G. F. Unger Western-Bestseller 2488 (eBook)

Einmal verlieren sie alle

(Autor)

eBook Download: EPUB
2020 | 1. Aufl. 2020
64 Seiten
Bastei Lübbe (Verlag)
978-3-7517-0601-8 (ISBN)

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G. F. Unger Western-Bestseller 2488 - G. F. Unger
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Im Morgengrauen kam ich mit meinem kleinen Bruder Ollie in den Mietstall, wo unser ältester Bruder Bill im Stroh lag.
Bill war von einer Ladung Indianerschrot fast in Stücke geschossen worden, und dass er noch so lange lebte, bis wir bei ihm sein konnten, war nur seiner unwahrscheinlichen Energie zuzuschreiben.
Er grinste etwas mühsam und sah mich dabei an.
»So ist das immer«, flüsterte er tonlos. »Eines Tages erwischt es jeden von uns. Das musst du dir gut merken, Jesse, denn der Kleine hat jetzt nur noch dich. Ich weiß, dass du mit dem Colt noch schneller wurdest als ich, Jesse. Aber werde nie ein Revolvermann - nie! Denn einmal verlieren sie alle.«
Damit hatte er mir gesagt, was er noch sagen wollte. Es musste ihm sehr am Herzen gelegen haben. Aber danach war seine Energie verbraucht. Er starb von einem Atemzug auf den anderen. Sein Blick blieb bis zuletzt auf mich gerichtet.
Behutsam schloss ich ihm die Augen.


Einmal verlieren
sie alle

Im Morgengrauen kam ich mit meinem kleinen Bruder Ollie in den Mietstall, wo unser ältester Bruder Bill im Stroh lag.

Bill war von einer Ladung Indianerschrot fast in Stücke geschossen worden, und dass er noch so lange lebte, bis wir bei ihm sein konnten, war nur seiner unwahrscheinlichen Energie zuzuschreiben.

Er grinste etwas mühsam und sah mich dabei an.

»So ist das immer«, flüsterte er tonlos. »Eines Tages erwischt es jeden von uns. Das musst du dir gut merken, Jesse, denn der Kleine hat jetzt nur noch dich. Ich weiß, dass du mit dem Colt noch schneller wurdest als ich, Jesse. Aber werde nie ein Revolvermann – nie! Denn einmal verlieren sie alle.«

Damit hatte er mir gesagt, was er noch sagen wollte. Es musste ihm sehr am Herzen gelegen haben. Aber danach war seine Energie verbraucht. Er starb von einem Atemzug auf den anderen. Sein Blick blieb bis zuletzt auf mich gerichtet.

Behutsam schloss ich ihm die Augen.

Ich hing sehr an Bill. Er hatte Ollie und mir den Vater ersetzt, so gut es ging. Er war unser Freund, Kamerad und großer Bruder gewesen. Obwohl er viele Jahre umhergezogen war, kam er sofort heim, als unsere Eltern an Typhus gestorben waren. Und er tat alles, um uns den festen Platz und das Heim zu erhalten.

Doch in der vergangenen Nacht hatte ihn seine rauchige Vergangenheit eingeholt.

Der Mann, der ihm mit der Schrotflinte auflauerte, hatte gewiss irgendeinen Freund oder Verwandten rächen wollen. Oder er war nur ein Werkzeug und für diese »Arbeit« gekauft worden?

Er hatte aus einer Box gefeuert, als mein Bruder in den Mietstall trat und sich unter der Laterne befand, die im Vorraum hing. Bill hatte ihn noch mit dem Colt erwischt. Aber was hatte er davon? Er konnte sein Leben nicht retten.

Einer von den Männern, die noch im Stall waren, sagte zu mir: »Der andere Tote war gewiss ein angeworbener Mörder. Er hat fünf halbe Hundert-Dollar-Scheine in der Tasche und wollte sich heute die fünf anderen Hälften verdienen.«

Ich begriff alles.

Mit meinen neunzehn Jahren war ich ja alt genug.

Ich hatte meinen Arm um die Schultern meines kleinen Bruders gelegt.

Ollie war erst zwölf. Aber er weinte nicht. Zum letzten Mal hatte er geweint, als wir unsere Eltern beerdigten. Das war vor fast zwei Jahren gewesen. Jetzt weinte er nicht, doch er schluckte, als müsste er einen Kloß herunterwürgen. Ollie tat mir leid. Auch er hatte sehr an Bill gehangen.

Der Leichenbestatter sagte aus dem Hintergrund: »Jungs, wir sehen, dass ihr es wie Männer ertragt. Ihr McGillens seid schon eine besondere Sorte. Wir werden euren Bruder Bill heute um zwölf Uhr neben euren Eltern bestatten. Es ist euch doch recht?«

Ich nickte nur.

✰✰✰

Als Ollie und ich später im Restaurant saßen und lustlos unser Frühstück herunterwürgten, kamen wir uns sehr einsam und verlassen vor. Ollie wollte nicht essen. Aber ich sagte immer wieder: »Stopf es runter. Sonst machst du in den nächsten Tagen schlapp. Willst du das riskieren? Ich will dir etwas sagen. Es hat sich jetzt alles verschoben. Bisher war Bill der Große, und er konnte sich auf mich voll verlassen. Jetzt muss ich mich auf dich so verlassen können wie er sich auf mich verlassen konnte. Hast du verstanden? Und wenn du nichts essen willst wie ein kranker Hammel, wirst du schlappmachen. Also iss!«

Ich sprach absichtlich etwas hart mit ihm. Ich wollte nicht weich sein, sonst würde er vielleicht doch zu weinen beginnen.

Er gab sich Mühe.

So saßen wir eine Weile am Ecktisch im Restaurant und konnten durch das Fenster sehen, wie die Stadt allmählich in Betrieb kam.

Ich wunderte mich, wie diese kleine Stadt einfach zur Tagesordnung übergehen konnte, wo doch unser Bruder Bill totgeschossen worden war. Aber dann begriff ich, dass Bill nur für Ollie und mich wichtig war und sonst für niemanden.

Wir waren kleine Leute mit einem Haufen Schulden. Gewiss, unsere Ranch würde eines Tages schuldenfrei und wertvoll sein. Wenn alles gut ging, waren wir in zehn Jahren gemachte Leute.

Mir schoss es plötzlich heiß durch den Körper.

Schulden!

Es war wie ein Alarmsignal, wie ein Messerstich, wie ein Schrei.

Ich begriff, dass unsere Schulden für mich das große Problem waren, an dem ich gleich am Anfang scheitern konnte. Ich durfte mich da keinen Illusionen hingeben.

Diese Stadt kannte keine Gnade. Niemand in diesem Land kannte Großzügigkeit, Schonung oder Hilfe. Die Zeiten waren hart. Wir alle hatten hier ein paar schreckliche Winter erlebt, die viele Rinder das Leben kosteten. Und die Typhusepidemie vor fast zwei Jahren hatte in fast jede Familie Not gebracht.

In unserem Land war sich jeder selbst der Nächste.

Ich stand plötzlich auf und sagte zu Ollie: »Ich gehe zur Bank hinüber, Ollie. Warte hier.«

In mir war kein gutes Gefühl, als ich durch den Staub der Fahrbahn auf die andere Seite ging. Auf dem Plankengehsteig nahm ich meinen alten Hut ab und klopfte mir damit die Kleidung sauber.

Ich wusste, dass ich auf den Bankier einen guten Eindruck machen musste. Er musste mich für einen zuverlässigen Mann halten, sonst hatte ich verloren.

Nun, ich war äußerlich fast schon ein Mann. Ich war neunzehn, maß über sechs Fuß und wog hundertachtzig Pfund. Ich war dunkelhäutig und dunkelhaarig wie alle McGillens.

Aber ich war natürlich noch kein Mann, was Erfahrung und alle anderen Dinge betraf, die für einen Mann selbstverständlich sind.

Der Bankier empfing mich sofort.

Er betrachtete mich genau, denn er war ein Mann, der nicht zuletzt davon lebte, dass er Menschen richtig beurteilte. Schließlich erging es ihm wie einem Spieler. Der setzt sein Geld auf eine bestimmte Karte. Und ein Bankier muss ein Geld auf einen Menschen setzen.

Er hatte es auf unseren Bruder Bill gesetzt, als unsere Eltern damals starben. Bill war ihm für die hinterlassenen Schulden unseres Vaters sicher genug.

Aber wie war es jetzt?

Ich sagte: »Sir, es bleibt doch nach dem Tod meines Bruders alles beim Alten, nicht wahr? Sie vertrauen mir doch, wie Sie meinem Bruder vertrauten? Die Jahre vergehen schnell. Mein kleiner Bruder wächst ebenfalls heran. Wir schaffen es mit der Ranch schon. In drei Jahren bringen wir die erste große Fleischherde zum Verkauf. Dann fangen wir an, die Kredite zurückzuzahlen, die Sie ...«

Ich verstummte, denn er schüttelte seinen Kopf.

»Es tut mir leid«, sagte er.

Diese vier Worte trafen mich wie ein Schlag in den Magen.

In seinen Augen las ich, dass er nicht nur den Tod meines Bruders meinte, sondern mich unterbrach, weil es sinnlos für mich war, weiter bei ihm zu betteln.

Er sagte: »Du bist einfach zu jung, Jesse. Du kannst die Ranch nicht halten. Wenn du fünf Jahre älter wärst – aber ich kann nichts riskieren. Noch habt ihr eine Herde auf der Weide. Aber die Viehdiebe dort in den Hügeln werden immer schlimmer. Sie fürchteten sich vor eurem großen Bruder, weil er ein gefährlicher Revolverkämpfer war. Vor dir, mein Junge, fürchten sie sich nicht. Eure Rinder wird man zuerst holen. Ich verliere dann das Geld. Es ist nicht mein Geld. Man vertraute es mir an, damit es arbeitet und Gewinn abwirft. Ich machte damals mit deinem Vater einen Vertrag und übertrug ihn später auf deinen Bruder, obwohl ich Zweifel hatte, ob ein ruheloser Revolvermann wie er überhaupt sesshaft werden könnte. Nun, er wurde es. Das war vielleicht sein Pech, denn er hatte Schatten auf der Fährte. Die Vergangenheit holte ihn ein. Jesse McGillen, ich gebe euch drei Tage Zeit. Entweder zahlt ihr die Schuld eures Bruders – dann behaltet ihr die Ranch –‍, oder ich übernehme sie. In diesem Fall würde ich euch noch ein paar hundert Dollar auszahlen, denn ich will euch nicht die Haut abziehen. Ich will nur den reellen Gegenwert für mein Geld. Du kannst aber auch versuchen, selbst die Ranch zu verkaufen. Wenn du einen guten Preis erzielst, kannst du mir die Schulden deines Bruders zurückzahlen und behältst vielleicht sogar noch einen Tausender übrig. In drei Tagen, Jesse McGillen!«

Den letzten Satz sagte er hart. Und seine glasklaren Augen waren genauso hart wie seine Lippen.

Betteln hatte keinen Sinn. Wahrscheinlich hatte er schon einen Interessenten für unsere Ranch, von dem er entweder Bargeld bekam oder dem er zutraute, dass er die Ranch besser führen und schneller zum Gewinnabwurf bringen würde.

Ich hatte verloren.

Wie hart konnte doch das Leben sein, wie gnadenlos die Menschen. Und wie sehr musste man sich selber helfen.

Während ich zu meinem kleinen Bruder zurückging, begriff ich es richtig. Wir würden kein Heim mehr haben, keinen festen Platz. Wir würden herumziehen und nach etwas suchen müssen. Aber wonach?

In diesem Land wollte ich nicht bleiben.

Hier hatten wir McGillens zu viel Pech gehabt.

✰✰✰

Drei Tage später waren wir unterwegs. Wir hatten jeder ein Sattelpferd. Unsere Habe und der Proviant waren auf ein Maultier gepackt, das einen guten Packsattel trug.

Ich besaß den Colt meines großen Bruders Bill. Im Sattelschuh steckte das Gewehr unseres Vaters. In meiner Tasche aber befanden sich siebenhundert...

Erscheint lt. Verlag 3.11.2020
Reihe/Serie Western-Bestseller
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Krimi / Thriller / Horror
Literatur Romane / Erzählungen
Schlagworte 2017 • 2018 • Abenteuer-Roman • alfred-bekker • Bestseller • bud-spencer • buffalo-bill • Cassidy • Chaco • clint-eastwood • Country • Cowboy • Deutsch • e Book • eBook • E-Book • e books • eBooks • Erwachsene • Exklusiv • für • GF • g f barner • Indianer • jack-slade • Jugend • Karl May • kelter-verlag • Kindle • Klassiker • Krimi • Laredo • larry-lash • Lassiter • lucky-luke • Männer • martin-wachter • pete-hackett • peter-dubina • Reihe • Ringo • Roman-Heft • Serie • sonder-edition • Western • Western-roman • Westernromane • Wilder Westen • Wilder-Westen • Winnetou • Wyatt Earp • Wyatt-Earp
ISBN-10 3-7517-0601-1 / 3751706011
ISBN-13 978-3-7517-0601-8 / 9783751706018
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