Das Leid der Ketzerin (eBook)

(Autor)

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2020 | 1. Auflage
400 Seiten
Aufbau digital (Verlag)
978-3-8412-2530-6 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Das Leid der Ketzerin - Martina Kempff
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»Tötet sie alle, Gott wird die Seinen erkennen!«

Juni 1219. Im Auftrag des Papstes stürmen zehntausend Kreuzfahrer die französische Stadt Marmande, um die ketzerische Glaubensgemeinschaft der Katharer niederzumetzeln. Doch Clara, die Tochter des Herrschers von Toulouse, überlebt wie durch ein Wunder. Angekommen am königlichen Hof in Paris versucht sie Blanka, die Frau des Thronfolgers, dafür zu gewinnen, dem Terror gegen die Katharer ein Ende zu bereiten. Aber Blankas Gemahl hat geschworen, die Ketzer mit allen Mitteln zu bekämpfen. Die Eintracht zwischen den beiden Frauen wird auf eine schwere Probe gestellt, und schließlich müssen sie im Moment größter Gefahr eine folgenschwere Entscheidung treffen ... 

Dieser historische Roman erschien vormals unter dem Titel 'Die Kathedrale der Ketzerin'.



Martina Kempff ist Autorin, Übersetzerin und freie Journalistin. Sie war unter anderem als Redakteurin bei der Berliner Morgenpost und als Reporterin bei Welt und Bunte tätig, bevor sie beschloss sich künftig dem Schreiben von Büchern zu widmen. Ihre historischen Romane zeichnen sich durch hervorragende Recherche und außergewöhnliche Heldinnen aus. Martina Kempff lebt im Bergischen Land.

Prolog


Barone und Damen und kleine Kinder,

Männer und Frauen, alle nackt und tot,

In Stücke zerhauen mit blutigen Schwertern.

Herausgerissne Lebern und Herzen

liegen umher, wie zum Vergnügen verteilt.

Rot glänzt der Boden, als sei blutiger Regen gefallen,

Die Stadt versinkt in Feuer und Asche.

 

Anonymer zeitgenössischer Troubadour

über das Massaker von Marmande

Ende Mai 1219


Bist du von allen guten Geistern verlassen?«

Raimund von Toulouse packte die Tochter, die ihm siebzehn Jahre zuvor eine seiner Gespielinnen mit den Worten: »Nimm den Balg oder ich ertränke ihn«, in den Arm gedrückt hatte, und schüttelte sie.

»Hier herrscht Krieg, Clara!«, brüllte der Graf. »Was fällt dir ein, den sicheren französischen Hof zu verlassen und zu uns in den gefährlichen Süden zu kommen?«

»Simon von Montfort ist doch tot«, wisperte Clara. »Ich dachte, damit ist alles vorbei.«

»Nichts ist vorbei!«, donnerte Graf Raimund. Er zog seine gewaltigen Pranken zurück, die sich in Claras Schultern gegraben hatten. »Du musst augenblicklich nach Paris zurück!«

Clara warf einen flehenden Blick auf ihren Halbbruder, der in einem ordentlichen Ehebett gezeugt und nach dem Vater benannt worden war. Bei ihrer Ankunft hatte er ihr zugeflüstert, wie wunderschön sie doch erblüht sei. Das großartige Gefühl, am Grafenhof von Toulouse willkommen zu sein, hätte Clara gern weiter ausgekostet. Die Heftigkeit des Vaters erschreckte sie. Er hätte die so lange abwesende Tochter nicht schütteln, sondern in die Arme schließen sollen!

»Darf ich nicht zu Hause bleiben?«

Sie biss sich auf die Lippen. Die Frage klang eine Spur zu weinerlich. Wahrscheinlich, weil sie nicht ganz von Herzen kam. Claras Zuhause war schließlich der französische Königshof in Paris, an dem sie seit zehn Jahren in der Obhut der Kronprinzessin Blanka von Kastilien lebte. Die vierzehn Jahre Altere ersetzte Clara gewissermaßen die so früh aus ihrem Leben entschwundene Mutter.

Aber Blanka war auch Mutter vieler eigener Kinder, von denen andauernd eines starb. Woran sie sich offenbar nicht gewöhnen konnte. Als kürzlich ihr neunjähriger Liebling Philipp das Zeitliche gesegnet hatte, ihre größte Hoffnung für Englands und Frankreichs Throne, war sie für acht Wochen in ihren Gemächern verschwunden, hatte Claras Gesellschaft abgelehnt und sich nur von ihrem geliebten Gemahl Kronprinz Ludwig trösten lassen. So gründlich, dass sie danach wieder guter Hoffnung und somit in einer Sphäre war, in die Clara ihr nicht folgen konnte.

Am Königshof war es überhaupt traurig und langweilig geworden. Viele Gefährtinnen hatten geheiratet und die meisten der früher so fröhlichen jungen Männer das Kreuz geschultert, um irgendwelche Häretiker im benachbarten Okzitanien auszurotten, in Graf Raimunds und somit auch Claras Heimatland. Das Unbehagen, auch kirchentreue Christen ins Jenseits zu schicken, war der frohen Aussicht gewichen, Ablass für Sünden zu erhalten, ohne sich auf eine gefahrvolle Reise ins Heilige Land begeben zu müssen.

»Wir sind mittendrin, Clara, und es wird immer schlimmer«, meldete sich jetzt ihr Halbbruder Raimund zu Wort. »Simons Sohn Amaury wütet wie sein Vater und wird nicht ruhen, bis wir allesamt vernichtet sind. Wir können froh sein, Toulouse zurückerobert zu haben.«

»Wie unverantwortlich von meiner Nichte Blanka, dich ziehen zu lassen!«, schimpfte der alte Graf. Er fuhr sich durch den kurzen eisengrauen Schöpf, bis dieser wie ein Stachelkranz sein Haupt krönte. Am liebsten hätte er sich jedes Haar einzeln ausgerissen. Das würde aber auch nichts an dem traurigen Gedanken ändern, seine Tochter nur bei jenen in Sicherheit zu wissen, die sein Land und ihn zerstören wollten.

Clara senkte die Lider.

»Blanka weiß nicht, dass ich hier bin«, flüsterte sie fast unhörbar.

»Du hast dich ohne Erlaubnis vom Hof entfernt?«

Clara hob trotzig das Kinn.

»Und du beschützt ohne Erlaubnis Häretiker?«, fragte sie herausfordernd zurück.

Ihr Vater holte mit der rechten Hand aus. Clara zuckte zusammen. Sie rechnete mit einem Schlag, der sie in die hinterste Ecke des Saals befördern würde, doch der Graf stapfte mit zitternder hocherhobener Hand an ihr vorbei und riss die Tür auf.

»Schick sie augenblicklich zu den Franzosen zurück!«, brüllte er seinen Sohn an und knallte die Tür hinter sich ins Schloss.

 

Eine Stunde später saß Clara bereits wieder auf der schwarzen Stute, mit der sie am frühen Morgen in Toulouse eingetroffen war.

»Wo sind die Männer, die dich hergebracht haben?«, fragte Raimund, der ihr Pferd vor der Burg am Zügel hielt.

Clara atmete tief das süße Aroma der weißlichen Blüten des Geißblatts ein, das sich an einer Hecke vor dem Gemäuer der Burg in die Höhe rankte. Zu späterer Stunde wird es noch betörender duften, kamen mit einem Mal Erinnerungen an laue Frühlingstage ihrer Kindheit auf. Das Geißblatt im Mai roch noch stärker als der Lavendel im Juli.

»Nun, wo sind sie, deine Ritter?«, hakte Raimund ungeduldig nach.

Sie würde der Frage nicht entkommen können. Beziehungsreich sah sie vom Pferd auf ihren Bruder hinab und ließ ihr Schweigen für sich sprechen.

Raimunds schönes dunkles Antlitz verdüsterte sich.

»Das darf nicht wahr sein!«, brachte er ungläubig hervor. »Du hast getarnten Kreuzrittern die Möglichkeit geboten, in Toulouse einzureiten?«

Genau das hatte sie getan, und sie begann sich deswegen schuldig zu fühlen. Aber über Freund und Feind hatte sie sich keine Gedanken gemacht, als sie am Königshof nach männlichem Schutz für ihre Reise Ausschau gehalten hatte. Sie hatte vor allem Blankas Sorge hervorrufen, die Kronprinzessin für die vermeintliche Gleichgültigkeit ihr gegenüber strafen wollen. Zudem hatten die dunklen und kalten Pariser Wintermonate wieder einmal Sehnsucht nach südlicher Wärme und fröhlicher Leichtigkeit in ihr aufkommen lassen. In ihr, die in die leuchtenden Farben des Südens hineingeboren war, hatte das graue Einerlei jenseits des Cité-Palasts Schwermut aufkommen lassen. Das nach Fäulnis riechende Wasser der Seine ekelte sie ebenso an wie der Regen, der den gesamten März über unaufhörlich Kot, tote Ratten und faulenden Unrat durch die Gassen der Stadt geschwemmt hatte. Selbst wenn südlich der Garonne keine liebende Mutter ihrer harrte: Der Familiensitz in Toulouse war ihr als überaus erstrebenswertes Ziel erschienen.

Clara interessierte sich nicht für Politik und verstand nichts davon. Sie wusste nur so viel, dass sich England standfest weigerte, französisch zu werden, und sich irgendwelche Ketzer dem Papst widersetzten und deshalb umgebracht werden sollten. Mit ihrem Leben, ihren Wünschen, ihrer Sehnsucht und ihrer Zukunft hatte dies alles nichts zu tun.

Hatte es aber doch, wie sie zu ihrem Entsetzen nach der Ankunft in Toulouse feststellen musste. Kaum war sie mit ihren fünf Begleitern durch die Tore der Stadt geritten, wendeten diese plötzlich ihre Mäntel und wiesen die mit einem roten Kreuz auf der rechten Schulter bestickten Innenseiten vor. Mit höflichem Hohn dankten sie der Grafentochter für den Schutz, den ihr Name ihnen gewährt hatte, und sprengten in die Stadt davon.

»Du hast unsere Feinde zu uns gebracht?«, hakte Raimund nach. Seine sonst so klangvolle Stimme war schneidend scharf.

»Wer anders hätte mich denn begleiten sollen?«, gab Clara spitz zurück. »Unser Haus hat offensichtlich keine Freunde mehr im Norden. Auch deshalb wollte ich zu meiner wirklichen Familie zurückkehren. Hätte ich mich etwa ganz allein auf den Weg machen sollen?«

»Du hättest gar nicht erst kommen dürfen.«

»Das werde ich auch nie wieder tun!«, fauchte Clara. »Nie wieder werdet ihr eure Augen auf mich richten, auf die Schwester, die Tochter, die wie eine räudige Katze aus dem Haus ihrer Geburt gejagt wird! Ich wünschte mir nicht einmal, ich wäre tot, denn ihr würdet mein Hinscheiden gewiss nicht beklagen, sondern feiern!«

Sie brach in Tränen aus.

»Steig ab, Clara«, sagte Raimund leise. Sie schüttelte den Kopf und schluchzte weiter: »Wo ich nicht gewünscht werde, mag ich nicht verbleiben.«

Raimund sog die Luft tief ein, ohne der duftenden Lieblichkeit des Geißblatts gewahr zu werden.

»Das sollst du auch nicht. Ich will nur von Angesicht zu Angesicht mit dir reden, Clara«, gab er tonlos zurück. »Du hast offenbar weder die geringste Ahnung von diesem Krieg noch von den Gefahren, in die du andere gebracht und dich selbst begeben hast. Wahrscheinlich weißt du nicht einmal, dass ich letztes Jahr diese Stadt gemeinsam mit allen Bewohnern sechs Wochen lang...

Erscheint lt. Verlag 1.12.2020
Reihe/Serie Starke Frauen, dunkle Zeiten
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Historische Romane
Schlagworte Aristokratie • Französischer König • Frauenschicksal • historisch • Historischer Roman • Iny Lorenz • Katharer • Ken Follett • König • Liebe • Notre-Dame • Paris • Ralf Dorweiler • Sabine Weiß
ISBN-10 3-8412-2530-6 / 3841225306
ISBN-13 978-3-8412-2530-6 / 9783841225306
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