Dorian Hunter 58 - Horror-Serie (eBook)
Bastei Lübbe (Verlag)
978-3-7517-0542-4 (ISBN)
»Lieber Captain Sullivan, ich schreibe Ihnen, weil Sie der Einzige sind, an den ich mich wenden kann. Die nachstehende Geschichte wird Ihnen wirr und grausig vorkommen, aber es ist die reine Wahrheit. Ich, Bernd Sommer, bin ein Werwolf. Ich war jener Wolf, der im Kriegsgefangenenlager gesehen wurde, und ich habe die vier Männer umgebracht. Ich konnte nicht anders, der Fluch des schwarzen Blutes zwang mich dazu.«
Trevor Sullivan liest die erschütternde Geschichte seines Bekannten Bernd Sommer, dem er kurz nach Kriegsende in Deutschland begegnet ist. Am Ende des Briefes bittet Sommer Trevor Sullivan darum, noch einmal nach Deutschland zu kommen und ihn zu töten.
Tatsächlich macht sich der Leiter der Mystery Press gemeinsam mit Dorian Hunter und Coco Zamis auf den Weg. Vor Ort jedoch bewahrheiten sich ihre Befürchtungen: Der Keim des Werwolfs hat sich bereits verbreitet ...
1. Kapitel
Glaubt nicht, dass ihr in Sicherheit seid, weil Hunderttausende oder gar Millionen Menschen mit euch in der Stadt wohnen! Glaubt nicht, dass ihr in Sicherheit seid, weil Neonlicht nachts die Straßen erhellt, und weil ihr euch in himmelragenden Betonburgen verbergt, in Wolkenkratzern und Hochhäusern!
Es gibt keine Sicherheit vor der schwarzen Magie. Seid vorsichtig in den Nächten, vor allem wenn bleich der Vollmond über den Dächern glüht. Auch in den Straßenschluchten der Großstadt sind sie zu Hause, die Werwölfe und Vampire, die Wiedergänger und Dämonen der Nacht.
Die Anonymität der Großstadt breitet ihren schützenden Mantel über sie, an der einsamen U-Bahn-Station wie im verlassenen Großraumbüro finden sie ihre Opfer. Oh, verschließt nicht die Augen vor dem Übernatürlichen, vor dem, was eure Ahnen zu Recht fürchteten und was die Hunde in kalten, hellen Nächten jaulen macht. Verschließt die Tür, sonst kann die kalte Knochenhand oder der fetzende Biss eines Werwolfes sie euch öffnen.«
Anmerkung des Protokollführers:
Madame Blavarsky spricht wieder mit ihrer eigenen Stimme.
»Wo bist du, wer bist du, was bist du? Gib uns nähere Informationen. Können wir dir helfen?«
Anmerkung: Die Männerstimme spricht.
»Mir kann keiner mehr helfen, ich bin verflucht bis in alle Ewigkeit. Wenn ich einmal sterbe, gehe ich nur von einer Hölle in die nächste über. Mehr kann ich auf diesem Weg nicht sagen. Ich wünschte, ich wäre nie geboren. Ich war ein Mensch, ich bin ein Werwolf, ein Verfluchter.
Hütet euch vor der schwarzen Magie, ihr, die ihr unverdorbenes Blut in den Adern habt. Denn letzten Endes wird jeder ihr Opfer, so oder so ...«
Anmerkung: Madame Blavarsky gerät in schwere Erregung. Ihre Augen verdrehen sich, Blut tritt aus Augen und Nase, Schweißausbrüche, Schüttelfrost. Dem bei jeder Séance anwesenden Arzt gelingt es nur mit großer Mühe, sie mit Medikamenten und Hypnose zu betäuben und ihre Lebensfunktionen zu normalisieren.
Die Séance wird beendet, ein weiterer Kontakt mit diesem Geist muss unterbleiben.
Der Cadillac mit den getönten Scheiben rollte durch die Moselstraße. Im Fond saß Jürgen Henicke, der König der Zuhälter von Frankfurt. King Jürgen oder Der Berliner, wie er in den eingeweihten Kreisen genannt wurde, trug einen cremefarbenen Anzug mit schwarz abgesetzten Revers, weiße, handgearbeitete italienische Schuhe und eine Krawatte mit Diamantnadel.
Er sah genauso aus wie das, was er war ... ein Zuhälter der Spitzenklasse.
»Lass uns hier aussteigen, Adi«, sagte er zu dem Fahrer. »Wenn ich nicht ständig nach dem Rechten sehe, hauen sie mich in der Bar übers Ohr, und die Miezen glauben, sie gehen zum Spaß auf den Strich.«
Henicke war guter Laune. Er stieg aus, und auf der Beifahrerseite kletterte ein sehniger Mann aus dem Wagen. Henicke nannte ihn seinen Sekretär, aber in Wirklichkeit war er sein Leibwächter, ein Nahkampfexperte und todsicherer Pistolenschütze.
Henicke sah sich um. Es war Februar, und ein kalter Wind wehte durch die Straßen. Trotzdem standen ein paar Straßenmädchen da, die Gesichter stark geschminkt, teure Pelzjacken um die Schultern. Auf beiden Straßenseiten standen parkende Autos, rot glühte die Neonreklame der Bar, die Jürgen Henicke gehörte.
Im ersten und zweiten Stock befand sich ein Bordell, im Hinterzimmer wurde gespielt. Jürgen Henicke fröstelte, er wollte so schnell wie möglich in die warme Bar kommen.
Da ratterte hinter dem Bauzaun auf der anderen Straßenseite eine Maschinenpistole. Die erste Garbe riss Henicke die Beine unter dem Leib weg. Er fiel auf den Bürgersteig.
Sein Leibwächter wirbelte herum, einen kurzen Revolver in der Faust. Drei Schüsse krachten, dann peitschte ein kurzer Feuerstoß der Maschinenpistole auf, und der hagere Mann stolperte rückwärts gegen den Cadillac. Er glitt zu Boden, sein Revolver fiel auf das Pflaster. Sterbend blieb er sitzen.
Henicke lag hinter einem auf dem Bürgersteig parkenden Wagen. Adi, sein Chauffeur, gab Vollgas. Der Motor heulte auf, der chromglänzende Cadillac raste davon und verschwand mit kreischenden Reifen um die Ecke.
Hinter dem Bauzaun rief eine Stimme: »Henicke, du Dreckskerl, das ist für die Blonde.«
Drei Schüsse peitschten, Einzelfeuer. Henicke spürte die Einschläge der Kugeln in Unterleib und Schenkeln, er richtete sich auf und kroch hinter den Wagen.
Kein Schuss fiel mehr, aus der Bar drangen erregte Stimmen. Passanten, die wie angewurzelt stehen geblieben waren, kamen langsam näher, Freudenmädchen traten aus Hausnischen und Einfahrten. Ein kräftiger Mann, der Rausschmeißer der Bar, wagte sich als Erster zu dem blutenden, stöhnenden Henicke.
»Otto«, rief er dem Geschäftsführer zu, der ängstlich aus der Tür lugte, »das ist der Chef. King Jürgen ist zusammengeschossen worden.«
»Ist er tot?«
»Verdammt«, schrie der Verwundete. »Holt einen Krankenwagen. Schnell, oder soll ich auf der Straße krepieren?«
Neugierige Zuschauer sammelten sich an. Aus der Bar stürzte die rote Babs. Sie schrie: »Jürgen, Jürgen!«, setzte sich neben dem Verwundeten auf den Gehsteig und bettete seinen Kopf in ihren Schoß.
Sirenengeheul kam näher, zwei Streifenwagen rasten heran, wenig später kam der Notarztwagen. Jürgen Henickes Leibwächter war auf dem nassen Asphalt verblutet. Der Mordschütze, den die Polizei vergebens hinter dem Bauzaun suchte, war längst über alle Berge.
Jürgen Henicke wurde in den Notarztwagen getragen. Die schluchzende Babs musste mit Gewalt daran gehindert werden, mit einzusteigen. Henicke nahm alles wie durch einen Nebel wahr. Er hörte die Stimmen der beiden Ärzte, verstand aber nicht, was sie sagten.
Blutplasma rann durch eine Kanüle in seine Venen. Er merkte kaum, wie er mit Blaulicht und Sirene über den Main in die Universitätsklinik gefahren wurde. Um 21:43 Uhr war Henicke angeschossen worden, eine halbe Stunde später lag er schon in der Uni-Klinik auf dem Operationstisch.
Der Professor überprüfte die Untersuchungsergebnisse, ehe er mit der Operation anfing. Er stieß einen höchst unakademischen Fluch aus.
»Blutgruppe A 5, ausgerechnet! Das ist extrem selten. Davon haben wir meines Wissens keine Blutkonserven in Deutschland. Dr. Feyad, prüfen Sie das sofort nach.«
Der Assistenzarzt ging nebenan ans Telefon. Der OP-Raum war bereits sterilisiert worden. Die Operationsschwester, der Narkosearzt und der zweite Assistenzarzt umstanden den Mann auf dem OP-Tisch.
Wie von fern hörte Henicke die Stimmen der Ärzte.
»Das ist dieser Henicke, der größte Zuhälter Frankfurts. Die Boulevardpresse feiert ihn als eine Art Helden, ein paarmal schon hat er der Polizei mit cleveren Anwälten ein Schnippchen geschlagen. Aber in Wirklichkeit ist er ein ganz mieses Schwein.«
»Wie er jetzt aussieht, mit dem bleichen Gesicht und dem blondierten, gewellten Haar«, sagte die OP-Schwester. »Richtig makaber.«
»Um den wäre es nicht schade, wenn er hopsginge«, meinte der Assistenzarzt, der zuerst gesprochen hatte. »Es heißt, dass er schon Dutzende von Mädchen mit Drogen und Schlägen so weit gebracht hat, dass sie für ihn auf den Strich gingen. Kaputtgemacht hat er sie.«
»Ich darf Sie daran erinnern, dass wir Mediziner sind und einen Eid geschworen haben«, sagte der Professor. »Wir sind verpflichtet, jedem nach bestem Wissen und Können zu helfen, Kollege Jordan. Sei er nun Zuhälter oder Pfarrer.«
Er machte eine kleine Pause.
»Aber vielleicht geht Ihr frommer Wunsch schon bald in Erfüllung. Henicke hat eine sehr seltene Blutgruppe. Ich glaube nicht, dass wir sie in einer Blutbank haben. Wenn sich nicht in Kürze ein Spender findet, ist es vorbei mit dem Zuhälterkönig von Frankfurt. Exitus!«
Der Assistenzarzt kam herein. Er schüttelte bedauernd den Kopf.
»A 5 ist nicht vorhanden, Professor. Was nun?«
»Dann brauchen wir mit der Operation erst gar nicht anzufangen. Über Rundfunk und Fernsehen muss sofort ein Aufruf an die Bevölkerung durchgegeben werden. Wir brauchen einen Spender.«
Henicke begriff jäh, dass es um sein Leben ging. Er riss mühsam die Augen auf, sah grelles Licht, weiße Kittel und Gesichtsmasken, verschwimmende Gesichter.
»Ich zahle«, lallte er. »Setzt eine Belohnung aus, hunderttausend für den Spender. Der King von Frankfurt zahlt alles.«
Der Spender meldete sich sofort nach dem Aufruf. Er rief aus einem kleinen Taunusstädtchen an. Obwohl er von einem Funkstreifenwagen mit Blaulicht in die Uni-Klinik gefahren wurde, kam er erst, als Henicke schon im Koma lag.
In aller Eile wurde die Bluttransfusion vorbereitet. Der Mann musste fast drei Liter opfern. Es hatte sich kein weiterer Spender gemeldet.
Die Ärzte kämpften zäh um Jürgen Henickes Leben, und sie hatten Erfolg. Am späten Abend des...
Erscheint lt. Verlag | 17.11.2020 |
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Reihe/Serie | Dorian Hunter - Horror-Serie |
Sprache | deutsch |
Themenwelt | Literatur ► Krimi / Thriller / Horror ► Horror |
Literatur ► Romane / Erzählungen | |
Schlagworte | 2017 • 2018 • Abenteuer • alfred-bekker • Bastei • Bestseller • Dämon • Dämonenjäger • dan-shocker • Deutsch • eBook • E-Book • eBooks • Extrem • Fortsetzungsroman • Frauen • Geisterjäger • grusel-geschichten • Gruselkabinett • Grusel-Krimi • Grusel-Roman • Horror • Horror-Roman • horrorserie • Horror-Thriller • john Sinclair • Julia-meyer • Kindle • Krimi • Kurzgeschichten • larry-brent • Lovecraft • Macabros • Männer • morland • neue-fälle • Paranomal • professor-zamorra • Professor Zamorra • Psycho • Roman-Heft • Serie • Slasher • sonder-edition • spannend • Splatter • Stephen-King • Terror • Thriller • Tony-Ballard • Top • Zaubermond |
ISBN-10 | 3-7517-0542-2 / 3751705422 |
ISBN-13 | 978-3-7517-0542-4 / 9783751705424 |
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