Ein Weingut für sein Schweigen (eBook)

Kriminalroman

(Autor)

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2021 | 1. Auflage
384 Seiten
dtv Deutscher Taschenbuch Verlag
978-3-423-43843-8 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Ein Weingut für sein Schweigen -  Paul Grote
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Band 17 der erfolgreichen Weinkrimi-Reihe Was geschieht auf dem ehemaligen Gut der Familie Semmering? Und wer ist Peter Studt wirklich? Nur ein Strohmann - oder betreibt er das Weingut bei Meißen? Alexander Semmering, Enkel des seit 1945 verschollenen Besitzers, will es wissen. Doch die Mauer des Schweigens scheint undurchdringlich. Deshalb beauftragt er den Moselwinzer Georg Hellberger, die Fragen zu klären. Hellberger nimmt den Auftrag an, er freut sich auf die sächsischen Weine. Doch bereits auf dem Weg dorthin wird er verfolgt ...

Paul Grote ist Deutschlands bekanntester Weinkrimi-Autor. Als Reporter in Südamerika entdeckte er sein Interesse für Wein und Weinbau und machte ihn zu seinem Thema. Seitdem hat er die wichtigsten europäischen Weinbaugebiete bereist und 18 Weinkrimis veröffentlicht.

Paul Grote ist Deutschlands bekanntester Weinkrimi-Autor. Als Reporter in Südamerika entdeckte er sein Interesse für Wein und Weinbau und machte ihn zu seinem Thema. Seitdem hat er die wichtigsten europäischen Weinbaugebiete bereist und 18 Weinkrimis veröffentlicht.

1. Kapitel
Der Auftrag


»Wer war der Mann?« Georg Hellberger ging um seinen Schreibtisch herum und setzte sich, mehr an der Post interessiert, die heute gekommen war, als an der Beantwortung seiner Frage. Es kamen häufig allerlei Leute bei ihnen auf dem Weingut vorbei, die irgendetwas wollten.

»Das hat der Herr mir nicht verraten«, antwortete Klaus, seit einem halben Jahr auf dem Weingut Berthold & Hellberger als Kellermeister tätig.

»Hast du ihn nicht gefragt?« Georg griff nach dem Brief vom Finanzamt. Er hatte es sich zur Regel gemacht, die unangenehmen Dinge als Erstes zu erledigen. Eine Forderung erwartend, riss er den Umschlag auf.

»Was denkst du denn?« Klaus baute sich unwillig ihm gegenüber auf. »Selbstverständlich habe ich gefragt. Aber er meinte, dass er lieber mit dem Chef persönlich sprechen würde, der feine Herr, nicht mal mit der Chefin …«

»Reg dich nicht gleich auf.« Georg starrte auf den Bescheid. »Ich tu’s auch nicht.« Aber er lächelte.

»Vom Finanzamt?« Klaus streckte den Hals, wollte einen Blick auf das Schreiben werfen. »Was gibt’s da zu lächeln?«

»Wenn man was zurückbekommt, womit man nicht gerechnet hat – ist das kein Grund zum Lächeln? Nun, wer war der Mann wohl? Irgendwas muss er ja gewollt haben …«

»Das glaube ich auch, nur mir hat er es nicht gesagt. Ich habe ihn nach seiner Visitenkarte gefragt, auch damit wollte er nicht rausrücken, aber er sah nicht so aus, als hätte er keine. Ein komischer Vertreter …«

»Hat er keinerlei Andeutungen gemacht? Welchen Eindruck hattest du von ihm?« Georg war neugierig geworden. Er kannte Klaus lange genug, um auf seine Urteilsfähigkeit zu bauen. Vor acht Jahren, als er an die Mosel gekommen war und gegenüber auf dem Weingut von Stefan Sauter eine Weile gelebt hatte, war Klaus noch Lehrling gewesen, in permanentem Streit mit seinem Ausbilder. Inzwischen hatte er die Hochschule in Geisenheim absolviert, hatte seinen Master gemacht – und als Georg sich endgültig mit Susanne Berthold zusammengetan, das Nebenhaus gekauft, die Keller erweitert und einige Hektar Rebland gepachtet hatte, brauchten sie dringend jemanden wie ihn.

Georg hatte von Klaus unendlich viel über den Weinbau gelernt, und er hatte eine gute, kollegiale Art, ihm, seinem Chef, sein Wissen zu vermitteln. Er kannte die Mosel und ihre Hänge, wusste, was dem Boden und den Reben zuzumuten war, kannte das Klima so gut wie die Nachbarn und die Mentalität der übrigen Bewohner des Moseltals. Er war einer von ihnen. Georg hingegen fühlte sich hier auch nach acht Jahren häufig noch immer fremd. Trotz des Altersunterschieds und seiner Position als Chef verband Klaus und ihn seit Langem eine Freundschaft. Wenn es um Wein und Menschen ging, hörte er grundsätzlich auf Klaus’ Rat, weniger auf den seiner Frau. Sie hingegen hielt den Laden und die Patchworkfamilie zusammen.

»Er kam um neun Uhr auf den Hof – ich hatte gerade mein Frühstück beendet – und starrte die Tanks an, besonders hatte es ihm unsere neue Korbpresse angetan. Er fragte speziell nach dir. Er komme aufgrund einer Empfehlung, es sei etwas Persönliches.«

»Hat er zumindest gesagt, auf wessen Rat hin?«

Klaus schüttelte den Kopf. »Auch das nicht. Ich hielt ihn anfangs für einen Wichtigtuer. Aber dazu trat er zu geschäftsmäßig auf, so um die fünfzig, nehme ich an, glattes Gesicht, irgendwie vornehm, war gut angezogen, teure Krawatte, teure Armbanduhr, soweit ich das beurteilen kann. Genau der Typ, der gern teure Weine trinkt.«

Georg lächelte, er kannte diese Spezies. »Er hat keine Telefonnummer hinterlassen, gar nichts, den Wohnort vielleicht?« Ihm schwante nichts Gutes. Auf eine Empfehlung hin war er gekommen? Als Winzer oder Weinbauexperte wird man eher Klaus als mich empfohlen haben, dachte er, oder Stefan Sauter von gegenüber. Georg hielt sich mittlerweile zwar für recht gut in Sachen Weinbau und Kellerwirtschaft, aber ihm fehlte noch unendlich viel, er spürte es jeden Tag, denn die Bedingungen, unter denen sie Wein anbauten, änderten sich nicht mehr nur von Jahr zu Jahr.

Aber er holte auf, sein Bezug war Klaus, den er in seinem zweiten Lehrjahr kennengelernt hatte. Mit seinen sechsundzwanzig Jahren hatte er ihm gegenüber einen riesigen Vorsprung, hatte ihm das Studium von Weinbau, Önologie und Kellerwirtschaft voraus. Dass Georg ihm jeden Monat einen Zuschuss hatte zukommen lassen, war nicht ohne Eigennutz geschehen. Auch Stefan Sauter, Klaus’ Lehrmeister und sein Winzerfreund, hatte monatlich zweihundert Euro rübergeschoben. Sonst hätte er es nicht geschafft, seine Mutter hätte ihn als Alleinstehende nicht drei Jahre lang finanzieren können. Und mit Bafög kam man nicht weit. Jetzt profitierten sie alle, Sauter wie Georg, von dem brandaktuellen Wissen des jungen Mannes. Bei Sauter konnte er nur deshalb nicht arbeiten, weil er sich mit dessen Kellermeister Bischof nach fünf Minuten bereits in die Haare geriet.

Georg hätte sich lieber mit Wein beschäftigt oder mit dem positiven Bescheid des Finanzamtes, aber der Besuch des Unbekannten ließ ihm keine Ruhe. In Sachen Wein wäre Klaus durchaus ein guter Ansprechpartner gewesen, aber da der Fremde ihn hatte sprechen wollen, konnte es nur mit seiner Vergangenheit in Hannover zu tun haben. Daran erinnerte er sich noch immer mit einem gewissen Schauder. Die Ereignisse von damals hatten ihn lange verfolgt, in seinen Gedanken, in seinen Träumen und vor dem Arbeitsgericht durch die Instanzen.

»Na ja, er wird sich wieder melden«, meinte Klaus. »Wenn er wirklich was will – oder auch nicht.« Für ihn schien das Thema erledigt, er wandte sich ab und öffnete die Bürotür. »Du findest mich mit Tarek im Lager. Am Nachmittag will ich zur Sonnenuhr, mir den Zustand unserer Reben dort ansehen. Ich nehme an, du kommst mit?«

»Selbstverständlich, wenn der Unbekannte mir nicht dazwischenfunkt. Wir sehen uns beim Mittagessen?«

Klaus schaute auf die Armbanduhr, nickte und verschwand eilig. Ihm musste niemand erklären, was zu tun war.

Georg starrte auf die Tür, die der Kellermeister lautlos geschlossen hatte. Er bewegte sich sowieso immer lautlos, außer er saß auf seiner Geländemaschine und knatterte durch Zeltingen-Rachtig. Georg nahm das Schreiben des Finanzamtes zur Hand und starrte auf die Buchstaben und Zahlen. Doch statt sie wahrzunehmen, brachen sich die Erinnerungen an sein früheres Leben in Hannover Bahn.

Mit Judo hatte alles angefangen. Wenn er heute daran zurückdachte, war ihm klar: Er hatte seine Schwäche, fremden Ansprüchen etwas entgegenzusetzen, mit dem Kampfsport kompensieren wollen. Aber das war ihm weder gelungen noch bewusst gewesen. Sein Sport und sein kräftiger Körperbau hatten ihm allerdings die Möglichkeit eröffnet, sich als Security bei Rockkonzerten und anderen Massenevents das Geld für sein Studium zu verdienen, etwas, das seine Eltern für Unsinn hielten. Eine kaufmännische Lehre täte es auch, so sein Vater. Unter Betriebswirtschaft konnten sie sich wenig vorstellen – sogar das Abitur hatte er nur unter Protest machen dürfen –, und außerdem habe er ihnen schon lange genug auf der Tasche gelegen.

So war er zu der Sicherheitsfirma gekommen, für die er vorher die Muskeln hatte spielen lassen. Und irgendwann nach Jahren war er kaufmännischer Geschäftsführer geworden – bis sein Chef kränkelte und die Amerikaner den Laden übernahmen, ihn in COS umbenannten, Customers Overseas Service, und seiner Ansicht nach eine Agentur für Wirtschaftsspionage daraus machen wollten. Sein Widerstand gegen diese Veränderung war der Grund für den unvermeidlichen Rauswurf. Ob es dabei geblieben war, ob die Firma eine Abteilung des Special Collection Service geworden war, einer US-Abhörorganisation mit Sitz in der Berliner Botschaft, oder sich auf die Überwachung deutscher Politiker und Konzerne spezialisiert hatte, entzog sich seiner Kenntnis.

Nach ihm hatten weitere Mitarbeiter gekündigt, die wie er die Arbeit von COS als gefährlich angesehen hatten. Aber die in dem jahrelangen Prozess erstrittene Abfindung hatte ihm die Mittel eingebracht, um sich hier ins Weingut von Susanne einzukaufen. Von seinem Haus in Hannover hatte seine Exfrau die Hälfte bekommen, die andere Hälfte hatte als Eigenkapital gereicht, den Kredit für den Kauf des Nachbarhauses abzusichern und nötige Umbaumaßnahmen durchzuführen, unter anderem die Keller zusammenzulegen, den Zwischenraum zwischen beiden Häusern zu überdachen und einige bestockte Flächen hinzuzupachten. Georg starrte noch immer vor sich hin, als Susanne den Raum betrat.

»Was schaust du so finster? Welche düsteren Gedanken plagen dich denn gerade?« Sie trat neben ihn und legte ihm beruhigend den Arm um die Schultern. »Du siehst so angespannt aus, mein Lieber, als würden dich die bösen Geister heimsuchen. Was ist los?«

»Nichts, es ist nichts«, wehrte Georg ab und wusste, dass Susanne es ihm nicht abnahm. Aber er wollte sie nicht mit den alten Geschichten behelligen. Die Gegenwart war deutlich besser als ihrer beider Vergangenheit. »Hast du etwas von dem Besucher mitbekommen, der nach mir gefragt hat?«

»Das macht dir Sorgen?« Susanne hatte Klaus zwar mit einem Fremden im Hof sprechen sehen, doch sie hatte den beiden Männern keine weitere Aufmerksamkeit geschenkt. »Ich war viel zu beschäftigt mit der guten Nachricht, die vorhin per E-Mail reingekommen ist. Wir haben den Auftrag von der Cateringfirma. Sie wollen drei gemischte Paletten für einen Event. Sie haben die Preise akzeptiert. Tarek hat bereits mit dem Packen...

Erscheint lt. Verlag 20.8.2021
Reihe/Serie Europäische-Weinkrimi-Reihe
Europäische-Weinkrimi-Reihe
Verlagsort München
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Krimi / Thriller / Horror Krimi / Thriller
Schlagworte Buch für den Urlaub • Buchgeschenk Männer • Buch-Geschenk Weinliebhaber • DDR • DDR-Weinanbau • Deutschland • Elbetal • Krimi • Kulinarischer Krimi • LPG • Meißen • Mosel • Moselweine • Sachsen • Urlaubslektüre • Wein • Weinanbau • Weinanbaugebiet • Weinfreund • Weinkrimi • Weinverkostung • Wendezeit • Winzer
ISBN-10 3-423-43843-6 / 3423438436
ISBN-13 978-3-423-43843-8 / 9783423438438
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