es zurück. »Aber wenn, dann ist es natürlich jedes Mal ungeheuer aufregend. Und Langeoog kommt dadurch in die Schlagzeilen. Mit etwas Positivem, meine ich.«
Enno Dietz...
Erscheint lt. Verlag | 27.11.2020 |
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Sprache | deutsch |
Themenwelt | Literatur ► Krimi / Thriller / Horror |
Sozialwissenschaften ► Politik / Verwaltung | |
ISBN-10 | 3-96586-272-3 / 3965862723 |
ISBN-13 | 978-3-96586-272-2 / 9783965862722 |
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