Der Prinz der Wüste (eBook)

Roman
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2021 | 1. Auflage
1008 Seiten
Heyne (Verlag)
978-3-641-19775-9 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Der Prinz der Wüste -  Peter V. Brett
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Viele Jahre ist es her, dass die Welt unter den Dämonen der Nacht zu leiden hatte. Kein Mensch, kein Tier war sicher vor ihren Angriffen - bis zu dem Tag, als mit Arlen, Renna, Jardir eine Schar von mutigen Kriegern und Magierinnen den Kampf gegen die Dämonen aufnahm. Seitdem herrscht Frieden. Doch dann dringen unheilvolle Gerüchte an ihre Ohren. Haben einige Dämonen überlebt? Eine neue Generation von Helden muss nun aufstehen, um sich der Furcht und der Gefahr zu stellen ...

Peter V. Brett, 1973 geboren, studierte Englische Literatur und Kunstgeschichte in Buffalo und entdeckte Rollenspiele, Comics und das Schreiben für sich. Danach arbeitete er zehn Jahre als Lektor für medizinische Fachliteratur, bevor er sich ganz dem Schreiben von fantastischer Literatur widmete. Mit seinen Romanen und Erzählungen aus der Welt von »Das Lied der Dunkelheit« hat er die internationalen Bestsellerlisten gestürmt. Peter V. Brett lebt in Brooklyn, New York.

1

Ich bin Olive


349 NR

Mein Kopf wird ruckartig zurückgerissen, als Micha in meine Haare greift, um eine Haarsträhne abzuteilen und mein langes, schwarzes Haar zu Zöpfen zu flechten. Daran bin ich gewöhnt. Von klein auf wurde an mir herumgezerrt, damit ich bestimmte Erwartungen erfülle. Ich kenne es nicht anders.

»Halt still«, schnappt Großmutter Elona und tunkt den Schminkpinsel ein weiteres Mal in die Puderdose. »Um ein Haar hättest du was ins Auge bekommen.«

»Wozu mein Gesicht schminken, wenn ich dann eh in einer Zeltplane verhüllt herumlaufen muss«, maule ich.

Elona lacht. »Sich zurechtzumachen ist nie verkehrt.« Und sie meint es so, wie sie es sagt. Großmama sieht immer perfekt aus. Nachdem sie meine Augenlider geschminkt hat, nimmt sie sich die Wimpern vor. »Du bist die Prinzessin des Tals. Mag ja sein, dass du denselben Kartoffelsack anziehen musst wie die anderen Schülerinnen, aber diese Mädchen blicken zu dir auf. Es ist deine Pflicht, die Schönste von ihnen allen zu sein.«

»Obermeisterin Darsy lässt uns heute einen Test in Kräuterkunde schreiben«, sage ich. »Ich brauche Zeit, um meine Notizen mit Selens Aufzeichnungen zu vergleichen.«

»Tsst!«, zischt Micha missbilligend. »Das hättest du schon gestern Abend erledigen müssen, Schwester.«

Micha und ich haben den gleichen Vater, Ahmann Jardir, der auf dem Thron von Krasia sitzt, dem großen und mächtigen Reich im Süden. Thesa und Krasia lagen miteinander im Krieg, bevor ich geboren wurde. Manche Leute behaupten, ich sei der Grund, dass jetzt Frieden herrscht. Mutter tut das als Blödsinn ab, doch dass sie es mir nicht erlaubt, meinen Vater an dessen Hof zu besuchen, stimmt einen schon nachdenklich. Das meiste, was ich über ihn und sein Volk weiß, von dem ich immerhin auch abstamme, habe ich von Micha und meinen Lehrerinnen erfahren.

Micha ist in Krasia aufgewachsen, das merkt man allein schon an ihren schlichten schwarzen Gewändern, die nur ihr Gesicht und ihre Hände unbedeckt lassen. Auch sie hat ihre Wangen gepudert und ihre Lippen geschminkt, doch die Einzigen, die das je zu sehen bekommen, sind die Personen in diesem Raum, und ihre Gemahlin Kendall. Micha ist eine wahre Schönheit, aber sobald sie meine privaten Gemächer verlässt, bedeckt sie die untere Hälfte ihres Gesichts mit dem weißen Schleier, der sie als verheiratete Frau kennzeichnet.

Mit ihren über dreißig Sommern ist Micha doppelt so alt wie ich, und sie war immer mehr mein Kindermädchen als meine Schwester. Die Herzogin nimmt sich immer Zeit, wenn ich mit ihr sprechen will, aber ihre Bediensteten und Berater lauern dauernd in der Nähe herum und geben mir das Gefühl, ich würde bei irgendwelchen dringenden Geschäften stören. Micha ist diejenige, die mich frisiert, mir im Bad den Rücken wäscht und mich überallhin begleitet. Ich liebe sie, und sie liebt mich, doch für sie bin ich immer noch ein Kind, das sie gängeln und bevormunden muss.

»Meine nichtsnutzige Tochter wird dir bei diesem Test wohl kaum eine Hilfe sein«, sagt Großmama. »Selen ist genauso klug, wie sie schön ist, nämlich gar nicht. Außerdem bist du die Tochter der Herzogin. Wen interessiert es, wie du bei einem Test in Kräuterkunde abschneidest?«

»Die Herzogin interessiert es«, sage ich. »Wenn ich nur eine einzige Frage falsch beantworte … bei der Nacht, sogar wenn ich die richtige Antwort gebe, aber sie ist nicht richtig genug, krieg ich was zu hören.«

Großmama gluckst in sich hinein. »Ay, das klingt ganz nach meiner Leesha. Trotzdem finde ich, du solltest dich mehr vor deinem Kampftraining fürchten als vor dieser Kräuterkunde. Der blaue Fleck auf deiner Wange lässt sich gerade so noch mit Puder verdecken.«

»Selen hat einen Glückstreffer gelandet.« Das ist die Wahrheit, wenn auch nicht die ganze Wahrheit. Selen landet ständig Glückstreffer. Sie ist Hauptmann Wondas Vorzeigeschülerin. »Über Nacht war er so gut wie abgeheilt.«

»Aber sehen kann man ihn trotzdem noch.« Großmama muss immer das letzte Wort haben, auch wenn sie im Unrecht ist. »Doch darum geht es ja gar nicht. Auf Schritt und Tritt begleiten dich Leibwächter. Wozu prügelst du dich überhaupt noch auf dem Trainingsplatz?«

»Sharusahk macht mehr Spaß als Kräuterkunde«, sage ich. »Zumindest bin ich gut im Kämpfen.«

»Im Laufe der Jahre habe ich viele Leute kennengelernt, die gut im Kämpfen waren«, sagt Großmama. »Komisch, wie wenige von denen noch am Leben sind.«

»Eine Prinzessin ist immer gefährdet, dafür sorgen schon die Feinde ihrer Familie«, wirft Micha ein. »Eines Tages sind ihre Leibwächter vielleicht nicht in ihrer Nähe, und dann muss Olive sich selbst verteidigen können.«

Ich widerstehe dem Drang, mit den Augen zu rollen. Was weiß das Kindermädchen Micha schon vom Kämpfen? Sie kann ja noch nicht mal einen Käfer tottreten. Sie isst nicht mal Fleisch. »Du bist doch auch eine Prinzessin. Warum hast du niemals kämpfen gelernt?«

»Der Stamm der Kaji hat viele Prinzessinnen«, sagt Micha. »Sollte mir etwas zustoßen, dann gibt es Dutzende von ihnen, die meinen Platz einnehmen können. Das Talherzogtum hat nur dich als Nachfolgerin für deine Mutter.«

Ihre Stimme ist nicht traurig – sie klingt, als würde sie über das Wetter reden. Trotzdem belasten mich ihre Worte. Michas Mutter stand in der Hackordnung der vielen Ehefrauen ihres Vaters ganz weit unten. Sie selbst war nicht viel älter als ich, als man sie von den berühmten Sommerpalästen Krasias in das kalte, verregnete Thesa schickte, zu einem einstmals feindlich gesinnten Volk. Und all das, damit sie sich um ihre jüngste Schwester kümmern konnte.

Verabscheut sie ihr Leben im Exil? Ich würde mich ganz sicherlich nicht damit abfinden, aber Micha hat sich noch nie auch nur andeutungsweise anmerken lassen, dass sie unzufrieden ist. Im Gegenteil, sie scheint hier glücklicher zu sein als ich.

»Fertig«, verkündet Micha.

»Ich bin auch fertig.« Elona trägt einen letzten Pinselstrich Rot auf meine Lippen auf. »Lippen zusammenpressen.«

Ich drücke die Lippen aufeinander, um die Farbe zu verteilen, und blicke dabei in den Spiegel. Trotz all meines Geredes, wie sehr ich in Eile bin, muss ich unwillkürlich lächeln, als ich Großmamas Werk bewundere. Ich habe ein ziemlich gutes Händchen mit dem Schminkpinsel, aber Elona – die sonst nicht viel vom Arbeiten hält – ist eine richtige Künstlerin, wenn es ums Schminken geht. Ich habe die olivbraune Haut meines Vaters, die so weit im Norden ungewöhnlich ist, aber Elona hat den Farbton perfekt getroffen. Meine Haut hat einen samtigen Schmelz, und meine hohen Wangenknochen und das spitze Kinn sind vorteilhaft betont. Dabei sieht alles ganz natürlich aus.

Blaue Augen sind in Krasia eine Seltenheit, aber sie kommen vor. Jemand aus Vaters Familie muss blaue Augen gehabt haben, denn meine leuchten in demselben Himmelblau wie die von Elona. Sie bilden einen reizvollen Kontrast zu meinem dunklen Teint. Obendrein hat Elona Lidschatten aufgetragen und die Wimpern getuscht, sodass meine Augen funkeln wie zwei blaue Sterne.

Die Zöpfe, die Micha geflochten hat, bilden auf meinem Kopf eine Krone und sind im Nacken zu einem langen Zopf verwoben. Die Frisur ist elegant genug, um sogar die Herzogin zufriedenzustellen, und trotzdem geeignet für ein paar Trainingsrunden sharusahk.

»Für’s Frisieren hast du ein Händchen, Mädchen.« Elona streckt die Hand aus und zupft an Michas Kopftuch. »Trotzdem versteckst du deine Haare wie eine Waschfrau.«

Micha mag es nicht, wenn jemand ihr Kopftuch berührt, aber sie sagt nichts, sondern weicht einfach ein paar Schritte zurück. Manchmal glaube ich, ich bin der einzige Mensch auf der Welt, der sich nicht vor Großmama Elona fürchtet. »Du weißt genau, warum ich meine Haare bedecke.«

Natürlich weiß Elona das, doch das macht für sie keinen Unterschied. Großmama fühlt sich immer dann am wohlsten, wenn sie über etwas spricht, das allen anderen Unbehagen bereitet.

»Ay«, schnaubt sie, »es schickt sich nicht, Männer mit etwas zu reizen, das sie nicht haben dürfen. Aber genau das ist doch der Sinn der Sache. Man kann einen Mann nur um den kleinen Finger wickeln, wenn man ihm den Mund wässerig gemacht hat.«

»Ich will keinem Mann gefallen«, sagt Micha.

»Nein, aber einer Frau.« Elona lacht. »Wie geht es übrigens Kendall?«

Normalerweise ist Micha nicht schüchtern, aber sie gibt sich zurückhaltend, wenn jemand auf ihre Ehefrau zu sprechen kommt. Kendall Dämonenlied ist Mutters herzoglicher Herold. Sie hat ein fröhliches, überschwängliches Naturell und trägt knallbunte Kleidung mit einem Zuschnitt, den die so sittsame Micha anstößig finden müsste. Aber die beiden Frauen sind bis über beide Ohren ineinander verliebt. Kein anderes Paar, das ich kenne, ist einander so zugetan.

Micha senkt den Blick. »Meine jiwah«, sie benutzt den krasianischen Ausdruck für Ehefrau, »befindet sich wohlauf. Danke der Nachfrage.«

Sie hält ein grob gewebtes dunkelblaues Kleid hoch, damit ich hineinschlüpfen kann. Es ist die vorgeschriebene Tracht für Kräutersammlerinnen in der Ausbildung. Der Stoff ist von einfachster Machart und schmutzabweisend, dazu gedacht, die Trägerin zu wärmen. Auf Behaglichkeit wurde kein Wert gelegt.

Das Tuch kratzt auf der Haut. Ich hasse das Kleid und alles, wofür es steht. Nämlich für das, was ich nicht bin. Bei der Nacht, manchmal weiß ich selbst nicht, wer ich bin, ich weiß nur, dass ich...

Erscheint lt. Verlag 11.10.2021
Reihe/Serie Demon Zyklus
Übersetzer Ingrid Herrmann-Nytko
Sprache deutsch
Original-Titel Desert Prince
Themenwelt Literatur Fantasy / Science Fiction Fantasy
Schlagworte Arlen • Dämonen • Das Lied der Dunkelheit • eBooks • epische Fantasy • Fantasy • Fantasy-Epos • Heroische Fantasy • High Fantasy • Jardir • Magie • progressive fantasy • SPIEGEL-Bestsellerautor • The Desert Prince
ISBN-10 3-641-19775-9 / 3641197759
ISBN-13 978-3-641-19775-9 / 9783641197759
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