Miss Merkel: Mord in der Uckermark (eBook)
320 Seiten
Rowohlt Verlag GmbH
978-3-644-31481-8 (ISBN)
David Safier, 1966 geboren, zählt zu den erfolgreichsten Autoren der letzten Jahre. Seine Romane, darunter «Mieses Karma», «Jesus liebt mich», «Happy Family» und «MUH!» erreichten Millionenauflagen im In- und Ausland. Der erste Band seiner Krimireihe rund um die Ex-Kanzlerin gehört zu den bestverkauften Büchern des Jahres 2021. Als Drehbuchautor wurde David Safier unter anderem mit dem Grimme-Preis sowie dem International Emmy ausgezeichnet. Er lebt und arbeitet in Bremen, ist verheiratet und hat zwei Kinder.
David Safier, 1966 geboren, zählt zu den erfolgreichsten Autoren der letzten Jahre. Seine Romane, darunter «Mieses Karma», «Jesus liebt mich», «Happy Family» und «MUH!» erreichten Millionenauflagen im In- und Ausland. Der erste Band seiner Krimireihe rund um die Ex-Kanzlerin gehört zu den bestverkauften Büchern des Jahres 2021. Als Drehbuchautor wurde David Safier unter anderem mit dem Grimme-Preis sowie dem International Emmy ausgezeichnet. Er lebt und arbeitet in Bremen, ist verheiratet und hat zwei Kinder.
1
«Ich muss mich erst mal hinsetzen», sagte Angela und setzte sich erst mal hin. Auf eine verwitterte Holzbank, die an einem kleinen Kiesweg lag und einen phantastischen Blick auf den Dumpfsee bot. Sie tupfte sich mit ihrem kleinen Stofftaschentuch, das ihr einst der Dalai Lama geschenkt hatte, den Schweiß von der Stirn. Gerne hätte sie behauptet, dass sie bereits eine mehrstündige Wanderung in unerträglicher Sommerhitze absolviert hatte, tatsächlich aber war sie gerade einmal fünfundzwanzig Minuten bei angenehmer Mai-Sonne spaziert. Nach all den Jahren in Berlin, in denen sie nur damals in der Corona-Krise auf zehntausend Schritte pro Tag gekommen war, als sie in ihrem Riesenbüro herumtigerte, gab ihre Kondition Anlass zu Trauerbekundungen. Es dürfte eine ganze Weile dauern, bis ihr Körper, der schätzungsweise dreitausend Staatsbankette überstanden hatte, wieder so etwas Ähnliches wie Fitness aufgebaut haben würde.
Angela blickte auf das kleine Gewässer. Es war auf jene unscheinbare Art und Weise lieblich, die genau nach ihrem Geschmack war. Das Schilf hatte die perfekte Länge und wehte anmutig in einem perfekten lauen Lüftchen. Das Wasser besaß das perfekte Blau, und die Vögel waren in ihrem Schwarmflug anmutiger als jedes Ballett-Ensemble, das sie je gesehen hatte. Und Angela hatte enorm viele gesehen, dank der Einladungen bei Staatsbesuchen in aller Welt. Eine der größten Willensleistungen ihres Lebens war, bei einer siebenstündigen chinesischen Oper trotz Jetlag nicht neben dem Präsidenten Chinas einzuschlafen.
Hier auf dieser Bank, an diesem See, bei diesem Wetter vermisste sie Berlin kein bisschen, obwohl sie sich noch nicht so recht an das Leben in ihrem neuen Wohnort Klein-Freudenstadt, gelegen eben an jenem Dumpfsee, gewöhnt hatte. Wie auch? Sie war ja erst seit sechs Wochen hier. Ein paarmal war sie zwar schon durch den ebenfalls auf genau die richtige unscheinbare Weise lieblichen Ort spaziert, aber das reichte nicht, um sich hier bereits heimisch zu fühlen. Würde sie es jemals tun?
Oder würde sie sich schon nach wenigen Wochen nach ihrem alten, hektischen Leben in Berlin zurücksehnen, wie ihr Mann befürchtete und sie insgeheim auch? Dabei hatte sie ihm doch hoch und heilig versprochen, den Lebensabend mit ihm in Ruhe zu genießen. Und was würde geschehen, wenn sie dieses Versprechen brach? Würde ihre Ehe, in der er so sehr hatte zurückstecken müssen, dies aushalten?
«Alles in Ordnung, Schatz?», fragte Achim, der eigentlich Joachim hieß, aber während seines Studiums befunden hatte, dass Achim ein lässiger Spitzname war. Als Quantenchemiker kannte er die wahre Bedeutung des Wortes ‹lässig› nun mal nicht. Achim stand vor ihr in weißem Kurzarmhemd, blauer Halblang-Hose, die seine kurzen behaarten Beine freigab, und grauen Wanderschuhen, die er sich von einer jungen Verkäuferin als modern hatte aufschwatzen lassen. Angela liebte ihren Achim unter anderem auch dafür, dass er keine Ahnung hatte, was schick war und was nicht. Und dafür, dass er grundehrlich war, zu keiner Lüge fähig. Wie oft hatte sie gedacht: Warum sind nicht alle Männer so wie mein Achim? Und dann gab sie sich stets selbst die Antwort: Wenn alle so sanft wären, würde die Menschheit nicht überleben.
«Schatz, ich habe dich was gefragt», hakte er nach, er machte sich immer Sorgen um sie.
«Alles ist gut, Puffel. Mir ist nur ein wenig warm», antwortete Angela.
Achim holte aus seinem Rucksack, den er schon seit DDR-Zeiten besaß, eine alte Wasserflasche, aus der sein Vater schon zu Vor-DDR-Zeiten getrunken hatte und aus der das Wasser stets metallen schmeckte, Angela jetzt aber dennoch erfrischte.
«Vielleicht solltest du», schlug Achim vor, «nicht immer in deiner üblichen Kluft herumlaufen.»
In der Tat trug Angela, wie früher im Beruf, eine schwarze Stoffhose und dazu einen ihrer vielen farbigen Blazer – heute war es ein grüner. Die Wandersachen, die sie sich vor fünf Jahren gekauft hatte, waren ihr zu eng geworden und lagen noch in einem der vielen nicht ausgepackten Umzugskartons.
«Wenn wir am Wochenende nach Templin fahren», antwortete Angela, «kaufe ich mir etwas Passendes.» Online bestellen kam für sie nicht in Frage. Dank der Digitalexperten, von denen sie in ihrem früheren Leben ständig Berichte erhalten hatte, wusste Angela viel zu viel darüber, was mit den Daten von Online-Käufern angestellt wurde. Und überhaupt, was ging es Amazon an, welche Kleidergröße sie hatte?
«Wie du meinst, Schatz», antwortete Achim. Ein Satz, den er sehr häufig sagte, weil er sein Leben wesentlich leichter machte. Und das von Angela auch.
«Putin hat gemacht», verkündete eine Stimme hinter ihnen. Noch vor sechs Wochen hätte dieser Satz Angela tage-, wenn nicht gar wochenlang in Atem gehalten. Doch jetzt bedeutete er lediglich, dass sie ein Kackertütchen aus ihrer Blazertasche hervorkramen musste. Das kleine schwarze Plastiktütchen in der Hand, ging sie in Richtung eines imposanten Zweimetermannes mit Bürstenhaarschnitt. Er trug einen schwarzen Anzug und eine Sonnenbrille. Es war Mike, ihr fünfundvierzig Jahre alter Personenschützer, der stets sein Jackett zugeknöpft hielt, weil er auf diese Weise seinen leichten Bauchansatz kaschieren wollte. Neben Mike hockte Putin. Nicht der russische Präsident, sondern ein kleiner heller Mops mit schwarzem Fleck ums linke Auge, den Achim aus einem Tierheim geholt und Angela am Tag des Rentenbeginns geschenkt hatte. Mit Hilfe dieses niedlichen Tierchens sollte Angela nun endlich ihre Angst vor Hunden überwinden. Und da Putin – nicht der Mops, sondern der echte – einst seinen großen schwarzen Hund in Angelas Nähe frei laufen gelassen hatte, eben weil er um ihre Angst wusste, hatte sie den knuddeligen Mops nach dem russischen Präsidenten benannt.
«Ich kann das auch aufheben», bot Mike an. Angela wusste genau, wann ein Gegenüber sein Angebot tatsächlich so meinte und wann nicht. Ganz klar: Mike hoffte insgeheim, er müsse sich nicht nach dem Haufen bücken.
«Das ist aber freundlich von Ihnen», antwortete sie deshalb verschmitzt und hielt ihm das Kackertütchen entgegen.
«Ähem, das ist doch selbstverständlich», erwiderte das Kraftpaket, aber seine Stimme vibrierte angesichts der Aufgabe ein wenig. Ein islamistischer Attentäter hätte ihn mit Sicherheit weniger aus der Fassung gebracht – Mike war in der Lage, einen solchen mit nur zwei Fingern in ein sabberndes Etwas zu verwandeln. Kurz bevor er das Tütchen ergreifen konnte, bückte sich die ehemalige Bundeskanzlerin und sagte: «Ach, lassen Sie, ich bin es gewohnt, Putins Mist aufzuräumen.»
Dann sah sie sich um: Nie ist ein Mülleimer in der Nähe, wenn man mal einen braucht.
«Soll ich dir das abnehmen?», fragte Achim, der sich so leicht vor nichts ekelte, weder vor Spinnen noch vor Donald Trump.
«Ich werde es schon selber tragen», lächelte Angela.
«Wer liebt den Mops, trägt dessen Drops.»
«Was habe ich dir zu deinen Wortspielen gesagt, Achim?»
«Dass ich sie bleiben lassen soll?»
«Ganz genau.»
«Na gut», sagte Achim. «Wenn du es willst, dann lass ich sie.»
Angela streichelte ihm mit der freien Hand über die Wange und erklärte: «Und mit diesem schönen Vorsatz wollen wir nach Hause gehen.»
«Bis wir zu Hause sind», grinste Achim. Entwaffnend. Sein freches Lächeln war seine Geheimwaffe, bei dem konnte Angela nicht anders, als selber zu grinsen. So auch diesmal. Dann wandte sie sich an ihren Personenschützer: «Gibt es einen kürzeren Weg zurück ins Dorf? Ich würde gerne noch Äpfel für einen Kuchen kaufen, und die Läden machen bald zu.»
Die frühen Schließzeiten waren einer jener vielen Unterschiede von Klein-Freudenstadt zu Berlin, von denen Angela nicht genau wusste, ob sie sie liebenswert finden sollte oder nur enervierend.
«Apfelkuchen?», fragte Mike. Er liebte Kuchen und schätzte Angelas Backkünste, das wusste sie, zugleich fürchtete er um seine Sportlerfigur und seine Fitness. Seitdem er dem Ehepaar Merkel zugeteilt worden war, hatte er – trotz harten körperlichen Trainings – bereits zwei Kilo und 358 Gramm zugenommen. Solche Probleme kannte Achim nicht, er konnte essen, was er wollte, und nahm kein Gramm zu. Eine der Eigenschaften ihres Mannes, auf die Angela ein wenig neidisch war. Und Mike mittlerweile auch.
«Apfelkuchen», bestätigte Angela. Seitdem sie in Klein-Freudenstadt lebte, backte sie fast jeden Tag einen Kuchen: Erdbeeren, Birnen, Pflaumen. Was die Obststände auf dem Markt vor der kleinen Kirche hergaben. Angela backte nicht nur, um die Stunden zu füllen, die sie noch vor wenigen Wochen mit Sitzungen aller Art verbracht hatte, sondern auch, weil sie das Backen liebte. In einem anderen Leben wäre sie vielleicht nicht Wissenschaftlerin und Politikerin geworden, sondern Konditorin. Vermutlich gab es in einem der vielen Paralleluniversen – als Physikerin glaubte sie an die Theorie, dass es nicht nur das eine gab – eine Angela, die sich glücklich und erfüllt den lieben langen Tag mit Butterkuchen und Quarkbällchen beschäftigte. Vielleicht gab es sogar ein Universum, in dem die backende Angela dabei noch nicht mal an Gewicht zunahm.
«Durch den Wald», checkte Mike auf seinem Handy, «kommen wir schneller wieder in den Ort.»
«Na, dann wollen wir mal», sagte Angela und ging entschlossen voran in Richtung Wald. Gefolgt von Achim, Mike und Putin, der mit seinen kleinen, krummen Beinchen froh war, dass sein Frauchen nicht die Schnellste war.
Sie hatten keine hundert Meter zurückgelegt, da hörten sie Pferdegetrappel....
Erscheint lt. Verlag | 23.3.2021 |
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Reihe/Serie | Merkel Krimi | Merkel Krimi |
Verlagsort | Hamburg |
Sprache | deutsch |
Themenwelt | Literatur ► Krimi / Thriller / Horror ► Krimi / Thriller |
Schlagworte | Agatha Christie Krimi • Angela Merkel • Angie • Aufgetaut • Bestseller • Bundeskanzlerin • Bundeskanzlerin in Rente • Cosy Crime • cosy krimi deutsch • Detektiv • Detektivin • deutsche Kriminalromane • Geschenk für Mutter • Geschenk für Vater • Hobby-Detektivin • Humor • humorvolle Krimis • humorvoller Krimi • Joachim Sauer • Krimi Deutschland • Kriminalroman • Krimireihe • krimi serie • lustige krimis bücher • lustiger Roman • Mieses Karma • Miss Marple • Miss Merkel Teil 1 • Mops • Muttertagsgeschenk • Muttertagsgeschenkt • Regionalkrimi • Rente • Ruhestand • spannende Bücher • spiegel bestseller • SPIEGEL-Bestseller • Spiegel Bestseller-Autor • Spiegel Bestsellerliste aktuell • Uckermark • Unterhaltung • Witziges Buch |
ISBN-10 | 3-644-31481-0 / 3644314810 |
ISBN-13 | 978-3-644-31481-8 / 9783644314818 |
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