Der tote Rittmeister (eBook)

Ein Seebad-Krimi

(Autor)

eBook Download: EPUB
2021
400 Seiten
Goldmann Verlag
978-3-641-25468-1 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Der tote Rittmeister - Elsa Dix
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Mord und dunkle Geheimnisse in der adeligen Seebadgesellschaft der Kaiserzeit - ein Fall für Viktoria Berg und Christian Hinrichs!
Norderney 1913: Im glanzvollen Seebad, wo der Adel des Kaiserreichs die Sommerfrische genießt, herrscht anlässlich des Thronjubiläums eine feierliche Stimmung. Doch dann überschatten bestürzende Ereignisse die sommerliche Idylle: Ein Rittmeister der kaiserlichen Kavallerie wird ermordet, und ein kleines Mädchen aus dem nahen Seehospiz verschwindet spurlos. Die unerschrockene Viktoria Berg begibt sich mit dem Journalisten Christian Hinrichs auf die Suche nach der Wahrheit und entdeckt in der feinen Seebadgesellschaft Abgründe, tief und geheimnisvoll wie die Nordsee ...

Elsa Dix ist eine aus Norddeutschland stammende Krimiautorin. Sie lebt heute mit ihrem Mann und ihrem Hund in Düsseldorf und verbringt jede freie Minute auf Norderney. Bei Goldmann erscheinen ihre Seebad-Krimis um das sympathische Ermittlerduo Viktoria Berg und Christian Hinrichs.

2


Glitzerndes Meer


Der Raddampfer Najade bahnte sich kraftvoll seinen Weg durch das bewegte Meer. Türkisfarbene Wellen türmten sich auf und trugen weiße Schaumkronen vor sich her. Viktoria stand an der Reling und schaute hinaus. In der Ferne konnte sie bereits die Insel sehen – ein dünner Strich am Horizont, der rasch breiter wurde. Schon bald konnte sie den Strand ausmachen und die ersten weißen Häuser, die im Licht der Morgensonne erstrahlten. Sie sah am südlichen Ende der Insel die Marienhöhe, die Villen und den neuen Malerturm – und weiter hinten den weit ins Meer hinausragenden Seesteg.

Auf einer Bank hinter Viktoria saß ein älteres Ehepaar. Die Frau hatte Viktoria schon eine ganze Weile mit missbilligendem Blick beobachtet. Als Viktoria sich von der Reling abwandte, um sich ebenfalls zu setzen, konnte sie ihre Neugier nicht mehr zügeln.

»Ist Ihr Herr Vater schon vorgefahren, Fräulein?«, fragte sie. »Oder Ihr Herr Gemahl?« Sie zog ihr kariertes Reiseplaid gerade, das über ihren Beinen lag.

Viktoria seufzte. Derartige Bemerkungen bekam sie oft zu hören. Wo gab es denn so etwas? Eine junge Dame, die allein auf Reisen ging! Ohne Familienangehörige oder zumindest mit einer Gouvernante – selbst wenn die junge Dame schon Ende zwanzig war. »Nein, ich reise allein«, antwortete Viktoria ruhig. »Ich arbeite, also kann ich auch allein reisen.«

Die Augen der Frau wurden schmal. »Sie gehen einer Tätigkeit nach?« Es klang, als wäre es anrüchig.

»Ich bin Lehrerin«, erklärte Viktoria. Noch immer erfüllte es sie mit Stolz, die Worte auszusprechen. Seit gut einem halben Jahr arbeitete sie in einer Reformschule in Hamburg. Es war nicht leicht gewesen, ihren Vater davon zu überzeugen, dass sie einen Beruf ergreifen wollte. Als Tochter eines Oberstaatsanwalts wurde von Viktoria erwartet, dass sie heiratete und Kinder bekam. Arbeiten ging eine Frau nur, wenn die Not sie dazu trieb, und das war bei Viktoria sicher nicht der Fall. Doch sie hatte die Armut im Hamburger Gängeviertel gesehen. Zwölfjährige Mädchen, die in die Fabrik gingen, die nur eine rudimentäre Schulbildung erhalten hatten, womit es ihnen nahezu unmöglich war, jemals aus dem Elend auszubrechen. Viktoria wollte ihr Leben nicht damit vergeuden, die Rolle der braven Ehefrau einzunehmen, die mit der Hochzeit all ihre Rechte aufgab. Sie wollte selbstständig sein und etwas im Leben bewirken.

Mit ihrer Entscheidung hatte sie viele vor den Kopf gestoßen. Einige Freundinnen hatten sich von ihr abgewendet, als sie ihre Studien am Lehrerinnenseminar aufnahm. Sie fürchteten um ihren guten Ruf, wenn sie sich weiter mit Viktoria trafen. Es hatte Viktoria wehgetan, und trotzdem hatte sie sich nicht von ihrem Weg abbringen lassen. Als sie im Herbst vergangenen Jahres das erste Mal auf dem Schulhof gestanden hatte und die Mädchen sie umringten, war es einer der glücklichsten Augenblicke ihres Lebens gewesen. In dem Moment war sie sicher gewesen, das Richtige getan zu haben.

Die ältere Dame betrachtete Viktoria missmutig. »Ich halte ja nichts davon, dass Frauen arbeiten. Das ist wider ihre Natur.«

Viktoria dachte an all die Frauen, die in den vergangenen Jahrhunderten hart gearbeitet hatten. Auf dem Feld, im Haus und in der Fabrik. Wider ihre Natur war es sicherlich nicht. Aber sie hatte keine Lust, die Diskussion zu vertiefen. Die Kühe, die als Fracht im vorderen Bereich des Schiffes untergebracht waren, machten sich laut muhend bemerkbar. Sie hatten die Insel fast erreicht. Die ältere Dame stand auf, faltete ihr Reiseplaid zusammen und ging gemeinsam mit ihrem Ehemann zur anderen Seite, wo sie nachher aussteigen würden. Sie würdigte Viktoria im Vorbeigehen keines Blickes. Der war es recht.

Sie sah wieder zur Insel. Schon konnte man einzelne Personen am Strand erkennen. Damen mit großen Hüten, die über die Promenade spazierten. Vor einer der Villen hatten sich einige Herren in weißen Anzügen in eine Runde gestellt und unterhielten sich angeregt. Kinder spielten im Sand und bauten Burgen. Fahnen wehten im Wind. Viktorias Blick glitt über die Sommergäste. Blieb manchmal hängen und ging dann weiter. Auf einmal wurde ihr klar, dass sie Ausschau hielt. Nach ihm.

Sie wandte sich ruckartig ab. Trotzdem fluteten die Erinnerungen ihren Kopf. Sie stand mit Christian am Seesteg. Er hatte die Hand gehoben, um eine ihrer Locken aus dem Gesicht zu streichen. Seine blauen Augen so nah vor den ihren. Christian Hinrichs, Journalist der Damenillustrierten Die Frau von Welt. Sohn eines Vorarbeiters aus dem Zentralschlachthof bei Hamburg. Jemand, der die Grenzen, die einem Arbeiterkind gesetzt waren, nicht hinzunehmen gewillt war. Der sich mit einem Stipendium hochgearbeitet hatte. Der über Witz verfügte und sie zum Lachen brachte. Ein Jahr war es her, seitdem sie ihn in der Sommerfrische auf Norderney kennengelernt hatte. Gemeinsam waren sie im letzten Jahr dem Mord an dem Zimmermädchen Henny Petersen nachgegangen und hatten dabei ungeheure Dinge aufgedeckt. Und obwohl Viktoria sich geschworen hatte, sich niemals auf einen Mann einzulassen, war es passiert: Sie hatte sich in Christian verliebt.

Nach ihrer Rückkehr von Norderney hatte sie ihn in Hamburg wiedergetroffen. Heimlich, denn natürlich durfte niemand davon wissen. Als Lehrerin hatte Viktoria auf einen untadeligen Ruf zu achten. Es war ja auch gar nicht viel zwischen ihnen geschehen. Kleine Ausflüge hatten sie unternommen, ganz harmlos. Sie hatte ihn in die Galerie Commeter mitgenommen, zu einer Ausstellung mit abstrakten Bildern, die sie begeisterte. Er revanchierte sich mit einer Fahrt im Ruderboot auf der Alster. Und zum Erntedankfest hatte Christian Viktoria ins Tanzlokal Lübscher Baum ausgeführt. Es war ein letzter sommerlicher Tag im beginnenden Herbst gewesen. Die Welt, in die er sie führte, war so viel freier als ihre. Keine steifen Unterhaltungen bei Tisch, kein vorgeschriebenes Abendprogramm. Einfach nur tanzen, einfach nur leben! Christian war nicht gerade ein begnadeter Tänzer, aber sie waren dennoch zu den Klängen der wilden Polka über das Parkett geflogen.

Als Viktoria am nächsten Morgen zur Schule kam, wurde sie noch vor dem Beginn des Unterrichts zu Rektor Hirschen gerufen. Der teilte ihr unumwunden mit, dass sie beobachtet worden war und dass er ein solches Verhalten nicht duldete. Entweder sie heiratete, was hieß, dass sie ihre Arbeit aufgab, oder sie achtete ab jetzt auf einen tadellosen Ruf. Viktoria wagte zu widersprechen, denn es war ungerecht. Von männlichen Lehrern würde niemals dergleichen erwartet werden. Doch der Rektor hatte nur energisch den Kopf geschüttelt und beschieden, ein Mann verfüge über die sittliche Reife und Umsicht, die einer Frau fehle.

Viktoria hatte innerlich gekocht. Als ob es darum ginge. Die Regelung diente allein dazu, die Beschäftigung der männlichen Lehrer zu sichern. Aber Viktoria konnte das System nicht ändern. Sie musste sich fügen, wenn sie Lehrerin bleiben wollte. Noch am gleichen Abend hatte sie Christian aufgesucht und ihm mitgeteilt, dass sie ihn nicht wiedersehen konnte. Er war fassungslos gewesen, hatte vorgeschlagen, dass sie sich heimlich treffen könnten. Aber wohin sollte das führen? Es war ein Traum gewesen. Ein schöner, aber ein gefährlicher Traum. Sie hatte ihm unmissverständlich gesagt, dass sie ihren Beruf nicht aufgeben würde. Auch nicht für ihn. Er hatte sie nicht verstanden, hatte ihr vorgeworfen, sie würde ihre Schülerinnen ihm vorziehen. Ein Wort hatte das andere ergeben, bis er wutentbrannt gegangen war. Seitdem hatte sie nichts mehr von ihm gehört. Und nun fuhr sie erneut zu dieser Insel, auf der alles begonnen hatte. Die so wunderschön im glitzernden Meer lag. Und die so viele Erinnerungen barg. Er würde nicht dort sein. Sie hatte erst letzte Woche eine Reportage von ihm in der Frau von Welt aus Binz gelesen. Sie wollte ihn auch nicht wiedersehen. Er war so engstirnig gewesen, hatte nicht einsehen wollen, warum ihr die Arbeit wichtig war. Es war vorbei, und das war gut so.

Sie legten an, und die Fahrgäste versammelten sich am Ausgang des Raddampfers. Ein Matrose sprang vom Schiff auf die Kaimauer, in den Händen ein schweres Tau, das er um einen Poller legte und festzog. Es ruckelte leicht, dann lag der Dampfer längs am Kai. Kurz darauf wurde der hölzerne Steg für die Gäste hinübergeschoben, und sie konnten das Schiff verlassen. Die ältere Dame mit dem Reiseplaid ging, zusammen mit ihrem Ehemann, als Erste hinüber. Ihnen folgten Damen mit weiten Hüten und Herren in hellen Anzügen, Jungen in Matrosenanzügen und Mädchen in weißen Kleidern. Überall erklang aufgeregtes Rufen. Direkt am Landungsplatz stand der Pferdeomnibus, wo sich sofort eine Schlange bildete von Menschen, die vermutlich in den günstigeren Pensionen untergekommen waren. Einige machten sich sogar zu Fuß auf den Weg in den Ort.

Für einen kurzen Moment spürte Viktoria ein schlechtes Gewissen. Als Lehrerin sollte sie eigentlich mit dem Omnibus fahren. Aber das Hotel Bellevue, in dem sie unterkam, hatte eigens einen Landauer geschickt. Der Kutscher hielt ihr die Tür auf, als sie zu dem Wagen trat. »Ihre Gepäckmarke, gnädiges Fräulein?«

Sie reichte ihm die Marke, die sie bekommen hatte, als sie die Koffer aufgegeben hatte. Sie hatte so sparsam gepackt wie möglich. Trotzdem hatte sie zwei große Lederkoffer, eine Tasche und vier Hutschachteln dabei. Wenn es nur um die luftigen Sommerkleider gegangen wäre, aber die Abendgarderobe nahm enorm viel Platz ein.

In dem Landauer saß bereits das ältere Ehepaar von vorhin. Die Augenbrauen der Dame gingen in die Höhe, als Viktoria einstieg. »Das...

Erscheint lt. Verlag 19.4.2021
Reihe/Serie Viktoria Berg und Christian Hinrichs ermitteln
Viktoria Berg und Christian Hinrichs ermitteln
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Krimi / Thriller / Horror Krimi / Thriller
Schlagworte Adel • Christian Hinrichs • Die Tote in der Sommerfrische • eBooks • Heimatkrimi • Historische Kriminalromane • Historische Romane • Kaiserbad • Kaiserzeit • kleine geschenke für frauen • Krimi • Kriminalromane • Krimi Neuerscheinung 2021 • Krimis • Küsten-Krimi • Nordsee • Nordsee-Krimi • Seebad • Sommer • Sommerfrische • Urlaubskrimi • Urlaubslektüre • Viktoria Berg
ISBN-10 3-641-25468-X / 364125468X
ISBN-13 978-3-641-25468-1 / 9783641254681
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