Vergessene Gräber (eBook)

Ein Mara-Billinsky-Thriller

(Autor)

eBook Download: EPUB
2020 | 1. Aufl. 2020
494 Seiten
beTHRILLED (Verlag)
978-3-7325-8560-1 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Vergessene Gräber - Leo Born
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Eine grausame Mordserie hält Frankfurt in Atem. Der Täter schlägt scheinbar willkürlich zu, allerdings mit einer Ausnahme: Alle Opfer sind jung und erfolgreich. Ihre Ermittlungen führen Mara Billinsky und Jan Rosen zu einer ehemaligen russischen Ballett-Tänzerin, die etwas über die Morde zu wissen scheint. Doch selbst als ihr eigener Sohn verschwindet, schweigt sie eisern weiter. Aber Mara lässt nicht locker und gerät - ohne es zu ahnen - mitten in einen tödlichen Rachefeldzug ...

eBooks von beTHRILLED - mörderisch gute Unterhaltung!

5


Im Wohnungsflur war es schon entsetzlich gewesen, aber hier im Schlafzimmer …

Mara Billinsky hielt den Atem an. Sie spürte, wie sich ihr der Magen umdrehte. Unwillkürlich legte sie den Handrücken unter die Nasenlöcher, sie musste würgen und unterdrückte es. Der faulige Gestank hing als unsichtbare Wolke in der Luft, derart aggressiv und kraftvoll, wie sie nie zuvor etwas gerochen hatte.

Erneut versuchte sie die Luft anzuhalten, auch wenn das letztlich nicht viel nützte.

Rosen hatte ihr per WhatsApp mitgeteilt, dass er sich verspäten würde. Besser für ihn. Der Anblick einer Leiche war immer schwer zu verkraften, handelte es sich jedoch um ein Opfer, das bereits seit Wochen tot sein musste, überstieg das jegliche Grenze des Erträglichen. Mara versuchte sich auf die Einzelheiten zu konzentrieren, alles als schlichte Fakten in ihrem Kopf abzuspeichern, auch wenn das verdammt schwer war.

Der Mann lag auf dem Bett. Auf dem Laken hatten sich Rinnsale Wege gebahnt, rosa verfärbt vom Cholesterin: Körperflüssigkeit, die aufgrund der Raumwärme ausgetreten war. Ein grauer Haarschopf. Das Gesicht und der Körper waren wegen der welligen Berglandschaft aus zahllosen Maden kaum erkennbar. Ein helles T-Shirt und eine rote Jogginghose klebten am Körper. Die Füße waren nackt und beinahe sichelförmig gekrümmt, die Zehen wie eingerollt. Auf den Sohlen und den Knöcheln zeichneten sich Totenflecken als dunkle rot-violette Muster ab.

Mara musste da durch. Sie hatte keine Wahl. Die Hand über Nase und Mund gestülpt, beugte sie sich vor, um das Gesicht unter dem Gewusel der Maden noch einmal aus der Nähe betrachten zu können. Verklebte Augenlider, angefressene Pupillen. Die Lippen waren aufgeplatzt. Der Kiefernmuskel trat hart wie ein Tau hervor. Das Gerinnen von Muskelproteinen fing in den Lidern an, am Hals, am Kiefer. Sämtliche Muskeln im Körper wurden starr und fixierten die Leiche zunächst in der Stellung, in der sie sich befand.

Trotz des schlimmen Zustands des Leichnams konnte man den langen Schnitt erkennen, mit dem jemand dem Mann die Kehle durchtrennt hatte.

Mara richtete sich wieder auf.

In dieser Wohnung hatte nur eine Person gelebt, und aller Wahrscheinlichkeit nach handelte es sich bei ihr um das Opfer. Simon Jenal. Alleinstehend, keine Kinder. Hier wohnhaft seit etwas mehr als achtzehn Jahren. Das war im Moment alles, was Mara über ihn wusste. Die spärlichen Erkenntnisse über Simon Jenal hatte ihr ein Gespräch mit dem Hausmeister gebracht. Er war es auch gewesen, dem der Gestank als Erstem aufgefallen war, woraufhin er gleich die Polizei unterrichtet hatte.

Die Spezialisten der Kriminaltechnik huschten in ihren hellen Schutzanzügen und Plastiküberschuhen um Mara herum, leise, emsige Gestalten, die etwas von Gespenstern an sich hatten. Einer der Männer machte sich an den gekrümmten Fingern des Toten zu schaffen. Ein trockener Laut erklang, als würde ein Zweig gebrochen werden, dann ein Rascheln, ein Klicken und drei Piepser in schneller Folge. Das war der mobile Fingerabdruck-Scanner, ein Spritzguss-Eingabegerät mit einem Adapter für ein iPhone. Eine App auf dem Smartphone verarbeitete den Scan in ein hochauflösendes Bild und übermittelte die Daten direkt an die Zentrale, wo sie mit Hunderttausenden gespeicherten Abdrücken verglichen wurden.

»Die Finger sind in einem schlechten Zustand«, meinte einer der Kriminaltechniker, die Stimme aufgrund seiner Maske gedämpft. »Sieht so aus, als ob der Scanner nicht in der Lage wäre, die Rillen zu erkennen.«

»Ist das genau aus diesem Grund herbeigeführt worden?«, fragte Mara.

Der Mann nickte. »Ziemlich sicher. Das liegt keineswegs nur an den Verwesungserscheinungen. Offenbar hat man ihm ganz gezielt die Fingerkuppen versengt.«

Mara zwang sich zu einem letzten prüfenden Blick auf den Toten und verließ das Schlafzimmer. Sie nahm sich einen Raum nach dem anderen vor, ganz in Ruhe, konzentriert, immer noch den grässlichen Gestank in der Nase.

Um einmal kurz innehalten zu können, stellte sie sich an eines der Fenster und schaute auf die Parkanlage, die viele Etagen unter ihr lag und von strahlenförmig angeordneten Beeten geschmückt wurde. In der Mitte stand eine Sonnenuhr, Kieswege führten zu der gegenüberliegenden Mauer mit dem prächtigen Wandbrunnen. Aus den beiden speienden grotesken Gesichtern, die ein Medusenhaupt einrahmten, sprudelte kein Wasser, dafür war es zu kalt. Im Sommer war es recht schön hier, fast beschaulich, obwohl man praktisch nur einen Steinwurf von der City und der großen Einkaufsstraße, der Zeil, entfernt war.

Vom Eingang her, wo ein uniformierter Beamter als Wache postiert war, drangen Stimmen zu Mara. Sie folgte dem Flur und empfing Jan Rosen, der gerade eintraf, mit einem unmissverständlichen Blick.

»So schlimm?«, meinte er.

»Schlimmer.« Sie hob warnend die Hand. »Erspar dir den Anblick. Ich habe mich bereits ausgiebig umgesehen. Und Fotos werden wir sowieso noch bekommen.«

»Ich schaff das schon«, erwiderte er, bereits kalkweiß im Gesicht. In der Mordkommission gab es einen Running Gag, der sich auf Rosens sensiblen Magen bezog. Mara wusste also, warum sie ihn jetzt am Ärmel seiner Armeejacke packte und entschlossen vom Flur ins Wohnzimmer zog.

Sie machte eine Geste, die den gesamten Raum einschloss. »Was sagst du dazu?«

»Wozu?«

»Zu der verdammten Einrichtung.«

»Hm. Sehr aufgeräumt.« Er sah sich gewissenhaft um. »Und sehr sachlich, würde ich es mal nennen. Fast kärglich.«

Mara zog eine Augenbraue in die Höhe. »Aufgeräumt. Sachlich. Kärglich«, wiederholte sie dumpf.

»Stimmt es etwa nicht?« Er bedachte sie mit einem abwartenden Blick.

»Sicher, Rosen, es stimmt. Aber es klingt so zaghaft. Hier sieht es doch aus, als wäre in diesen vier Wänden nie gelebt worden. Nichts steht herum. Da hängen keine Fotos an den Wänden, kein Kalender mit Notizen zu irgendwelchen Terminen. Es gibt keine Bücher, keine Zeitschriften. Zuerst dachte ich, hier sei erst vor ein paar Wochen jemand eingezogen. Oder dass der Mieter die Wohnung immer nur ein paar Tage pro Woche nutzte und in Wirklichkeit woanders lebte. Dafür allerdings wäre sie wieder zu groß. Also, ich finde, da wirkt manche Knastzelle einladender.« Sie schüttelte grüblerisch den Kopf. »Das ist ein Gefängnis. Nur ohne Gitter.«

In knappen Worten fügte sie die Eckpunkte an, die bei der Unterhaltung mit dem Hausmeister herausgekommen waren.

»Die Wohnung sieht tatsächlich nicht aus wie seit fast zwei Jahrzehnten in Gebrauch«, stimmte Rosen zu.

»Als hätte ein Roboter hier gewohnt. Außer diesem Gemälde mit der Ballerina findet sich absolut nichts Emotionales.«

»Vielleicht ist einiges gestohlen worden. Ich habe den offen stehenden Safe bemerkt.«

»Selbst wenn – das ändert nichts an meinem Eindruck. Nicht einmal ein einziges Foto gibt es hier, von irgendeiner alten Flamme, einem putzigen Hundchen, einer tollen Ferienreise oder von was auch immer.«

Rosen zuckte vage mit den Schultern, wie es typisch für ihn war. Seine Lippen bildeten einen schmalen Strich.

»Das kommt mir verdammt komisch vor«, murmelte Mara mehr zu sich als zu ihm. »Diese unpersönliche Wohnung. Der Mord. Ich meine, das war nicht einfach nur ein simpler Raubüberfall.«

»Dein berühmtes Gespür, was?«, wagte er einen kleinen Vorstoß in Sachen Spott.

»Berühmt ist es nicht, aber wenigstens ab und zu liege ich damit richtig.« Sie trat nahe ans Fenster. »Und an diesem Tatort leuchten sämtliche Alarmlampen in meinem Dickschädel knallrot, das kann ich dir sagen.«

»Wie lange ist der Mann tot?«

»Die Kollegen meinen, bestimmt seit einigen Wochen. Die zu Beginn eintretende Leichenstarre hat nach einer gewissen Zeit nachgelassen, und der Körper ist ein wenig in sich zusammengesunken. Anfangs war die Heizung womöglich nicht eingeschaltet gewesen oder nur sehr schwach. Du erinnerst dich, als es für einige Tage plötzlich unverhältnismäßig warm wurde.«

Er nickte. »Die Kälte in der Wohnung hat den Verwesungsprozess verlangsamt, schätze ich.«

»Richtig. Dann aber, als es draußen wieder saukalt wurde, hat sich die Heizung automatisch eingeschaltet. In allen Räumen ist es auch jetzt sehr warm. Die Fenster sind ausnahmslos geschlossen.«

»Was den Verwesungsprozess wiederum beschleunigt hat.«

»Genau. Der Gestank wurde heftiger und breitete sich bis in die unteren Stockwerke aus.« Mara sah sich ratlos um. »Offenbar ein Mann, der nicht gerade über viele Freunde verfügte. Er ist von niemandem vermisst worden. Kein Mensch hat sich Sorgen um ihn gemacht. In der gesamten Zeit – womöglich kein einziger Besucher.«

»Nicht einmal eine Putzfrau.«

»Also hat er eigenhändig für Ordnung gesorgt. Was auf einen nicht unbedingt vermögenden Mann schließen lässt – ebenso wie die Einrichtung hier.«

Rosen suchte ihren Blick. »Wieso hätte man also ausgerechnet ihn ausrauben und dabei nicht einmal vor einem Mord zurückschrecken sollen?«

»Das frage ich mich schon die ganze Zeit.«

»Vielleicht haben ihm die schönen Dinge des Lebens nicht viel bedeutet, und er thronte in dieser nüchternen Schlichtheit auf einem Berg von Bargeld.«

»Immerhin hat er sich die monatliche Miete leisten können. Was hier, in der Eschenheimer Anlage, sicher nicht ganz billig sein dürfte.« Mara spielte mit einer Strähne ihres schwarzen Haars. »Wir müssen mehr erfahren über diesen Herrn.«

Ein Schweigen...

Erscheint lt. Verlag 21.12.2020
Reihe/Serie Ein Fall für Mara Billinsky
Ein Fall für Mara Billinsky
Ein Fall für Mara Billinsky
Verlagsort Köln
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Krimi / Thriller / Horror
Literatur Romane / Erzählungen
Schlagworte Andreas Franz • Arno Strobel • Brutal • Dania Dicken • Frankfurter Bahnhofsviertel • Frankfurt Krimi • Hard boiled Krimi • Jakob Arjouni • Kommissarin • Lisbeth Salander • Mafia • Mafia in Deutschland • Mainhattan • Mordserie • Oliver Becker • Rache • Rotlichtkönig • Stieg Larsson • Tatort • Tattoo • Thriller • Verblendung
ISBN-10 3-7325-8560-3 / 3732585603
ISBN-13 978-3-7325-8560-1 / 9783732585601
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