Die Insel der Wünsche - Klippen des Schicksals (eBook)

Roman

(Autor)

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2021 | 1. Auflage
640 Seiten
Goldmann (Verlag)
978-3-641-25802-3 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Die Insel der Wünsche - Klippen des Schicksals -  Anna Jessen
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Helgoland 1925. Die Insel erlebt eine Zeit von Glanz und Reichtum. Die ganze Welt scheint sich in den Felsen verliebt zu haben und dort das Leben feiern zu wollen. Tine Tiedkens hat sich nach den schweren Kriegs- und Nachkriegsjahren eine neue Existenz als Blumenhändlerin und Hebamme aufgebaut. Auch für ihre Tochter Henriette fügt sich zunächst alles zum Besten, als ihr Mann Otto den reichen Bankier Silberbach als Gönner für seinen Bootsbau gewinnt. Doch Ende der 20er Jahre ändert sich das politische Klima, das Böse verschont auch die Insel nicht. Und schon bald schweben Tine und Henriette in höchster Gefahr ...

Anna Jessen liebt die Nordsee seit der Kindheit. Daher ist jede mögliche Reise dorthin eine willkommene Gelegenheit, sich den Wind um die Nase wehen zu lassen, Feuersteine zu sammeln und auf der Düne den Gedanken nachzuhängen. Helgoland ist für Anna Jessen die »Insel der Wünsche«, faszinierend durch die einzigartige Natur, die liebenswerten Menschen und nicht zuletzt durch die besondere Geschichte, die dieser Fels erlebt hat. Neben dem Reisen gilt die ausgesprochene Leidenschaft Anna Jessens dem Schreiben, der Musik und der Arbeit im Buchhandel.

Erstes Kapitel

Wie immer herrschte bei Stövers Gedränge. Obwohl die alteingesessene Familie den Kramerladen vor einiger Zeit deutlich vergrößert hatte und jetzt mit dem Hinweis auf »Feinkost« warb, standen die Kunden eng auf eng – und das war durchaus ein weiterer Grund, weshalb alle Welt sich dort traf: Stövers Laden war seit jeher ein Ort gewesen, wo man das Neueste erfuhr oder Gerüchte loswerden konnte. An jenem Tag allerdings schien es auf der ganzen Insel nur ein einziges Thema zu geben.

»Sie müssen mächtig stolz auf Ihren Mann sein, Jette!«, erklärte Katja Stöver, die mit den Jahren füllig geworden war. »Und ihr natürlich auf euren Papa!« Sie zwinkerte den Kindern zu, die neben Jette standen. Während Julchen geradezu ein wenig zu wachsen schien, versteckte sich Sven hinter Jettes Rock und klammerte sich fest an ihr Bein. »Hach, ist er nicht putzig?«, rief die Kramerin und lachte.

Jette seufzte. »Na ja, er ist eben erst zwei. Da sind sie putzig. Und schüchtern. Aber frech sind sie trotzdem.« Sie wuschelte Svens Haar und versuchte dann, vom Thema abzulenken. »Also, ich hätte dann gern zwei Pfund Mehl, Frau Stöver.«

Doch die Kramerin ließ sich das Thema nicht nehmen. »Nun erzählen Sie doch, wie es passiert ist!«, drängte sie.

»Es warten aber doch Kunden, Frau Stöver«, wandte Jette ein und wies mit dem Kopf auf die Schlange, die sich hinter ihr gebildet hatte.

»Wir haben Zeit!«, beschied ihr eine der Olsen-Töchter, die hinter ihr stand, und legte fröhlich lächelnd ihre Hände auf den hochschwangeren Bauch. Jette seufzte erneut, dann sagte sie: »Eigentlich war es doch eine Selbstverständlichkeit, nichts weiter.«

»Dass einer von uns Heldentaten begeht?«

»Dass wir Menschen in Seenot retten«, erklärte Jette. »Und das war es ja nicht einmal. Ein Inselgast ist einfach zu weit hinausgeschwommen.«

»Stimmt es, dass es eine preußische Prinzessin war?«, wollte die Olsen-Tochter wissen.

»Nein«, stellte Jette richtig. »Es war die Frau eines Kurgastes aus Hamburg.«

»Eines Bankiers!«, erklärte Katja Stöver. »Baron Silberstein, richtig?«

»Silberbach«, korrigierte Jette. »Nun, Otto hat bemerkt, dass sie offenbar am Ende ihrer Kräfte war. Die Strömung eben …« Ja, das kannten sie alle. Helgoland war umgeben von Strömungen, die auch den besten Schwimmer mit sich ziehen und in höchste Gefahr bringen konnten. »Er hat sein Ausflugsboot hingelenkt und sie an Bord gezogen.«

»Mit einer Hand!«, rief die Kramerin mit wichtiger Miene.

»Tja. Er hat nun mal nur die eine«, erwiderte Jette. »Also, wie gesagt, Mehl bräuchte ich …«

»Und sie war noch bei Bewusstsein?«

»Die ganze Zeit, ja.«

Das schien die Damen, die hinter Jette standen, nun doch zu enttäuschen. Eine Ohnmächtige zu bergen, die in den nächsten Sekunden für immer in den Fluten versunken wäre, das wäre doch um Einiges aufregender gewesen.

»Ein guter Mann ist er, Ihr Otto.«

Jette nickte. Das war ein Punkt, in dem sie ganz eins mit der Kramerin war. »Gewiss«, sagte sie. »Und der liebe Gott hat es auch gut gemeint.«

Als sie wenige Minuten später wieder aus dem Laden trat, kreuzte der alte Doktor Fest ihren Weg. Nach langen Jahren war er wieder auf die Insel zurückgekehrt, um hier seinen Lebensabend zu verbringen. Mit einem Lächeln lupfte er seinen Hut und nickte Jette zu. All die Zwistigkeiten der Vergangenheit schienen vergessen zu sein, sicher auch, weil sich sowohl Jette als auch ihre Mutter Fests Respekt über die Jahre erarbeitet hatten. Denn auch wenn Jette inzwischen im Insel-Café auf der Düne arbeitete, so war sie doch ausgebildete Krankenschwester und ging ihrer Mutter immer wieder zur Hand. Nach wie vor war Tine auf Helgoland die einzige Hebamme – und die einzige Blumenhändlerin.

Jette nickte lächelnd zurück, weil sie keinen Grund sah, Doktor Fest seine früheren Gehässigkeiten nachzutragen. Dann nahm sie Sven an die eine Hand, während sie in der anderen den Einkaufskorb trug, bei dessen Transport ihr Julchen half.

Es war ein sonniger Maientag, nicht zu heiß und nur mit leichter Brise. Die Insel strahlte und erwartete in den nächsten Stunden wie an jedem Tag der Saison die Ankunft der Kurdampfer, die für einige Stunden Tausende Besucher bringen würden sowie für mehr oder weniger lange Aufenthalte einige Hundert. Seit nach dem Krieg wieder so etwas wie Normalität eingekehrt war und seit die Helgoländer ihre Insel, die schwer unter der Besetzung durch das kaiserliche Militär gelitten hatte, wiederhergestellt hatten – prächtiger als zuvor! –, erfreute sich Helgoland einer Beliebtheit wie noch nie. Die Gästehäuser und Hotels waren meist ausgebucht, und das, obwohl die Preise eindrucksvoll waren. Von allen Häusern das teuerste war freilich das Hotel Imperial Helgoland, das Jettes Vater hatte errichten lassen, ehe er auf tragische Weise ruiniert worden und zu Tode gekommen war.

Ausgerechnet im Imperial residierte auch Bankier Silberbach mit seiner Gemahlin, die von Otto aus höchster Not gerettet worden war. Und natürlich fand der Empfang, den sich der Bankier auszurichten nicht hatte abhalten lassen, auch dort statt. »Heute Abend?«, rief denn auch prompt Hetti Hennerkes, die mal wieder aus dem Friseursalon Faber kam.

»Heute Abend«, rief Jette zurück und winkte ihr. Innerlich verdrehte sie die Augen. Die Tochter des Reeders Hennerkes war ein Biest. Schon öfter hatte sie Otto schöne Augen gemacht – und nicht nur ihm! Unter den Frauen Helgolands galt Hetti als »Blondes Gift«. Vor allem aber wusste Jette, dass Hetti ein Problem hatte, das nicht nur sie irgendwann in große Schwierigkeiten bringen würde. Genau genommen waren es wohl zwei Probleme, wobei Jette nicht klar war, welches davon auf das jeweils andere zurückzuführen war.

Schon von fern sah Tine Heesters ihre Tochter mit den Kindern die Promenade am Südstrand entlangkommen. Die alte Bootsbauerwerkstatt, in der Jette mit ihrer Familie wohnte, lag etwas abseits Richtung Hafen. Tine hatte sich in den Schatten eines alten Holunderstrauchs auf die Bank gesetzt und aus einigen Margeriten zwei hübsche Kränzchen gewunden, die sie den Kleinen zu schenken gedachte. Selbst mit Einkaufskorb und zwei Kindern sah Jette hinreißend aus, fand Tine. Aber vielleicht war es ja auch nur der Stolz einer Mutter auf ihre Tochter. Und zu Stolz hatte Tine allen Grund. Jette hatte als Krankenschwester die dunkelsten Stunden dieser Insel miterlebt, hatte Grausames gesehen und Schreckliches erlitten. Und doch war sie strahlend wie die Sonne, als sie so den Südstrand entlangkam.

»Omi!«, rief Julchen, als sie ihre Großmutter sah. Tine winkte und lachte. Sie sprang auf und lief ihrer Enkeltochter entgegen, die sich in ihre Arme warf, um sich wild herumwirbeln zu lassen. Wenn Tine mit ihrer Enkeltochter unterwegs war, hielt man sie beide oft für Mutter und Tochter. Zumindest behaupteten das alle, denn in Wirklichkeit war es natürlich so, dass auf einer so kleinen Insel wie Helgoland jeder jeden kannte und deshalb alle wussten, dass Julchen trotz Tines jungen Jahren ihr Enkelkind war. »Schau, was ich dir gemacht habe!« Tine zog Julchen zur Bank und reichte ihr einen der Blumenkränze. »Für die Haare.«

»Jetzt bin ich eine Prinzessin!«, rief Julchen und setzte sich das zierliche Kunstwerk auf.

»Das bist du doch sowieso«, lachte Tine. Sie hielt Sven den anderen Kranz hin. »Sven auch Prinzessin«, murmelte der, und die beiden Frauen lachten. »Ja!«, stimmte Jette zu und wuschelte sein Haar, ehe sie ihm den Kranz aufsetzte. »Du bist auch eine Prinzessin. Eine ganz besondere.«

»Prinzessin Sven die Erste!«, sagte Tine, entzückt über die Unschuld dieses kleinen Kerlchens.

»Hoppla!«, ertönte da eine Männerstimme hinter ihr. »Der junge Mann hier wird Kapitän, damit das mal klar ist!«

»Otto!«, rief Tine und wandte sich zu ihrem Schwiegersohn um, der in der Tür aufgetaucht war, wie immer mit hochgekrempelten Ärmeln und braungebranntem Gesicht unterm ungezähmten Haarschopf. »Moin!«

»Moin, Tine. Willst du mal unser neues Prachtstück sehen?« Otto war als Bootsbauer so ehrgeizig, wie er als Vater liebevoll war. Tines Glück, ihn an der Seite ihrer Tochter zu wissen, hätte nicht größer sein können. »Zuerst muss ich dir zu deiner Heldentat gratulieren.«

»Nun fang du nicht auch noch an, Tine«, erwiderte Otto und winkte ab. »Das wird mir langsam peinlich. Es scheint, die ganze Insel spricht von nichts anderem mehr.«

»In der Tat«, erklärte Tine. »Die ganze Insel spricht von nichts anderem mehr.«

»Es war wirklich nichts Besonderes«, stellte ihr Schwiegersohn klar. »Jeder hätte das getan.«

»Nur dass du es eben nicht getan hättest, sondern getan hast

Otto zuckte die Achseln. Er deutete nach hinten zur Werkstatt. »Und?«

»Aber sicher«, sagte Tine. »Zeig mir dein neuestes Meisterstück.«

»Na, ein Meisterstück ist es noch nicht«, sagte Otto, während er durchs Haus nach hinten ging, wo ein ungewöhnlich langes und ausnehmend schlankes Boot aufgedockt war, dem zwar noch die Aufbauten fehlten, das aber jetzt schon aussah, als würde es wie ein Torpedo durch die Wellen flitzen. »Eher eine Studie auf dem Weg dorthin.«

Jette, die hinter ihnen hergekommen war, verdrehte die Augen. »Maler fertigen Studien an, Otto«, sagte sie. »Nicht Bootsbauer.«

Otto grinste und zwinkerte seiner Frau zu. »Also ich jedenfalls bin Bootsbauer. Und ich fertige Studien an. Das...

Erscheint lt. Verlag 26.7.2021
Reihe/Serie Die Helgoland-Saga
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Historische Romane
Schlagworte Blumenladen • eBooks • Familiensaga • Frauenromane • Frauenschicksal • frühes 20. Jahrhundert • Generationenroman • Hebamme • Helgoland • Hotel • Liebesromane • Nordsee • Seebad • Wahre Begebenheit
ISBN-10 3-641-25802-2 / 3641258022
ISBN-13 978-3-641-25802-3 / 9783641258023
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