Dark (eBook)

Thriller

*****

(Autor)

eBook Download: EPUB
2020 | 1., Deutsche Erstausgabe
395 Seiten
Suhrkamp Verlag
978-3-518-76660-6 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Dark - Candice Fox
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Eine verurteilte Mörderin. Eine talentierte Diebin. Eine skrupellose Gangsterin. Eine desillusionierte Ermittlerin. Zusammen sind sie die einzige Hoffnung eines vermissten Mädchens.

Los Angeles. Dayly, die Tochter der unverbesserlichen Diebin Sneak Lawlor, ist verschwunden. Sneak bittet ihre ehemalige Zellengenossin, die wegen Mordes verurteilte und gerade entlassene Ärztin Blair Harbour um Hilfe. In ihrer Not wenden sich die beiden Frauen auch an die Polizistin Jessica Sanchez, die gerade ein 7-Millionen Haus geerbt hat und von ihren Kollegen deswegen gehasst wird. Und weil die Spur der wie vom Erdboden verschluckten Dayly ins kriminelle Milieu führt, stößt auch noch die ultraharte Gangsterin Ada Maverick zu der Truppe. Denn es geht um Geld, um sehr viel Geld. In der Todeszelle sitzt derweil der Bankräuber und Mörder Fishback und zieht die Fäden ...



<p>Candice Fox stammt aus einer eher exzentrischen Familie, die sie zu manchen ihrer literarischen Figuren inspirierte. Nach einer nicht so braven Jugend und einem kurzen Zwischenspiel bei der Royal Australian Navy widmet sie sich jetzt der Literatur, mit akademischen Weihen und sehr unakademischen Romanen. F&uuml;r den ersten und zweiten Teil ihrer Trilogie, <em>Hades</em> und<em> Eden</em>, wurde sie 2014 und 2015 mit dem Ned Kelly Award ausgezeichnet.</p>

Blair


Ich blickte direkt in die Mündung einer Waffe. Auf leisen Sohlen war sie hereingeschlichen. Flink wie ein Wiesel. Aus dem Augenwinkel hatte ich eine Gestalt vor dem Schaufenster der Pump-’n’-Jump-Tankstelle vorbeihuschen sehen, ein verwischter Schatten vor einem roten Sonnenuntergang mit Palmen. Sekundenschnell. Die Türglocke, die sie vom Schatten zur echten Person werden ließ, war noch nicht verklungen, da fuchtelte sie schon mit dem Teil vor meinem Gesicht herum. Dass sie dabei zitterte, machte meine unheilvolle Lage noch bedrohlicher. Vorsichtig legte ich den Stift hin, den ich gerade noch fürs Kreuzworträtsel benutzt hatte.

Tiefes Bedauern: Reue. Vielleicht das letzte Wort, das ich je schreiben würde. Wenigstens passte es zu mir.

Ich legte die Hände flach auf den Tresen, zwischen die braun gesprenkelten Bananen zum Stückpreis von einem Dollar und dem Doppelpack Clark-Schokoriegel zum Sonderpreis.

»Halt bloß die Schnauze!«, sagte das Mädchen.

Mein Blick wanderte von der Waffe zu ihr, und was ich sah, erfüllte mich mit Furcht: Ihre Hand war nass vor Schweiß und Blut, der glitschige Zeigefinger rutschte am Abzug herum. Die Sicherung war gelöst. Ihr Arm, mager und sehnig, würde sicher bald müde werden, denn die Waffe, die ihr eindeutig nicht gehörte, war zu groß und schwer für sie. Dahinter ihr Gesicht, ein sieches Lilagrau, wie eine frische Leiche. Auf der Stirn klaffte eine fiese Wunde, die so tief war, dass ich bis zum Knochen sehen konnte. Fingerabdrücke prangten im Blut an ihrer Kehle, zu groß, um von ihr selbst zu stammen.

In dieser Situation rumzuschreien war nicht ratsam. Vor Schreck könnte ihr verschmierter Finger abdrücken und mein Hirn über die hinter mir aufgereihten Zigarettenschachteln verteilen. Ich wollte mein Leben auf keinen Fall in dieser bekloppten Uniform aushauchen, die Mütze mit dem großen rosa Känguru und dem Schild mit der Aufschrift »Blair«, darunter die Lüge: »Ich bediene Sie gern.« Ersteres stimmte, Letzteres war glatt gelogen. In meinem verwirrten Geisteszustand dachte ich ernsthaft darüber nach, was mein kleiner Sohn Jamie wohl bei meiner Beerdigung tragen würde. Er besaß einen Anzug, das wusste ich zufällig, denn den hatte er bei meiner Bewährungsanhörung getragen.

»Moment!«, entfuhr es mir, Ausdruck meiner Überraschung und verzweifelte Bitte zugleich.

»Mach die Kasse leer!« Das Mädchen streckte die Hand aus, blickte hektisch aus dem Fenster. An den Zapfsäulen herrschte gähnende Leere, genau wie auf dem Parkplatz dahinter. »Und die Schlüssel zu deinem Auto.«

»Mein Auto?« Meine Hand flog an die Brust, was sie ruckartig zurückweichen ließ. Sie umklammerte die Waffe umso fester. Wie blöd kann man sein? Keine raschen Bewegungen mehr! Keine dämlichen Fragen! Mein verbeulter Honda, das einzige Fahrzeug weit und breit, stand unter einer großen Reklametafel. Idris Elba mit einer Armbanduhr, mit der man zwei Universitätsausbildungen finanzieren könnte.

»Kiste, Kohle!«, stieß das Mädchen hervor. Sie biss die Zähne zusammen. »Los, Bitch!«, knurrte sie.

»Hören Sie«, sagte ich langsam. Einen Augenblick lang hatte ich ihre volle Aufmerksamkeit. Der Kühlschrank mit den Burritos summte sanft. Die Lampen hinter der Plastikfratze des Slushie-Automaten blinkten. »Ich kann Ihnen helfen.«

Kaum hatte ich diese Worte ausgesprochen, verstand ich, wie blödsinnig sie klangen. Es gab mal eine Zeit, da konnte ich Menschen tatsächlich helfen. Kranken Kindern und deren panischen Eltern. Ich trug Chirurgenkittel oder Businesskleidung, keine Kängurus, keine Schildchen mit hirnrissigen Slogans. Aber zwischen damals und heute gab es eine Zeit, in der man mir Gefängniskleidung anlegte und mir mein Helfersyndrom sukzessive austrieb. Die Kleine verlagerte ihr Gewicht von einem Bein aufs andere und fuchtelte dazu mit der Waffe herum, damit ich sie ernst nahm. »Ich scheiß auf dich und deine Hilfe! Die brauch ich nicht. Ich muss hier weg!«

»Wenn Sie einfach …«

Auf einmal erleuchtete ein Blitz den Verkaufsraum, erst danach ertönte das zugehörige Geräusch, eine Explosion in meinem Trommelfell, massiver Druck in meinem Schädel, als die Kugel viel zu nah an mir vorbeisauste. Schrillen. Sie hatte ein Loch in den Marlboro-Automaten geschossen, direkt über meiner rechten Schulter. Der Gestank von verbranntem Tabak und geschmolzenem Plastik lag in der Luft. Die Waffe wurde erneut auf mich gerichtet.

»Okay«, sagte ich, »okay!«

Auf dem Weg zur Kasse warf ich einen raschen Blick auf ihr Spiegelbild in der Scheibe. Goldblonde Locken. Stupsnäschen. Irgendwie kam sie mir bekannt vor, aber während meiner Zeit hinter Gittern waren mir vermutlich tausende problembeladene, aggressive Jugendliche begegnet, die, ohne mit der Wimper zu zucken, herumballern würden. Rasch nahm ich den Schlüssel aus dem Becher neben der Kasse.

»Diese Tankstelle gehört dem Kartell«, erklärte ich. Meine Hände zitterten. Bald würde ich schweißgebadet sein, hyperventilieren, mit den Zähnen klappern. Bei mir steigerte sich die Furcht immer nur langsam bis zur Panikattacke. So hatte ich es mir antrainiert. »Das sollten Sie wissen. Wenn Sie sich an deren Geld vergreifen, müssen Sie und Ihre Familie dafür büßen. Sie können den Wagen nehmen, aber …«

»Halt die Fresse!«

»Sie werden so lange suchen, bis sie Sie gefunden haben«, sagte ich, als ich die Kasse aufschloss. Das Mädchen lachte. Während ich die Geldstapel aus den Fächern zog, riskierte ich einen Seitenblick. Das war kein amüsiertes Kichern gewesen, sondern ein ironisches Schnauben. Es durchfuhr mich eiskalt, als ich begriff, was das bedeutete. Unser Spiegelbild im Schaufenster. Wie ich hatte sie den Blick nach draußen gerichtet, wo es langsam dämmerte. Keine Menschenseele. Wir waren schrecklich allein, sie und ich, und doch nicht. Ich drückte ihr die Scheine in die Hand.

»Es ist schon jemand hinter dir her«, sagte ich. Das Mädchen nickte angespannt. Vorsichtig zog ich meinen Autoschlüssel aus der Tasche und ließ ihn in ihre ausgetreckte Hand fallen. Als die Mündung endlich aus meinem Sichtfeld verschwand, war mir, als würde jemand den Klammergriff von meiner Kehle lösen.

Das Mädchen rannte zu meinem Wagen und brauste davon.

Korea Town, dessen Lichter ich nun durchs Schaufenster blinken sah, schien einen kollektiven Seufzer der Erleichterung auszustoßen. Als hätte jemand die Pausetaste gelöst. Langhaarige Jugendliche balgten sich an Straßenecken. Ein Mann, von der Arbeit heimgekehrt, ließ den Deckel seines Briefkastens zuknallen und schlenderte mit der Zeitung unterm Arm auf seine Haustür zu. Die bösartige Bedrohung, die ich gespürt hatte, als das Mädchen vor mir stand, war vorüber.

Ich hätte die Polizei rufen können. Um einen Überfall zu melden oder ihnen von dem verzweifelten Mädchen zu erzählen, das wie ein gejagtes Tier vor jemandem oder irgendwas auf der Flucht war, gnadenlos verfolgt, und schon wer weiß wie lange ums Überleben kämpfte. Doch in Los Angeles wimmelte es von solchen Menschen. Das war schon immer so gewesen. Ein Dschungel mit Gejagten und Jägern. Ich beschloss, dem Mädchen einen kleinen Vorsprung zu geben, bevor ich mein Auto als gestohlen meldete, wischte mir mit dem Saum meiner Bluse den Schweiß vom Gesicht und versuchte, meine Atmung unter Kontrolle zu bringen.

Meine Sucht pochte dumpf, ein kurzes, aber heftiges Verlangen trieb mich dazu, den Hörer neben der Kasse in die Hand zu nehmen. Mein Finger zögerte über den Tasten. Mit aller Macht zwang ich mich zum Auflegen. Die Wanduhr ließ mich wissen, dass das Ende meiner Schicht noch eine Stunde entfernt war. Kurz überlegte ich, Jamie anzurufen, doch ich wusste, dass er bereits schlief.

Stattdessen ging ich an den Bankomaten in der Ecke des Ladens. Ich schob meine Karte in den Schlitz und hob vierhundert ab, ungefähr die Summe, die das Mädchen gestohlen hatte. Die Scheine legte ich in die Kasse. Obwohl ich die wahren Besitzer der Tankstelle noch nie gesehen hatte, wusste ich, was das Kartell mit ihr anstellen würde, denn im Knast war ich einigen Kartellfrauen begegnet, hatte genug Spanisch aufgeschnappt, um ihre Geschichten zu belauschen. Die Kleine, wer auch immer sie sein mochte, brauchte nicht auch noch die Marino 13 im Nacken. Genauso wenig...

Erscheint lt. Verlag 16.11.2020
Übersetzer Andrea O’Brien
Sprache deutsch
Original-Titel Gathering Dark
Themenwelt Literatur Krimi / Thriller / Horror Krimi / Thriller
Schlagworte Bestseller bücher • buch bestseller • Für Krimifreunde • Krimi • Krimi-Bestenliste • Krimi-Bestseller • Pageturner • Spannung • ST 5101 • ST5101 • suhrkamp taschenbuch 5101 • Thriller
ISBN-10 3-518-76660-0 / 3518766600
ISBN-13 978-3-518-76660-6 / 9783518766606
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