Schmetterlingskinder (eBook)

(Autor)

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2020 | 1. Auflage
277 Seiten
Aufbau digital (Verlag)
978-3-8412-1924-4 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Schmetterlingskinder - Reinhard Rohn
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Seit dem Selbstmord ihres Mannes Robert ist in Kareens Welt nichts mehr wie es war. Die Familie ihres Mannes will sie von ihrem fünfjährigen Sohn Max trennen und setzt sie unter Druck. Und Risch, ihr Chef, mit dem sie eine Nacht verbracht hat, stellt ihr nach. Dann verschwindet ihr Sohn plötzlich aus dem Kindergarten und bei seiner Rückkehr hat er eine verstörende Nachricht bei sich. Nur ein Zettel aus einer Reihe vieler mysteriöser Botschaften, die seine Mutter nach dem Tod ihres Mannes erhält. Kareens Angst wächst: Angst um ihren Sohn, Angst um sich selbst. Hat Robert wirklich Selbstmord begangen? Und wer steckt hinter den mysteriösen Anrufen, Nachrichten und Drohungen, die Kareen seit einiger Zeit erhält?



Reinhard Rohn wurde 1959 in Osnabrück geboren und ist Schriftsteller, Übersetzer, Lektor und Verlagsleiter. Seit 1999 ist er auch schriftstellerisch tätig und veröffentlichte seinen Debütroman 'Rote Frauen', der ebenfalls bei Aufbau Digital erhältlich ist.

Die Liebe zu seiner Heimatstadt Köln inspirierte ihn zur seiner spannenden Kriminalroman-Reihe über 'Matthias Brasch'. Reinhard Rohn lebt in Berlin und Köln und geht in seiner Freizeit gerne mit seinen beiden Hunden am Rhein spazieren.

 

1.


Der Himmel war schwarz, als sie aus dem Sender kam. Nur in der Ferne schien noch ein Licht über der Stadt zu schweben. Kareen spürte, wie müde sie war. Viel zu lange war sie im Studio gewesen; sie hatte die Nachrichten gelesen, dann zwischendurch ein Feature über Sartre, das ziemlich kompliziert und eigentlich unlesbar gewesen war, und zum Schluss hatte sie sogar noch für die Sportmeldungen einspringen müssen. Dabei hasste sie Sportnachrichten, aber wahrscheinlich kannte Risch auch diese Abneigung und hatte sich einen Spaß daraus gemacht, wie sie sich dreimal versprochen hatte. Die Namen russischer Eishockeyspieler waren nun einmal schwer auszusprechen. Sie hätte niemals mit Risch schlafen dürfen. Neuerdings teilte er Kareen sogar für den Nachtdienst ein, Nachrichten und Verkehrsmeldungen, als würde sein Zorn auf sie mit der Zeit nicht kleiner, sondern immer noch größer werden.

Als sie das Studio verlassen hatte, war Risch noch in seinem Büro gewesen. Er hatte in der Tür gestanden und ihr nachgeschaut, reglos, mit starrer Miene und ohne einen Gruß. Manchmal blieb er die halbe Nacht im Sender, saß am Fenster und rauchte. Er vergeudete sein Leben und schien sich diese Sinnlosigkeit auch selbst noch vorzuführen, aber irgendwie tat sie das ja auch.

Nein, sie hatte Max. Ihr Kind war trotz allem ihr Glück. Wenn er nicht gewesen wäre, ihr scheuer, verletzlicher Schmetterling, würde sie ihre Zeit vielleicht auch wie ein lichtscheues Wesen in einem düsteren Büro verbringen.

Kurz vor den Einundzwanzig-Uhr-Nachrichten hatte sie Max angerufen. Er hatte zwar heiser geklungen, hatte aber kein Fieber mehr gehabt. Dennoch hatte sie Claudine, ihr kanadisches Aupair-Mädchen, ermahnt, ihm noch einen Tee zu machen. Im Hintergrund war der Fernseher gelaufen, so laut, dass sie Max beinahe gar nicht verstehen konnte, irgendein Videokanal, der furchtbare Musik brachte. Aber vielleicht hätte sie diese Normalität trösten sollen.

Während Kareen den Wagen aufschloss und losfuhr, kam ihr wieder der Gedanke, der sie in den letzten drei Wochen ständig überfiel, wenn sie müde war und nicht klug genug, sich sofort abzulenken. Man müsste aus seinem Leben wie aus einem Bus aussteigen und sich ein neues suchen. Irgendwohin gehen, in neuen Kleidern, mit anderen Gedanken. Drei Tage nach Roberts Tod hatte sie sich aus einer Laune heraus bei einem kleinen deutschen Sender auf Mallorca beworben, und als man sie bat, Referenzen beizubringen, hatte sie sich zwei Wochen lang schon ausgemalt, wie sie mit Max auf der Insel bei anderem Licht, anderen Temperaturen leben würde. Vielleicht täte ihm das Klima ja gut.

Gestern war die Absage gekommen. Man habe sich für eine andere Bewerberin entschieden, die perfekt Spanisch und Englisch spreche, und wünsche ihr viel Glück.

Kareen bog auf die Hauptstraße, als ihr Mobiltelefon klingelte. Max, dachte sie, er kann ohne einen Gutenachtkuss wieder nicht einschlafen. Doch als sie das Gespräch annahm, hörte sie nur, wie jemand tief ein- und ausatmete. Auf dem Display tauchte keine Nummer auf. Solche Anrufe hatte sie in den letzten zwei Wochen bereits einige Male erhalten. Sie hatte Risch in Verdacht, dass er nachts durch irgendwelche Büros schlich und sie dann anrief, ohne dass man das Telefonat zu ihm zurückverfolgen konnte. Oder es war Jakob, ihr Schwager. Nein, Jakob würde nicht bloß in den Hörer atmen, sondern sie wortreich beschimpfen und ihr Vorhaltungen machen.

Seelenruhig, eine Hand am Lenkrad, wartete sie, bis es knackte und die Verbindung abbrach.

Den Umschlag, der unter ihrem rechten Scheibenwischer klemmte, bemerkte sie erst, als sie in der Nähe ihres Hauses einen Parkplatz gefunden hatte und ausstieg. Wie ein Reklamezettel sah das Stück Papier aus, sodass sie eigentlich gar nicht zurückgehen wollte. Wofür wurde nicht neuerdings auf diese Art geworben? Nagelstudios, Auspuffdienste, lukrative Nebenbeschäftigungen, hinter denen wahrscheinlich irgendwelche unseriösen Versicherungsleute steckten.

Auf dem Umschlag stand ihr Name in einer unpersönlichen Blockschrift. Kareen. Nichts weiter.

Hatte jemand aus dem Sender eine persönliche Nachricht für sie? Ute, die Toningenieurin, mit der sie manchmal essen ging? Oder Babette, ihre Sprecherkollegin?

Noch auf der Straße, im Schein einer Straßenlaterne, öffnete Kareen den Umschlag. Ein schmales weißes Blatt befand sich darin. Sie drehte es ins Licht. Jemand hatte ihr mit derselben unpersönlichen Schrift eine Botschaft geschickt.

Aus dem Tal zum Gipfel, stand da. Der Wind ist wie Musik, wenn er über die Steine streicht. Der Tibeter.

Kareen schaute sich um, als könne jemand in der Nähe sein, der sie beobachtete und vielleicht diesen Zettel geschrieben hatte, aber natürlich war da niemand. Die Straße war dunkel und leer, nur eine Katze hockte in einem Hauseingang und starrte sie an. Gelbliches Licht reflektierte in ihren Augen. Was sollte das? Der Tibeter? Wollte sich Risch einen Scherz mit ihr erlauben, oder war er dahintergekommen, dass sie tatsächlich gern einmal nach Tibet reisen würde? Risch wurde zu einer unheimlichen Macht, die ihr Leben mehr und mehr durchdrang. Kareen steckte den Zettel in ihre Jackentasche und beeilte sich. Vielleicht war Max noch wach und wartete auf sie.

Claudine saß in der Küche und telefonierte. In Kanada war es nun später Nachmittag. Sie lächelte Kareen nur zu und winkte leichthin mit der linken Hand. Vor ihr stand ein halbvoller Aschenbecher. Sie sprach so schnell Französisch, dass Kareen kein Wort verstand. Da Claudine ihre Stimme nicht zu einem Flüsterton senkte, vermutete Kareen, dass sie mit ihrer Mutter und nicht mit ihrem Freund sprach. Wahrscheinlich hatte die Siebzehnjährige sich niemals ausgemalt, dass sie in Deutschland ein krankes Kind pflegen müsste.

Kareen ging zum Kinderzimmer hinüber und öffnete vorsichtig die Tür. Ein schmaler Streifen Licht fiel in den Raum. Max schlief und atmete ruhig vor sich hin. Seine Hände steckten in dünnen weißen Handschuhen, sein Gesicht war eingecremt. So weit schien alles in Ordnung zu sein. Auch die Kissen hatte Claudine ordentlich im Bett und auf dem Boden drapiert. Jede kleinste unbedachte Berührung mit einem festen Gegenstand konnte für Max gefährliche Folgen haben. Es tat Kareen gut, ihr Kind so friedlich daliegen zu sehen. Über dem Bett hing das Foto eines großen gelben Schmetterlings. »Mein Zeichen«, hatte Max gesagt. »Weil ich ja auch ein Schmetterling bin.«

Erst als Kareen die Tür wieder geschlossen hatte, entdeckte sie den Umschlag auf der Kommode in der Diele. Sofort wurde ihr unbehaglich zumute. Briefe bedeuteten in der letzten Zeit nichts Gutes. Jakob, fiel ihr ein, er würde seinen Kampf um Max nicht so schnell aufgeben, auch wenn er nur der Onkel war, aber ein Onkel mit Geld und Einfluss.

Der Brief kam von der Lebensversicherung.

Betreff: Todesfall Robert Hagen, stand da. Liebe Frau Hagen, leider müssen wir Ihnen mitteilen, dass wir noch keine Auszahlung der Versicherungssumme in Aussicht stellen können, da die genauen Umstände des Todes des Versicherungsnehmers weiterhin nicht völlig geklärt sind. Der abschließende Bericht der Staatsanwaltschaft wird in ca. zwei Monaten vorliegen. Bis dahin bitten wir von weiteren Eingaben abzusehen.

Mit freundlichen Grüßen …

Kareen hörte, wie Claudine sich wortreich verabschiedete und dann mit einem seltsamen Lachen auflegte. Nichts bedeutet dieser Brief, dachte sie, nur dass ich vorerst kein Geld bekommen werde.

Claudine tauchte in der Küchentür auf. »Bonsoir«, sagte sie. »Ich habe gekocht. Schokoladenpudding. Hat Max auch gegessen.« Es war immer schön, ihren französischen Akzent zu hören, der jedem Wort etwas Spielerisches verlieh.

»Bedauere, ich habe keinen Hunger.« Kareen strich sich eine Haarsträhne aus dem Gesicht. Sie hätte allenfalls ein Glas Rotwein vertragen können.

»Max war sehr lieb. Er hat auch Besuch gehabt.« Claudine lächelte, als hätte sie eine Überraschung parat. Ihre makellosen weißen Zähne funkelten, und ihre langen schwarzen Haare flogen. Zum ersten Mal fiel Kareen auf, dass sie sich geschminkt hatte.

»Besuch? Heute Abend noch? Davon hat er mir gar nichts erzählt.«

»Sein Onkel Jakob … Er hat sogar ein Geschenk mitgebracht, einen nagelneuen Discman.« Claudine machte eine vage Handbewegung. »Damit Max sich abends im Bett Märchen-CDs anhören kann, wenn du im Sender bist. Hat Jakob gesagt.«

Kareen spürte, wie ihr Herzschlag sich beschleunigte. Es war das zweite Mal in den letzten drei Wochen, dass Jakob scheinbar zufällig vorbeigekommen war, und jedes Mal war sie nicht zu Hause gewesen. Am liebsten wäre ihr der Gedanke gewesen, dass er wegen Claudine kam, um eine wunderschöne junge Frau anzuschauen und mit ihr zu flirten, aber sie wusste, dass er andere Gründe hatte. Er wollte Max, und vor allem wollte er sie zermürben und ihr Angst machen. Vor zwei Wochen hatte sie ihn angeschrien: »Ich bin nicht schuld an Roberts Tod!« – »Doch, das bist du«, hatte er gesagt. »Robert war immer schon zu weich, aber du hast ihn im Stich gelassen, hast ihm das Gefühl gegeben, ein Versager zu sein – als Mann und als Arzt.«

Claudine verzog sich in ihr Zimmer. Sie schien mit wenig Schlaf auszukommen, vier, fünf Stunden genügten ihr, während Kareen das Gefühl hatte, seit Roberts Tod nicht mehr richtig geschlafen zu haben. Zuerst war es die Leere neben ihr gewesen, an die sie aber eigentlich gewohnt sein musste, da er schon...

Erscheint lt. Verlag 17.11.2020
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Krimi / Thriller / Horror Krimi / Thriller
Schlagworte Andreas Franz • Charlotte Link • Gefahr • Kind • Köln Thriller • Norbert Löffler • Raub • Rotlichtmilieu • Salim Güler • Selbstmord • Witwe
ISBN-10 3-8412-1924-1 / 3841219241
ISBN-13 978-3-8412-1924-4 / 9783841219244
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