Die Stunde des Propheten (eBook)

Thriller
eBook Download: EPUB
2021
496 Seiten
Goldmann Verlag
978-3-641-24961-8 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Die Stunde des Propheten - Håkan Östlundh
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Der zweite Band der neuen, großartigen Thriller-Trilogie aus Schweden - rasant, clever geplottet und brandaktuell!
Ein halbes Jahr ist es her, dass Elias Krantz' Vater bei einem Bombenanschlag in Sarajevo getötet wurde. Die Spur verfolgten Elias und seine Verbündete, die Diplomatin Ylva Grey, bis in die höchsten Kreise der schwedischen Regierung und zu machtvollen Geschäftsleuten, die ihre Interessen um jeden Preis durchsetzen. Elias, angetrieben von Rache, ist jetzt für den schwedischen Geheimdienst im Einsatz. Sein Auftrag: Er soll das zwielichtige Unternehmen von Eric Hands infiltrieren - einem der Drahtzieher des Sarajevo-Anschlags und zentrale Figur einer Intrige, die ganz Europa in den Abgrund zu stürzen droht. Auf Gotland kommt er Hands gefährlich nah ...

Håkan Östlundh, geboren 1962 in Uppsala, Schweden, studierte Literatur und arbeitete als Journalist. Er hat bereits mehrere Krimis und Romane veröffentlicht, die in Schweden zu Bestsellern wurden, zudem schreibt er Drehbücher für Film und Fernsehen. »Der Winter des Propheten« bildet den Auftakt seiner packenden Thriller-Trilogie um den Protagonisten Elias Krantz.

Einen Steinwurf entfernt das nächtliche, den Geruch von Salz verströmende Mittelmeer, das sich mit leisen Seufzern immer wieder von den Stränden zurückzieht, gleich hinter ihm die Croisette mit den Palmen, Pinien und den von Scheinwerfern angestrahlten Luxushotels. Es ist der einundzwanzigste August. Elias sitzt mit William Retzius vor zwei halb leeren Gin Tonics auf der Terrasse des Hotel Martinez. Die Schwedensaison an der Riviera neigt sich ihrem Ende zu, die französische erreicht gerade den Höhepunkt.

Er zieht das vibrierende Handy aus der Innentasche seines Blazers. Leichter Schwindel erfasst ihn, als er »Jenny« auf dem Display sieht, sein Tarnname für Ylva.

»Geh ruhig dran«, sagt Wille. »Ich muss sowieso aufs Klo.«

Wille zwängt sich zwischen den Tischen hindurch. Elias hält das Handy unschlüssig in der Hand. Wille darf auf keinen Fall mitbekommen, dass Elias mit Ylva spricht.

Elias wohnt im Hotel Martinez in Cannes in einer der kleineren Suiten mit französischem Balkon und einem atemberaubenden Blick auf das Mittelmeer, das an einem windstillen Sommertag eher türkis als azurblau leuchtet. In dem von vornherein zum Scheitern verurteilten Versuch, Massentourismus, verschwenderische Dekadenz und französischen Alltag unter einen Hut zu bringen, läuft die Stadt auf Hochtouren. Er investiert seit zwei Wochen in seine Bekanntschaft mit William Retzius. Wille studiert Jura und stammt aus einer wohlhabenden Stockholmer Familie. Seine Eltern sind Rechtsanwälte, aber nicht so vermögend wie viele Familien in seinem Freundeskreis. Und eben wegen dieser Beziehungen bemüht Elias sich so, Willes Freund zu werden.

Darum hat er bis in die Morgenstunden in exklusiven Clubs wie dem Baolo und dem Gotha abgefeiert, in sauteuren Restaurants gebruncht und sogar einen Wasserskiausflug überstanden, ohne seine Würde zu verlieren.

In diesen Kreisen muss immer wieder aufs Neue die Männlichkeit in Form von Trinkfestigkeit, körperlicher Fitness, Attraktivität und Zahlungsfähigkeit unter Beweis gestellt werden. So kommt es Elias jedenfalls vor, während Wille und seine Freunde vielleicht gar nicht darüber nachdenken, weil diese Dinge für sie einfach dazugehören.

Die nie versiegenden Ströme von Champagner und hochprozentigem Alkohol bereiten ihm in gewisser Weise die größten Schwierigkeiten. Seit der Operation soll Elias nur noch in Maßen trinken, am besten gar nicht. Die operative Entfernung des Tumors hinter seiner Schädelwand liegt jetzt sieben Monate zurück, aber er hat trotzdem keine Lust, sein Gehirn unnötigen chemischen Belastungen auszusetzen. Außerdem muss er sich auf seinen Auftrag konzentrieren. Er sieht sich sicherheitshalber um, bevor er sein Getränk in den großen Topf einer struppigen Palme schüttet.

Er hat Wille vor zwei Wochen in der Strandbar vom Martinez kennengelernt und sich langsam, aber sicher herangetastet, bei jedem Vorschlag – Wasserski! – begeistert angebissen und hin und wieder selbst die Initiative ergriffen, ohne sich aufzudrängen, mit Einladungen zum Brunch oder einmal zu einem Sieben-Gänge-Menü in einem alten Schloss oben in den Bergen, wo sich pünktlich zum Dessert das Dach öffnete und den Blick auf den Sternenhimmel freigab. Er hatte die Rechnung für die fünf Leute übernommen.

Der Abend ist jung und noch lange nicht vorbei. Elias winkt einem Kellner und bestellt noch einen Gin Tonic, damit er in dem Moment serviert wird, wenn Wille zurückkommt. Will er zeigen, dass er in Stimmung ist, kann er nicht nur dasitzen und in ein leeres Glas starren.

Er steckt das Handy wieder ein. Er trägt eine ausgewaschene Levi’s 501, braune Mokassins von Weston, einen dunkelblauen Blazer über einem hellblauen, am Kragen offenen Charvet-Hemd, das halblange Haar lässig aus dem Gesicht gestrichen und am Handgelenk eine Vintage-Omega, die er angeblich von seinem Vater geerbt hat. Eine Art Standarduniform für junge Männer ohne Geldsorgen aus Paris.

Nicht dass Wille das Stockholmer Pendant repräsentieren würde. Er trägt alte Segeltuchschuhe, Jeans und ein lässiges weißes Hemd. Seine kastanienbraunen Locken machen, was sie wollen. Elias kann sich seinerseits keine Experimente erlauben. Er wäre gerne mehr als eine Kopie, will aber auf keinen Fall als Exzentriker auffallen. Der französische Look muss für die persönliche Note reichen. Heute ist er sogar in farbigen Shorts über die Croisette spaziert, was ihm einiges an Selbstbeherrschung abverlangt hat.

Er spürt eine Hand auf der Schulter, als Wille sich hinter ihm durchschlängelt und auf den Stuhl gegenüber fallen lässt. Wille zündet sich eine Pall Mall an und bläst den Rauch rücksichtsvoll zur Seite aus, während der Kellner Elias’ neuen Gin Tonic auf den Tisch stellt.

»Lass ihn stehen oder trink ihn auf ex«, sagt Wille.

»Wieso das?«

»Wir ziehen weiter.«

Elias zieht die Augenbrauen hoch.

Wille grinst. »Es wird dir gefallen.« Mehr sagt er nicht.

»Wie geheimnisvoll«, sagt Elias. Er winkt dem Kellner erneut, um zu bezahlen.

»Mann, siehst du nervös aus.« Wille lacht.

Tatsächlich? Er muss dringend seine Mimik besser kontrollieren.

Wille klatscht einmal in die Hände, ein Tick, der ihn unvermeidlich überkommt, wenn er lacht.

Sie laufen auf der Croisette nach Osten, Wille hat eine Zigarette im Mundwinkel und schreitet lang aus. Elias fragt sich, ob ihm wieder eine durchzechte Nacht bevorsteht, bei der nichts herauskommt. Er weiß, dass es falsch ist, so zu denken. Dass er Wille innerhalb von kürzester Zeit so nahegekommen ist, ist an sich schon ein Erfolg, und ihm ist bewusst, dass er diese Bekanntschaft noch monatelang wird pflegen müssen, bis sie Früchte trägt.

Wille ist ein netter Kerl, aber die endlosen und in gewisser Weise monotonen Partys öden Elias an. Er versteht nicht, was Wille davon hat. Ist er Alkoholiker? Oder geht es ihm um die Mädchen, die er mit ins Hotel nimmt?

We’re up all night to the sun,

we’re up all night to get some.

We’re up all night for good fun,

we’re up all night to get lucky.

Der fünf Jahre alt Hit von Daft Punk darf auf keiner französischen Tanzfläche fehlen. Get lucky.

Willes Handy klingelt. Er zieht es aus der Tasche und hält es sich ans Ohr.

Sie biegen rechts ab zum Hafen, lassen die Lichter der Croisette und das majestätische Carlton mit den wehenden Fahnen über dem protzigen Eingang hinter sich. In der Bucht funkeln die Lampen der Boote, die dort vor Anker liegen.

»Wir warten am Ende des Kais«, sagt Wille ins Handy. »Nee, aber …« Er wird unterbrochen und schnappt nach Luft. »Okay, verstehe … Alles klar, kapiert. Tom und ich warten da auf euch … Nein, nein, er ist superrelaxt, du wirst …« Er nickt und brummt zustimmend. »Okay, nice.«

Wille klickt das Gespräch weg und sieht Elias zufrieden an. Ohne es zu merken, ist Wille noch schneller geworden. So aufgedreht hat Elias ihn noch nie erlebt.

»Du wirst Richard mögen«, sagt er.

Elias erstarrt mitten in der Bewegung, ein Bein schwebt in der Luft. Als hätte auch sein Gehör ausgesetzt, wird es für einen Moment ganz still. Dann schwellen die Geräusche wieder an: das Verkehrsrauschen, das Lachen in den Bars und der charmante Klang französischen Small Talks.

Richard. Kein seltener Name. Aber William Retzius ist mit Richard Hands befreundet, und der einzige Grund, warum Elias sich seit zwei Wochen bemüht, Willes Freund zu werden.

Richard Hands ist der Sohn von Eric Hands, Haupteigner des Atlas-Konzerns und dafür verantwortlich, dass Elias’ Vater am sechzehnten Januar dieses Jahres in Sarajevo von einer Bombe zerfetzt wurde.

Während er neben Wille herläuft, spürt er den Alkohol. Hat er doch mehr getrunken als gedacht, obwohl er heimlich eine ganze Menge weggeschüttet hat, oder ist er einfach von der Situation überrollt? Noch vor Kurzem hat er befürchtet, es würde Monate dauern, etwas zu erreichen, und nun geht ihm alles viel zu schnell, am liebsten würde er sich unter einem Vorwand zurückziehen.

Aber das kommt nicht infrage. Wer weiß, ob sich noch einmal so eine Gelegenheit ergibt.

Sie kommen an gigantischen Motorjachten vorbei, die die Ausmaße von kleineren Finnlandfähren haben und so aussehen, als könnten sie nur von Titanen gelenkt werden. Vermutlich ist genau dieser Eindruck beabsichtigt.

Elias fragt sich, ob eine von ihnen ihr Ziel ist, aber an Bord der meisten ist es still und dunkel. Auf einigen Jachten ist Wachpersonal zu sehen, aber auch an denen gehen sie vorbei.

Das Meer riecht nach Salz, aber auch nach Algen und irgendwie brackig. Ein irritierender Hauch von Vergänglichkeit, der in der Luft liegen wird, bis im Herbst das Wasser abkühlt.

Sie gehen bis ans Ende des Stegs. Tom und ich warten da auf euch, hatte Wille mit einer gewissen Unterwürfigkeit in der Stimme gesagt.

»Fahren wir raus?«, fragt Elias.

»Yes.«

Wille zündet sich eine neue Zigarette an, will Elias auch eine anbieten, hält aber mit entschuldigendem Schnaufen mitten in der Bewegung inne. Die Flamme seines Feuerzeugs flackert auf und hinterlässt einen leuchtenden orangen Punkt, der mit Willes gestikulierender Hand durch die Dunkelheit fährt.

»Wer ist dieser Richard?«, fragt Elias.

»Du wirst ihn mögen«, wiederholt Wille, ohne das weiter zu vertiefen.

Nach einer Weile hören sie draußen in der Bucht das Dröhnen eines Motors. Ein Schlauchboot mit festem Rumpf brettert über die...

Erscheint lt. Verlag 21.6.2021
Reihe/Serie Die Elias-Krantz-Trilogie
Die Elias-Krantz-Trilogie
Übersetzer Katrin Frey
Sprache deutsch
Original-Titel Den falska profeten
Themenwelt Literatur Krimi / Thriller / Horror Krimi / Thriller
Schlagworte Agententhriller • Anna Tell • Anschlag • eBooks • Elias Krantz • Joakim Zander • Korruption • scandi crime • Schweden • Skandinavien • Stockholm • Thriller • Thriller Neuerscheinung 2021 • Trilogie
ISBN-10 3-641-24961-9 / 3641249619
ISBN-13 978-3-641-24961-8 / 9783641249618
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