Amnesie -  Klaus Michel

Amnesie (eBook)

(Autor)

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2020 | 1. Auflage
672 Seiten
Books on Demand (Verlag)
978-3-7526-5408-0 (ISBN)
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An einem nebligen Novembermorgen führt Jan Hagen den Hund seiner Freundin durch Heidelberg. An der Ziegelhäuser Landstraße erspäht der Vierbeiner ein kleines Tier in einem ausgedehnten Gartenareal einer einflussreichen Familie. In dem Bestreben, den Rüden einzufangen, folgt ihm Hagen ins Gebüsch. Dort wird er von einer Kugel in den Kopf niedergestreckt. Als Jan Hagen im Krankenhaus aus dem Koma erwacht, diagnostizieren die Ärzte eine Amnesie. Insofern die Kriminalpolizei, angetrieben von der überaus ehrgeizigen Staatsanwältin Dr. Landsittel, auf keinen Täter stößt, konzentriert sie sich auf den Verletzten im Krankenhaus und erhebt Anklage gegen ihn. In einem Aufsehen erregenden Prozess treten jedoch kaum Beweise ans Licht. Ein Gutachter attestiert ihm eine psychische Abnormalität und schlägt vor, ihn in eine Psychiatrie einzuweisen. Dort vegetiert er Jahre vor sich hin, bis der Fall neu aufgerollt wird.

In Mannheim geboren studierte Klaus Michel zunächst an der Mannheimer Universität Betriebswirtschaftslehre und später in Heidelberg Sinologie. Dort promovierte er 1981 zum Dr. phil. Danach baute er ein eigenes Beratungsunternehmen zu Chinafragen auf. 1995 übersiedelte er ins Reich der Mitte und wirkte dort über 20 Jahre als Geschäftsführer für deutsche Firmen. In der Fremde nahm er auch die schriftstellerische Tätigkeit auf. Ende 2016 kehrte er mit seiner chinesischen Ehefrau nach Deutschland zurück und lebt seither in der südhessischen Region. 2019 erschien sein erster Roman "Pfeffer und Salz".

Kapitel 2

Die Schüsse im Garten der Villa verhallen weithin ungehört. Auch das halboffen stehende Tor erregt niemandes Aufmerksamkeit. Erst als kurz vor acht eine routinemäßige Polizeikontrolle das Haus passiert, erspäht der Fahrer das geöffnete Gartentor. Vor Jahren nahm auf dem Grundstück eine spektakuläre Kindesentführung ihren bedauerlichen Anbeginn. Da die Eigentümerfamilie bedeutenden Einfluss in der Stadt genießt, organisiert die örtliche Polizeibehörde seither regelmäßige Patrouillenfahrten an dem Anwesen vorbei.

Im Grunde sollte die Besatzung des Streifenwagens aus zwei Polizisten bestehen, doch grassiert in Heidelberg zurzeit eine verheerende Grippeepidemie, die selbst die Angehörigen der Ordnungsmacht befiel. Ein Drittel der Beamtenschaft liegt mit Fiebersymptomen danieder, während Wachtmeister Weber ebenso bereits erste Krankheitssymptome verspürt. Offensichtlich hat das Virus auch ihn infiziert. Trotz triefender Nase und anhaltendem Tränenfluss gewahrt er das halboffene Tor, weshalb er das Fahrzeug an den Straßenrand lenkt. Als er rekapituliert, wie in einem derartigen Fall vorzugehen sei, sieht er sich vor ein typisch polizeiliches Dilemma gestellt, insofern die Vorschriften verbieten, das Grundstück ohne Begleitung zu betreten. Andererseits erschließt sich ihm, dass in Kürze kein weiterer Einsatzwagen zur Verfügung steht. Die wenigen Kollegen im Dienst absolvieren heute Morgen sämtlich eine Einsatzfahrt. Soll er wegen eines schlichten Tors um Verstärkung aus benachbarten Revieren ersuchen? Möglicherweise beruht das Phänomen nur auf einem technischen Sachverhalt. Ein Defekt an der Schließanlage oder Nachlässigkeit bieten sich als Ursache an.

Bei jedem anderen Anwesen hätte er der Entdeckung kaum über Gebühr Beachtung geschenkt, doch erinnert er sich an den Entführungsfall, der die Stadt einst in Atem hielt. Namentlich die Reaktion der Presse haftet ihm noch lebhaft in Erinnerung. In jenen Tagen hatten die Journalisten das Gefühl geschürt, die Polizei habe sich der Fahrlässigkeit schuldig gemacht, insofern sie vorrangig das Gelände nach den vermissten Kindern zu durchsuchen begann und erst danach zur Fahndung schritt. Dass ein solches Vorgehen gängiger Praxis entspricht, hatten sie der aufgebrachten Leserschaft verschwiegen. Außerdem hat Weber bei bisherigen Fahrten niemals eine Auffälligkeit gewahrt, weshalb er beschließt, entgegen den Vorschriften vorzugehen.

Gleichwohl verständigt er die Zentrale über Funk, wobei er anzudeuten versucht, er habe auf dem Anwesen Collini Hinweise auf Unregelmäßigkeiten registriert. Bevor dem Beamten am Funkgerät Zeit für eine Nachfrage bleibt, unterbricht er die Verbindung und zwängt sich durch das halbgeöffnete Tor. Zu der frühen Stunde herrscht noch Dunkelheit, weshalb er eine Taschenlampe zum Einsatz bringt. Mit dieser erleuchtet er notdürftig den gepflasterten Weg sowie die Büsche des parkähnlichen Areals. Aufgrund der dunklen Kleidung übersieht er fast die Gestalt im Gebüsch. Nur der Zipfel eines karierten Hemds erregt seine Aufmerksamkeit. Eilends sinkt er neben dem Opfer in die Knie, um dessen Puls zu ertasten. In der Aufregung benötigt er mehrere Versuche, bis er Vitalfunktionen registriert.

Umgehend läuft er zum Wagen zurück und verständigt den Notarzt sowie Verstärkung vom Revier.

Nach zehn Minuten trifft die Ambulanz am Tatort ein, die Wachtmeister Weber zu der Stelle führt, an der er den Verletzten gefunden hat. Dort erschließt sich ihm unvermittelt, dass die dunkelblaue Jacke über dessen Schulter ausgebreitet liegt. Das Individuum ruht auf der rechten Seite, während das Kleidungsstück die linke Körperhälfte bedeckt.

Auch die ärztliche Untersuchung offenbart, obgleich der Patient einen Kopfschuss erlitt und eine besorgniserregende Menge Blut verloren hat, scheinen die Vitalfunktionen intakt. Zunächst verabreicht der Mediziner eine Infusion, um sodann mit den ihm zur Verfügung stehenden Mitteln zu überprüfen, ob er den Verletzten für transportfähig erklären darf. Auf einen Wink schaffen die Sanitäter eine Bahre aus dem Wagen herbei. Eiligst tragen sie den Mann zur Ambulanz, um umgehend mit Blaulicht zu entschwinden.

Der Verwundete ist schon geraume Zeit abtransportiert, als endlich zwei weitere Streifenwagen den Tatort erreichen. Zwar informierte Wachtmeister Weber auch die Kriminalpolizei, doch warten die Streifenbeamten nicht das Eintreffen der Kollegen ab, sondern schreiten in Ausübung der polizeilichen Pflicht zielstrebig auf die Villa zu, um die Identität des Opfers zu erfragen.

Zu aller Überraschung finden sie die Haustür nur angelehnt, eine Entdeckung, die ersten Argwohn weckt. Mit gezogener Waffe betreten zwei Beamte das Haus, während ein Kamerad Deckung gibt. Im Erdgeschoss vermögen sie niemanden zu erspähen, doch im Schlafgemach des Obergeschosses fällt ihr konsternierter Blick auf eine junge Frau, die offenkundig einer Schussverletzung erlegen ist. Die klaffende Wunde gibt Hinweise auf einen sofortigen Tod. Im Eingangsbereich zum Badezimmer stoßen sie überdies auf zwei leblose Kinder in einer Lache aus gerinnendem Blut.

Insofern sie bestürzt drei Mordopfer konstatieren, beschränken sie sich auf die Tatortsicherung und warten das Eintreffen der Kriminalisten ab. In der Aufregung versäumen sie, das Revier über die zusätzlichen Leichen im Haus zu informieren.

Als Kriminalkommissar Ahlers mit dem Kollegen Weinholz gegen neun Uhr dreißig den Tatort betritt, weiß er nur von einem Verletzten im Garten, der inzwischen in die Heidelberger Uniklinik transportiert worden sei. Als sich ihnen der Tod dreier weiterer Opfer erschließt, entfährt beiden ein eines Kriminalisten unwürdiger Fluch.

Um sicherzustellen, dass keine zusätzliche Überraschung droht, lassen sie sich von den Kollegen an den Tatort führen. Alle Anwesenden kennen die Herablassung, die ein typischer Kriminalpolizist den in seinen Augen minderbemittelten Beamten vom Streifendienst entgegenbringt. Wenn sich den Kriminologen erst vor Ort erschließt, dass sich das Verbrechen nicht auf einen Verletzten im Garten beschränkt, sondern sich überdies auf drei Tote in der Villa einer der angesehensten Familien Heidelbergs bezieht, zeigen sie sich kaum geneigt, die Herablassung auf die schwachköpfigen Bullen zu revidieren.

Umgehend fordert Ahlers ein komplettes Spurensicherungsteam an. Da auch ihm der durch die Grippeepidemie dezimierte Personalstand der Abteilung in Erinnerung bleibt, verständigt er zugleich Hauptkommissar Waffenschmitt, dem er die Fähigkeit zuerkennt, trotz grassierender Epidemie genügend Personal zum Tatort zu delegieren. Letzterer gilt gemeinhin als typischer Karrierebeamter, dem sich bei der Nennung der noblen Adresse erschließt, der Fall besitzt das Potenzial, eine Karriere sowohl zu befördern als auch zu unterminieren. Eine Unachtsamkeit, ein minimaler Fehler vermag der Laufbahn ein vorzeitiges Ende bereiten. Insofern er dem erfahrenen Kollegen vertraut, bemüht er sich, jeden verfügbaren Beamten zum Tatort zu delegieren, darunter auch Kriminalkommissarin Christine Falk. Dass sich eine solche Entscheidung zwar einerseits als korrekt, anderseits jedoch als gedankenlos erweist, übersieht er in der Dramatik der unerwarteten Situation. Ahlers und Falk gelten als Kriminalisten, deren innige Feindschaft weit über die Abteilung hinaus Aufsehen, zuweilen auch Belustigung erregt.

Zusätzlich entsendet er ein erweitertes Spurensicherungsteam. Auch ihm erschließt sich inzwischen, dass sich das Verbrechen an zwei Tatorten vollzog. Gleichzeitig verständigt er die Gerichtsmedizin. Auf die Auswahl des Pathologen bleibt ihm zwar ein bestimmender Einfluss versagt, doch nimmt er beruhigt zur Kenntnis, dass in der Person Dr. Seidels ein allseits anerkannter Fachmann zur Verfügung steht.

Damit wiegt er sich in dem Glauben, in dem heiklen Fall sämtliche gebotenen Maßnahmen angeordnet zu sehen. Möglicherweise bietet sich doch noch eine Chance auf einen Aufstieg in die Leitungsebene des Präsidiums. Um die zusätzlich zu befördern, ruft er den obersten Chef, Günter Stadelmann, an. Der Leiter der Kripo Heidelberg ist weithin für seine privaten Beziehungen zur Politik, namentlich zum Oberbürgermeister der Stadt, bekannt. Zudem gilt er als aufrechter, im Dienst ergrauter Staatsdiener, der sogleich versteht, auf welche Sorge der Anruf Waffenschmitts verweist. Letzterer wähnt irrigerweise, aufgrund der Kontakte zum Oberbürgermeisterbüro gebiete er über den gesamten Polizeiapparat. Ein Vorgesetzter wie er zeigt sich gewiss interessiert, wenn sein Name im Büro des OB einen positiven Klang bewahrt. Dass die Verbindung zum Oberhaupt der Stadt einzig auf der privaten Freundschaft der Gattin zur Familie des Oberbürgermeisters beruht, entgeht einem Mann wie Waffenschmitt. Dennoch zögert er keinen Augenblick, das Stadtoberhaupt zu alarmieren. Auch Stadelmann steht die Hysterie der Pressemeute anlässlich der Entführung der Kinder aus der Villa Collini in lebhafter Erinnerung.

Damit zeigen sich bereits vor der Mittagszeit sämtliche...

Erscheint lt. Verlag 17.11.2020
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Krimi / Thriller / Horror
ISBN-10 3-7526-5408-2 / 3752654082
ISBN-13 978-3-7526-5408-0 / 9783752654080
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