Max geht auf Reha -  Berko Härtel

Max geht auf Reha (eBook)

Realsatire
eBook Download: EPUB
2020 | 1. Auflage
253 Seiten
Books on Demand (Verlag)
978-3-7526-4506-4 (ISBN)
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Was tun, wenn man eingewickelt wie eine ägyptische Mumie in der Fangopackung liegt und die Nase kribbelt? Kann der Verzehr von roher Robbenleber einen Vitamin-D Mangel ausgleichen, und wenn ja, wo kriegt man die her? Was macht das mit einem, wenn man im Reinkarnationsseminar erfährt, das man im vorigen Leben die Mutter von Adolf Hitler war? Das sind nur einige Fragen, denen sich Max Konrad in seiner dreiwöchigen psychosomatischen Rehabilitationsmaßnahme stellen muss. Dazu kommen anscheinend verwirrte Therapeuten und Ärzte, kuriose Anwendungen und Therapien, deren Sinn und Zweck sich einem Normalsterblichen kaum erschließt. Abwechslung im skurrilen Kuralltag sind die abenteuerlichen Lebensgeschichten seiner Mit-Kurenden, so dass Max nicht verzweifelt, sondern vergnüglich seine Erlebnisse in der Einrichtung schildert. Menschen, die schon mal in einer Reha-Maßnahme waren, werden sich in dieser Realsatire wiederfinden. Alle anderen können sich mit der Lektüre schon mal darauf vorbereiten, was auf sie zukommt, wenn es zur Kur geht.

Berko Härtel, geboren 1963 in Helmstedt, Dipl. Kommunikations-Manager, lebt mit seiner Familie im niedersächsischen Gifhorn. Hier arbeitet er als Pressereferent und Koordinator für verschiedene soziale Organisationen. Vor seiner ersten Buchveröffentlichung als Autor war er beruflich viele Jahre bei Tageszeitungs- und Fachzeitschriftenverlagen tätig. 2014 erschien seine satirische Erzählung Ist doch eh' alles nur Blues. Neben seiner journalistischen Tätigkeit ist Härtel als Songwriter, Komponist und Gitarrist in einer Deutsch-Rockband aktiv. Auch hier sind die Basis seiner scharfzüngigen Texte gewöhnliche und häufig banale eigene Alltagserfahrungen, die er auf sarkastische und humorvolle Weise überzeichnet darstellt.

Entspannung nach Jacobson


Am nächsten Vormittag stand auf Max´ Kurplan eine Therapie mit dem Ziel Entspannung. Max wunderte sich, dass diese Maßnahme um kurz nach zehn geplant war. Um diese Zeit erreichten viele Menschen eigentlich den Höhepunkt ihrer körperlichen Leistungsfähigkeit. Wahrscheinlich, dachte er sich, machen die das extra so. Denn wenn die Aktion nach dem Mittagessen stattfinden würde, wären die Leute wohl gar nicht mehr wach zu kriegen und würden bis zum Abendbrot durchschlafen.

Wie sich zeigte, hatte Max eine völlig falsche Betrachtungsweise von dem, was er von dieser Übung erwartet beziehungsweise erhofft hatte. Seine Vorstellung von Entspannung, nämlich bequem auf einem wohligen Sofa bei dezenter Begleitmusik zu liegen und von einer im besten Fall hübschen Therapeutin mit erotischer Ausstrahlung in den Schlaf massiert zu werden, wurde bei der Ansprache des Kursleiters Bert jäh zerstört.

„Herzlich willkommen zum Kurs Progressive Muskelentspannung nach Jacobson. Was ihr hier lernt ist Stress abbauen, und zwar aktiv. Unsere Devise lautet: Entspannen durch anspannen“, rief Bert mit holländischem Akzent fröhlich in die Runde.

Einige der Teilnehmer schauten sich verstohlen um. Sie hatten ebenfalls wie Max ein Schläfchen erwartet und sich deshalb vorsorglich Kissen und Decken mitgebracht. Statt gemütlichem Sofa, saßen sie nun alle auf einem ganz normalen Stuhl, der nicht mal eine Armlehne hatte.

„In unserer heutigen Zeit haben wir leider alle verlernt, Anspannung bewusst als positive Energie wahrzunehmen und für Entspannung zu nutzen“, führt Bert aus. „Ich werde euch beibringen, diese Kräfte wieder zu reaktivieren. Denn durch das aktive Erlernen der Progressiven Muskelrelaxation entsteht eine fühlbare Sensibilität für den momentanen Spannungszustand, die Differenz zwischen An- und Entspannung wird wieder spürbar und führt zu Entspannung.“

Oh mein Gott, was hat der denn geraucht, schoss es Max in den Kopf.

Bert war im Flow. „Mit der Progressiven Muskelentspannung nach Jacobson kann es gelingen, auf körperlicher und seelischer Ebene wieder locker zu lassen. Das wird euch gefallen.“

Was sind eigentlich die notwendigen Voraussetzungen um Therapeut in einer Kurklinik zu werden? Prinzipiell müssen die alle wohl einen an der Waffel haben, um hier zu arbeiten. Max stellte sich ein Vorstellungsgespräch mit der Personalleitung eines Reha-Zentrums vor: Der Personalchef – quatsch, in so einer Institution ist das bestimmt eine Frau – sitzt auf einen rückenschonenden Gymnastikball und reibt sich mit einem Noppenball die Wangenknochen. Ein Bewerber betritt den Raum. Beide sind in bunte Tücher gehüllt, um die Handgelenke baumeln bunt gefärbte Knochenketten.

´Hallo, ich bin die Ulrike und kümmere mich hier um unsere Mitarbeiter.´

´Hallo, ich bin Bert. Aber Bert ist nur mein Avatar. Mein richtiger Name ist Nektarius, ich stamme vom Planeten Hyperion, der liegt in einem Sonnensystem zweihundert Lichtjahre hinter der Milchstraße.´

´Du, das ist ja cool. Da sind wir ja quasi Nachbarn. Ich komme von Dysnomia. Liegt in der Umlaufbahn von Eris.´

´Ist schon irre, wen man auf seinen galaktischen Wanderungen alles so trifft.´

´Du, sag doch mal, du willst ja jetzt hier Entspannungstechnik lehren. Wie willst du denn die primitiven Erdenmenschen erreichen?´

´Kreisvolkshochschule. Ich habe einen Abschluss in Progressiver Muskelentspannung nach Jacobsen in der Tasche.´

´Du, der ist doch schon hundert Jahre tot. Können denn die Erdenmenschen heute damit überhaupt noch was anfangen?´

´Es kommt auf die transzendentalen Schwingungen an. Die gesprochenen Thesen von Jacobson sind ja als akustische Strahlenwellen auf der Erde ewig präsent und werden auch nie verschwinden. Sie sind in ständiger Bewegung, man muss den Erdenmenschen nur beibringen, diese zu fangen und zu verstehen.´

´Du, das hört sich aber total interessant an. Magst du einen Tee?´

´Gerne. Hast du auch Ingwer mit Zitrone? Aber bitte ohne Zucker.´

´Aber ja. Tee ist günstig. Apropos günstig, wir können ja auch nicht so viel Gehalt zahlen.´

´Aber eine Wohnung bräuchte ich schon, um in Ruhe meine Meditationsübungen durchführen zu können. Sonst könnte es sein, dass meine Verbindung zu meinem Heimatplaneten abbricht.´

´Du, das kriegen wir hin. Ich habe Zugang zum Esoterischen Tor von Prometheus, mit Flatrate. Wir nutzen die Kraft von magischen Pilzen, danach können wir uns unbegrenzt in alle Galaxien teleportieren. Du, hast du dich schon mal mit Erdenmenschen gepaart?´

´Diese Form der menschlichen Aktivität dient hier zur Zeugung von Nachkommen. Das lehne ich prinzipiell ab.´

´Du, ich mach mir einen Verhütungstee. Wir könnten ja einfach nur so aus Spaß …´

´Wann kann ich anfangen?´

Bert begann nun, mit sonorer Stimme auf die Teilnehmer einzureden: „Wir begeben uns jetzt auf eine imaginäre Reise durch unseren Körper. Stellt euch vor, ihr seid in eurer linken Schulter. In Gedanken fahren wir jetzt durch die Venen in den Oberarm, wir passieren den Unterarm und gelangen nun in die Hand. Wir erreichen den Daumen. Fahrt bis in die Spitze, spannt den Daumen kurz an und lasst wieder los.“

Es war totenstill im Raum. Vor Beginn der Übung hatte Bert den Teilnehmern erklärt, wie sie sich hinzusetzen hatten.

„Den Rücken gerade an die Stuhlwand drücken und die Hände locker auf die Oberschenkel legen. Die Beine stehen im rechten Winkel parallel zueinander, die Füße liegen komplett auf, sodass Verse und Zehen den Boden berühren.“

So eine Haltung war den meisten Teilnehmern als praktizierenden Couchpotatos natürlich völlig unbekannt. Gerade sitzen statt einfach nur lümmeln erfordert zudem ausreichend Konzentration, ansonsten besteht die Gefahr, einfach stumpf vom Stuhl zu fallen.

„Nun fahren wir in den Zeigefinger, bis in die Spitze, kurz anspannen und wieder loslassen. Spürt ihr, wie das Blut in euren Fingern fließt?“

Max spürte in erster Linie sein rechtes Bein. Dieses war nämlich zwischenzeitlich eingeschlafen und begann unangenehm zu kribbeln. Kurz mal aufstehen und ausschütteln war jedoch nicht möglich, ohne die Veranstaltung zu stören.

„Gleiche Vorgehensweise wie bisher, wir fahren jetzt in den kleinen Finger“, flüsterte Bert in den Raum.

Max blinzelte zu den anderen Teilnehmern. Einige waren krebsrot im Gesicht, weil sie wahrscheinlich aufgrund der Fokussierung auf die Übung das Atmen vergessen hatten. Bert hatte die Augen geschlossen, sodass er den Sauerstoffmangel seiner Protagonisten nicht sehen konnte, und gab weitere Instruktionen.

„Ihr macht das prima. Wir fahren nun in Gedanken zurück durch unseren Körper, gleiten zum Hals und begeben uns in unser rechtes Ohr. Vor eurem inneren Auge könnt ihr sehen, wie die feinen Härchen des Trommelfells sich quasi im Wind der Töne hin und herbewegen.“

Max sah vor seinen inneren Augen ungefähr drei Millionen Ameisen, die sein rechtes Bein mit kleinen Stecknadeln piksten. Das Kribbeln wurde immer schlimmer.

„Nun fahren wir zum linken Ohr. Konzentriert euch auf euer Trommelfell. Hört ihr das Rauschen? Das ist ein Zeichen guter Durchblutung.“

Max´ Sitznachbar hatte sich bei der imaginären Rundreise im eigenen Leib anscheinend verfahren, war falsch abgebogen und im Bauch gelandet. Dort angekommen wurde er mit seinem körpereigenen Verdauungsprozess konfrontiert. Sein Magen hatte bestimmungsgemäß begonnen, das Frühstück zu zersetzen. Müsli mit reichlich Leinsamen soll ja sehr gesund sein, die Verarbeitung zu einem verwertbaren Nahrungsbrei ist jedoch eine Herausforderung, die in den wenigsten Fällen geräuschlos abläuft. Gase entstehen, Muskeln kontrahieren und der zu verdauende Mageninhalt wird hin und her gewälzt. In seinem Bauch rumpelte und grummelte es wie in einem Eisenbahnwaggon vom alten Fritz. Die Zersetzungsgase machten sich zudem auf den Weg durch den Dick- und Dünndarm zum Ausgang. Statt gesittet und leise geschah auch dieser Vorgang nicht in der dieser Situation gebotenen Stille. Die Geräuschkulisse war enorm, es hörte sich an, als ob ein Trupp Fußballrowdies auf dem Weg zum Stadion war.

Nun ist dieser Vorgang eigentlich nur natürlich, und in freier Wildbahn in Wald und Wiese ja auch kein Problem. Aber in geschlossenen Räumen und bei absoluter Stille möchte kein halbwegs gesitteter Europäer seinen Mitmenschen den eigenen Druckausgleich vorführen. Was tun?

Sein Sitznachbar versuchte verkrampft, das immer stärker werdende Bedürfnis zu unterdrücken. „Pffft.“ Ein kleiner Wind hatte es geschafft und konnte ins Freie entweichen. Das erregte jedoch den Neid der im Darm verbliebenen Gasmannschaft. Sie sammelten sich unter großem Getöse, zogen sich zurück, um dann in gemeinsamer Anstrengung und mit Anlauf gegen das Ausgangstor zu drücken. Die ersten zwei Versuche scheiterten, das Tor hielt stand, doch dann brach das Schloss und mit knatterndem Gedröhn enteilten die Winde in die Freiheit.

Na, das nenn´ ich mal gelungene Entspannung, dachte sich Max und hätte sich trotz Kribbeln im Bein vor Lachen fast in die Hose gemacht.

Einige Teilnehmer guckten pikiert in die Runde und rümpften die Nase. Max´ Sitznachbar versank vor Scham im Erdboden und wünschte sich sehnlichst den Transmitter der Enterprise. Er hätte ohne Frage ein Vermögen für den Befehl: Beam me up, Scotty, gegeben.

Bert hatte die Augen immer noch geschlossen und tat so, als wäre nichts geschehen. Dann unterlief ihm jedoch ein strategischer Fehler: „Leute, wir bleiben ruhig und entspannt und werden jetzt weiter durch unseren Körper reisen. Wir fahren jetzt zur...

Erscheint lt. Verlag 5.11.2020
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Comic / Humor / Manga
ISBN-10 3-7526-4506-7 / 3752645067
ISBN-13 978-3-7526-4506-4 / 9783752645064
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