Rügener Albträume: Kommissarin Burmeisters fünfter Fall -  Sylvia Voigt

Rügener Albträume: Kommissarin Burmeisters fünfter Fall (eBook)

(Autor)

eBook Download: EPUB
2020 | 1. Auflage
372 Seiten
Schardt Verlag
978-3-96152-238-5 (ISBN)
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Schlafstörungen, Panikattacken und Erschöpfung, die Mordfälle und die privaten Nebenschauplätze der letzten Monate haben Spuren bei Hauptkommissarin Jessica Burmeister hinterlassen. Deshalb kommt ihr die Meldung über das Verschwinden einiger Schaufensterpuppen aus einem Sassnitzer Privatkeller ganz recht. Doch kaum hat sich die Ermittlerin der Bagatelle angenommen, wird sie zu einem Tatort gerufen: In einem Friseursalon sitzt eine verschmorte Frauenleiche unter der Trockenhaube. Also gilt es, sich zusammenzureißen und die Kollegen Winterstein und Bollermann zu mobilisieren. Tempo ist gefragt, denn dieser Fund scheint nur der Auftakt einer Reihe mörderischer Inszenierungen zu sein, die eine andere Wahrheit ans Licht bringen sollen...
„Rügener Albträume“ und ein böses Erwachen: Die Insel wird zur Bühne eines perfiden Schauspiels, bei dem selbst der hartgesottenen Jessica Burmeister das Lachen im Halse stecken bleibt.

ZWEI


 

Während des Frühstücks grübele ich über vieles nach. Zunächst einmal über die vergangene Nacht. Ich habe wieder einmal unruhig geschlafen und viel geträumt. Dass die Leitkuh so oft durch meine Träume spukt, belastet mich. Es nützt mir auch nichts, wenn die Träume für mich immer positiv enden. Nämlich meistens mit dem Tod oder wenigstens einem Unglück der Leitmeyer.

Dann denke ich darüber nach, ob ich heute überhaupt zum Dienst gehen sollte. Ich habe irrsinnig viele Mehrarbeitsstunden angehäuft und etliche Tage Resturlaub aus dem vergangenen Jahr übrig, weil mir Vogel meinen letzten Urlaub nicht gönnte und mich aus dem herrlich verschneiten Erzgebirge zurückbeorderte. Und das völlig grundlos. Bloß weil eine Leiche mit fast abgetrenntem Kopf unterhalb des Leuchtturmes gefunden wurde, hätte er mir meinen vorweihnachtlichen Winterurlaub nicht versauen müssen.

Bei diesem Gedanken lande ich zwangläufig bei unserer neuesten Leiche. Mein Gefühl sagt mir, dass es sich um kein Tötungsdelikt handelt. Wahrscheinlich unterschätzte der Mann die Gefahren unserer bröckeligen Kreideküste. Er wagte sich zu weit nach vorn. Und aus die Maus. Damit wäre der Fall schon mal gelöst. Und somit hätte ich wieder freie Kapazitäten. Daher grübele ich über die fünf gestohlenen Schaufensterpuppen von Herrn Lautergast nach. Wer braucht – außer Herrn Lautergast – fünf solcher Puppen? Auf diese Frage fällt mir so ad hoc keine gescheite Antwort ein.

Trotz meiner dritten Tasse Kaffee komme ich nicht in die Gänge. Außerdem habe ich Halsschmerzen und das Gefühl, ständig pinkeln zu müssen. Ich schaue aus dem Fenster und bin enttäuscht, dass es heute nicht schneit. Ein grauer und wolkenverhangener Tag kündigt sich an. Niedergeschlagen schreibe ich meinem Sohn eine SMS, dass ich so gern seine Stimme mal wieder hören möchte. Und ich weiß, Sebastian wird die Augen gen Himmel drehen und auf seine alte, sentimentale und gefühlsduselige Mutter schimpfen.

Ohne Elan gehe ich ins Präsidium. Alles ist noch ruhig. Die Tür zum Büro der Leitkuh ist geschlossen. Ich habe mir fest vorgenommen, Winterstein nachzueifern. Ich werde mit dieser Frau kein Wort mehr wechseln und sie wie abgestandene Luft behandeln. Mit einem zufriedenen Lächeln betrete ich mein Büro und fahre den Computer hoch.

Beim Durchforsten der Datenbank stelle ich fest, dass ich viel zu wenig über den Toten weiß. Männlich und zwischen zwanzig und sechzig, schätze ich. Das bringt mich nicht weiter. Ich rufe Wahlberg an. Aber unser Rechtsmediziner ist so früh am Morgen noch nicht im Dienst. Also nehme ich mir noch einmal die Kellereinbrüche vor. Insgesamt verzeichnen wir acht. Bei dem Diebesgut liegen die fünf hochpreisigen Puppen unangefochten auf Platz eins, gefolgt von zwei Herrenfahrrädern und weniger spektakulären Gütern, wie zum Beispiel zwei Gartenstühlen. Wir wissen noch nicht einmal, ob die Einbrüche von einem Täter oder mehreren ausgeübt wurden. Und wir wissen ebenfalls nicht, ob es sich um verschiedene Personen handelt. Nachdenklich verschränke ich die Arme im Nacken und starre auf meinen Monitor. So lange, bis es klopft. Unser Staatsanwalt Dr. Richard Vogel besucht mich. Das kommt immer dann vor, wenn es einen Grund gibt. Meistens keinen guten.

„Wie ich hörte, wurde ein Toter unterhalb des Hochuferweges gefunden?“, beginnt er die morgendliche Konversation.

„Richtig.“

„Tja, und gibt es bereits erste Erkenntnisse?“

„Wenn eine Frau bei der Mordkommission anruft, weil sie einen Toten gefunden hat, würden Sie dann schlussfolgern, dass sie Zeugin eines Mordes geworden ist?“

Vogel mustert mich mit seinem typischen Hühnerhabichtsblick. „Wie darf ich Ihre Frage verstehen, Frau Burmeister? Halten Sie mich für, nun sagen wir mal, ein wenig dämlich?“

„Nein. Davon bin ich weit entfernt“, versichere ich ihm. „Frau Leitmeyer-Mummelthey kam zu diesem Fazit ...“

Vogel räuspert sich, obwohl ich diejenige bin, die Halsschmerzen hat. „Lassen wir doch jetzt mal Frau Leitmeyer-Mummelthey aus dem Spiel“, schlägt er vor. „Stattdessen gestatten Sie mir die Frage, ob mit Ihnen alles in Ordnung ist. Sie wirken in letzter Zeit, wie sage ich es am besten, ein wenig zurückhaltend. Fühlen Sie sich gut?“

„Momentan habe ich Halsschmerzen und eine Blasenentzündung“, gebe ich bereitwillig Auskunft. „Ich habe mir diese lebensbedrohenden Erkrankungen während der Ausübung meiner dienstlichen Pflichten zugezogen, während Frau Leitmeyer-Mummelthey im warmen Büro saß.“

„Hm“, brummt Vogel und nimmt mir gegenüber Platz. „Da sind wir also schon wieder bei Ihrer Dienstvorgesetzten. Gut. Dann sprechen wir eben jetzt über Ihre Diskrepanzen mit Frau Leitmeyer-Mummelthey.“

„Das hat keinen Sinn. Die Frau ist für mich ab heute gestorben. Und sparen Sie sich bitte jegliche Belehrungen. Ihre fehlende Kompetenz lässt sich nicht mehr schönreden. Sie sollten versuchen, sie wegzuloben.“

Vogel holt tief Luft. „Sie müssen doch zugeben, dass dieser Vorschlag Unsinn ist. Wir beide wissen, dass das nicht so ohne weiteres möglich ist.“

„Wo ein Wille ist, ist ein Weg.“

„Genau. Sie sagen es, Frau Burmeister. Ich appelliere an Ihren Willen, die Zusammenarbeit mit Frau Leitmeyer-Mummelthey zu verbessern. Wie soll es denn sonst auf Dauer weitergehen?“ Vogels Hühnerhabichtsaugen flehen mich an.

Ich schaue aus dem Fenster und zucke die Schultern. „Das weiß ich nicht.“

Auch Vogel blickt nach draußen. Eine ganze Weile schweigen wir. „Was machen die Kellereinbrüche?“, wechselt er plötzlich das Thema.

„Die machen mir zu schaffen.“ Ausführlich erzähle ich von meinem Besuch beim ehemaligen Freiberger Theaterschaffenden und dem Puppendiebstahl. Vogel findet, dass das nicht schön und auch ein bisschen merkwürdig ist. Dann steht er auf und verlässt auf leisen Sohlen mein Büro. Er macht einen niedergeschlagenen Eindruck. Vielleicht, weil unser Gespräch nicht so gelaufen ist, wie er sich das vorgestellt hat. Tja. Wie soll es weitergehen zwischen mir und der Leitkuh? Ich brauche fachmännischen Rat. Entschlossen greife ich zum Handy und rufe Herrn Gunthau an. Aber mein Therapeut scheint sich gerade um einen anderen bedauernswerten Irren kümmern zu müssen. Ich höre nur seine konservierte Stimme. Entnervt werfe ich mein Handy auf den Tisch.

Mir fehlt der Enthusiasmus, nach fünf Puppen zu suchen. Daher bin ich glücklich, als mich Wahlberg anruft. „Na, wie geht es der bildschönsten Frau von Sassnitz?“, lauten seine ersten Worte.

Früher hätte ich diese Bemerkung als bitterböse Ironie aufgefasst. Jetzt, also ein paar Stunden später, weiß ich, Wahlberg meint es ehrlich. Trotzdem lenke ich gönnerhaft ein.

„Falls diese Frau mir über den Weg läuft, werde ich sie danach fragen“, antworte ich und ernte Kanonendonner. Wahlberg schüttet sich aus vor Lachen. „Stark!“, brüllt er ins Telefon. „Ganz stark gekontert. Alle Achtung. Also, Frau Burmeister, kommen Sie in mein Reich. Ich habe allerhand herausgefunden. Unter anderen auch, um wen es sich handelt. Der Name des Toten lautet Werner Butt.“

Ich springe auf wie von der Tarantel gestochen und sause aus dem Büro. Schnell klopfe ich bei Winterstein an. „Lass mich bloß in Ruhe, du blöde Kuh!“, brüllt der. Ihn rettet, dass er nicht mich meint. Seine Maßregelung galt eindeutig einer Person am anderen Ende der Telefonleitung, falls es überhaupt noch Leitungen gibt. Dann knallt er den Hörer auf.

„Meine geschiedene Nutte geht mir auf die Eier“, erläutert er mir. „Plötzlich fällt ihr ein, was sie noch alles aus meinem Haus gebrauchen könnte. Kannst du dich erinnern? Ich hätte sie beinahe mal erschossen. Hätte ich es bloß gemacht.“ Dann hält er inne. „Was willst du eigentlich hier?“

„Werner Butt ist tot. Und ich bin die schönste Frau von Sassnitz“, setze ich Willi in Kenntnis.

„Und in welchem Zusammenhang stehen jetzt diese beiden Aussagen?“, erkundigt er sich schmunzelnd.

„Das waren die Kernaussagen von Wahlberg. Komm, wir holen Bolle ab und gehen zu ihm. Mal sehen, was er uns noch zu sagen hat.“

Unser Trio setzt sich gemeinschaftlich in Bewegung. Es ist nicht weit bis in Wahlbergs Reich. Und zum ersten Mal betrete ich es relativ furchtlos. Nicht, dass ich wirklich Angst vor Wahlberg gehabt hätte. Unsere verbalen Scharmützel gerieten nie völlig außer Kontrolle. Meistens endeten sie unentschieden. Aber seitdem ich die Leitkuh zur Erzfeindin habe, brauche ich nicht unbedingt ein zweites Schlachtfeld.

„Die drei heiligen Könige seien mir herzlich willkommen“, ruft uns Wahlberg zu. Dabei versucht er erneut, ein Lächeln zustande zu bringen. Meine Nackenhaare stellen sich auf, und ich überlege, ob es wirklich Vorteile bringt, wenn man Wahlberg...

Erscheint lt. Verlag 6.11.2020
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Krimi / Thriller / Horror
ISBN-10 3-96152-238-3 / 3961522383
ISBN-13 978-3-96152-238-5 / 9783961522385
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