Iss das jetzt, wenn du mich liebst - Bianca Nawrath

Iss das jetzt, wenn du mich liebst (eBook)

Roman

(Autor)

eBook Download: EPUB
2021 | 1. Auflage
224 Seiten
Ecco Verlag
978-3-7530-5002-7 (ISBN)
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Die junge Berlinerin Kinga will heiraten. Und zwar ihren Freund Mahmut, mit dem sie bereits seit einigen Jahren Wohnung und Weltansichten teilt. Alles könnte perfekt sein - wäre da nicht die liebe Familie. Denn Kingas Eltern kommen aus Polen, und in der Heiligen Dreifaltigkeit aus Kirche, Wodka und Gulasch ist kein Platz für einen muslimischen Schwiegersohn. Kurzerhand wird der unerwünschte Anhang zum Kennenlernen zu einer Familienhochzeit in der alten Heimat eingeladen - und da sorgt nicht nur Omas Flaki für Magenschmerzen.
Mit großer Leichtigkeit und präzisem Blick für Details schreibt Bianca Nawrath über das Aufwachsen im Nachwende-Berlin, über Großstadtliebe und Familienbande und streift dabei im Vorbeigehen die Themen Heimat und Herkunft.

»So viel Spaß kann eine Begegnung von Kulturen und Generationen machen!« Bellestristik-couch.de, 23.03.2021

»Nawrath beweist einen guten Blick für Sprache und Detail, ihr Roman liest sich wie eine deutsche Blockbuster-Komödie.« Ekz-Bibliotheksservice, KW 13.2021

»Eines der liebevollsten, intelligentesten und witzigsten Bücher dieses Jahres!« Johannes Kössler, Guten Morgen Österreich, 08.04.2021

»Ein ausgesprochen humorvolles Lesevergnügen.« Barbara Hoppe-Vennen,Bad Aachen, 26.06.2021

»Wunderbar originell. Hervorragend.«Münchner Merkur, 07.08.2021

»Leichtflüssig und humorvoll« Kulturtipps, 08.2021



Die eine oder andere Anekdote aus ihren Romanen hat Bianca Nawrath aus ihrem Leben entlehnt (sie verrät aber nicht, welche): 1997 in Berlin geboren und aufgewachsen, hat auch sie im Laufe ihres Lebens zahlreiche Urlaube bei der erweiterten Familie in Polen verbracht. Nawrath ist freie Journalistin und Schauspielerin - sie stand u.?a. mit Jürgen Vogel und Til Schweiger vor der Kamera - und studiert in Berlin Journalismus.

1


Jajko chce być mądrzejsze od kury

Das Ei will klüger sein als die Henne

Schalen von Sonnenblumenkernen knacken unter meinen Füßen, in der Ferne röhrt eine getunte Karre. In meine Nase steigt der Duft von Pisse, in meine Augen die Tränen.

Eine Frau schreit von einem der Balkone direkt über mir zu ihren Kindern hinunter, sie sollen zum Essen hochkommen, und direkt neben mir entwickelt sich aus einer Rauchschwade, die aus einer Mülltonne aufsteigt, ein kleines Feuer. Das ist Plattenbauromantik. Willkommen an dem Rand der Gesellschaft, der nichts mit Speckgürtel zu tun hat. Außer vielleicht, dass sich hier überdurchschnittlich viele Menschen einen privaten angefressen haben.

Mein Papa hat seinen schon mitgebracht. Direkt aus Polen, wo er bis zu seinem 25. Lebensjahr gelebt hat und wo ich geboren wurde. Mama, Papa und ich sind nach Berlin und in die Platte im Märkischen Viertel gezogen, als ich drei war. Besseres Bildungssystem, bessere Gesundheitsversorgung, sagen sie. Jeans und guter Kaffee, vermute ich.

Wie auch immer, was auch immer – die Platte, das Märkische Viertel, wird sich für mich immer etwas nach Heimat anfühlen. Es ist mit den Jahren wesentlich dreckiger und stinkiger hier geworden, allen Sanierungen zum Trotz. Aber ich denke an Tage auf dem Bolzplatz und den Spielplätzen, wenn ich zwischen den Hochhäusern entlangschlendere. Ich denke daran, wie Toni mit dem Rad unten an der Tür geklingelt und durch die Sprechanlage gefragt hat, ob ich zum Spielen runterkommen darf. Keine Verabredung drei Wochen im Voraus über WhatsApp, die dann doch ins Wasser fällt. Die komplette Gang war fußläufig erreichbar. Und der Kiosk, der das beste Kratzeis gedealt hat, auch.

Mittlerweile sind Toni und die Gang abgehauen. Ich auch, wenn ich ehrlich bin. Aber ich besuche meine Eltern immerhin gern und verleugne die Kindheit hier nicht. Im Gegenteil: Manchmal nutze ich meine Kindheit in der Platte als Schwanzverlängerung. Wobei das selbstverständlich nicht im Wortsinn zu verstehen ist – aber was wäre denn da die Entsprechung bei einer Frau? Dabei war es gar nicht so wild, wie Sido gerappt hat.

Ich lasse mir heute erstaunlich viel Zeit für den Weg von der Bushaltestelle zu meinen Eltern. Es fühlt sich an, als würde ich wieder zur Schule gehen und mit einer schlechten Note nach Hause kommen. Was ich ihnen erzählen will, ist allerdings viel schlimmer als jede Sechs. Selbst als jede Sechs in Deutsch. Trotzdem klingle ich nach kurzem Zögern. Als das Surren des Türöffners ertönt, spiele ich kurz mit dem Gedanken, umzudrehen und zu gehen. Aber nein. Ich habe das hier schon viel zu lange hinausgezögert.

•••

Die Wohnungstür ist offen, aber ich werde dort nicht von meinen Eltern empfangen. Stattdessen höre ich das aufgeregte Rufen meiner Mutter aus der Küche:

»Adam, jetzt hol das Getränke aus das Kammer! Ich muss selber machen alles, oder was?«

Mein Vater antwortet mit einem Brummen. Einem für mich sehr gewohnten Brummen.

Gewöhnt bin ich auch an den Anblick von fremden Schuhen im winzigen Vorraum der Wohnung meiner Eltern. Oma- und Opa-Schuhe. Immer.

Diesmal könnte ich den Besitzer sogar kennen. So abgetretene Latschen trägt nur Herr Pohl aus der Sechs, weil er sein ganzes Geld für seine Münzsammlung ausgibt. Wobei … Die Schuhe sehen ziemlich klein aus. Vielleicht doch Frauenschuhe? Frau Maier aus der Zehn? Oder die quirlige Frau Lisbeth von nebenan?

»Hallo, Kinga!« Mama gibt mir einen schnellen, dicken Kuss auf die Lippen und verschwindet dann wieder in der Küche, bevor ich ihr überhaupt in die Augen sehen kann.

»Wir haben Besuch. Frau Rosa ist in das Wohnung über uns gezogen.«

Ach so, also jemand Neues. Kein Wunder, meine Eltern sind es aus Polen gewohnt, dass man alten Menschen unter die Arme greift, und bieten deshalb auch heute noch jedem ihre Hilfe an. Das hat dazu geführt, dass wir ständig Besuch hatten. Und offensichtlich immer noch haben. Und dass ich in meinem Leben schon bei mindestens 15 Umzügen von fast Fremden helfen und bei circa 35 Beerdigungen anwesend sein musste. Manchmal sind meine Eltern von dem ständigen altersschwachen Besuch selbst genervt. Nein sagen können sie trotzdem nicht, wenn jemand vor der Tür steht. Das entspräche den drei unsäglichen Us: unhöflich, unchristlich und damit: unmöglich.

Als ich meine kleine Schwester Zofia auf der Couch sitzen sehe, fällt mir vor Erleichterung ein Stein vom Herzen. Bei meiner Verkündung heute kann ich Unterstützung gebrauchen.

»Mama ist auf 180, mach keine dummen Witze«, flüstert sie mir schnell zu, als alle anderen kurz abgelenkt sind, weil die neue Frau Rosa ein neues Album von André Rieu vorführen muss. »Ich vermute, dass irgendwas mit dem Rotkohl nicht hingehauen hat.«

»Na, solange es nicht das Gulasch ist …«, flüstere ich zurück. Zofia schaut mich schockiert an.

»Keine. Dummen. Witze. Kinga«, zischt sie. Okay. Es ist wirklich ernst.

Zofia ist 24 Jahre alt und lebt seit einem Jahr zusammen mit ihrer besten Freundin in einer WG. Dass ich fünf Jahre älter bin, hat unserer Beziehung nicht geschadet. Im Gegenteil. Zoff, weil eine die Klamotten der anderen geklaut oder das schönere Geschenk bekommen hat, gab es durch den Altersunterschied nie.

Meine Eltern tragen zu André Rieu schunkelnd die Klöße auf. Viel zu viel Essen türmt sich auf dem Tisch. Wie immer. Aber den Duft würde ich zu gern in eine Konservendose sperren und immer dabeihaben.

»Ich habe Bauchschmerzen …«, beginnt Zofia und kommt nicht weiter, weil Mama sie schon fast wütend unterbricht:

»Schon wieder?!«

Zofia ist seit vier Monaten Vegetarierin, hat sich aber noch nicht getraut, es Mama zu sagen. Sie kommt seit ihrer Ernährungsumstellung seltener zu unseren Familiensonntagen oder erst zu Kaffee und Kuchen. Wenn sie schon mittags da ist, hat sie eine Ausrede parat. Letzten Sonntag war es das dekadente Frühstück, den Sonntag davor hatte sie eben schon mal »Bauchschmerzen«.

»Ist nicht so schlimm, Mama. Nur das Fleisch liegt vielleicht zu schwer im Magen. Ich probier einfach die Klöße mit etwas Krautsalat und Rotkohl.«

»Schmeckt dir mein Essen nicht?!« Mama könnte nicht vorwurfsvoller klingen. »Oder machst du scheiß Diät? Du bist schon viel zu dünn!«

»Das sieht köstlich aus, Mama«, nutze ich die Chance, um mich im Vergleich zu meiner Schwester beliebt zu machen, und ernte dafür prompt einen vorwurfsvollen Blick von Zofia. Soll sie mal lieber froh sein. Immerhin lenke ich auch die Aufmerksamkeit von ihr ab. Essen ist außerdem mein Trumpf. Das einzige Thema, das mich wenigstens einmal zur bequemeren Tochter macht.

Frau Rosa könnte auch mal was sagen, aber die wirkt die ganze Zeit etwas abwesend. Als würde alles erst ein paar Sekunden später bei ihr durchsickern. Vielleicht träumt sie einfach nur von André.

Kurz schweigen alle am Tisch und starren auf ihre viel zu vollen Teller. Papa nippt an seinem Wasserglas. Es wäre der perfekte Moment.

O. k., ich bin so weit.

Ich tue es.

Ich mache es.

Ich sage es ihnen.

Jetzt.

Noch ein Blick zu Zofia, die Bescheid weiß. Zugegeben, sie kennt auch nicht die ganze Wahrheit. Aber zumindest den wichtigsten Teil. Mein Mund öffnet sich, die Oberlippe zittert … Ich stopfe mir schnell einen halben Kloß in den Mund. Mit vollem Mund kann ich auf keinen Fall etwas sagen.

Chance verpasst.

Zu feige gewesen.

Zu lang gewartet.

Vollidiotin!

•••

Ich tausche die schlichten schwarzen Boots gegen ein etwas eleganteres Modell mit hohen Absätzen. Ich habe zwar den ganzen Tag über vehement behauptet, überhaupt keine Lust auf dieses Klassentreffen meiner ehemaligen Grundschule zu haben, aber trotzdem will ich zeigen, was ich habe. Sind Ehemaligentreffen nicht genau dafür da?

Alle treffen sich vor unserer alten Schule, wie mit sechs Jahren, und gehen einen Film schauen, zum Warmwerden. Das finde ich gar nicht schlecht. Wenn ich merke, dass alle verkorkst geworden sind, kann ich mich still und heimlich verziehen, bevor wir ins Lokal wechseln und ich ernsthafte Gespräche mit Spießern führen muss.

Ich fühle mich selbstbewusst an diesem Tag. Meine Woche war produktiv, ich war vor drei Tagen beim Friseur, und ein nicht allzu hässlicher Typ hat in der Bahn nach meiner Nummer gefragt. Mein Selbstbewusstsein sollte nicht von solchen Äußerlichkeiten abhängen, aber ich kann mich nicht wehren.

Auf dem Weg ins Kino überlege ich schon, welche Alternativpläne ich für den Abend habe, um meine gute Laune auszunutzen. Zu diesem Zeitpunkt ahne ich noch nicht, dass mir der beste Abend seit Ewigkeiten bevorsteht.

Etwa dreißig Leute aus den vier Klassen unseres Jahrgangs sind gekommen. Ich fühle mich fremd. Die einen erinnern mich mit ihren Kettchen und Caps noch voll an die Platte, die anderen legen es darauf an, möglichst wenig nach Platte auszusehen. Eher nach Charlottenburg. Vielleicht ist mir Mahmut aus diesem Grund so schnell aufgefallen. Ein normaler Mensch!, denke ich sofort und suche seine Nähe, auch wenn ich mich überhaupt nicht an ihn erinnere. Ich fasse den Entschluss zur sofortigen Kontaktaufnahme. Sonst lande ich womöglich auf dem Kinositz zwischen Jerome und Devis. Devis hat mal einem...

Erscheint lt. Verlag 23.3.2021
Verlagsort Hamburg
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Comic / Humor / Manga
Literatur Romane / Erzählungen
Schlagworte Baba Dunjas letzte Liebe • Clash of Culture • Der Zopf meiner Großmutter • Familie • Familienroman • Familienzusammenführung • Feuerprobe • Frauenroman • Gastarbeiter • Gulasch • Hochzeit • Humor • Humor Buch • humorvolle Bücher • Liebe • Liebesgeschichte • Meine russische Schwiegermutter und andere Katastrophen • Migration • Polen • Rassismus • Religion • Roman • roman bücher • Roman Frauen • Roman Liebe • Schauspielerin • Türken • Urlaub • Vegetarier • vodka
ISBN-10 3-7530-5002-4 / 3753050024
ISBN-13 978-3-7530-5002-7 / 9783753050027
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