Die Götter der Dona Gracia (eBook)

Roman

(Autor)

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2021 | 1. Auflage
768 Seiten
S. Fischer Verlag GmbH
978-3-10-491222-6 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Die Götter der Dona Gracia -  Peter Prange
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Eine starke Frau zwischen Religionen, Liebe und Schuld - der Erfolgsroman vom Bestseller-Autor Peter Prange. Lissabon, 1528. Gracia Mendes ist Jüdin. Aber aus Furcht vor der Inquisition muss sie wie eine Christin leben, stets in der Gefahr, enttarnt zu werden. Gegen ihren Willen wird sie mit einem Mann verheiratet, der scheinbar skrupellos Profit aus der Not seiner jüdischen Glaubensbrüder schlägt. Doch bald wird der vermeintliche Verräter zur großen Liebe ihres Lebens. Unter der grausamen Gewaltherrschaft der Inquisition wird Gracia gezwungen, zusammen mit Tausenden Glaubensbrüdern und -schwestern quer über den Kontinent zu fliehen. Je verzweifelter sie versucht, ihrem Glauben treu zu bleiben, desto tiefer verstrickt sie sich in Schuld an den Menschen, die sie liebt. Doch darf man für die Liebe zu Gott die Liebe zu den Menschen opfern? Der Roman erschien bei Droemer unter dem Titel 'Die Gottessucherin'

Bestsellerautor Peter Prange ist der große Erzähler der deutschen Geschichte. Als Autor aus Leidenschaft gelingt es ihm, die eigene Begeisterung für seine Themen auf Leser und Zuhörer zu übertragen. Die Gesamtauflage seiner Werke beträgt weit über drei Millionen. ?Der Traumpalast? ist sein vierter großer Deutschland-Roman. Die Vorläufer sind Bestseller, etwa sein Roman in zwei Bänden, ?Eine Familie in Deutschland?. ?Das Bernstein-Amulett? wurde erfolgreich verfilmt, der TV-Mehrteiler zu ?Unsere wunderbaren Jahre? begeisterte in zwei Staffeln ein Millionenpublikum. Der Autor lebt mit seiner Frau in Tübingen.

Bestsellerautor Peter Prange ist der große Erzähler der deutschen Geschichte. Als Autor aus Leidenschaft gelingt es ihm, die eigene Begeisterung für seine Themen auf Leser und Zuhörer zu übertragen. Die Gesamtauflage seiner Werke beträgt weit über drei Millionen. ›Der Traumpalast‹ ist sein vierter großer Deutschland-Roman. Die Vorläufer sind Bestseller, etwa sein Roman in zwei Bänden, ›Eine Familie in Deutschland‹. ›Das Bernstein-Amulett‹ wurde erfolgreich verfilmt, der TV-Mehrteiler zu ›Unsere wunderbaren Jahre‹ begeisterte in zwei Staffeln ein Millionenpublikum. Der Autor lebt mit seiner Frau in Tübingen.

2


Einer Feuersäule gleich, stand die Sonne am Himmel und sandte ihre Strahlen auf die Praça do Rossio herab. Von vier hohen Mauerwänden umgeben, herrschte auf dem menschenvollen, abgesperrten Platz eine Hitze wie in Nebukadnezars Feuerofen.

»Was werden sie mit uns tun?«

Philippa konnte kaum sprechen, so trocken war ihr Mund, und vor Schwäche wurde ihr immer wieder schwarz vor Augen.

»Ich weiß es nicht, mein Kind«, erwiderte ihre Mutter.

Philippa zupfte am Mantel ihres Vaters. »Werden sie uns zu den Eidechsen bringen?« Ihr Vater war der Rabbiner, er wusste alles. Aber ihr Vater hob nur die Arme. »Wir sind in der Hand des Haschem. Er wird über uns wachen. Gelobt sei sein Name!«

Es war am Tage des Pessachfestes. Alle im Reich verbliebenen Juden, zwanzigtausend an der Zahl, waren wie Schlachtvieh im Geviert der Praça do Rossio zusammengepfercht, dem größten Platz der Stadt, wo sonst Reitturniere und Zirkusspiele stattfanden. Philippa und ihre Eltern hatten in der Synagoge gebetet, als die Schergen des Königs in das Gotteshaus eingedrungen waren, gerade in dem Augenblick, als der Chasan, der Kantor, vor den Thoraschrein trat, um das Kaddisch als Schlussgebet zu sprechen. Sie waren direkt von der Synagoge zur Praça geschleppt worden, zusammen mit den übrigen Mitgliedern der Gemeinde. Drei Tage war das her. Drei Tage unter freiem Himmel, bei sengender Hitze in denselben Kleidern, drei Tage ohne einen Bissen Brot und fast ohne einen Schluck Wasser. Niemand hatte mehr die Kraft zu stehen. Die Alten und Kranken hockten an den Mauern im Schatten, die anderen lagen im Staub, schutzlos der Sonne ausgesetzt. Es stank nach Schweiß und Kot und Urin.

»Ich habe solchen Durst«, flüsterte Philippa. »Ich kann gar nicht mehr schlucken.«

Ihre Mutter strich ihr über den Kopf. »Denk an eine Zitrone und stell dir vor, wie du in sie hineinbeißt.«

Während in der Nähe die Kirchenglocken von Santa Justa anschlugen, schloss Philippa die Augen. Tatsächlich, bei der Vorstellung sammelten sich ein paar Tropfen Speichel in ihrem Mund. Aber als sie ihn hinunterschluckte, spürte sie nur umso schlimmer die Leere in ihrem Magen.

»Ich habe Hunger.«

»Klage nicht, meine Tochter«, sagte ihr Vater. »Gott ist gerecht. Er wird für uns sorgen.«

»Warum haben wir dann nichts zu essen und zu trinken?«

»Denk an den Propheten Daniel. Mit Fasten hat er sich auf die Offenbarung vorbereitet.«

»Ich habe solche Angst, dass sie uns zu den Eidechsen bringen.«

Angeblich lagen in Belém schon die Schiffe für sie bereit. Niemand konnte wirklich sagen, wohin sie auslaufen sollten, doch die meisten Juden hatten dieselbe Befürchtung wie Philippa. Es war erst wenige Jahre her, da hatte der spanische König Hunderte ihrer Glaubensbrüder nach São Tomé gebracht, einer einsamen Insel mitten im Ozean, wo es nur Eidechsen gab – und giftige Schlangen.

»Hab keine Angst«, sagte die Mutter. »Vielleicht sind die Schiffe ja unsere Rettung. Hat Gott nicht Noah eine Arche bauen lassen, um ihn vor der Vernichtung zu bewahren?«

Philippa unterdrückte ihre Tränen. Ja, vielleicht würde man sie mit den Schiffen nur außer Landes bringen, nach Frankreich oder Deutschland oder Afrika in die Berberei, um die Bedingung der spanischen Infantin zu erfüllen.

»Da!«, rief Isaak, der Chasan, aus der Synagoge. »Da! Seht nur!« Kaum einen Steinwurf von Philippa entfernt, hatte sich, flankiert von Soldaten, ein Dominikaner in weißem Habit und schwarzer Cappa aufgebaut. Er hielt einen Schlauch Wasser und einen Laib Brot in die Höhe. Als er seine Stimme erhob, schallten seine Worte über den ganzen Platz.

»Kommt her zu mir alle, spricht Christus, der Herr, ihr alle, die ihr mühselig und beladen seid. Ich will euch erquicken!«

Die Juden starrten ihn mit leeren Augen an. Der Mönch behauptete, im Auftrag des Königs gekommen zu sein. In Dom Manuels Namen forderte er sie auf, sich zum Christentum zu bekennen, versprach ihnen das himmlische Paradies und irdische Ehren, wenn sie freiwillig die Taufe annehmen würden.

Noch während der Dominikaner redete, krochen die ersten Juden zögernd auf ihn zu, auf allen vieren im Staub, wie scheue, hungrige Tiere, die, angelockt vom Duft einer Speise, sich zugleich vor dessen Quelle zu fürchten schienen.

Obwohl Philippa erst zwölf Jahre alt war, verstand sie, was dort vor sich ging. Vor einem halben Jahr hatte der König von den Kanzeln der Kirchen Befehl erlassen, dass alle jüdischen Untertanen binnen sechs Monaten die Taufe empfangen oder Portugal verlassen müssten – bei Androhung der Todesstrafe. Scharen von Juden hatten daraufhin den katholischen Glauben angenommen, andere waren in fremde Länder geflohen. Zwanzigtausend Menschen aber, die Männer und Frauen auf der Praça, waren geblieben, um sowohl ihrer Heimat als auch ihrem Glauben treu zu bleiben. Jetzt war die Frist verstrichen, die Grenze geschlossen, und Hunger und Durst sollte sie zwingen, ihrem Gott abzuschwören.

»Jedem von euch, der sich heute taufen lässt«, rief der Dominikaner, »gewährt Dom Manuel die Rückkehr in seine alten Rechte. Jeder darf sein Handwerk ausüben, jeder Handel treiben wie zuvor. Wer aber Christus sein Herz verschließt und sich weigert, seinem Ruf zu folgen, der ist fortan ein Sklave des Königs, sein persönliches Eigentum, mit dem Dom Manuel verfahren wird, wie es Seiner königlichen Majestät beliebt.«

Der Mönch verstummte, um seine Rede wirken zu lassen.

»Sie wollen unsere Seelen«, murmelte Philippas Vater. »Oder sie schicken uns auf die Galeeren.«

Philippa hörte zwar die Worte, doch berührten die Laute nur ihr Ohr. Von Hunger und Durst gequält, flößte ihr diese Speisung Begierde und Abscheu zugleich ein. Immer mehr Juden scharten sich um den Mönch. Winselnd verlangten sie die Taufe, reckten die Arme in die Höhe nach den Brotlaiben und Wasserschläuchen, von denen die Soldaten all jenen zu essen und zu trinken gaben, die sich zu Jesus Christus als ihrem Erlöser bekannten.

Philippa drehte sich zu ihrem Vater um. Hunger und Durst waren stärker als ihr Abscheu.

»Bitte«, flüsterte sie, »sie geben uns Wasser und Brot.«

»Willst du deine Seele um ein Stück Brot und einen Schluck Wasser verkaufen? Sieh nur, wie sie kriechen im Staub – Würmer vor einer Krähe, der sie sich selbst zum Fraß anbieten.«

Ihr Vater hatte Tränen in den Augen, und seine Lippen zitterten, so sehr schmerzte es ihn, ihr die Bitte zu verwehren. Um ihren Blick nicht länger ertragen zu müssen, verhüllte er sein Gesicht mit dem Mantel.

Die Mutter erkannte Philippas Not. »Ist die Berührung mit ein paar Tropfen Weihwasser wirklich dieses Elend wert?«, fragte sie ihren Mann. »Bitte, habt Erbarmen mit Eurer Tochter!«

»Schweig still, Weib«, erwiderte der Vater in seiner Verhüllung, »oder hast du vergessen, dass wir aus dem Hause David stammen?«

Voller Neid sah Philippa zu, wie die anderen sich am Wasser und Brot der Soldaten labten. Sogar Isaak, der Chasan, war unter ihnen – auch er hatte die Taufe begehrt. Mit verdrehten Augen trank er aus einem Wasserschlauch, während seine Frau Judith gierig ihre Zähne in ein Stück Brot hieb.

Philippa war verzweifelt. Was sollte sie tun? Sollte sie ihrem Vater den Gehorsam verweigern? Oder sollte sie hier verdursten und verhungern?

Da ertönte in ihrem Rücken eine hohe Stimme.

»Schma Jisrael!«

Ein Jude hatte sich aus dem Staub erhoben, ein dunkelhäutiger Morgenländer, den Philippa noch nie gesehen hatte. Der kleinwüchsige Mensch war vom Fasten mager wie ein Skelett. Doch seine Stimme klang so hell und rein wie die eines Sängers.

»Schma Jisrael!«, rief er noch einmal. »Höre, Volk Israel! Im Traum sind mir drei Tauben erschienen. Eine weiße, eine grüne und eine schwarze. Wollt ihr wissen, was sie bedeuten?«

Wie ein Gesang verhallten die Worte in der flirrenden Luft. Die Menschen auf dem Platz hoben murmelnd die Köpfe.

»Ich will es euch sagen«, fuhr der Orientale fort, »die weiße Taube – das sind die treu gebliebenen Juden. Die grüne Taube – das sind die Juden, die im Herzen schwanken. Die schwarze Taube aber – das sind die Juden, die sich vom Glauben ihrer Väter abgewandt haben.«

Er machte eine Pause. Philippa lief ein Schauer über den Rücken.

»Hoch am Himmel zogen die drei Tauben ihre Bahn. Doch gleich traten mächtige Schützen auf, mit Pfeil und Bogen, und streckten sie alle drei zu Boden.«

Ein Klagelaut aus Hunderten von Seelen antwortete dem Orientalen. Der hob seine Arme.

»Aber ich habe noch mehr gesehen. Zwei Berge habe ich gesehen und eine Königin in einem Gewand so weiß wie Schnee. Der eine Berg war Edom, das Reich der Christen, der andere Berg war Israel, das Reich der Juden. Die Königin aber war Esther. Sie hielt eine Schriftrolle in der Hand, in welcher das Schicksal der beiden Reiche aufgezeichnet war.«

Ein Jude nach dem anderen erhob sich aus dem Staub. Auch Philippa stand auf, um den Morgenländer besser zu hören.

»Schma Jisrael! Siebzig Wochen Strafe sind über das Volk Israel verhängt, zur Verbüßung seiner Schuld, so wurde mir offenbart. Dann wird dem Frevel ein Ende gemacht, und die Sünde ist abgetan, und der Messias wird kommen, um die Edomiter zu vernichten. Eine Wasserflut wird sich über ihr Reich ergießen, und der Berg Edom wird in einem gewaltigen Beben der Erde zerbersten. Das Volk Israel aber wird sich erheben, und die weiße Taube wird sich wieder zum Himmel aufschwingen, und die grüne Taube wird die weiße Farbe annehmen.«

Wie einem Erlöser lauschte Philippa dem Mann, zusammen mit den anderen Juden. Die Worte perlten von seinen Lippen...

Erscheint lt. Verlag 28.4.2021
Verlagsort Frankfurt am Main
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Historische Romane
Schlagworte 16. Jahrhundert • Bestsellerautor • Die Gottessucherin • Freiheit • Historischer Roman • Jüdin • Jüdische Diaspora • Jüdische Frauen • Jüdische Gemeinde • Ken Follett • Liebe • Lissabon • Mittelalter • Papst • Peter Prange • Portugal • Rebecca Gablé • Starke Frau • zwangstaufe
ISBN-10 3-10-491222-X / 310491222X
ISBN-13 978-3-10-491222-6 / 9783104912226
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